8

Im Audienzsaal des Imperators im imperialen Palast drängten sich die Senatoren, die den Bombenanschlag überlebt hatten. Die Seniorsenatoren, die sich rückhaltlos für die Ziele der Republik einsetzten, gingen herum und diskutierten wichtige Staatsgeschäfte. Leia stand neben dem Tisch, auf dem das Büfett aufgebaut war. Sie interessierte sich nicht für ihre Kollegen, sondern beobachtete, wie die Juniorsenatoren, viele davon ehemalige Imperiale, miteinander sprachen. Ihre Hände schmerzten immer noch von den Brandverletzungen, die sie sich bei der Explosion zugezogen hatte, aber abgesehen davon ging es ihr wieder gut. Im Augenblick hätte sie es allerdings vorgezogen, wenn ihr Gehör noch nicht wiederhergestellt gewesen wäre.

Die lautstark vorgebrachten Argumente rings um sie übertönten einander.

»... entscheiden, wer jetzt das Sagen hat ...« »... hätte niemals hingenommen, daß ein derartiges Chaos ...«

»... froh, daß wir hier sind. Die Neue Republik kann einfach nicht zulassen, daß so lasch ...«

Mehr als ein paar Gesprächsfetzen brauchte sie nicht mitzubekommen, um zu wissen, worum es ging. Hier, zumindest unter den Juniorsenatoren, würde man der Regierung die Schuld für die Zerstörung des großen Versammlungsraums zuschieben. Sie hätte nicht auf Han hören und noch am Tag des Anschlags ihre Amtsgeschäfte wieder aufnehmen sollen. In den zwei Tagen, die sie dem Senat ferngeblieben war, war ihr die Kontrolle über das politische Geschehen entglitten.

Leia nahm sich ein Canape und aß es. Vielleicht brachte ihr das die notwendige Energie, die noch nicht vollends zu ihr zurückgekehrt war. Die Arzte hatten gesagt, sie benötige Zeit, um sich zu erholen, und behauptet, sie sei fast gestorben. Aber schließlich war dies nicht das erste Mal, daß sie auch schwere Verwundungen überstanden hatte. Diesmal war das Hauptproblem ihre Einstellung, so vermutete sie.

Sie wischte sich die Hände an den Hosen ab - sie trug einen weiten, fließenden Hosenrock mit einer schlichten Bluse, da sie sich für diese Zusammenkunft für ein elegantes und doch bequemes Outfit entschieden hatte - und trat mitten unter die Juniorsenatoren.

Die Gespräche verstummten. Leia lächelte strahlend in die Runde, als hätte sie nichts gehört, und klatschte dann in die Hände, um sich Aufmerksamkeit zu verschaffen.

»Ich möchte Ihnen allen dafür danken, daß Sie so kurzfristig kommen konnten«, sagte sie. »Wir sind im Augenblick dabei, den Ballsaal als provisorischen Versammlungsraum herzurichten, aber die Arbeiten werden erst morgen abgeschlossen sein. Bis dahin hielt ich diese formlose Zusammenkunft für zweckmäßig. Ich wollte Sie alle über den Stand der Ermittlungen informieren.«

»Was für Ermittlungen?« fragte R'yet Coome, der Juniorsenator von Exodeen. Seine Stimme, die von sechs Zahnreihen gefiltert wurde, war der seines Kollegen M'yet Luure so ähnlich, daß Leia verblüfft war. Selbst der Inhalt der Frage hätte von M'yet kommen können.

Sie sah R'yet an, als dieser in einer affektierten Geste seine sechs Arme an seinen Seiten anordnete. Wenn sie nicht gewußt hätte, daß M'yet tot war, hätte sie geglaubt, ihn in diesem Moment vor sich zu sehen.

»Wir haben die Ermittlungen gleichzeitig mit den Rettungsmaßnahmen anlaufen lassen«, fuhr sie fort. »Die Rettungsmaßnahmen hatten am ersten Tag natürlich oberste Priorität. Wir mußten sicherstellen ...« Ihre Stimme versagte.

»Wir mußten sicherstellen, daß keine weiteren Verletzten unter den Schuttmassen begraben waren«, nahm ChoFi den Faden auf, einer der Senatoren, die seit den Anfangstagen der Neuen Republik an ihrer Seite gestanden hatten. Er war hinter Leia erschienen, als wollte er sie mit seiner zwei Meter zwanzig hohen Gestalt beschützen.

