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R2 trillerte abermals; diesmal mit Nachdruck.
»Neeeein«, rief 3PO und verbarg weiter die Augen hinter den Händen.
Ein lautes, anhaltendes Getöse erhob sich, und 3PO ließ die Arme sinken. Die Astromechdroiden brachen durch die verspiegelten Wände. Die auf ihn herabregnenden Glassplitter hüllten Brakiss ein. Er schrie auf, wischte sich Glassplitter aus dem Haar. Der Zerhacker war ihm entglitten. Eine Flut von Droiden strömte auf ihn zu, und er fuhr ohne Zögern herum, machte kehrt und stürmte durch eine seitliche Tür davon. Seine Schreie hallten durch den Gang dahinter, als die Droiden die Verfolgung aufnahmen.
R2 piepste zufrieden, rollte auf die Computeranlage zu und koppelte sich an die Droidenbuchse.
3PO ging um den deaktivierten Astromechdroiden herum und sah zu, wie R2s Steckverbindung rotierte. »Was machst du da?«
R2 trillerte.
»Wie kannst du so viele Sprengkapseln aus so großer Distanz deaktivieren?« fragte 3PO. »Du bist größenwahnsinnig. Ich habe es ja immer gesagt. Größenwahnsinnig. Wir müssen hier raus, ehe Brakiss zurückkommt, und wir müssen Master Cole finden.«
R2 schnarrte ihn an und brachte ihn so zum Schweigen.
3PO sah zu.
Dann zwitscherte R2 aufgeregt.
»Was? Was?«
R2 kreischte, und 3PO fuchtelte verzweifelt mit den Händen in der Luft herum. »Was soll das heißen, sie werden aktiviert? Alle neuen Droiden werden explodieren. Wir werden zu Tausenden den Tod finden, und man wird nicht einmal die kleinsten Überreste von uns finden.«
R2 pfiff und trillerte.
»Welche Konsole? Wie kann ich einen Befehl eingeben, wenn ich nicht einmal weiß, an welcher Konsole?« Trotzdem hastete 3PO zu der Computeranlage und suchte nach der Taste, die R2 ihm beschrieben hatte.
R2 schrillte eine Antwort, als 3PO die Taste endlich gefunden hatte. R2 würde den Deaktivierungscode ausstrahlen, aber 3PO mußte die Notfallfrequenz eintippen. Damit konnte er jede andere Übertragung unterbrechen - wenigstens hofften sie das - und die Sprengung der Droiden verhindern.
R2s Steckverbindung kam jetzt zum Stillstand. Er kappte die Verbindung mit der Droidenbuchse und piepste.
Jetzt.
3PO drückte mit seinem goldenen Finger auf die Taste der Notfallfrequenz, einmal, zweimal, dreimal.
Nichts geschah. R2s optischer Sensor richtete sich gespannt auf das Display.
3PO blickte auf.
R2 wippte aufgeregt vor und zurück, dann schrillte sein Siegesschrei durch den Raum.
»Wir haben es geschafft?« fragte 3PO.
R2 trillerte vergnügt.
»Wir haben es wirklich geschafft.« 3PO legte die Arme um seinen kleinen Freund. »Wir sind gerettet! Oh, R2, du bist ein Genie!«
R2 piepste bescheiden.
»Nun, ich bin auch ein Genie. Schließlich habe ich dir geholfen. Ich habe auf dich gehört, und allein hättest du es nie geschafft. Wenn Master Cole und ich nicht hergekommen wären ...« 3PO unterbrach sich selbst. »O du meine Güte. Master Cole! Er ist immer noch verschwunden. Wir müssen ihn finden, R2, ehe ihm etwas Schreckliches widerfährt.«
R2 jammerte leise.
»O du meine Güte«, sagte 3PO. "Das heißt wohl, daß es bereits passiert ist.«
Leia konnte Lukes Präsenz nicht länger wahrnehmen. Es war, als ob sein Selbst sich aufgelöst hätte, obwohl sie im Zwielicht seine Silhouette vor dem Turm sehen konnte. Hinter ihm war das Thernbee erschienen, sein riesiges Gesicht wandte sich Kueller fragend zu. Auch seine Präsenz war wie ausgelöscht.
Aber Leia spürte ganz in der Nähe die Gegenwart einer anderen Person, jemand, der ihr viel bedeutete. Sie wandte sich um. Han stand, bewaffnet mit einem Blaster, am Ende der engen Gasse; sein Gesicht lag noch im tiefen Schatten. Leia wäre am liebsten auf ihn zu gerannt, aber das durfte sie nicht. Noch nicht.
Etwas geschah mit Luke.
Zuerst hatte sie gedacht, daß er sterben würde, doch sie hatte sich anscheinend geirrt. Kuellers Lichtschwert fuhr nicht auf ihn herab, vielmehr taumelte Kueller zurück und zog ein kleines Gerät aus seinem Umhang und hob es an sein Gesicht.
Was sie da sah, gefiel Leia ganz und gar nicht.
»Luke!« schrie sie, aber ihr Bruder schien sie überhaupt nicht zur Kenntnis zu nehmen. Er hatte genug damit zu tun, sein Lichtschwert festzuhalten, und verpaßte seine Chance. Kueller führte etwas Schreckliches im Schilde, und danach würde er entkommen.
