19

 

Brakiss verfolgte Lukes Bewegungen auf vierfache Weise: mit den Überwachungsgeräten, die er auf ganz Telti installiert hatte, mit dem Computersystem, mit einer Gruppe speziell konstruierter Gladiatordroiden, die Luke lautlos einkreisten, und mit der Macht. Die letzte Methode war die verläßlichste. Lukes Anwesenheit fühlte sich an, als hätte jemand einen Felsbrocken in den unbewegten Teich von Brakiss' Welt geworfen. Obwohl Brakiss gewußt hatte, daß Luke kommen würde, war er erstaunt, welche Kraft diese Störung besaß.

Brakiss stand in seinem Kommunikationszentrum unter dem Scheitelpunkt der Kuppel der Protokolldroidenfabrik. Teile von Versuchsdroiden hingen von der Kuppeldecke: Augen, die lauschten, Hände, die sahen, Münder, die zupacken konnten. Am liebsten waren ihm die Augen. Sie brauchten keinen Droidenkörper; sie registrierten alles, was um sie herum geschah, und gaben ihre Eindrücke weiter. Darüber hinaus machten sie den meisten Geschöpfen, die ihre Augen zum Sehen benutzten, angst. Brakiss wußte noch nicht recht, wie er die Augen einsetzen würde. Aber er war guter Dinge, daß ihm ein angemessener Verwendungszweck einfallen würde.

Er verstand sich auf solche Dinge. Telti hatte seine kreativen Fähigkeiten geweckt. Wenn Kueller Brakiss nur erlaubt hätte, diese Produktionsanlage ohne den Einsatz der Macht zu betreiben. Kueller hatte Brakiss versprochen, daß er nie mehr nach Almania zurückkehren mußte. Aber im allgemeinen hielt Kueller seine Versprechen nicht, ganz besonders nicht gegenüber Brakiss. Kueller wußte genau, daß machtsensitive Mitstreiter nur schwer zu finden waren, und er war fest entschlossen, jeden einzusetzen, den er sich gefügig gemacht hatte. Und der talentierteste unter ihnen war Brakiss.

Also hatte Brakiss den Auftrag erhalten, Skywalker in Kuellers Falle zu locken.

Brakiss setzte sich. Der Sessel paßte sich seiner Körperform an und stützte ihn. Auf den Bildschirmen sah er, wie zehn Luke Skywalkers »Hallo!« in einen leeren Raum riefen; leer, abgesehen von dem zu großen Vorrat an Droidenhänden. Selbst den mächtigen Skywalker schienen diese Hände verwirrt zu haben.

Er hatte sich kein bißchen verändert. Dabei hätte er sich verändert haben müssen. Immerhin waren Jahre vergangen. Brakiss hatte gehört, daß Skywalker an Bord von Palpatines Auge beinahe den Tod gefunden hatte. Und doch sah er völlig unverändert aus. Sein narbiges Gesicht wirkte immer noch irgendwie jungenhaft, sein Körper war schlank und kraftvoll, und er strahlte immer noch dasselbe Selbstbewußtsein aus wie früher.

Jenes Selbstbewußtsein, das er ausgestrahlt hatte, als er Brakiss zwang, der dunklen Seite der Macht gegenüberzutreten.

Brakiss schluckte. Wenn er an diesen Augenblick dachte, als er allein gewesen war mit sich selbst und dem Bösen, mit dem Skywalker ihn brutal konfrontiert hatte, durchlief ihn immer noch ein Beben, und wenn er länger daran dachte, dann hatte er das Gefühl, sein Hirn müsse zerspringen. Brakiss war vor dieser Prüfung geflohen, davongerannt, so schnell er konnte. Und als er zu seiner Mutter zurückgekehrt war, fand er sie im Schatten des Imperiums lebend. Er hatte dem Imperium Bericht erstatten müssen, und das hatte er getan, unter der Bedingung, daß er danach seiner Wege gehen konnte.

Brakiss hatte wertvolle Informationen mitgebracht und einen beschädigten Verstand, also ließ das Imperium ihn ziehen. Und er war geflohen, immer weiter, bis Kueller ihn schließlich gefunden und wieder einen ganzen Menschen aus ihm gemacht hatte.

Aber er forderte einen hohen Preis dafür.

Skywalker.

Brakiss beugte sich vor und schnippte sein Kom an. Kueller antwortete sofort, ein kleines Bild auf Brakiss' Holoblock. Dieser Kueller sah so winzig aus, als könnte Brakiss ihn mit der Faust zerquetschen, und doch ging von dem winzigen Bild eine solche Kraft aus, daß Brakiss unwillkürlich seinen Sessel zurückschob.

»Er ist hier«, sagte er.

Kuellers Totenmaske lächelte. »Cut. Schicken Sie ihn zu mir.«

Brakiss leckte sich die Lippen. »Ich hatte gedacht ... ich dachte ... daß ich ihn vielleicht töten könnte. Ich habe noch eine Rechnung mit ihm offen. Er ...«

Kueller machte eine wegwerfende Handbewegung. Sein skelettartiges Grinsen wurde breiter. »Nur zu. Töten Sie ihn.«

Ein eisiger Schauer überlief Brakiss. Das war zu leicht gegangen. »Aber hatten Sie nicht gesagt, Sie würden ihn selbst töten?«

Kueller zuckte die Achseln. »Nun, ich bezweifle, daß Sie dazu in der Lage sind. Aber wenn Sie es tun, bleibt mir nur eins zu tun. Dann muß ich Sie töten.«

Kuellers Stimme klang so zuversichtlich und ruhig, daß Brakiss noch ein Stück weiter zurückwich. »Ich dachte, wir arbeiten zusammen.«

»Das tun wir auch«, erwiderte Kueller. »Aber wer auch immer den großen Jedi-Ritter Luke Skywalker tötet, wird danach die stärkste Gewalt in der Galaxis sein. Wenn Sie Skywalker töten, kommt diese Ehre Ihnen zu. Damit lassen Sie mir keine Wahl, als Ihnen diese Ehre wieder wegzunehmen.«

»Aber der Imperator wollte, daß Vader Skywalker tötet.«

»Der Imperator ist lange tot, Brakiss.« Kuellers Lächeln war vergangen. »Es wäre gut für Sie, wenn Sie sich daran erinnern würden.«

Brakiss nickte.