Dankbar für seine Einmischung, nickte sie. Sie hatte sein Kommen nicht bemerkt. Vermutlich hatte er ebenso wie sie den Gesprächen gelauscht.

»Sie hätten früh genug Vorsichtsmaßnahmen treffen sollen«, sagte R'yet. »Ich weiß nicht, wie ich es dem Volk von Exodeen beibringen soll, daß einer seiner beliebtesten Politiker tot ist.«

»Wir haben die besten Sicherheitsvorkehrungen der ganzen Republik«, erwiderte Leia. »Bloß haben sie offensichtlich nicht ausgereicht.«

»Offensichtlich«, pflichtete R'yet ihr bei.

Meido, schmal wie eine Vibroklinge, das purpurrote Gesicht von weißen Linien durchzogen, legte seine zweifingrige Hand auf R'yets ersten Arm. Leia war überrascht, daß Meido die exodeenische Etikette kannte. Eine Berührung am ersten Arm war das Signal, nicht weiterzusprechen; eine Berührung am zweiten Arm indes hätte eine Herausforderung zum Zweikampf bedeutet.

»Die Staatschefin hat eine schwere Woche hinter sich«, sagte Meido.

»Wie wir alle«, warf irgendein Senator weiter hinten ein.

Meido tat so, als hätte er ihn nicht gehört, »Wir dürfen es ihr nicht so schwermachen. Natürlich mußten wir uns zunächst vergewissern, daß niemand mehr unter den Trümmern begraben war. Aber jetzt können die Ermittlungen in vollem Umfang beginnen.«

Seine Unterstützung machte Leia argwöhnisch. Meido war seit seiner Wahl stets gegen sie gewesen.

»Vielen Dank, Senator«, sagte sie. Sie atmete tief durch. »Die Schäden sind beträchtlich. Die Bombe, falls das die richtige Bezeichnung ist, wurde im Innern der Halle zur Explosion gebracht. Außen ist das Gebäude völlig unversehrt. Im Augenblick befassen sich die Ermittlungen mit allen Personen, die sich zum Zeitpunkt der Explosion in seinem Innern aufgehalten haben, sowie mit denjenigen, die in den Tagen davor Zugang hatten.«

»Schließt das die Senatoren ein?« erkundigte sich Senator Wwebyls, ein winziger Humanoid von Yn.

»Jeden, ohne Ausnahme«, antwortete Leia.

»Selbst die Toten?« fragte R'yet und stützte dabei seine unteren Hände auf seine Sekundärhüften.

»Selbst die Toten«, bestätigte Leia leise. »Wir können es uns nicht leisten, irgend jemanden oder irgend etwas auszulassen.«

»Also schließen die Ermittlungen auch Ihre Person ein?« fragte Senator Meido.

Leia zuckte zusammen. Natürlich nicht - sie wußte doch, daß sie nicht in die Sache verwickelt war.

»Sie hat gesagt, daß gegen jeden ermittelt wird.« ChoFi sagte das, ohne damit direkt Stellung zu beziehen, nur um seine Kollegen dazu zu bringen, ihr zuzuhören, und brachte Leia damit aus der Schußlinie.

Kerrithrarr, der Seniorsenator von Wookiee im hinteren Teil des Saals, ließ ein tiefes Knurren hören.

»Da muß ich meinem Wookiee-Kollegen recht geben«, sagte ChoFi. »Am besten überstehen wir diese Krise, wenn wir alle zusammenarbeiten.«

»Wir können nicht zusammenarbeiten, solange Ermittlungen gegen uns im Gange sind«, bemerkte ein anderer Juniorsenator.

»Diese Ermittlungen betreffen uns alle«, sagte Nyxy, ein Senator von Rudrig.

»Wir müssen aber zusammenarbeiten«, bekräftigte Senator Gno. Er war in der Alten Republik Senator gewesen und später, im imperialen Senat, Mitglied des Rebellenrings. Gno war einer der wenigen Senatoren aus der Zeit der Alten Republik, die nicht zurückgetreten waren. »Ist Ihnen je in den Sinn gekommen, daß der Attentäter die Bombe aus genau diesem

Grund zur Explosion gebracht hat? Wenn wir uns in interne Streitereien verwickeln, können wir uns nicht mehr auf Bedrohungen von außen konzentrieren. Wir dürfen nicht zulassen, daß diese Regierung von innen heraus gesprengt wird.«

Das war Leia bisher noch gar nicht in den Sinn gekommen. Bisher hatte sie sich ganz darauf konzentriert, die Täter ausfindig zu machen und festzustellen, ob sie hinter der Erschütterung der Macht standen, die sie und Luke gespürt hatten. Sie hatte das Gefühl nicht loswerden können, daß ein großes Verhängnis bevorstand, nicht nur für den Senat, sondern auch für die Regierung selbst.

