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Als Brakiss und seine Droiden-Abordnung Cole in die inneren Bereiche der Fabrik führten, gingen dem jungen Mann wie ein Mantra die Worte durch den Sinn, mit denen seine Mutter ihn charakterisiert hatte: ungestüm, stur, impulsiv. Sie hatte ihm diese Worte an den Kopf geworfen, als er den Wunsch äußerte, auf die Jedi-Akademie zu gehen, als er sich in Anchorhead Arbeit suchte und schließlich, als er Tatooine verließ. Sie hatte gemeint, sein unausrottbarer Wunsch, ein Held zu sein, würde ihm eines Tages noch große Scherereien eintragen.

Sie hatte recht behalten.

Obwohl ihre Worte wie Hintergrundsmusik durch sein Bewußtsein kreisten, überlegte Cole doch zugleich fieberhaft, welche Möglichkeiten sich ihm boten. Brakiss bedrohte ihn mit einem Blaster. Die Attentatsdroiden hatten ebenfalls ihre Waffen ausgefahren, und ein Stück weiter vorne sah er imperiale Gladiatordroiden alten Stils.

Cole war auf sich allein gestellt, sah man einmal von einem ziemlich vertrottelten Protokolldroiden und einer einigermaßen schlauen R2-Einheit ab, die aber beide augenblicklich als Unterstützung nicht in Frage kamen.

Vielleicht hatten Mon Mothma oder Admiral Ackbar mittlerweile erfahren, wo er sich befand, aber das lieferte ihm noch lange keine Garantie, daß ihnen das etwas bedeuten würde.

Ungestüm, stur, impulsiv ...

Vielleicht sollte er der Liste noch ein weiteres Attribut hinzufügen: dumm. Sein Vertrauen zu R2 war so groß, daß er irgendwie davon überzeugt gewesen war, daß der kleine Droide die Lage unter Kontrolle hatte.

Das konnte er getrost vergessen.

Das Vertrauen, das er in sich selbst setzte, hatte einfach nicht zugelassen, daß er diese Entwicklung in Betracht zog. Er hatte gedacht, ein Held brauche nur auf der richtigen Seite zu stehen, um zu gewinnen.

Der Gang senkte sich jetzt, und es gab keine leuchtenden Hinweistafeln mehr. Die Wände waren roh, die Leuchtpaneele an der Decke nackt und kahl - etwas, das er bisher noch nirgendwo gesehen hatte und die ganze Umgebung öde und unwirtlich erscheinen ließ, aber diese Düsternis paßte durchaus zu der Stimmung, die sich inzwischen in ihm aufgebaut hatte.

Natürlich wußte Brakiss über die Sprengkapseln Bescheid. Er hatte sie selbst angebracht. Und er schien die gleiche Ausstrahlung zu besitzen, die Leia Organa Solo hatte, ein Phänomen, das der Macht zuzuschreiben war, wie Cole mittlerweile wußte.

Er ließ sich von Brakiss und seinen Droiden weit von seinem Frachter wegführen, aber er sah keinen Ausweg. Er mußte R2 Zeit lassen, um etwas zu unternehmen - was auch immer der kleine Droide glaubte, tun zu können.

Schließlich erreichten sie eine große stählerne Tür. Brakiss tippte einen Code ein, und die Tür öffnete sich mit einem Zischen. Cole versuchte, einen Schritt zurückzutreten, aber Brakiss legte ihm die Hand auf den Rücken und hinderte ihn daran.

Ein weiterer großer Raum tat sich vor ihnen auf, es roch nach Ozon und verbranntem Metall, Funken flogen, und das Geschrei von Droiden war zu hören. Es knisterte und knackte, dann ertönten wieder die gellenden Schreie künstlicher Stimmwerkzeuge. Eine Folterkammer für Droiden. Daß es so etwas gab, hatte Cole zwar schon gelegentlich gehört, aber nicht glauben wollen.

Es gehörte eine besonders sadistische Veranlagung dazu, um sich wirksame Mittel und Wege auszudenken, Kreaturen zu foltern, die unfähig waren, Schmerz zu empfinden.

Aber Cole war dazu sehr wohl fähig.

