35
Lukes Beine verschwanden im Maul des Thernbee. Kueller wandte sich vom Bildschirm ab. Mit Ausnahme seines neuen Assistenten war Kueller allein in Femons Kontrollraum auf Almania. An der Wand schimmerten die Masken. Ihm gefiel es hier nicht. Er konnte immer noch ihre Präsenz spüren. Er würde einen anderen Raum zu seinem Kommandozentrum machen müssen.
»Ich will, daß ihn jemand die ganze Zeit bewacht.«
Sein neuer Assistent, Yanne, ein schlanker Mann, dessen graues Haar über dem von Falten gezeichneten Gesicht erkennen ließ, daß er um Jahre älter als Kueller war, beugte sich vor. »Ich glaube nicht, daß das notwendig sein wird.«
Kueller hatte Yanne ausgewählt, weil Yanne einer der wenigen unter seinen Leuten war, die ihre eigene Meinung äußerten und nicht nur das, was Kueller hören wollte. Für den Augenblick war das ein erfrischender Wesenszug.
»Wirklich, Sir, den Mann könnte jetzt nur noch ein Wunder retten. Das Thernbee wird mit ihm spielen, einen Knochen nach dem anderen zerquetschen, ihm gelegentlich die Illusion eines Auswegs lassen, ihn aber nie wirklich entkommen lassen.«
»Ich weiß, wie ein Thernbee tötet«, sagte Kueller. Er war unter diesen großen weißen Ungeheuern aufgewachsen, die jedem Besucher der Berge von Almania gefährlich wurden. »Ich will eine Wache.«
»Das ist Vergeudung von Personal«, bemerkte Yanne.
Kueller nickte, als ob er zugehört hätte. »Sie haben recht. Wir sollten am besten vier Wachen vor die Thernbeekäfige stellen.«
»Vier! Sir, das kann nicht Ihr Ernst sein. Selbst wenn der Mann das Thernbee überlebt, wäre er zu schwach, um irgendwelchen Schaden anrichten zu können. Es wäre viel besser, wenn wir den Großteil unserer Leute in Kampfposition bringen. Es gibt Berichte ...«
»Ich kenne die Berichte«, unterbrach Kueller ihn. »Ich bin vorbereitet. Aber der Mann dort unten ist Luke Skywalker.
Ich habe ihn nur deshalb zu dem Thernbee gesperrt, weil ich ihn lebend brauche, bis seine Schwester hier eintrifft. Aber solange Luke Skywalker lebt, besteht das Risiko, daß er seinen Gegner besiegt. Und darauf müssen wir vorbereitet sein.«
»Er war schon verletzt, als wir ihn dort hineingesteckt haben. Das Thernbee braucht ihn bloß ein paarmal anzuschubsen, und schon ist er tot.«
»So einfach wird das nicht sein«, widersprach Kueller.
»Kein Mensch ist so widerstandsfähig«, meinte Yanne.
Kueller drehte sich zu ihm herum. Er war von Yannes Widerspruchsgeist plötzlich nicht mehr so angetan. Er starrte den Mann an, bis Yannes Gesicht aschfahl wurde.
»Sie ausgenommen, Mylord.«
Kueller lächelte. Ein tödliches Lächeln. »Ich würde Ihnen sehr empfehlen, sich das gut zu merken.«
»Ja, Sir.«
»Vier Wachen, Yanne. Rund um die Uhr.«
»Jawohl, Sir. Ich kümmere mich sofort darum, Sir.« Eine kurze Verbeugung, und er eilte zur Tür hinaus.
Kueller wandte sich wieder dem Bildschirm zu.
Die Kinnladen des Thernbee waren immer noch geschlossen. Kueller setzte sich, um abzuwarten, bis Skywalker wieder auftauchte.
Cole hatte eine Weile gebraucht, um R2 davon zu überzeugen, daß er sich in Geduld üben mußte. Der kleine Droide verlangte hartnäckig, Coruscant sofort zu verlassen. Und 3PO war von R2s Plan, den leichten Frachter zu entführen, nicht sonderlich erfreut.
Das Problem war, daß Cole nicht befugt war, den Frachter zu benutzen. Und er hielt sich auch nicht für befugt, ohne Erlaubnis einfach von Coruscant zu verschwinden.
Er versprach R2, daß er sich eine solche Erlaubnis und zusätzliche Hilfe beschaffen würde. Die beiden Droiden hatten es nicht geschafft, zu Mon Mothma vorgelassen zu werden. Möglicherweise würde auch Cole die Interimspräsidentin nicht dazu bewegen können, sie zu empfangen, aber er wußte, wo er den Hebel ansetzen mußte.
Über den Computer im Wartungsbereich versuchte er, Kontakt mit General Antilles aufzunehmen. Nachdem er sechs verschiedene Computersvsteme durchprobiert hatte, erhielt er endlich Antwort.
»Ich bedaure, Fardreamer«, tönte eine mechanische Stimme. »General Antilles ist augenblicklich nicht zu sprechen.«
Cole hatte so etwas noch nie gehört. »Er hat mir gesagt, ich soll mich bei ihm melden, wenn etwas Dringendes anliegt. Und dies hier ist dringend. Es ist sogar dringender als dringend. Bitte, sagen Sie ihm ...«
»Das kann ich nicht, Fardreamer. Dringend oder nicht, im Augenblick werden alle Nachrichten lediglich aufgezeichnet.« Die Stimme klang ziemlich mißgelaunt, und in der nächsten Sekunde wurde die Verbindung unterbrochen.