»Und denken Sie auch daran, Brakiss«, ermahnte ihn Kueller. »Ich werde es wissen, wenn Skywalker stirbt.«

Kuellers Holobild erlosch. Einen Augenblick lang hing noch ein Glühen über dem Holoblock, dann war auch die letzte Spur seiner machtvollen Präsenz verblaßt. Brakiss hob seine Faust über das verschwundene Bild und ließ sie wütend auf den Holoblock niederkrachen. Schmerz fuhr durch seinen Arm. Noch war er Kueller nicht gewachsen Aber eines Tages würde er es sein.

Das war nur eine Frage der Zeit.

Brakiss preßte die schmerzende Hand gegen die Brust und starrte auf die Bildschirme. Skywalker hatte unterdessen zu rufen aufgehört. Er sah sich jetzt mit gerunzelter Stirn und halbgeöffnetem Mund in dem gewölbten Rund der Kuppel um, seine Augen waren glasig, die Augen eines Menschen, dessen körperliche Sinne durch den Gebrauch der Macht ersetzt waren.

Hatte er Kuellers Präsenz gespürt?

Unsinn. Niemand konnte über eine so große Distanz etwas wahrnehmen.

Nicht einmal Skywalker.

Oder doch?

Brakiss fuhr herum. Er schnippte mit den Fingern, und ein Protokolldroide trat ein. Dieser Droide, C-9PO, war ein neueres Modell, das Brakiss für seine eigenen Zwecke modifiziert hatte. Die letzte Speicherlöschung, die vor zwei Monaten durchgeführt worden war, in Verbindung mit einer Spracherweiterung machte diesen Droiden zu einem Werkzeug, dessen Nützlichkeit mit Worten nicht zu fassen war.

Skywalker würde das niemals verstehen.

Oder vielleicht doch?

»C-9PO«, sagte Brakiss, »wir haben einen Gast.«

»Ich weiß, Sir.« Der Droide hielt die vorgeschriebenen zwei Meter Abstand ein, hinter seinen goldenen Augen strahlte ein inneres Licht.

»Führe ihn in die Montagehalle und laß ihn dort auf mich warten.«

»Aber Sir, Gäste gehen nicht in die Montagehalle.«

Er funkelte C-9PO an. Der Droide starrte ungerührt zurück. Es gab Dinge, die sich an Protokolldroiden nie änderten, ganz gleich, wie oft man an ihnen Speicherlöschungen vornahm.

»Dieser hier ist kein Käufer.«

»Was ist er dann, Sir? Damit ich weiß, wer Zutritt zur Montagehalle hat.«

Ja, was ist er? Brakiss lächelte, aber es war ein Lächeln ohne jeden Humor. Es war unmöglich, Skywalker einer Kategorie zuzuordnen, die der Protokolldroide verstehen würde.

»Er ist ein Jedi-Meister, 9PO. Er ist nicht in Fabrikgeschäften hier.«

»Ah«, kommentierte C-9PC). »Dann ist dies eine persönliche Angelegenheit. Ich verstehe.« Er drehte sich um und tänzelte aus dem Raum. Die kleineren Füße der C-9POs stellten keine Verbesserung gegenüber den normalgroßen Füßen der C-l- bis C-8-Modelle dar. Nicht im geringsten.

Er würde darauf zurückkommen müssen.

Aber es brachte Brakiss nichts, wenn er sich mit den Droiden befaßte. Gewöhnlich halt ihm das, auf andere Gedanken zu kommen. Aber nicht jetzt. Skywalkers Präsenz umgab ihn.

Je schneller er es schaffte, daß Skywalker Telti wieder verließ, um so besser.

Sie flogen mit dem Millennium Falken nach Skip 5. Seluss wollte einen der Skipper nehmen, aber Han erinnerte ihn daran, daß er für die Planung zuständig war. Er war nicht bereit, auch nur zehn Meter ohne den Falken zurückzulegen.

Er war zu dem Entschluß gelangt, daß er der Sache selbst auf den Grund gehen mußte. Irgend etwas stimmte hier nicht. Schmuggler trieben Handel mit wertvollen Gegenständen. Und jetzt bezahlte ihnen offenbar jemand das Zehnfache des üblichen Preises für Schrott - Schrott, wie ihn jeder Verbrecherboß, der sich auch nur einigermaßen auf sein Handwerk verstand, mit Leichtigkeit auf Dutzenden von Planeten finden konnte.

Das Imperium oder das, was davon übriggeblieben war, hatte aufgehört, Kriegsgerät herzustellen. Dafür hatte die Neue Republik gesorgt, indem sie jede Fabrik geschlossen hatte, die sie finden konnte. Man hatte die Prototypen und die Konstruktionsunterlagen sichergestellt und dann vernichtet. Und falls es doch noch irgendwelche imperiale Produktionsstätten gab, dann würde besagter Verbrecherboß dafür bezahlen, sich dort mit modernen imperialen Waffen ausrüsten zu lassen.

Oder war an dem alten Zeug etwas Besonderes? Etwas, das ihm irgendwie großen Wert verlieh?

Han war ziemlich sicher, daß er herausfinden würde, was dieses Besondere war, wenn er sich den Schrott ansah, den die Schmuggler verkauften. Zum ersten Mal seit langer Zeit bedauerte er, 3PO nicht an seiner Seite zu haben. Der »Professor« hatte ihn bestimmt über die Unterschiede bei imperialem Kriegsgerät aufklären können, und wenn nicht 3PO, gab es ja auch noch R2.

Es war ein eigenartiges Gefühl, ohne die vertrauten Helfer zu reisen.

Skip 5 war bereits aufgegeben worden, als Han noch ein regelmäßiger Gast im Run gewesen war. Die Höhlen von Skip 5 waren zwar riesengroß, aber sie bestanden aus Sonnenstein und wiesen deshalb eine Raumtemperatur von etwa vierzig Grad Celsius auf, eine Temperatur, die Menschen nur kurze Zeit ertragen konnten und die für die meisten der größeren Spezies, die den Run bewohnten, sogar tödlich war. Etwa zehn Jahre vor Hans Zeit hatte eine Bande menschlicher Schmuggler monatelang in den Höhlen gelebt. Am Ende hatten sie sich gegenseitig massakriert, und manche behaupteten, die Hitze hätte zu diesem Gemetzel geführt.

Han war nie zuvor auf Skip 5 gewesen. Er hatte nur davon gehört.

Deshalb war er auch auf die schiere Größe des Asteroiden und darauf, in welchem Maße er erschlossen und ausgebaut worden war, nicht vorbereitet.

Das Landefeld in dem Höhlensystem unmittelbar unter der Oberfläche von Skip 5 war groß genug, um dort bequem sechs Luxusliner gleichzeitig unterzubringen. Wenn man einmal von Coruscant absah, hatte Han eine Landefläche dieser Größe seit Jahren nicht mehr zu Gesicht bekommen. Neben den Dutzenden von Frachtern, die mit offenen Frachträumen dastanden und darauf warteten, daß die Binärheber ihre Ladung hineinhievten, wirkte der Falke winzig; allein einige der Container waren so groß wie das Cockpit des Falken.