Aber sie konnte diesem Gremium nichts von einer neuen Waffe sagen. Zumindest nicht, solange sie keine besseren Beweise als ihr und Lukes Gefühl hatte.

»Mir scheint, diese Regierung ist bereits gesprengt«, meinte R'yet. »Wir brauchen Führung. Eine starke Führung hätte diesen Anschlag verhindert.«

»Das wissen wir nicht«, widersprach ChoFi. »Solange wir nicht wissen, was diese Katastrophe ausgelöst hat, können wir nichts dergleichen behaupten.«

»Die Ermittler arbeiten in dieser Stunde daran«, versicherte Leia. »Wir haben Experten darauf angesetzt, die aus dem Gebäude geborgenen Trümmer zu untersuchen, und auch im Innern arbeiten Spezialisten. Wir werden noch heute mehr wissen.«

»Werden wir dann auch wissen, ob dieses Attentat dem Senat oder Ihnen persönlich gegolten hat?« fragte R'yet.

Diese Frage war durchaus berechtigt, das wußte Leia. Dennoch konnte sie die Aufwallung von Wut nicht unterdrücken, die sie auslöste. Sie hatte genug. Der Exodeenianer führte sich auf, als hätte er seit M'yet Luures Tod alle Moral für sich gepachtet.

»Senator Coome«, sagte Leia und straffte sich. »Wenn das Attentat Ihnen oder mir oder irgendeinem unserer Kollegen gegolten hat, dann galt es uns allen. Wir sind ein Gremium, eine Gruppe, ob Ihnen das gefällt oder nicht. Das Attentat ist am Sitz der Regierung erfolgt und hat uns alle in gleicher Weise in Mitleidenschaft gezogen ...«

»Nicht in gleicher Weise«, fiel R'yet ihr ins Wort. »Einige von uns sind tot.«

»In gleicher Weise«, beharrte Leia, »mindestens was die Überlebenden angeht. Und jetzt arbeiten Sie mit uns zusammen, und helfen Sie der Neuen Republik.«

»Oder?« Obwohl Meido die Hand ausstreckte und ihn daran zu hindern versuchte, war R'vet vorgetreten. »Soll das eine Drohung sein, Leia Organa Solo?«

»Das wäre nicht gut für die Einheit, nicht wahr?« fragte Leia.

»Ganz sicher nicht«, versuchte Meido die Wogen zu glätten. »Vielleicht würde es meinen Kollegen beruhigen, wenn wir neben den offiziellen Ermittlungen noch ein zweites Team Ermittler einsetzen, vielleicht erhalten wir dann zuverlässige Ergebnisse.«

»Oder ein heilloses Durcheinander«, sagte Leia.

»Sie sind also gegen eine unabhängige Untersuchung?« Meidos Tonfall deutete an, daß sie etwas zu verbergen hatte.

»Ganz bestimmt nicht«, widersprach Leia. »Ich bin nur dagegen, unnötig Mittel zu vergeuden. Die Neue Republik ist nicht reich, weder finanziell noch was die Verfügbarkeit von Arbeitskräften angeht.«

»Ich denke nicht, daß man etwas, das das Vertrauen unter uns wieder herstellen würde, als Vergeudung von Mitteln bezeichnen sollte«, meinte Meido.

Wieder? dachte Leia, sprach es aber nicht aus.

»Sie hält augenscheinlich nichts davon«, sagte R'yet.

Sie hatten sie ausgetrickst. Eigentlich hätte sie damit rechnen müssen. Leia atmete tief durch. »Wir sind ein gewähltes Gremium«, sagte sie. »Stimmen wir also ab!«

»Ich dachte, dies sei eine informelle Zusammenkunft«, warf ChoFi ein. Ein geschickter Trick, um die Abstimmung hinauszuzögern, dachte Leia bewundernd.

»Auch eine informelle Zusammenkunft ist eine Zusammenkunft«, widersprach Meido.