Der Lichtstrahl, der Kuellers Gesicht scannte, erlosch.
Leia hob die Hand und konzentrierte sich auf Hans Blaster. Er glitt ihm aus der Hand und schoß auf sie zu.
Das Thernbee sah sie und wedelte mit dem Schwanz. Das große weiße Geschöpf änderte die Richtung und trabte in ihre Richtung.
Der Blaster wurde aus der Bahn geworfen, als Leia die Kontrolle über die Waffe zu verlieren drohte. Sie intensivierte ihre Anstrengungen in der Macht. Der Blaster traf ihre Hand in dem Augenblick, als sich eine Decke über ihr Bewußtsein legte. Sie taumelte und griff nach der Waffe.
Kueller hielt noch immer das kleine Gerät in der Hand. Sie sah in dem Licht, das von dem Apparat ausging, wie seine Finger sich rasch bewegten.
Leia wußte, auch ohne seine Präsenz in der Macht zu spüren, was er vorhatte. Er hatte es ihr selbst gesagt. Es spielte keine Rolle, daß einige Droiden abgeschaltet worden waren.
Es gab so viele, die nicht deaktiviert waren.
Wogen eisiger Kälte ... die Explosion der Bombe ... das Lachen ihrer Kinder ...
Leia hob den Blaster, schloß ein Auge und richtete die Waffe auf Kueller. Er sah sie nicht. Er konnte sie nicht einmal fühlen.
Aber Luke konnte es.
»Leia!« rief er.
Kueller fuhr herum, und Leia zögerte keinen Augenblick. Der Schuß löste sich. Sie hatte auf seinen Kopf gezielt.
Er hob eine Hand, um den Blasterstrahl abzuwehren, aber die Geste verfehlte ihre Wirkung, und Kueller wurde zurückgeworfen.
»Leia!« rief Luke noch einmal.
Das Thernbee kam auf sie zu. Ein gigantisches weißes Gespenst in der almanianischen Dunkelheit.
Kueller setzte sich auf, und Leia gab einen zweiten Schuß auf ihn ab. Er fiel zurück, das Gerät fiel ihm aus der Hand. Leia bewegte sich über den steinernen Boden auf ihn zu, das Gefühl unerträglicher Schwere verstärkte sich mit jedem Schritt.
»Leia!« Luke war jetzt neben ihr und entwand ihr den Blaster. Sie konnte seine Sorge spüren. Hatte sie Kueller voller Haß und Zorn erschossen? Wahrscheinlich. Würde sie jetzt der dunklen Seite anheimfallen?
Sie wußte es nicht.
Sie konnte die Macht nicht mehr spüren.
Vielleicht blieben die jüngsten Ereignisse ohne Konsequenzen, wenn sie ihr Gefühl für die Macht verloren hatte.
Leia beugte sich über Kuellers Leiche. Er sah jetzt viel kleiner aus, die Arme lagen über seinem Gesicht. Luke griff nach ihr, aber sie entzog sich ihm und beugte sich über Kueller. Ihre Finger griffen unter seine Maske und rissen sie ab.
Er war noch ein Knabe, und sein Antlitz zeigte gerade erst die ersten Anzeichen der Auflösung, die Palpatines Züge am Ende verheert hatte; dunkle Augen starrten sie blicklos an, die Linie des Mundes war erschlafft, doch die jugendliche, pausbäckige Fülle dieses Gesichts hätte Heiterkeit ausdrücken sollen und nicht finsteren Haß.
Kein Wunder, daß er eine Maske getragen hatte. Mit diesem Gesicht hätte er niemandem Angst und Schrecken einjagen können.
»Er war noch ein Kind«, murmelte Leia.
Luke kauerte neben ihr. Er nahm ihr die Maske weg. »Nein, Leia. Seine Kindheit hat er verloren, ehe er nach Yavin 4 kam Er hat genau gewußt, was er tat und was aus ihm geworden war.«
Luke legte die Maske auf Kuellers zerfetzte Brust, richtete sich auf und half Leia beim Aufstehen. Das Thernbee ragte neben ihnen auf und ließ seine Zunge sehen.
»Da ist dieses verdammte Ding«, rief Han, der sich ihnen inzwischen genähert hatte. »Ich hätte euch helfen können, wenn dieses Biest nicht meine Ysalamiri gefressen hätte.«
»Das war es also.« Luke griff sich an die Stirn und lachte ein wenig unsicher. »Du hast uns geholfen, Han, alter Freund. Jetzt wollen wir nur hoffen, daß das Thernbee die Ysalamiri bald verdaut.«
»Darauf würde ich mich nicht verlassen«, verkündete Han. »Es hat sie samt den Käfigen verschlungen.«
»Das Thernbee hat in der letzten Zeit noch viel merkwürdigere Dinge gefressen«, entgegnete Luke.
Leia war das Thernbee in diesem Moment gleichgültig. Sie warf einen letzten Blick auf den Mann, der ihre Familie bedroht hatte. Dann drehte sie sich um. Han stand hinter ihr und betrachtete sie.
»Ich liebe dich, Prinzessin«, sagte er leise.
Sie warf sich in seine Arme und preßte sich an ihn. »Ich weiß«, flüsterte sie. »Ich weiß.«