Han sah zu Chewie hinüber, der einen erstaunten Klagelaut von sich gab. Seluss, der hinter ihnen saß, schnatterte aufgeregt.

»In diesen Containern könnte alles mögliche sein, Seluss«, sagte Han. »Und ich will wissen, was.«

Seluss schnatterte weiter.

Han ignorierte ihn. Er wußte, daß niemand freiwillig einen der Frachtcontainer für ihn öffnen würde, ganz besonders nicht jetzt, da man ihn verdächtigte, dem Schmugglerberuf und damit auch der Schmugglerehre den Rücken gekehrt zu haben. Aber er wollte die Verladehalle und die einzelnen Ladebuchten dort inspizieren. Er konnte immer noch nicht glauben, daß Schmuggler sich freiwillig zusammengetan hatten, um einen einzigen geheimnisvollen Kunden im Verband zu beliefern. Sein Gefühl sagte ihm, daß nur wenige sich darauf eingelassen hatten. Die übrigen taten nur so und lieferten die Ware auf eigene Rechnung ab. Wenn er nachsah, würde er herausfinden, wer von Skip 5 aus operierte und wer nicht. Und dann konnten er und Chewie sich auf die Spur derer setzen, deren Abwesenheit ihm verdächtig vorkam. Er hoffte insgeheim, daß einer dieser Schmuggler in seiner Schuld stehen würde. Dann würde er das Geheimnis ihres rätselhaften Kunden vielleicht lüften können, ohne daß eine persönliche Konfrontation mit diesem erforderlich wurde.

»Ihr bleibt hier«, wandte sich Han an Chewie. »Ich bin bald wieder da.«

Chewie knurrte.

»Das haben wir doch alles schon besprochen«, wies Han ihn zurecht. »Ich bin nicht bereit, den Falken unbewacht hier zurückzulassen. Und mit Seluss allein gehe ich nicht in den Skip.«

Seluss schnatterte.

»Bloß weil deine Erklärung plausibel ist, heißt das noch lange nicht, daß ich dir auch vertrauen muß«, erklärte Han. Er erhob sich aus dem Pilotensessel. »Wenn ich nicht bald zurück bin, Chewie, verschwindest du von hier.«

Chewie brüllte.

»Das ist mein Ernst, Chewie.«

Chewie schüttelte sein mächtiges Haupt und gab einen Klagelaut von sich.

»Ja-ah, ich weiß. Eine Lebensschuld«, sagte Han. »Und warum schließt das nicht ein, daß du auch auf mich hörst?« Er griff nach seinem Blaster, »Paß auf den Falken auf, Chewie. Ich verlasse mich lieber auf meinen eigenen Verstand, als ewig auf Skip 5 festzusitzen. Ist das klar?«

Chewie grummelte etwas, wandte sich aber wieder der Steuerkonsole zu. Seluss ergriff Hans Hemdsärmel und schnatterte.

»Ja, ich weiß, daß du weißt, wonach du suchst, Mäusegehirn«, sagte Han. »Das heißt aber noch lange nicht, daß ich dasselbe suche.«

Er schüttelte Seluss' Hand ab und verließ das Cockpit. Chewie hatte unterdessen die Rampe ausgefahren, und Han trat aus dem Falken in die riesige Höhle.

Die Hitze war so drückend, daß er das Gefühl hatte, gegen eine Wand zu laufen. Der Schweiß brach ihm am ganzen Körper aus und ließ seine Kleidung an der Haut kleben. Er wünschte, er hätte Trinkwasser mitgenommen, wollte aber deshalb nicht noch einmal ms Schiff zurückkehren.

Außerdem würde er auch nicht lange fortbleiben. Er würde die Strapaze schon überstehen.

Und es war nicht das erste Mal, daß er sich in solch brütender Hitze bewegen mußte; vergleichbare Temperaturen hatte er bereits in geschwächtem Zustand und ohne Schutzkleidung ausgehalten. Am schlimmsten war es auf Tatooine gewesen, als er an der Hybernationskrankheit gelitten hatte. Damals war er blind gewesen, und die Sonne hatte ofenheiß auf ihn heruntergebrannt, und rings um. ihn war eine Schlacht im Gang gewesen. Er hatte selbst darüber gestaunt, daß er damals überlebt hatte. Eigentlich wunderte er sich sogar heute noch darüber.

Han versuchte, tief durchzuatmen, aber der Atem stockte ihm in der Lunge. Er versuchte es noch einmal und eilte die Rampe des Falken hinunter.

Die Schmuggler beobachteten ihn von den Ladebuchten aus. Blastermündungen folgten ihm. Zwei Binärheber hielten in ihrer Bewegung inne, als er vorüberging. In unmittelbarer Umgebung der Droiden und der aktiven Raumschifftriebwerke wurde es noch heißer. Und dabei war dies ein relativ offener Raum nahe der Oberfläche. Im Innern des Skip würde es noch schlimmer sein.

Han zwängte sich durch eine offene Tür in einen engen Gang. Die Sonnensteinwände waren hier mit einem Kühlbelag beschichtet, und deshalb sank die Temperatur ein paar Grad. Er nutzte den Augenblick, um sich den Schweiß vom Gesicht zu wischen und tief durchzuatmen. Dann überprüfte er seinen Blaster, weil er nicht sicher war, wie gut der in der Hitze funktionieren würde.

Aber die Anzeigen verrieten ihm, daß alles in Ordnung war.

»Haben Sie vor, dieses Ding zu benutzen?«

Han blickte auf. Auf einem in die Wand eingelassenen Pult hinter dem Eingang des Gangs saß ein schlanker Mensch, dem das Haar in goldenen Locken bis auf die Schultern fiel. Er trug Netzhosen und kein Hemd. Seine Brust war über und über mit Tätowierungen bedeckt. Eine Hand ruhte auf der Oberfläche des Pults; die andere konnte Han nicht sehen. Wahrscheinlich hielt er unter dem Pult einen Blaster versteckt.

»Ich will nur sichergehen, daß er funktioniert, falls ich ihn brauche«, erklärte Han.

»Ist das da draußen Ihr Schiff?«

»ja.« Han sprach ohne jeden Ausdruck. Noch wußte er nicht, ob der Mann Freund oder Feind war.

»Schrecklich klein für ein Frachtschiff.«

»Das ist ein prima Frachter«, antwortete Han.

