29
Luke hatte gerade zu Ende gegessen. Er hatte sich aus den im Haus noch vorhandenen Konserven eine kleine Mahlzeit zubereitet. Jetzt ruhte er sich aus und bemühte sich, so gut er konnte, wieder zu Kräften zu kommen. Das Gefühl, beobachtet zu werden, hatte sich gelegt, wenigstens für den Augenblick. Aber er ahnte, daß es sich bald wieder einstellen würde.
Und es hatte etwas mit Almania zu tun.
Er würde eine Weile warten und dann erneut den Hauscomputer befragen. Hoffentlich gab es hier irgendwo einen Bactatank oder ein pydyrianisches Äquivalent, etwas, das den Heilprozeß beschleunigen würde. Er konnte sich jetzt nicht mit Jedi-Übungen begnügen, und er wußte, daß er all seine Kraft brauchen würde.
Sobald er den Bactatank gefunden hatte, würde er sich auf die Suche nach einem neuen Schiff machen. Er wußte nicht, ob er sich dann nach Almania begeben oder lieber nach Yavin 4 zurückkehren sollte, bis er ganz wiederhergestellt war. Er wußte nicht, wieviel Zeit ihm zur Verfügung stand. Er war nicht einmal sicher, wonach er eigentlich suchte, und das erzeugte in ihm ein Gefühl des Unbehagens.
Diese ganze Geschichte erzeugte ein Gefühl des Unbehagens in ihm.
Luke?
Leia, sie streckte aus weiter Ferne suchend ihre geistigen Fühler nach ihm aus. Er spürte deutlich ihre Besorgnis.
Nein?
Aber die Verbindung brach plötzlich ab, zerriß, wie er es noch nie zuvor erlebt hatte. Er konnte sie nicht länger fühlen. Er tastete in die Macht hinaus, suchte ihren vertrauten Geist, aber sie war nicht da. Es war, als hätte jemand eine Mauer um ihn errichtet.
Leia?
Sie konnte unmöglich tot sein, oder? Ihre Botschaft war von Besorgnis geprägt gewesen, aber Luke glaubte, Sorge um ihn gespürt zu haben, und nicht etwa Furcht um ihr eigenes Leben.
Leia?
Er suchte die Kinder und konnte sie fühlen, spürte, wie sie vergnügt auf Anoth herumtobten. Selbst seine Schüler auf Yavin 4 konnte er spüren, nur Leia nicht.
Und auch niemanden, der ihr nahestand. Irgend etwas blockierte ihn. Mit Absicht.
Luke seufzte. Noch etwas, das er ergründen mußte. Noch etwas, das an seinen Kräften zehrte. Er rieb sich die Augen und atmete tief durch, dann versuchte er es noch einmal. Er beugte sich in dem Sessel nach vorn, der für eine kleinere Gestalt gemacht war als die seine, als das Entsetzen ihn traf und zurückwarf. Er stieß einen Schmerzensschrei aus, als sein verbrannter Rücken hart mit dem Boden in Berührung kam. Aber das war ein physischer Schmerz, der im Vergleich zu der eiskalten Pein, die sein Bewußtsein überflutete, bedeutungslos war. Schmerz, Angst, der Schock des Verrats - alles auf einmal -, in Tausenden von mentalen Stimmen, die plötzlich und unwiderruflich zum Schweigen gebracht wurden.
Eisige Kälte durchströmte ihn. Dann erinnerte er sich an Anakin: Wir haben das Zimmer heiß gemacht.
Heiß.
Er schickte Hitze in die Kälte, kämpfte sie nieder, zuckte unter dem Schmerz zusammen, preßte die Arme an den Kopf, um sich vor der klebrigen rosa Masse zu schützen, vor dem Stechen, vor der Kälte, vor der schrecklichen Todesnot.
Tod.
Tod.
Die Kälte verging und ließ am Ende bloß einen säuerlichen Geschmack in Lukes Mund zurück. Er hob den Kopf, wußte nicht, wie lange er auf dem Boden gelegen hatte.
Es war wieder geschehen. Ein weiterer Planet vernichtet.
Er tastete erneut nach Leia, spürte sie aber nicht. Nur die Mauer: hart, fest, mächtig.