Die Stahltür war doppelt verstärkt, ebenso wie die Wände. Ein dünner Droide aus unlackiertem Metall gluckste, als er ihn sah.

»Ich habe dir einen Menschen mitgebracht«, sagte Brakiss. »Sieh zu, was du mit ihm machen kannst. Ich möchte wissen, weshalb er wirklich hier ist. Bring ihn also nicht um.«

»Nehmen Sie ihn sich doch selbst vor«, sagte der Droide mit hypnotisch klingender weiblicher Stimme. »Ich mag es nicht, wenn man es mir zu leicht macht.«

»Ihm weh zu tun ist leicht; ihn am Leben zu halten dagegen sehr schwer; und ihn bei klarem Verstand zu halten wird sogar noch schwieriger sein. Aber ich vertraue ganz auf deine Raffinesse, die nötigen Methoden und Rezepte zu finden.«

Der Droide stelzte auf schmächtigen Beinen auf Cole zu. Er legte den Kopf schief und musterte sein Gesicht. Die Augen des Droiden waren goldene Schlitze, das Metall roch nach Blasterverbrennungen.

»Ich bin Eve-9D92. Ich habe die Cyborgproduktion und das Training in dieser Fabrik geleitet, bis ein Verbrecherboß auf Tatooine meinen Vorläufer Eve-9D9 gekauft hat. Man sagt mir nach, daß ich doppelt so rücksichtslos wie sie bin. Ich sage Ihnen das bloß als Warnung. Vielleicht wollen Sie ja gleich gestehen, was mein Master wissen möchte, ehe ich herausfinde, wo die menschliche Schmerzgrenze liegt.«

Cole überlief es eisig. Aber er konnte hier keine R2-Einheit entdecken, und auch 3PO war weit und breit nicht zu sehen. »Ich habe deinem Master gesagt, weshalb ich hier bin.« Er sah zu Brakiss hinüber, dessen Augen ebenso grausam funkelten wie die Eves. »Ich habe in Droiden aus dieser Produktionsanlage Sprengkapseln gefunden, und ich dachte, das würde ihn vielleicht interessieren.«

»Ein Altruist«, meinte Brakiss trocken, »der bequemerweise vergißt, daß er seine Droiden in die unteren Regionen meiner Fabrik eingeschleust hat.«

Eve rieb ihre klauenähnlichen Hände aneinander. »Ich würde lieber die Droiden haben.«

Das verriet Cole immerhin, daß sie 3PO und R2 bis jetzt noch nicht gefangen hatten.

»Ich habe die Hinweistafeln nicht gesehen«, erklärte Cole.

»Sie sollten meine Geduld nicht zu sehr strapazieren, Fardreamer«, erwiderte Brakiss drohend. Er stand allein unter der Tür. Die Attentatsdroiden blieben draußen im Vorraum »Sagen Sie mir, wie nützlich Sie Skywalker sind, dann könnte es sein, daß ich Sie laufen lasse.«

Cole zuckte die Achseln. »Ich bin sein Mechaniker, sonst nichts.«

»Ein Mann, der ganz allein mit zwei der wichtigsten Droiden der ganzen Galaxis losziehen kann? Skywalker muß großes Vertrauen zu seinen Bediensteten haben.«

Einem kastenförmigen Droiden mit einem zylindrischen Kopf wurden die Füße erhitzt und deformiert. Der Droide schrie seinen Schmerz mit einem schrillen Pfeifen hinaus, das immer wieder von einem kläglichen Winseln unterbrochen wurde. In einem Nebenraum war ein lautes Klatschen zu hören und dann das Betteln eines Droiden mit einer unmodulierten mechanischen Stimme.

»Nein«, entgegnete Cole. »Er erwartet nur von uns, daß wir Eigeninitiative an den Tag legen.«

»Ich verstehe«, nickte Brakiss. »Und niemand sonst hätte hierherkommen können? Niemand sonst hätte mir eine Nachricht schicken können?«

»Ich war der Ansicht, daß dies eine recht delikate Angelegenheit ist. Man kann doch schließlich nicht in alle Welt hinausposaunen, daß in der ganzen Galaxis Droiden im Einsatz sind, die jeden Augenblick explodieren können.«

»Nein, das ginge tatsächlich nicht«, meinte Brakiss und schubste Cole auf Eve zu. Ihre Klauen packten seine Arme so fest, daß sein Blutkreislauf unterbrochen wurde.