»Aber sicher«, nickte der Mann, keineswegs überzeugt.

Han atmete tief durch. »Haben Sie ein Problem mit meinem Schiff?«

»Nein«, antwortete der Mann. »Es ist nur so, daß dieses Dock hier gewöhnlich von größeren Schiffen benutzt wird. Alte Maschinen landen auf der andere Seite von Fünf.«

»Nun, bis jetzt hat mir keiner die Regeln erklärt«, bemerkte Han. »Nächstes Mal nehme ich die andere Seite.«

Der Mann hob seinen Blaster und legte ihn auf sein Knie. »Wenn Sie mir nicht sagen, was Sie hier wollen, wird es kein nächstes Mal geben, Kumpel.«

»Ein Freund hat mich hergeschickt, um seine Ladung zu inspizieren. Er hat mein Schiff gechartert; ich soll damit seine Sachen vom Run abholen.«

»Hat Ihr Freund einen Namen?«

Inzwischen hatte auch Han seinen Blaster gezogen. »Seluss. Er ist Sullustaner, und sein Partner ist verschwunden. Mitsamt ihrem Schiff.«

»Davon habe ich gehört«, sagte der Mann. Sein Blaster hatte sich noch nicht bewegt, und sein Finger krümmte sich noch nicht um den Abzug. »So was ist in letzter Zeit häufiger vorgekommen.«

»Daß Schmuggler verschwinden?«

»Daß sie nicht zurückkommen.« Der Mann zuckte die Achseln. »Ich schätze, die machen ihren Schnitt und steigen dann einfach aus dem Geschäft aus.«

»Ich dachte, aus diesem Geschäft kann man nicht aussteigen«, meinte Han.

Der Mann schüttelte das lange Haar über die Schulter. »Ah, es gibt schon welche, die aussteigen. Manche setzen sich zur Ruhe, andere gehen einfach weg. Das ist ganz normal. Schmuggler haben so etwas wie eine romantische Ader. Und der Gedanke, alt zu werden, ist ihnen unangenehm. Weil es dann einfach nicht mehr so viel Spaß macht wie in ihrer Jugend. Und jetzt, da eine Menge Geld im Umlauf ist, kann man ihnen das nicht mal verübeln.«

»Sie sehen mir aber noch gar nicht so alt aus«, sagte Han.

»Ich will mich auch noch nicht zur Ruhe setzen.«

»Was machen Sie dann hier? Bis jetzt habe ich auf Skip 5 noch nie Wachen gesehen.« Han war noch nie auf Skip 5 gewesen, aber das mußte er dem tätowierten Mann ja nicht unbedingt auf die Nase binden.

»Ich habe auch nie behauptet, daß ich eine Wache bin.« Der Mann rutschte von dem Pult herunter. »Ich dachte nur, daß Ihr Schiff ein bißchen zu nahe bei meinem steht. Ich wollte mich vergewissern, was Sie vorhaben, ehe ich lade.«

»Welches Schiff ist denn Ihres?« wollte Han wissen.

»Das, unter dem Sie geparkt haben.«

Han sah sich um. Er war neben dem einzigen Großfrachter auf der Landefläche gelandet. Der gepanzerte, klobige Frachter ließ die anderen Schiffe wie Spielzeug aussehen. Der Falke stand unter dem hinteren Laderaum des Frachters. »Wie haben Sie denn dieses Monstrum in den Run gebracht?«

»Habe ich gar nicht«, antwortete der Mann in einem Ton, der es nicht ratsam erscheinen ließ, weitere Fragen zu stellen Han brauchte auch keine zu stellen. Jarril hatte recht gehabt: Der Run hatte sich sehr verändert. In der Vergangenheit hätte ein Schmuggler niemals das Schiff eines anderen gestohlen. Heutzutage schien man sich damit sogar zu brüsten.

Han war froh, daß er Chewie auf dem Falken zurückgelassen hatte.

»Also«, fuhr er fort, »wollen Sie mich jetzt hier durchlassen oder nicht?«

Der Mann zuckte die Achseln. »Ich habe nicht versucht, Sie aufzuhalten.«

»Na ja, dann sind Sie ein ziemlich überzeugender Schauspieler«, knurrte Han und trat in den Gang. Fr rostete langsam ein. Er hatte sich inzwischen so an Coruscant gewöhnt, daß er überhaupt nicht auf die Idee gekommen war, in dem Mann etwas anderes als eine Wache zu sehen. Schmuggler benutzten keine Wachen, höchstens ihre eigenen. Er mußte umdenken, ein paar Dinge vergessen und versuchen, wieder zu denken wie früher, während seiner aktiven Schmugglerzeit. Sonst würde er das hier vielleicht nicht überleben.

Der Gang wand sich vor ihm tiefer in die fast undurchsichtige Dunkelheit. Der Kühlbelag ließ die Strahlung des Sonnensteins nicht durch. Trotzdem war die Luft hier trocken, unangenehm trocken. Han vermißte die allgegenwärtige Feuchtigkeit und ein bißchen sogar den Gestank von Skip 1.

Aber nur ein bißchen.

Seine Stiefel scharrten auf der isolierenden Schicht; der Blaster fühlte sich rutschig an, und der Schweiß an seinen Händen machte es ihm fast unmöglich, irgend etwas festzuhalten. Allmählich paßten sich seine Augen der Dunkelheit an. Im Sand des leicht abwärts geneigten Gangs waren Fußabdrücke verschiedener Größen zu sehen. Weiter unten hörte er die Geräusche von großen Maschinen und Stimmen, die eine Sprache sprachen, die er schon lange nicht mehr gehört hatte. Dann schlug ihm der Gestank entgegen. Es stank nach Schmiermitteln, Öl, Reinigungsflüssigkeit und irgend etwas besonders Widerwärtigem, wie in einer Gondargrube.

Jawas.

Aber das konnte unmöglich sein. Jawas lebten nur auf Tatooine und verließen ihren Planeten niemals. Das einzige Mal, daß sie das seines Wissens doch getan hatten, war auf Palpatines Auge gewesen, als Luke dort auf Jawas gestoßen war, die Tatooine jedoch nicht aus freien Stücken verlassen hatten.

Vielleicht die hier auch nicht.

Han stapfte tiefer in den Gang hinein, immer darauf bedacht, die Wand im Rücken zu haben. Vor ihm, hinter einer Biegung, wurde es jetzt heller, Hitze schlug ihm entgegen und machte den Gestank noch unerträglicher. Hier unten war der Sonnenstein nicht unter einem Kühlbelag verborgen.