Luke stand zitternd auf. Er mußte einen Computer finden, der mit den Netzen verbunden war, oder sonst etwas, das ihm Informationen liefern konnte. Obwohl er tief in seinem Innern wußte, das Coruscant nichts zugestoßen war.
Die Erschütterung war tiefer, kälter, mächtiger als die erste gewesen. Näher.
Viel näher.
Und er wußte sogar, von wo die Erschütterung der Macht ausgegangen war.
Von Almania, von der Präsenz, die dort auf ihn wartete.
»Wer war denn das?« fragte Admiral Ackbar.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Leia. Ihre Hände fuhren über den Kampfanzug, dann schob sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sie saß wieder an ihrer Computerstation, wo sie vergeblich versuchte, mit Han Kontakt aufzunehmen, und mit den Kindern, deren Kindermädchen unverzüglich antwortete. Winter berichtete, daß sie die Erschütterung auch gespürt hatten, aber diesmal hätte sie gewußt, wie sie ihnen beistehen mußte. Sie erzählte außerdem, daß Luke ihnen nach seiner Ankunft auf Coruscant geholfen hatte und daß sie jetzt zwar verstört wären, aber nicht so verschreckt wie beim ersten Mal.
Leia sprach mit den Kindern, beruhigte sie und versicherte ihnen, daß sie in Ordnung war, und unterbrach die Verbindung.
»Diese Totenkopfmaske kam mir irgendwie bekannt vor«, überlegte Wedge.
»Im Nationalmuseum auf Alderaan gab es eine Sammlung solcher Masken«, entgegnete Leia. »Diese stammt von einem der fernsten Punkte der Galaxis.«
»Woher wissen wir, daß es eine Maske ist?« fragte der junge Lieutenant. »Der Mund hat sich ganz natürlich bewegt.«
»Wir wissen es nicht«, sagte Leia. »Aber kennen Sie irgendein Volk, das so aussieht? Oder das solche Masken benutzt?«
»Auf Anhieb nicht«, erwiderte Admiral Ackbar, »aber wir könnten Nachforschungen anstellen.«
»Wir müssen eine ganze Menge Nachforschungen anstellen«, meinte Leia. »Wir müssen auch herausbekommen, von wo diese Übertragung kam.« Wieder war ihr eine Haarsträhne in die Stirn gefallen, die sie energisch zurückschob. Ihre Hände zitterten noch immer. »Und außerdem müssen wir herausbekommen, wer die Opfer waren.«
»Ich habe nichts gespürt«, bemerkte Wedge.
»Ich weiß. Dieser Kueller, wer auch immer das ist, besitzt gewisse Fähigkeiten in der Macht. Er hat gewußt, daß ich diesen millionenfachen Tod spüren würde. Darin bestand ja seine Demonstration.«
»Woher wissen wir, daß es sich dabei nicht bloß um eine Simulation gehandelt hat, etwas, das in Ihnen nur den Eindruck mannigfaltigen Todes erweckt hat?« fragte Admiral Ackbar.
»Auch das wissen wir nicht«, erklärte Leia. »Aber ich kann mir nicht vorstellen, daß irgend jemand über eine derartige Gabe verfügt.« Sie schauderte, spürte immer noch die eisige Kälte, die ihr Herz lähmte.
»Es gab keine Berichte über explodierte Planeten«, meldete der junge Lieutenant, »weder jetzt noch unmittelbar vor dem Bombenanschlag auf die Senatshalle.«
»Kueller hat gesagt, er habe eine »elegante Waffe« eingesetzt«, meinte Wedge. Er setzte sich wieder. »Wir suchen nach etwas zu Großem. Wir müssen herausfinden, von welchen Planeten wir in letzter Zeit nichts gehört haben, und uns um alle ungewöhnlichen Vorkommnisse im nahen Weltraum kümmern.«
»Es gibt eine große Zahl von Berichten über Weltraumkollisionen im Anflugbereich um Auyemesh«, berichtete Ackbar.
»Und keine Antwort von ihrer Raum Verkehrskontrolle«, ergänzte Wedge aufgeregt.
»Wir haben außerdem keinen Kontakt zu irgend jemandem auf dem Planeten«, fügte der junge Lieutenant hinzu.
»Wo liegt Auyemesh?« erkundigte sich Leia.