»Aber nicht vergessen«, erinnerte Brakiss sie. »Lebend und bei klarem Verstand.«

»Ich werde daran denken«, antworte der Droide Eve.

Die Attentatsdroiden waren verschwunden. Dieser Ort hier mußte selbst Droiden Furcht einflößen.

Cole würde nur eine einzige Chance erhalten. »Hast du eigentlich gewußt«, sagte er mit kehliger, wohlig erregter Stimme zu Eve, »daß deine Klauen auf meine erogenen Zonen drücken?«

Ihr Kopf fuhr verblüfft herum.

»Nein!« rief Brakiss warnend, aber es war bereits zu spät: Eve hatte Cole losgelassen, und der riß sich los und rannte auf die stählerne Tür zu. Dabei rempelte er Brakiss an und griff nach dessen Blaster.

Die Attentatsdroiden draußen waren verschwunden, als hätte es sie nie gegeben. Wenn er sich jetzt nur erinnern könnte ...

Ein elektrischer Blitz hüllte Cole ein und ließ ein Prickeln durch seine Glieder fahren. Sein Körper zuckte, wand sich in Krämpfen, zitterte, der Atem stockte ihm in der Kehle. Die Augen drohten ihm aus dem Kopf zu treten, und er bekam keine Luft ...

... konnte nicht ...

... atmen ...

... und dann ließ der Blitz ihn los. Er fiel zu Boden, zappelte wie ein Fisch auf dem Trocknen, wünschte, er könnte damit aufhören, schaffte es aber nicht. Schließlich hörten seine Glieder zu zucken auf, und er blieb reglos liegen, mit Muskeln ebenso nutzlos wie Wasser.

Brakiss versetzte ihm einen Tritt und drehte ihn dann mit der Fußspitze herum. Weit und breit war niemand sonst zu sehen. Eve blieb in ihrer Folterkammer in derselben Stellung, die sie vorher eingenommen hatte. Cole sah keinen Lähmstrahler, nichts, was diese äußerst unangenehme Empfindung ausgelöst haben könnte.

»Ärgern Sie mich bloß nicht noch einmal, Junge«, zischte Brakiss. »Ich könnte Sie mit Leichtigkeit selbst foltern, aber dafür habe ich keine Zeit.«

»Sie haben das getan?« fragte Cole, wenn es auch aus seinem immer noch halb gelähmten Mund eher wie »I-ae-aea?« klang.

»lhr Freund Skywalker hält nichts davon, die Macht auf diese Weise einzusetzen, aber ich finde es recht hilfreich. Und jetzt hören Sie auf, sich zu sträuben, Fardreamer. und sagen Sie mir, was ich wissen will, dann lasse ich Sie gehen.«

»Das kann ich nicht«, antwortete Cole; es klang wie »A- aiii«. Er konnte nicht einmal klar artikulieren, geschweige denn sich verteidigen.

»Ich werde Sie für den Augenblick Eve überlassen. Falls Sie es sich irgendwann anders überlegen sollten, brauchen Sie es ihr bloß zu sagen. Sie verständigt mich dann.«

Er trat über Cole hinweg und schritt durch den breiten Gang davon. Leichte Spasmen liefen durch Coles Körper. Er hatte keine Kontrolle mehr über seine Muskeln. Eve trat über ihn, beugte sich vor und packte mit ihrer Klaue einen seiner Knöchel. Er war nicht einmal imstande, nach ihr zu treten.

Sie zerrte Cole an einem Bein in ihre Folterkammer zurück. Dann hob sie ihn hoch, als wäre er völlig gewichtslos, und warf ihn auf eine Wellblechplatte, die sich unter ihm leicht durchbog. Über ihm waren Dutzende von Bohrern, Sägen und Schweißgeräten angebracht. Er erkannte die Geräte und wußte, daß die meisten für die Bearbeitung von Metall bestimmt waren.

Eve schien beinahe zu lächeln, als sie sich über ihn beugte. »Das ist Ihre letzte Chance, Mensch.«

Aber seine Zunge versagte ihm den Dienst. Er hätte, selbst wenn er es gewollt hätte, nichts gestehen können.