Han schluckte und befeuchtete sich die Lippen. Er nahm sich vor, nur einmal ganz kurz hinzusehen und dann zum Falken zurückzukehren. Seine Hand schloß sich fester um seinen Blaster. Jawas waren nicht gerade seine Lieblingsgeschöpfe, nicht mal unter den günstigsten Voraussetzungen.

Der Sonnenstein blendete ihn, als er um die Ecke bog. Die Hitze hüllte ihn ein wie die Arme einer Geliebten. Er blieb stehen, bis seine Augen sich an das grelle Licht gewöhnt hatten. Dann schob er sich vorsichtig weiter, wobei er darauf achtete, kein unnötiges Geräusch zu verursachen.

Der Gang öffnete sich zu einer großen Höhle. Die Decke wölbte sich einige Stockwerke über Han - weit genug weg, daß der Sonnenstein den täuschend echten Eindruck von richtigem Sonnenlicht vermittelte; die Wände der beiden unteren Stockwerke waren mit dem Kühlbelag beschichtet. Das Ganze sah aus, als hätte man ein Stück von Tatooine hierher ins Zentrum von Skip 5 verpflanzt.

In der Mitte der großen Höhle stand ein Sandkriecher. Seine keilförmigen Türen waren geöffnet, und Jawas gingen ein und aus. Ihre Augen glühten rot unter ihren Kapuzen, ihre Gewänder waren unten ausgefranst, und sie redeten pausenlos aufeinander ein, während sie Teile von Sturmtruppenuniformen in den Sandkriecher verluden. Jawas im Inneren des riesigen Gefährts reinigten die Uniformen, während andere damit beschäftigt waren, Droiden zu reparieren und wieder einsatzfähig zu machen. Im Sand lagen weitere Teile von Sturmtruppenuniformen, ein paar Blaster und Teile einer imperialen Fähre verstreut.

Han vergaß völlig, wie heiß ihm war. Er beugte sich so weit nach vorn, wie er nur konnte, und entdeckte durch die Öffnungen in der Wand in der Nachbarschaft weitere schattige Höhlen, und er sah Sandkriecherspuren, die von ihm wegführten. Nach ein paar Augenblicken hob ein Jawa seine kleine Hand, erteilte einen Befehl, und die übrigen Jawas trugen die restlichen Uniformen an Bord. Die Teile der Fähre hatten sie offenbar nicht gesehen. Der Sandkriecher setzte sich ruckend in Bewegung und schob sich auf seinen breiten Ketten nach vorn. Ais er an Hans Versteck vorbeirasselte, preßte der sich, um nicht gesehen zu werden, gegen die Wand des Gangs.

Dabei nahm hier niemand Notiz von ihm.

Nachdem die Jawas verschwunden waren, ging Han ein paar Schritte weit in die Höhle hinein und kauerte sich nieder. Der Sand war heiß, ganz wie er es erwartet hatte. Er nahm eine Handvoll und ließ ihn durch die Finger rinnen. Er sah zu, wie kleine Steinchen mit dem Sand herabrieselten, bis er eine Schraube herausfilterte. Fr wischte den Sand weg und betrachtete die Schraube. Imperiale Arbeit - vielleicht fünfundzwanzig Jahre alt -. wie sie gewöhnlich auf Frachtschiffen verwendet wurde.

Han warf die Schraube weg und grub tiefer im Sand. Er fand weitere kleine Teile Schrott, bis er auf die unterste Schicht des Kühlbelags stieß.

Das bedeutete, daß der Sand absichtlich aufgeschüttet worden war. Und auch das imperiale Gerät hatte irgend jemand hier abgeladen.

Das Ganze ergab keinen Sinn.

Han blieb noch einen Augenblick lang in der Hocke und dachte nach. Irgendwo hier mußte es einen Hinweis geben.

Und irgend etwas mußte er bereits übersehen haben. Etwas von Bedeutung.

Die Hitze brannte schier unerträglich auf seinem Rücken. Das Poltern eines weiteren Sandkriechers ließ ihn aufblicken. In der nächsten Höhle wurde gerade die Klappe eines weiteren dieser schweren Landfahrzeuge geschlossen.

Wenn Skip 5 ebenso groß war wie Skip 1, konnten die Jawas tagelang durch das Labyrinth von Höhlen fahren, ohne einander zu begegnen. Sie mochten sogar glauben, sich auf einem kleinen, isolierten Teil von Tatooine zu bewegen. Und solange sie schrottreifes Gerät fanden, das sie einsammeln und reparieren konnten, würden sie zufrieden sein.

Solange es Orte gab, an denen sie damit Handel treiben konnten. Oder wo man sie irgendwie dafür bezahlte.

Jawas machten gern Tauschgeschäfte, aber Kredits bedeuteten ihnen nicht viel. Was ihr Leben lebenswert machte, war das

Sammeln, das Instandsetzen und der Weiterverkauf von Schrott. Was für eine großartige, ideale und doch bestechend einfache Methode, gebrauchte imperiale Kriegswaffen praktisch kostenlos reinigen und reparieren zu lassen. Wer auch immer sich das ausgedacht hatte, mußte ein brillanter Kopf sein.

Ein Gestank wie von verfaulendem Fisch schlug Han entgegen, und er zog die Hand aus dem Sand. Giftgrüner Schlamm, Jawas - fast alles, was er bisher im Run erlebt hatte, war vor allem mit üblen Gerüchen verbunden gewesen. Wer konnte ahnen, was noch in diesem aufgeschütteten Sand steckte? Er selbst wollte es jedenfalls lieber nicht wissen.

Han wischte sich die Hände an den Hosen ab und drehte sich um. Chewbacca zielte mit dem Rücken zu ihm mit seiner Armbrust auf den Eingang des Gangs.

»Ich dachte, ich hätte dir gesagt, du sollst im Falken bleiben.«

Chewie gebot ihm mit einer Prankenbewegung Schweigen. Han hob den Blaster. Seluss war nirgends zu sehen. Wenn Chewie diese kleine Ratte im Falken zurückgelassen hatte, konnte er etwas erleben.

Schließlich ließ Chewie die Pranke sinken. Er sprach leise in Wookiee, eine Folge knurrender und klagender Laute, die er mit anmutigen Gesten unterstrich. Die ganze Zeit ließ er den Gang nicht aus den Augen, als rechne er damit, daß jeden Augenblick jemand dort auftauchen würde.

Han hörte ihm zu, und sein Gesichtsausdruck verdüsterte sich. Chewie hatte IHan verschwinden sehen und dann drei Männer, die ihm in den Gang gefolgt waren. Als Chewie Han gefunden hatte, war dieser jedoch allein gewesen.