Leia unterdrückte ein Stöhnen. Sie hatten sie in die Enge getrieben. Ohne die Konsolen, ohne die elektronische Zählung und ohne Computerunterstützung würde die Abstimmung nicht ganz unproblematisch durchzuführen sein. Dennoch sollte es keine unüberwindlichen Schwierigkeiten geben, wenn jemand die verbal abgegebenen Stimmen zählte und sie den jeweiligen Senatoren zurechnete. Darüber hinaus hatte dieses Verfahren den Vorteil, daß jeder sich öffentlich vor den anderen zu seiner Stimme bekennen mußte.

Leia schickte einen der Senatsdiener nach einer offiziellen Stimmliste. Als er zurückkehrte, überflog sie die Liste, wobei ihr Blick jedesmal verharrte, wenn er auf den Namen eines toten oder verwundeten Senators fiel. Jenen schwarzen Tag im großen Versammlungsraum des Senats würde sie ihr ganzes Leben lang nicht vergessen. Er hatte sie, wenn man einmal vom objektiv geringeren Ausmaß der Katastrophe absah, ebenso erschüttert wie die Vernichtung von Alderaan. Dabei hatte sie geglaubt, die Senatshalle sei sicher. Vielleicht hatte sie sich deshalb so gegen die Aufnahme der ehemaligen Imperialen gesträubt: weil sie einfach einen der letzten Zufluchtsorte der Galaxis schützen wollte.

Es dauerte nur ein paar Augenblicke, die Wahl vorzubereiten. Genug Zeit für jeden Senator, sich eine Antwort zurechtzulegen.

»Die Frage, die wir hier zur Abstimmung stellen, lautet wie folgt: Sollten wir ein Team unabhängiger Ermittler einsetzen? Sie müssen darauf mit >Ja<, >Nein< oder >Enthaltung< antworten.« Leia atmete tief durch und rief dann den ersten Senator auf.

Leia und der Senatsdiener registrierten jede Stimme. Außerdem hörte ein Protokolldroide zu und führte ebenfalls Buch. Sie hatte damit gerechnet, daß die Abstimmung zu ihren Gunsten ausgehen würde. Zumindest hatte sie erwartet, in einem zweiten Durchgang Stimmengleichheit zu erreichen. Aber als sie jetzt, fehlende und tote Senatoren überspringend, die Liste studierte, wurde ihr bewußt, daß ihr Stimmenblock, der bis jetzt die Mehrheit gestellt hatte, sich nunmehr in der Minderheit befand. Die Juniorsenatoren stellten den größten Teil der Unverletzten; die Seniorsenatoren, diejenigen mit den engsten und längsten Bindungen an die Republik, hatten wesentlich stärkere Verluste erlitten.

Als das Ende der Liste erreicht war, war Leias Kehle trocken, ihre Augen brannten, ihre Schultern waren von der Anspannung steif. Fünfzehn Senatoren stimmten gegen eine unabhängige Untersuchung. Fünfzehn. Der Rest enthielt sich der Stimme oder stimmte für den Antrag der Gegenseite, der damit mit überwältigender Mehrheit angenommen war.

Sie sah sich im Saal um und begegnete Kerrithrarrs Blick. Der Wookiee-Senator war ebenso wie Leia überzeugt, daß die ehemaligen Imperialen den Senat zerstören wollten. Kerrithrarrs Fell war gesträubt, und als er Leias Blick bemerkte, schüttelte er verzweifelt den Kopf.

Leia verglich ihr Ergebnis mit dem des Pagen. Schließlich bestätigte der Droide ihre Zahlen. »Der Antrag für eine unabhängige Untersuchung«, erklärte Leia dann, »ist mit deutlicher Mehrheit gebilligt worden.«

Die Juniorsenatoren brachen in Jubel aus, während sich auf den Gesichtern der anderen Betroffenheit ausbreitete. Leia griff nach einem hölzernen Becher und schlug damit auf den Tisch, der das Büfett trug, um sich Gehör zu verschaffen. Als Stille eingetreten war, sagte sie: »Mir ist bewußt, daß diese Zusammenkunft nicht in der Senatshalle stattfindet. Ich werde diesen Bruch der Etikette deshalb wegen der formlosen Umgebung durchgehen lassen. In Zukunft allerdings wird jeder Senator, der sich zu ungebührlichen Beifallsbekundungen hinreißen läßt, im Sinne der Senatsstatuten des Saales verwiesen, seine Stimme verliert ihre Gültigkeit. Ich darf vorschlagen, die Statuen zu lesen.«

Leia konnte den verärgerten Unterton in ihrer Stimme selbst hören. Gewöhnlich war sie stolz auf ihre Selbstbeherrschung, aber die Ereignisse der letzten Tage hatten ihre Geduld über Gebühr strapaziert. Verstanden denn diese sogenannten Führer nicht, was sie anrichteten? Dieses Verhalten würde die Republik spalten.