»Auyemesh ist ein winziger Planet in einem weit entfernten System«, erklärte Ackbar, »auf der Coruscant zugewandten Seite des Almania-Systems.«
»Almania?« Leia fühlte sich unwillkürlich unbehaglich, wenn sie über irgend etwas in der Galaxis nicht im Bilde war. Sie glaubte, jeden Ort zu kennen. War das jenes Almania, das Lando erwähnt hatte?
»Davon habe ich auch noch nie gehört«, sagte Wedge, »und ich dachte immer, ich wäre schon überall gewesen.«
»Das System liegt jenseits der Randwelten«, fuhr Ackbar fort. »Die Alte Republik wollte Almania als Mitglied gewinnen, aber einige Senatoren haben sich dagegen ausgesprochen und gesagt, die Entfernung zu dem System wäre zu groß.«
»Große Entfernung«, flüsterte Leia. »Admiral, Sie sagten doch, dieses Holo sei von weit her zu uns gekommen.«
Ackbar nickte. »Das Almania-Svstem ist weit genug entfernt, um einen Verzögerungseffekt, wie wir ihn vorhin beobachtet haben, zu erklären. Und bei einer solchen Distanz wäre die Verwendung der Holokodierung sehr sinnvoll, weil sie die anderen offensichtlichen Nachteile der Entfernung ausgleichen würde.« »Weil die Holokodierung häufig langsamer als die normalen Kommunikationskanäle arbeitet«, nickte Wedge. »Genau Nur Experten können den Unterschied zwischen Kodierproblemen und Distanzproblemen erkennen.«
»Nun gut«, sagte Leia. »Das wäre ein erster Hinweis.«
»Frau Präsidentin«, schaltete sich der Lieutenant ein, »ich habe den Namen Kueller mit unseren Datenbanken verglichen. Nichts.«
»Versuchen Sie es weiter«, erwiderte Leia.
»Probieren Sie es mit allen Dateien und nicht nur mit den aktuellen«, fügte Admiral Ackbar hinzu.
»Leia«, ließ sich Wedge jetzt wieder vernehmen. Er sprach sehr leise. »Der Computer hat die Bauwerke rings um Luke identifiziert. Sie sind pydyrianisch.«
»Pydyrianisch?«
Wedge nickte »Almania-System.«
»Leia?« ergriff Admiral Ackbar wieder das Wort. »Damit haben wir wohl die Bestätigung. Die Übertragung kam von Almania.«
»Almania«, wiederholte sie. »Was kann denn jemand, der so weit weg ist, von uns wollen?«
»Ich denke, das liegt auf der Hand«, sagte Wedge. »Die Frage ist nur: Wieso kennt dieser Kueller dich?«
»Vielleicht kennen Sie ihn auch?« vermutete Ackbar. »Vielleicht hat er deshalb sein Gesicht hinter dieser Maske verborgen.«
»Falls es eine Maske war«, sagte Leia. Sie war immer noch nicht überzeugt Sie hatte ein gutes Stimmengedächtnis, und an die Stimme Kuellers erinnerte sie sich nicht. Und bei Holokodierung wurde gewöhnlich alles ganz authentisch wiedergegeben, auch die Stimme.
»Wir haben etwas über Kueller«, meldete der Lieutenant. »Aber es wird Ihnen nicht gefallen.«
»Sagen Sie es mir trotzdem«, bat Leia.
»Kueller war ein almanianischer Armeegeneral, aber das ist Hunderte von Jahren her. Er hat zuerst die Herrschaft über Almania an sich gerissen und dann den ganzen Sektor erobert. In späteren Jahren war er ein von seinem Volk geliebter Führer, dem der Ruf besonderen Mitgefühls und ausgeprägter Entschlußkraft vorauseilte. Aber zu Anfang, noch auf seinem Eroberungsfeldzug, war er einer der brutalsten Kriegsherren in der Geschichte der Galaxis. Wenn es darum ging, seine Macht zu festigen, schreckte er vor nichts zurück«, berichtete der Lieutenant.
»Dann ist dieser Kueller jemand anders, der sich einen Namen aus der Geschichte zugelegt hat«, überlegte Wedge.