Und das war noch nicht alles. Die meisten Schiffe in den Ladebuchten des Skip 5 wurden nicht beladen, sondern entladen.

Niemand löschte hier, im Smuggler's Run, seine Ladung. Das war ein ungeschriebenes Gesetz und darüber hinaus höchst unklug.

»Ich muß irgendwas nicht mitgekriegt haben, Chewie«, sagte Han. »Wo steckt Seluss?«

Chewie deutete mit einer Kopfbewegung in Richtung des Gangs.

»Dort oben? Du hast ihm einen Blaster gegeben?«

Chewie zuckte die Achseln und knurrte leise.

»Da magst du recht haben. Wenn du ihn allein im Falken gelassen hättest, wäre ich äußerst sauer gewesen«, meinte Han.

Chewie gab einen Klagelaut von sich und wischte sich mit einer Pranke über die Nase.

»Du solltest endlich aufhören, dich über den Gestank zu beschweren, du großer Teddybär«, sagte Han. »Wenn ich an die Hitze und die Jawas denke ...«

»Was ist, wenn Sie an die Hitze und die Jawas denken, General Solo?« ertönte eine Stimme hinter ihm.

Han wirbelte herum und hob den Blaster. Sechs Glottalphibs standen hinter ihm, ihre großen Füße versanken im Sand. Alle sechs waren größer als Chewie. Fünf von ihnen hatten ihre Sumpfschocker auf ihn gerichtet, kurzläufige, mit Schlamm und vertrockneten Algen bedeckte Waffen. Han hatte einmal einen Schuß aus einem Sumpfschocker abbekommen, und es hatte so höllisch weh getan, daß er das nie wieder erleben wollte.

»Sie sollten Ihren Blaster sinken lassen, General Solo«, sagte der unbewaffnete Glottalphib. Beim Sprechen kräuselte

Rauch aus seinem Maul. Er war ebenso groß wie die anderen, aber seine Schuppen waren im Gegensatz zu dem normalen Gelbgrün seiner Spezies grauschwarz gesprenkelt. Er hatte die winzigen grünen Hände über der Brust verschränkt. »Sonst könnte jemand auf den Gedanken kommen, daß Sie uns bedrohen. Sie würden uns doch nicht bedrohen, oder, General Solo?«

Han sah sich nicht um, wußte aber aus Erfahrung, daß Chewie seine Armbrust auf sie gerichtet hatte. Er hatte nie zuvor gegen sechs Glottalphibs gekämpft. Selbst mit einem Wookiee auf seiner Seite standen die Chancen ausgesprochen schlecht.

»Ich bin Ihnen gegenüber im Nachteil«, sagte er. »Sie scheinen zu wissen, wer ich bin, aber ich habe keine Ahnung, wer Sie sind.«

»Unsinn, General Solo. Mit wie vielen Glottalphibs hatten Sie denn im Laufe Ihrer Karriere bereits zu tun?«

»Es waren genug, um euch Typen voneinander unterscheiden zu können, Kumpel. Und Ihnen bin ich noch nie begegnet.« Er bemühte sich, Zeit zu gewinnen, und das wußten sie beide. Der einzige Glottalphib von Rang und Namen war Nandreeson, und der war praktisch der unumschränkte Herrscher über Skip 6.

»Ein so bedeutendes Versäumnis lasse ich mir nur selten zuschulden kommen, General Solo.« Der Glottalphib lächelte, und dabei zuckte eine winzige Flammenzunge aus seiner Nase. »Mein Name ist Iisner Ich bin für Nandreeson tätig. Er hat gehört, daß der Konkubinatspartner der großen Prinzessin Leia im Run weilt, und würde sich gern mit Ihnen treffen.«

Hans Finger krümmte sich um den Abzug. Die Formulierung sollte ihn zornig machen, das wußte er. Dabei war er ohnehin schon zornig. »Ich bin kein Konkubinatspartner«. widersprach er unwillkürlich. Chewie knurrte eine Warnung. »Ich bin ihr Mann.«

»Ah ja«, meinte der Glottalphib. »Die menschlichen Gewohnheiten sind so pervers. Ich habe die Besitzbedürfnisse Ihrer Gattung nie begriffen. Besser für die Erbmasse, wenn man seine Eier dort läßt, wo jeder zufällig vorbeikommende Mann sie befruchten kann.«

»Sie haben doch nicht Ihre Sumpfschocker auf mich gerichtet, um mit mir über Paarungsgewohnheiten zu diskutieren.« Aus dem Augenwinkel begutachtete Han die nächste Höhle. Die Klappe des Sandkriechers hatte sich geschlossen. Das schwere Fahrzeug würde sich jetzt jeden Augenblick in ihre Richtung bewegen.

»Nein, ich bin gekommen, um Sie nach Skip 6 einzuladen.«

»Eine Einladung, hinter der fünf Sumpfschocker stehen, ist keine Einladung«, sagte Han. »Das ist ein Befehl.«

Das Lächeln des Glottalphib wurde breiter. Wieder zuckte eine Flamme, diesmal länger, aus seinem rechten Nasenloch.. »Ja, ich nahm an, daß Sie es so sehen würden. Unsere Gebräuche sind so unterschiedlich. Aber wir bitten Sie aus Freundlichkeit und höflichem Interesse zu uns. Wir erfahren so wenig über die Neue Republik. Es wäre nett, aus dem Munde des - Ehemanns einer großen Führerin der Neuen Republik Neuigkeiten vernehmen zu dürfen.«

Chewies geknurrte Warnungen wurden lauter. Diesmal verkniff sich Han eine ärgerliche Entgegnung. Leia war eine große Führerin.

»Nehmen Sie die Sumpfschocker weg, rufen Sie Ihre Handlanger zurück, dann komme ich vielleicht mit.«

»Ah, General Solo. Ich kann doch nicht auf ein Vielleicht hin so drastische Änderungen vornehmen.« Wieder zuckte eine Flamme aus dem linken Nasenloch des Glottalphib. Jeder neue Ausbruch steigerte die Hitze in der Höhle.

Der Sandkriecher hatte ihre Höhle fast erreicht. Der Boden zitterte, aber die Glottalphibs schienen es nicht zu bemerken

»Okay«, sagte Han. »Nehmen Sie die Sumpfschocker weg, rufen Sie Ihre Handlanger zurück, und Chewie und ich folgen Ihnen nach Skip 6.«

»Wir haben keine Landeflächen für konventionelle Schiffe, General Solo.«

 

»Dann sollte Nandreeson vielleicht zu mir kommen. Ich verfüge auf Skip 1 über angemessene Gegebenheiten.« Han wich ganz langsam immer weiter zurück. »Und jetzt habe ich noch etwas zu erledigen, wenn Sie mich bitte entschuldigen würden.«

»Nicht so überstürzt, General Solo«, sagte der Glottalphib. »Nichts ist wichtiger als das, was wir von Ihnen wollen.«

Der Sandkriecher kam jetzt in die Höhle gerollt Der Glottalphib drehte sich überrascht um.