Die Gesichter der Versammelten waren ihr erwartungsvoll zugewandt. Leia nickte ihnen zu. »Der Vorschlag einer unabhängigen Untersuchung stammt von Ihnen, Senator Meido, ich möchte Sie deshalb auffordern, ein Team aufzustellen. Wir brauchen die Namen der Ermittler für das Protokoll.«

Meido lächelte. Seine blaßrosa Zähne blitzten in dem purpurroten Gesicht. »Mit dem größten Vergnügen, Frau Präsidentin.«

Sein Ausdruck gefiel ihr nicht und ließ in ihr ein Gefühl der Verletzbarkeit aufkommen. Der Gedanke beschlich sie, daß sie in eine Falle gegangen war.

»Morgen treffen wir uns zur gewohnten Stunde im Ballsaal. Bis dahin ist die Sitzung vertagt.« Leia schlug wieder mit ihrem Becher auf den Tisch. Im gleichen Augenblick wurde es um sie herum wieder laut.

ChoFi starrte die Liste an. »Wissen Sie«, sagte er so leise, daß nur Leia und Senator Gno ihn verstehen konnten, »die werden einen völlig anderen Bericht liefern.«

»Ich weiß«, nickte Leia. »Aber ich hatte keine andere Wahl. Ich konnte nicht einen von unseren Leuten für das Ermittlungsteam auswählen. Die haben mich ausgetrickst. Wenn ich überlegt hätte ...«

»Das ist nicht Ihre Schuld, Leia«, versicherte ihr ChoFi. »Wenn die Sie nicht mit diesem Thema in die Enge getrieben hätten, dann mit einem anderen. Sie wollten den Senat so führen, wie er einmal war, und nicht so, wie er jetzt ist. Der Senat ist nicht länger ein einiges Gremium. Wir haben jetzt unterschiedliche Fraktionen.«

»Das gefällt mir nicht«, sagte Gno.

»Ob es uns gefällt oder nicht«, meinte ChoFi, »die Fraktionen existieren, und wir müssen mit ihnen leben.«

»Ich werde nicht mit ihnen leben«, raunzte Gno. »Ganz genauso hat es das letzte Mal angefangen, bevor das Imperium an die Macht kam. Aus kleinen Meinungsverschiedenheiten wurden größere, und die hat man so lange ignoriert, bis die Regierung so zersplittert war, daß nichts mehr funktionierte.«

»Das wird diesmal nicht geschehen«, sagte ChoFi.

Gno lächelte. »Das habe ich auch einmal geglaubt, damals, vor vielen Jahren.«

Leia griff nach der Stimmliste und zuckte zusammen, weil ihre Hände immer noch schmerzten. »Wir dürfen keine Angst vor dem Wandel haben, Senator«, wandte sie sich an Gno. »Wir dürfen nie vergessen, daß es zwischen damals und heute einen ganz entscheidenden Unterschied gibt. Die haben keinen Führer wie Palpatine.«

»Jedenfalls bis jetzt nicht«, sagte Gno düster.

Das Sonnenlicht fiel durch ein Loch im zerstörten Dach des Senats. Die schwarze Klaue eines Baudroiden wartete auf Anweisungen, den Schutt wegzuräumen und mit dem Wiederaufbau zu beginnen.

Luke stand im Eingangsportal und blickte in den Versammlungsraum. Nur etwa ein Viertel der Senatshalle war von der Sonne beschienen, auf den Rest der Zerstörung fiel das spärliche Licht der Notbeleuchtung.

Die meisten Abstimmungspulte waren mit Steinbrocken und Kristallsplittern übersät, der Boden war von Schutt fast völlig bedeckt. Frachtdroiden, Wartungsdroiden und Reparaturdroiden warteten untätig im Hintergrund. Bis jetzt hatte ihnen niemand den Befehl erteilt, mit den Aufräumarbeiten zu beginnen. Leia bestand darauf, daß zuerst die Ermittlungen abgeschlossen wurden.

Luke hatte sich vorgenommen, auf eigene Faust gewisse Nachforschungen anzustellen.

