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Vier neue Sprachen an einem Tag. 3PO saß an seinem Computer in der Solo-Wohnung. Da die Kinder nicht zu Hause waren, gab es für ihn keine Verpflichtungen, und er nutzte die Zeit, um in den neuen Sprachen aufzuholen. Zwei stammten von erst kürzlich entdeckten Planeten, zwei waren neue Droidensprachen. Das machte dann achtzehn neue Droidensprachen in der letzten Woche oder zwei Komma fünf sieben eins Sprachen pro Tag.
Die Computerstation befand sich in der Nähe der Kinderzimmer. 3PO hatte davor Platz genommen, weil Jaina einmal von ihm verlangt hatte, daß er das tat. Anakin hatte die Wände mit Klebebildern von Helden der Alten Republik verziert. 3PO hatte ihn gebeten, sie wieder zu entfernen, aber Anakin hatte es »vergessen«, ein Wort, das er häufig benutzte, wenn er in Wirklichkeit etwas nicht tun wollte.
In der unteren Ecke des Bildschirms blitzte ein winziges Icon auf. Es war eine kleine R2-Einheit. 3PO drückte mit einem goldenen Finger eine Taste, worauf das Icon den ganzen Bildschirm ausfüllte. Dann drückte er eine weitere Taste, und das Icon verwandelte sich in eine hektisch flackernde Botschaft.
NOTFALL
NOTFALL
NOTFALL
Mit der Y-Taste war ein Spezialcode verbunden. 3PO öffnete die Anwendung, worauf der Schirm sich mit Binärdaten füllte. Die Nachricht kam von R2. Er befand sich mit jemandem namens Cole Fardreamer im Wartungsbereich, und man bezichtigte sie der Sabotage. Die Nachricht war aktuell und wiederholte sich ohne Unterlaß.
3PO schlug zwei weitere Tasten an. R2 war immer noch online. 3PO setzte dazu an, eine Antwort abzusenden, als der Bildschirm sich verdunkelte.
R2 war verschwunden.
Kueller wunderte sich darüber, wie schnell die Kredits verschwanden. Er saß an seinem Schreibtisch auf Almania. Die Vorhänge waren offen, und unter ihm funkelten die Lichter der Stadt. Die Türme der Je'har waren schwarze Flecken vor der nächtlichen Skyline. Leere. Ruinen. Ein Zeichen von Kuellers gewaltiger Macht.
Aber um diese Macht aufrechtzuerhalten, würde er Geld brauchen. Er würde die Schätze von Pydyr auf dem freiem Markt verkaufen müssen. Seine Agenten hatten bereits angefangen, diskret mit den größten Sammlern in der Galaxis Fühlung aufzunehmen. Wenn er die Häuser von Pydyr im Paket verkaufen konnte und die Juwelen von Pydyr als ein weiteres Paket und die Kleidung von Pydyr als ein drittes, würde er dabei genug Kredits einnehmen, um Phase drei seiner Operation zu Ende zu führen.
Phase eins war beendet, und Phase zwei war im Gang.
Kueller lehnte sich in seinem Sessel zurück. Seine Handschuhe lagen auf dem Tisch neben den fünf kleinen Computerbildschirmen. Seine Hände wirkten im künstlichen Licht blaß. Die Hände eines jungen Mannes. Nicht die Hände des mächtigsten Mannes in der Galaxis.
Noch nicht.
Aber bald. Sehr bald.
Mit einem diskreten Gongschlag meldete sich seine private Leitung. Er berührte den Bildschirm. Brakiss' Gesicht erschien. Sein blondes Haar war zerzaust, und sein Blick war gequält. Brakiss hatte also Skywalker gegenübergestanden. Kueller verstand die Zeichen zu deuten.
»Also«, sprach Kueller, ohne darauf zu warten, daß Brakiss etwas sagte, »er hat in Ihrem gequälten Herzen Fragen aufgeworfen.«
Brakiss zuckte zusammen. Wenn Skywalker imstande war, Brakiss in Versuchung zu führen, einen Mann, der das Imperium von ganzem Herzen geliebt hatte, dann konnte er jeden in Versuchung führen. Kueller hatte die richtige Wahl getroffen: Skywalker und alle, die an ihn glaubten, mußten vernichtet werden. Das war der nächste Schritt. Nur damit konnte er seinen Erfolg sichern.
»Ist er jetzt Ihr Meister, Brakiss?« fragte Kueller.
»Nein!« Die Frage schien Brakiss so zu erschrecken, daß er von seinem Bildschirm zurückfuhr. Sein Bild wurde kleiner. Brakiss selbst schien Kueller jetzt kleiner.
»Wer ist dann Ihr Meister, Brakiss?«
»Niemand«, antwortete Brakiss. Sein Mund war eine dünne Linie, seine Augen blickten tieftraurig und von Angst erfüllt. »Ich will jetzt raus, Kueller. Ich bin fertig.«
Kueller ließ seine Totenmaske lächeln, obwohl er äußerst verstimmt war. »Was hat Skywalker mit Ihnen gemacht?«
»Nichts.«
»Warum haben Sie dann so plötzlich den Glauben verloren?«
»Nicht plötzlich, Kueller. Sie wollten nicht, daß ich ihn töte.«
»Trotzdem haben Sie es versucht.«
Wieder zuckte Brakiss zusammen.