Han stieß Chewie an. »Lauf!« rief er.

Sie rannten beide in den Gang und nahmen die Steigung. Blaues Licht aus den Sumpfschockern traf auf die Sonnensteinwände und strahlte noch mehr Hitze ab. Chewie brüllte. Han stieß ihn von hinten an. Plötzlich wurde es finster um sie; dann zuckten Flammen über den Sonnenstein, genau an der Stelle, die sie vor einem Augenblick hinter sich gelassen hatten.

Han feuerte zurück. Der Blasterschuß peitschte durch die Öffnung des Gangs, verfehlte aber sein Ziel. Chewies breite Pranken rutschten im Sand aus. Han mußte ihn immer wieder weiterstoßen. Die Glottalphibs waren inzwischen gefährlich nahe herangekommen. Wieder fuhr dicht neben Han eine Flamme in die Wand und brannte den Kühlbelag weg. Glühende Hitze hüllte die Fliehenden ein.

»Hier lang!«

Han blickte auf. Eines der flachen Elemente der Isolierschicht war zur Seite geklappt worden, und der langhaarige blonde Mann vom Eingang steckte den Kopf durch die Lücke.

»Schnell!« drängte er. »Wir haben nur Sekunden.«

Chewie brüllte protestierend.

Wieder schlugen neben ihnen Flammen ein. Diesmal hielt der Kühlbelag, begann jedoch unter der gewaltigen Hitze rot zu glühen. Sie würden es niemals schnell genug durch den Gang schaffen, um den Flammen und den Sumpfschockern zu entkommen. Han wußte nicht, wer dieser Bursche war, aber im Augenblick war alles besser, als in Glottalphib-Frikassee verwandelt zu werden.

»Los, Chewie, beeil dich!«

Chewie protestierte abermals, und Han schubste ihn durch die Öffnung in der Wand. Der Mann zog Chewie hinein, und Han kroch hinter ihm her und landete auf einem Haufen VOR duftendem Wookieefell. Sie befanden sich in einer schmalen Nische, die mit Sonnenstein ausgekleidet war und besonders hell leuchtete. Der Mann griff um Han herum und zog das lose Element der kühlenden Verschalung über die Öffnung.

»Sehen wir zu, daß wir hier rauskommen, ehe wir bei lebendigem Leib gebraten werden«, sagte der Mann.

»Dagegen ist nichts einzuwenden«, erklärte Han. Gemeinsam waren sie Chewie beim Aufstehen behilflich. Die Nische war so eng, daß er nicht aufrecht stehen konnte. Der Mann quetschte sich durch einen schmalen Spalt hinter ihnen, und Han folgte ihm. Chewie bückte sich und wollte sich ebenfalls hindurchzwängen.

Dann brüllte er.

Er steckte fest

Plötzlich glühte der Kühlbelag hinter ihnen rot. Vermutlich hatte ihn ein Hammenstrahl getroffen. Die Hitze nahm weiter zu. Hans Kehle war völlig ausgetrocknet und sein Hemd völlig durchgeweicht. Er hätte doch noch einmal ins Schiff zurückkehren und Wasser mitnehmen sollen.

Aber wenigstens hielt die Verschalung.

Er streckte die Hand aus und zerrte an Chewies pelzigem Arm.

»Lassen Sie ihn los«, forderte der Mann. »Wir müssen hier raus.«

»Entweder wir alle drei oder keiner von uns«, antwortete Han, obwohl er nicht recht wußte, wie er das durchsetzen sollte. »Du mußt dich noch kleiner machen, Chewie.«

Der Wookiee brüllte wieder.

»Dann sagen Sie ihm, daß er wenigstens den Mund halten soll.«

   »Halten Sie doch den Mund!« herrschte Han den Blonden an.

Chewie krümmte sich in dem schmalen Durchgang und stieß mit den Knien gegen die Wand.

»Okay«, sagte Han. »letzt weiß ich, wie wir es machen. Stemm die Beine gegen die Wand, und drück dich durch den Spalt.«

Chewie murmelte ein paar ausgewählte Wookieeverwün- schungen von der Art, bei der Han immer so tat. als würde er sie nicht verstehen, und unternahm dann, was Han ihm geraten hatte. Seine Armbrust stieß heftig gegen die Wand, dann konnte man hören, wie Fell zerriß. Aber Chewie rutschte nach und nach auf Han zu und war plötzlich auf der anderen Seite und frei.

Ein dickes Büschel Wookieehaare hing an der Sonnensteinwand. Chewie gab einen weiteren Klagelaut von sich. An seinem Rücken fehlte ein ganzes Stück Fell.

»Ihr Freund jammert ja ganz schön rum«, sagte der Mann. Er hatte sich nicht von seinem Platz tiefer in der Felsspalte entfernt.

Chewie knurrte.

»Das ist ein Wookiee, mein Freund«, belehrte Han ihn. »Soll heißen, ich würde an Ihrer Stelle darauf achten, ihn nicht wütend zu machen.«

»Mit Wookiees komme ich klar.«

Han grinste. »Wer das sagt, hat noch nie mit einem Wookiee zu tun gehabt.«

»Wollen Sie jetzt, daß ich Ihnen helfe oder nicht?« fragte der Mann.

»Ich weiß nicht«, entgegnete Han. »Was bringt es Ihnen ein, wenn Sie mir helfen?«

»Ein Gefühl der Befriedigung, General. Und jetzt kommen Sie!« Der Mann zwängte sich durch eine weitere schmale Öffnung und durchquerte dann, ehe Han noch Gelegenheit hatte, ihm zu antworten, eine größere Höhle. Der Mann wußte, mit wem er es zu tun hatte.

Er hatte es die ganze Zeit gewußt.

Und das machte Han nervös.

Han spähte durch die Felsspalte. Die Höhle sah aus, als wäre sie nicht von Menschenhand geschaffen, ebensowenig wie der Felsspalt. Der Sonnenstein strahlte hell.

Und es war heiß.

»Denkst du, du schaffst es, Chewie?«

Chewbacca nickte.

»Denkst du, wir sollen ihm vertrauen?«

Chewie schüttelte den Kopf und gab einen klagenden Laut von sich.