Luke ruhte sich einen Augenblick lang neben Leia aus. Ein geringerer Mann wäre längst tot gewesen. Sie kam aus dem Staunen nicht heraus, daß er immer noch durchhielt.

»Wir müssen hier raus«, drängte sie.

»Ich weiß.« Seine Stimme war kaum zu verstehen.

Aber er schien auf etwas zu warten. Leia hoffte, daß dieses Etwas nicht Kueller war.

Sie legte den Arm um Lukes Hüfte, achtete dabei sorgfältig darauf, die Wunden an seinem Rücken nicht zu berühren, und zog ihn in die Höhe. Dann legte sie sich seinen Arm über die Schulter und entlastete damit seinen verletzten Knöchel, schließlich setzten sie den Marsch zu der Andockbucht fort.

In dem Augenblick warnte sie ein vertrautes Tonsignal, daß die SelbstzerstörungsanJage der Alderaan soeben aktiviert worden war.

»Das hat uns gerade noch gefehlt«, flüsterte Leia.

Luke sammelte von irgendwoher Kräfte und richtete sich ohne ihre Hilfe auf. Er zückte zwei Blaster, und Leia tat es ihm gleich. Dann schlich sie, jeden Schatten nutzend, auf ihr Schiff zu.

Ein dreifaches akustisches Signal ertönte - ein fünffaches Signal würde die unmittelbar bevorstehende Explosion des Schiffes ankündigen. Leias Kehle war trocken. Die Alderaan war ihre einzige Chance, diese ausgebrannte Ruine eines Planeten zu verlassen.

Sie spähte in die Andockbucht, sah aber niemanden. Aber da waren Fußabdrücke, die ihre eigenen vor der Alderaan überlagerten, ein halbes Dutzend Fußabdrücke, vielleicht mehr. Die Brandspur eines Blasterschusses am Hauptschott des Schiffes verriet ihr, was geschehen war.

Wo waren die Angreifer jetzt?

»Siehst du jemanden, Luke?«

Er schüttelte den Kopf. Dabei machte er einen abwesenden Eindruck, als würde er einer fernen Musik lauschen. Sie hatte diesen Blick schon einmal an ihm gesehen: nachdem er in Cloud City seine Hand verloren hatte. Sie hatte nie herausgefunden, ob dieser Gesichtsausdruck bedeutete, daß er große Schmerzen litt, oder ob ihr Bruder diese Miene aufsetzte, wenn sein Geist irgendwelche Signale empfing.

Damals hatte er die Präsenz Vaders gespürt.

Spürte er jetzt Kueller?

Vier Warntöne von der Alderaan, jetzt oder nie. Entweder rettete sie ihr Schiff, oder sie rettete sich selbst.

Sie stürmte mit schußbereiten Blastern in die Andockbucht und warf sich förmlich auf die Alderaan. Ihr Schiff scannte ihren Handabdruck, ihre Netzhaut und ihre Stimme, als sie den Code nannte. Das Schott öffnete sich in dem Moment, als das fünffache Signal ansetzte ...

... und verstummte.

Leias Herz raste. Niemand hatte auf sie geschossen. Wer auch immer versucht hatte, sich Zutritt zur Alderaan zu verschaffen, hatte sich entfernt, als die Selbstzerstörungsanlage anlief.

Sie klappte den Deckel einer Kontrolltafel in der Nähe des Hauptschotts auf und schaltete die Selbstzerstörung ab.

Dann streckte sie den Kopf zur Tür hinaus und rief: »Luke!«

Aber er reagierte nicht, und sie konnte ihn nirgendwo in der Andockbucht ausmachen.

»Luke! Schnell!«

Immer noch nichts. War er dort draußen zusammengebrochen?

Sie würde noch einmal aussteigen und ihn holen müssen.

Als sie das Schiff verließ, hörte sie das Zischen eines Lichtschwerts. Sie griff an ihren Gürtel und fühlte ihr Lichtschwert. Luke hatte seines nicht getragen.

Ihr Herz schlug noch schneller. Auf Almania gab es nur ein einziges in der Macht ausgebildetes Lebewesen.

Kueller.