Kueller beugte sich vor. Er wußte, daß seine Totenkopfmaske jetzt Brakiss' ganzen Bildschirm ausfüllte. »Sie haben es versucht und es nicht geschafft. Und Skywalker hat Sie aus der ganzen Güte seines Jedi-Herzens heraus leben lassen. Und jetzt sind Sie Ihrem alten Meister dankbar und fragen sich, wie irgend jemand ihn wohl besiegen könnte, und Sie zweifeln daran, ob ihn überhaupt jemand besiegen sollte. Habe ich recht, Brakiss?«
»Ich hasse Skywalker«, erwiderte Brakiss.
Kueller schüttelte den Kopf. »Sie hassen Skywalker nicht. Was Sie hassen, ist das Gefühl, das er in Ihnen ausgelöst hat. Sie hassen sich selbst, Brakiss. Sie hassen das, was Sie geworden sind.«
Brakiss schob sein Kinn vor. »Er sagt, ich könnte auf die Akademie zurückkehren. Er sagt, ich könnte die dunkle Seite aufgeben. Er sagt, Vader habe das auch getan.«
»Natürlich hat Vader das getan«, bestätigte Kueller ruhig und scheinbar unbewegt, obwohl er Brakiss am liebsten zerrissen hätte, weil er Skywalker zugehört hatte. »Vader war tödlich verwundet, er wußte, daß er sterben mußte. Skywalker war bei ihm. Es gab keinen Imperator mehr. Vader war nichts mehr geblieben. Er war ohne Kraft und ohne Hoffnung. Er nahm das an, was Skywalker ihm anbot. Er hatte keine andere Wahl.«
»Skywalker sagt, daß er die sehr wohl gehabt hätte.«
»Skywalker hat versucht, Macht über Sie zu gewinnen, Brakiss. Ist ihm das gelungen?«
Brakiss verschränkte die Arme. »Sie können das nicht erkennen?« Kueller lächelte. Er war froh, daß er nicht den Holoprojektor benutzt hatte. Auf dem Bildschirm wirkte er größer, mächtiger, und dessen bedurfte er in diesem Augenblick. »Ich denke, Skywalker hätte Sie zurückholen können, wenn er das wirklich gewollt hätte. Er ist nicht an Ihnen interessiert. Für ihn sind Sie nichts. Sie sind nicht einmal wert, daß man Sie tötet.«
Brakiss zuckte erneut zusammen. Er war also tatsächlich in Skywalkers Bann geraten, hatte es Skywalker leicht gemacht, ihn zu töten. Aber das hatte der tugendhafte Luke Skywalker natürlich nicht getan.
»Skywalker will mich«, versicherte Kueller. »Er weiß, daß er mich besiegen muß, wenn er seine Autorität nicht verlieren will.«
»Er weiß doch nicht einmal, daß Sie existieren«, meinte Brakiss. Das klang trotzig, trotzig genug jedenfalls, um noch länger von Nutzen zu sein.
»O doch, das weiß er«, sagte Kueller. »Sie haben ihn doch zu mir geschickt, oder?«
»Ich habe ihn vor Ihnen gewarnt.« Brakiss' Augen weiteten sich, kaum daß die Worte über seine Lippen gekommen waren. Offenbar hatte er nicht vorgehabt, Kueller davon zu erzählen.
»Gut«, sagte Kueller. »Dann ist es um so wahrscheinlicher, daß Skywalker jetzt zu mir kommen wird. Das haben Sie gut gemacht, Brakiss.«
»Gut?« Brakiss wirkte benommen, als er die Frage stellte.
»Ja«, nickte Kueller. »Sie haben es sogar noch besser gemacht, als ich gehofft hatte.«
»D-d-dann darf ich ... hierbleiben?« stammelte Brakiss wie ein kleines Kind. Er liebte die Droidenfabrik. Sie vermittelte ihm ein Gefühl des Friedens, und Kueller fand das sehr nützlich.
»Wollen Sie das denn?« fragte er.
Brakiss nickte, ganz langsam, als habe er Angst, Kueller seine Gefühle zu offenbaren.
»Dann dürfen Sie natürlich bleiben, Brakiss. Sie haben mir gute Dienste geleistet.«
»Und Sie werden keinen anderen herschicken?«
Kueller lächelte. »Es braucht doch niemand zu kommen. Telti gehört Ihnen, Brakiss. Ich werde Sie weiterhin unterstützen, und Sie werden weiterhin für mich arbeiten, wie Sie das immer getan haben. Und wir werden nie mehr über Skywalker, die Akademie oder Yavin 4 reden. So wollen Sie es doch, oder?«
»Ich möchte, daß Skywalker mich in Ruhe läßt.«
»Sie werden auf Telti immer allein sein. Das ist zwar eine Vergeudung Ihrer Talente in der Macht, aber das wird Ihr Schaden sein, Brakiss, nicht meiner. Sie sind nicht länger nützlich für mich.«
»Und Skywalker?« Brakiss kam einfach nicht los von ihm. Skywalker mußte starken Eindruck auf ihn gemacht haben. Mehr, als Kueller lieb war.
»Skywalker gehört jetzt mir«, sagte Kueller. »Aber bald wird er niemandem mehr lästig fallen, nie mehr.«