»Du hast recht. Bis diese Verschalung abkühlt, kann es eine Ewigkeit dauern. Und während dieser Zeit sitzen wir hier fest, in dieser Hitze. Und nichts könnte schlimmer sein, stimmt's?«

   Chewie schüttelte den Kopf, als könne er nicht glauben, daß Han das gesagt hatte. Han konnte es selbst nicht glauben.

»Du zuerst, Bettvorleger. Auf die Weise kann ich nachhelfen, wenn du steckenbleibst.«

Und etwaige Verfolger abwehren. Han wußte nicht, warum Nandreeson hinter ihm her war, aber er hatte nicht vor, zu warten, bis er das herausgefunden hatte.

Chewie manövrierte sich durch die zweite Felsspalte, ohne diesmal allzuviel Fell dabei zu verlieren. Han folgte ihm. Die Höhle, die der Mann bereits hinter sich gelassen hatte, war groß. Chewie hatte keine Probleme, aufrecht darin zu stehen.

Die Hitze war hier nicht ganz so schlimm. Han wischte sich über das Gesicht. Ihm war ziemlich mies zumute. Der Mann war weg, aber seine Spuren führten quer durch die Höhle.

Als ob sie eine Wahl gehabt hätten. Andere Fluchtwege gab es nicht; also folgten sie seinen Spuren mit schußbereiten Waffen. Aus einem Seitengang strömte kühle Luft. Der Mann erwartete sie. Er saß auf einem Stapel Isolierbeschichtung; sein Blaster ruhte auf einem Knie.

»Ich dachte schon, Sie würden es nicht schaffen«, sagte er.

»Manchmal ist der Feind, den wir kennen, weniger gefährlich als der, den wir nicht kennen«, antwortete Han.

»Sie glauben mich also zu kennen.« Der Mann lächelte.

Han schüttelte den Kopf. »Hätte nicht viel gefehlt, und wir wären dort hinten geblieben, bis die Isolierschicht abgekühlt wäre.«

»Sie würden sich lieber mit Nandreesons Leuten auseinandersetzen als mit mir?«

»Ich weiß nicht, was Sie wollen«, sagte Han. »Und auch nicht, wer Sie sind.«

Der Mann streckte ihm die Hand entgegen. »Mein Name ist Davis.«

»Namen helfen uns nicht weiter«, wehrte Han ah. »Ich kenne Sie trotzdem nicht.«

»Ich kenne Sie eigentlich auch nicht, General, aber ich weiß, wer Sie sind.«

»Und damit sind Sie mir gegenüber eindeutig im Vorteil.«

»Sie haben kein großes Vertrauen zu anderen, was? Ich versuche gerade, Ihnen aus der Patsche zu helfen.«

»Das muß sich erst noch zeigen. Wo gehen wir hin?«

»Diese Gänge führen uns auf Umwegen zu dem Landefeld, wo Ihr Schiff liegt.«

»Und wo Nandreesons Leute warten«, sagte Han. »Die nehmen nämlich an, daß ich den Falken nicht zurücklasse.«

»Haben Sie denn vor, ihn zurückzulassen?«

»Ich beabsichtige lediglich, unberechenbar zu sein.« Han ließ seinen Blaster sinken.»Sagen Sie mir, was diese Jawas hier machen.«

»Jetzt?« fragte Davis.

»Jetzt«, nickte Han.

Der Blonde seufzte. Dann schob er seinen Blaster ebenfalls ins Holster. »Ein paar Schmuggler haben die Jawas hergebracht, um Kriegsgerät zu säubern und zu reparieren.«

»Gratis?«

Davis schüttelte den Kopf. »Jawas arbeiten nie gratis. Aber sie arbeiten billig. Für die Schmuggler ist es wesentlich einfacher, es auf die Weise zu machen, als die Arbeit selbst zu tun - oder jemand anderen dafür zu bezahlen.«

»Also lassen sie ihr Zeug einfach im Sand liegen, bis die Jawas es aufsammeln, reparieren und an sie zurückverkaufen?«

»Es funktioniert«, meinte Davis.

»Das kommt ganz darauf an, wie man >funktionieren< definiert«, bemerkte Han. »Jawas reparieren den alten Kram, der ihnen in die Hände fällt, nie besonders zuverlässig.«

»Aber sie trennen alles, das noch funktioniert, von dem unbrauchbaren Schrott, und das reicht den Typen hier völlig.«

»Und wer kauft diesen Schrott?« wollte Han wissen.

»Keine Ahnung«, behauptete Davis. »Und es lohnt sich auch nicht, sich danach zu erkundigen.« Er sah sich um. »Ich meine wirklich, wir sollten nicht länger hierbleiben. Ihren sullustanischen Freund haben die vermutlich bereits umgebracht, und jetzt durchsuchen sie die Höhlen und Gänge nach Ihnen.«

»Seluss kann auf sich selbst aufpassen«, sagte Han. »Und wahrscheinlich erwarten die mich bei meinem Schiff.«

»Das war ein ziemlich großes Aufgebot. Vielleicht haben sie sich verteilt.«

»Woher wissen Sie, wie viele es waren?«

»Ich habe sie gesehen, als sie in den Gang kamen, Solo. Ich wußte, daß sie hinter irgend etwas her waren.«

»Sie sind aber nicht durch den Gang gekommen.«

»Nein, sind sie nicht.«

»Dann kennen sie sich hier gut aus.«

»Viele Wege führen zum Sand, Solo, nicht nur der eine Gang oder das System von Höhlen.«

Chewie tat grollend seine Zustimmung kund. Han atmete tief durch. Er haßte Skip 5. Die Hitze war unerträglich, selbst in den tieferen Höhlen. »Sie sind nur sechs«, überlegte er. »Und wir sind zu dritt. Ich schätze, wir können uns an ihnen vorbei zum Falken mogeln.«

Davis schüttelte den Kopf. »Das sind Nandreesons Leute. Wenn Sie im Ladebereich auf sie schießen, werden die meisten Schmuggler dort auf Sie schießen.«

Chewie grollte.

»Hast du eine bessere Idee, Bettvorleger?«

Chewie knurrte und vollführte eine knappe Geste.

»Das könnte klappen«, meinte Han. »Das könnte tatsächlich klappen.«

»Was?« fragte Davis. Wookiee verstand er also offensichtlich nicht. Irgendwie fühlte sich Han dadurch erleichtert.

»Führt von hier aus ein anderer Weg in den Sand?«

Davis nickte. Er zog die Stirn kraus.

Han lächelte. »Na prima«, sagte er. »Ist schon lange her, daß ich mit den Jawas Geschäfte gemacht habe.«