»Oh, du meine Güte, du meine Güte, du meine Güte«, lamentierte C-3PO.
R2 quietschte und wippte vor und zurück, seine Räder klapperten auf dem Boden.
»R2 sagt, wir haben nicht viel Zeit.«
»Ich tue, was ich kann, R2«, erklärte Cole. »Es hat doch keinen Sinn, jetzt zu starten und dann von der Raumkontrolle wegen Diebstahls eines Schiffes sofort gestoppt zu werden.«
»Damit hat er vollkommen recht, R2«, versuchte 3PO den kleinen Astromechdroiden zu beschwichtigen.
Cole ignorierte die beiden und sandte eine Nachricht an Präsidentin Leia. Das System erwiderte darauf, daß Präsidentin Leia Organa Solo ihr Amt zu Verfügung gestellt habe und daß alle ihre Nachrichten an Mon Mothma weitergeleitet würden. Und als Cole v ersuchte, Mon Mothma zu kontaktieren, stieß er auf dieselbe Mauer wie vorher C-3PO und R2-D2.
»Ihr habt mir nicht gesagt, daß Präsidentin Leia zurückgetreten ist«, sagte Cole.
»Das wußten wir selbst nicht, wir haben es erst erfahren, als wir versuchten, sie zu finden. Nach diesen Sprengkapseln hat sich alles geändert.« 3PO schüttelte den Kopf. »Manchmal wünsche ich mir, ich wäre nie mit R2 mitgegangen.«
»Um die Sprengvorrichtungen zu finden?«
»Nein«, murmelte 3PO. »In diese Rettungskapsel.«
Cole wußte nicht, was 3PO damit meinte, und beschloß, auch nicht danach zu fragen. Mon Mothma zu kontaktieren klappte also auch nicht. Schließlich probierte er es mit Admiral Ackbar. Die Antwort, die er erhielt, war ähnlich seltsam. Admiral Ackbar, so ließ sein Adjutant ihn wissen, befand sich in einer Unterredung, und der Adjutant hatte keine Ahnung, wann er, wenn überhaupt, zu sprechen sein würde.
Cole hielt einen Augenblick lang den Kopf gesenkt und hoffte, 3PO würde denken, er sei noch immer mit dem Komsystem beschäftigt.
In Wirklichkeit wollte er sich einen Moment konzentrieren.
Präsidentin Leia zurückgetreten.
Admiral Ackbar nicht erreichbar.
General Antilles nicht erreichbar.
Mon Mothma nicht erreichbar.
Irgend etwas höchst Beunruhigendes war im Gange.
Als er das letzte Mal nicht auf R2 gehört hatte, hatte das dazu geführt, daß sie beinahe alle getötet worden waren. Ganz zu schweigen von den Piloten draußen in den nicht inspizierten X-Flüglern, die jeden Augenblick explodieren konnten.
R2 jammerte.
»Er sagt, wir können nicht länger warten«, erklärte 3PO. »Er erinnert Sie daran, daß Sie versprochen haben, uns zu helfen. Ich persönlich, Master Fardreamer, würde nicht darauf bestehen, daß Sie dieses Versprechen einlösen. Schließlich haben Sie ja alles getan, was in Ihrer Macht steht. R2 ist allerdings ein wenig exzentrisch ...«
»Und er hat jedesmal recht gehabt, wenn er uns auf etwas hingewiesen hat«, fiel Cole dem Protokolldroiden ins Wort. Er legte die Hand auf R2s kuppelförmigen Kopf. »Ich habe versucht, den Dienstweg zu beschreiten, Ich glaube, jetzt ist es an der Zeit, diesen Weg zu verlassen.«
R2 zwitscherte vergnügt und wieselte auf den leichten Frachter zu.
»3PO«, sagte Cole, »kennst du den Code der Präsidentin?« »Sir, dieser Code ist geheim und wird jeden Tag geändert. Ich ...«
»Kennst du den Code der Präsidentin?«
»Selbstverständlich«, nickte C-3PO. »Und die Codes ihres Mannes und ihrer Kinder.«
»Ich brauche nur den ihren. Ohne diesen Code können wir Coruscant nicht verlassen.«
»Oh, ich kann nicht mitkommen, Sir. Ich habe schon genug Scherereien. Mistress Leia erwartet von mir, daß ich hierbleibe.«
»Die Präsidentin ist zurückgetreten, 3PO, und hat dir nichts davon gesagt. Ich denke, sie wird dir dankbar sein, wenn du hilfst, ein weiteres Bombenattentat zu verhindern. Bei dem ersten hätte sie schließlich beinahe den Tod gefunden.«
3PO legte den goldenen Kopf zur Seite, als wollte er versuchen, Coles Gedanken zu lesen. »Was Sie da sagen, hat etwas für sich, Master Fardreamer.«
»Das will ich meinen.«
R2 im Inneren des Frachters trillerte dazu.
»Gehen wir«, sagte Cole aufmunternd.
3PO kletterte auf die Einstiegsrampe und betrat den Frachter.
»Ich glaube, das wird mir noch leid tun«, sagte er.