Da gab es einiges, was ihn störte: Leias Beharren darauf, daß ehemalige Imperiale in den Anschlag verwickelt waren, Hans seltsames Gespräch mit dem verschwundenen Schmuggler und, der bedeutsamste Umstand, die Erschütterung der in Macht, die Luke, Leia und die Solo-Kinder in unterschiedlichem Ausmaß gespürt hatten. Luke stimmte darin mit Han überein, daß er nicht an eine Beteiligung der ehemaligen Imperialen glaubte. Wenn sie informiert gewesen wären, hätten sie sicherlich irgendeinen Vorwand gefunden, sich dem Versammlungsraum zum Zeitpunkt der Explosion fernzuhalten. Andererseits war auch Leias Argument nicht ganz von der Hand zu weisen: Die meisten Juniorsenatoren waren unverletzt. Wenn sie recht hatte und einer der ehemaligen Imperialen - oder vielleicht auch eine ganze Gruppe - war in das

Attentat verwickelt, dann gab es keine bessere Methode, um den Verdacht von sich abzulenken, als sich während der Explosion in der Senatshalle aufzuhalten und »wie durch ein Wunder« unverletzt zu bleiben.

Luke trat in das Rund der Senatshalle. Seine Schritte wirbelten Staub auf und ließen die Staubkörnchen in den Sonnenstrahlen tanzen. Er war an so vielen Orten der Vernichtung gewesen, hatte so viel Zerstörung gesehen, und doch hatte ihn nichts auf diesen Anblick vorbereitet. Diese Halle war ein ehrwürdiger Ort - sie hatte den Senat der Alten Republik beherbergt, und selbst Palpatines Umbauten hatten ihre Aura nicht ernsthaft beeinträchtigen können. Dies war der Ort uralter, unumstößlicher Gesetze - und er war Leias Lieblingssaal gewesen.

Zum Zeitpunkt der Explosion hatte sie dort unten am Rednerpult gestanden.

Das Rednerpult war völlig zersplittert. Das runde Podest, auf dem es gestanden hatte, war unter Trümmern verborgen. Die Reparaturmannschaften draußen hatten Luke davor gewarnt, daß die Bausubstanz nicht mehr stabil war. Sie hatten ihn nicht ohne Eskorte hineinlassen wollen, aber er war hartnäckig geblieben. Er mußte dies hier sehen, und er mußte es allein sehen.

Ein eisiger Hauch lag in der Luft. Es war derselbe Eishauch, den er auf Yavin 4 empfunden hatte. Der eisige Atem plötzlichen, unerwarteten Sterbens, zahlreicher sinnlos dahingeraffter Leben.

Luke ging weiter. Auch jenes andere seltsame Gefühl war jetzt wieder da, das schockierende Gefühl des Verrats, das sich in den eisigen Hauch mischte. Bei so vielen Opfern an Verrat zu denken war vermutlich ganz normal; aber das hier fühlte sich irgendwie anders an, irgendwie persönlich, wie jenes Gefühl des Verrats, das Luke empfunden hatte, als Kyp sich mit Exar Kun verbündet hatte. Als wären alle, die in diesem Raum gestorben waren, jemandem zum Opfer gefallen, dem sie einmal vertraut hatten.

Ein persönlicher Tod. Bei einem Bombenanschlag zu sterben war jedoch ein unpersönlicher Tod.

Luke schloß die Augen, ließ sich von der Macht durchströmen und tastete nach Nestern von Kälte. Um ihn her wurden Stimmen laut, Stimmen, an die er sich erinnerte, Stimmen, die um Hilfe riefen und sich flehend an ihren Nächsten wandten, die Schreie von Sterbenden.

Einlagerungen von Kälte.

Er öffnete die Augen.

Nicht eine große Detonation, mehrere kleine Explosionen hatten sich gleichzeitig in diesem Raum ereignet. Und die Senatoren, die den Explosionen am nächsten gesessen hatten, waren gestorben.

Eine Reihe gezielter Exekutionen?

Eine Warnung?

Oder doch die Zerstörung der Senatshalle, die nicht ganz wie geplant abgelaufen, vielleicht sogar gescheitert war?

Luke vermochte es nicht zu sagen. Aber wenigstens hatte er jetzt etwas, was er Leias Ermittlern berichten konnte. Sie mußten nicht länger nach einer großen Ursache suchen, sondern nach mehreren kleinen.

Schutt rieselte von der Decke auf den Boden. Luke drehte sich um und trat dabei zufällig in eine der Einlagerungen von Kälte. Das Sonnenlicht wurde schwächer, und er spürte, wie einen Windhauch, die Präsenz ...

... eines ehemaligen Schülers.

Ein Mann.

Brakiss.