»Das paßt zu seinen Absichten«, sagte Ackbar. »Wenn er die Neue Republik erobern will, dann signalisiert er uns damit, daß er dabei mit aller Brutalität und ohne irgendwelche Skrupel vorgehen wird. Und danach, so will er uns glauben machen, wird er mitfühlend und entschlußfreudig sein.«
»Entschlußkraft und Skrupellosigkeit passen durchaus zusammen«, sagte Leia, »Mitgefühl und Skrupellosigkeit jedoch nicht. Gibt es eine Verbindung zum Imperium?«
»Nicht, soweit ich das im Augenblick feststellen kann«, antwortete der Lieutenant. »Almania ist sehr weit entfernt. Der Imperator hat das System im Grunde genommen ignoriert.«
»Aber es könnte ein gutes Versteck für versprengte Imperiale abgeben«, meinte Ackbar. »Ich werde das überprüfen.«
»Es hat Berichte von Sturmtruppen in dem Sektor der Galaxis gegeben«, meldete der Lieutenant.
»Sturmtruppen?« echote Leia. »Nimmt das denn nie ein Ende?«
»Leia!« rief Ackbar. »Wir bekommen jetzt weitere Berichte von Auyemesh. Die Besatzungen von Schiffen, die dort landen konnten, haben Berge von Leichen gefunden. Sie waren gerade dabei, weitere Details durchzugeben, als jegliche Kommunikation mit dem Planeten plötzlich abbrach.«
»Ein weiteres Massaker?« fragte Leia.
Ackbar schüttelte den großen Kopf. »Nein. Es war, als hätte jemand gewollt, daß nur gerade soviel Information durchkam, um anschließend sofort die Verbindungen zu kappen.«
»Wir müssen darauf vorbereitet sein, daß das Ganze sich als ein Riesenschwindel entpuppt.«
»Aber ein ziemlich komplizierter Schwindel, meinst du nicht auch, Wedge?« fragte Leia. »Nein, dieser Kueller ist echt. Ich habe dieses Gesicht schon früher gesehen. Er verfolgt mich jetzt schon eine ganze Weile. Er ist echt, und er meint es ernst. Wir müssen zusehen, daß wir mehr über ihn erfahren.«
Die Emotionen, die sie bis jetzt unterdrückt hatte, stiegen nunmehr unaufhaltsam in ihr hoch. Sie warf einen Blick auf ihren Bildschirm, um zu sehen, ob Han unterdessen auf ihren Ruf geantwortet hatte. Nichts. Aber er hatte ihr gesagt, daß er, solange er sich im Run aufhielt, nicht erreichbar sein würde.
Der Run war weit von Almania entfernt. Sie konnte nur hoffen, daß er in Sicherheit war.
»Admiral Ackbar, würden Sie bitte Verbindung mit Mon Mothma aufnehmen und sie bitten, mich möglichst bald in meinen Räumen aufzusuchen?« bat Leia. Sie zitterte und fühlte sich außerstande, sich selbst darum zu kümmern. Sie wollte allein sein. »Sobald ich mit ihr gesprochen habe, melde ich mich wieder bei Ihnen.«
»Und Sie fühlen sich wohl, Leia?« wollte Ackbar wissen.
Leia lächelte gequält. »Ich glaube nicht, daß irgend jemand von uns sich wohl fühlen wird, solange wir nichts gegen diesen Verrückten unternommen haben.«
»Das werden wir«, ermutigte Ackbar sie im Brustton der Überzeugung.
Sie wünschte sich sehnlichst, diese Überzeugung mit ihm teilen zu können. Dieser Kueller verfügte über ausgeprägtere Fähigkeiten in der Macht als irgend jemand, dem sie in all den Jahren begegnet war. Mit Ausnahme von Exar Kun vielleicht, der jedoch nur ein Geist gewesen war. Kueller indessen war ein lebendes Wesen. Er setzte das Mittel des Massenmordes ein, um seinen eigenen abgründigen Haß zu befriedigen. Die dunkle Seite fraß die Menschen von innen heraus auf, aber dabei verlieh sie ihnen ein Übermaß an Kraft.
Offenbar war Kueller stärker als sie selbst. Stärker sogar als Luke.
Luke. Das Echo seiner geistigen Stimme hallte immer noch in ihrem Bewußtsein wider. Wahrscheinlich war er auf Pydyr.
Sie würde ihm helfen, und wenn es das letzte war, was sie tat.