37

Kueller stand in seinem Observatorium auf Almania und hielt Ausschau. Er hatte die große Kuppel der Je'har in eine Kommandozentrale umgebaut, als er seinen konventionellen Krieg gegen dieses Volk geführt hatte. Nach der Ermordung ihrer Anführer hatte er systematisch ihre Gefolgsleute vernichtet und das Geschehen auf den Bildschirmen beobachtet, die ihn umgaben. Jetzt zeigten ihm die Schirme verschiedene Ansichten des nahen Weltraums. Die Schirme auf seiner rechten Seite vergrößerten die endlose Schwärze des Alls um das Hundertfache; die zu seiner Linken zeigten eine Armada von Raumschiffen, die aus dem Hyperraum in den almanianischen Raum eingetreten war.

Ein Dutzend seiner besten Gefolgsleute war im Raum versammelt. Yanne stand neben ihm. »Mylord, ich denke, wir sollten unsere eigenen Leute hinaufschicken. Das sind Schlachtschiffe der Neuen Republik. Sie könnten Almania vernichten.«

»Das werden sie nicht«, sagte Kueller.

»Trotzdem«, beharrte Yanne. »Ich denke, wir sollten vorsichtig sein.«

»Und sie wissen lassen, daß wir sie gesehen haben?«

»Dazu sind sie zu weit entfernt. Sie werden nichts merken.«

Kueller seufzte. Seine Helfer waren bei dem geringsten Anlaß besorgt, etwas könnte schiefgehen, statt auf den Erfolg zu vertrauen. Er hatte gelernt, daß er am besten damit fuhr, wenn er sich in gleicher Weise auf Erfolg und Scheitern einstellte.

»Also gut«, sagte er. »Schicken Sie drei Sternzerstörer und die entsprechenden Begleitschiffe, und ... Yanne?«

»Ja, Mylord?«

»Wenn sie scheitern, werden Sie mit ihnen gescheitert sein.«

Yannes graue Haut wurde weiß, aber seine Stimme blieb ruhig. »Ja, Mylord.«

Er drehte sich um und erteilte einer seiner Wachen die entsprechende Anweisung. Der Mann nickte, schlug die Hacken zusammen und ging hinaus.

Die Flotte der Neuen Republik war am Himmel noch nicht zu sehen. Sie würde erst als eine Armada von Wracks im Weltraum sichtbar sein, und selbst dann würde man in der Atmosphäre nur das Aufblitzen verglühender Wrackteile erkennen können.

Auf den Bildschirmen zu seiner Linken sah Kueller, wie ein winziges Schiff sich aus der Formation löste. »Bravo, Frau Präsidentin«, sagte er, »bald werden Sie mit Ihrem jämmerlichen Bruder reden können, so lange Sie wollen.«

»Sir?« sagte Yanne.

Kueller ignorierte ihn. Er konzentrierte sich nicht nur auf die Bildschirme, die ihn umgaben, sondern auch auf seine Gefühle. Die dunkle Seite hatte ihre Vorteile. Er wußte, daß die Lenker der Flotte verunsichert waren, weil sie nicht wußten, was sie erwartete.

Er lächelte.

Sie würden nichts finden.

»Yanne.«

»Ja, Mylord?«

»Ist alles bereit?«

»Selbstverständlich, Mylord.«

»Dann machen Sie sich jetzt an die Ausführung. Jetzt gleich.«

Yanne beeilte sich, dem Befehl Folge zu leisten. Kueller wippte locker vor und zurück und griff dann nach dem Fernschalter unter seinem Umhang. Wenn Yanne die Befehle nicht befolgte, würde Kueller selbst handeln. Er hatte die Wahrheit gesagt, als er mit Präsidentin Leia Organa Solo gesprochen hatte. Er zog wirklich elegante, schlichte Waffen vor.

Wie elegant und wie verfeinert, würde sie in Kürze erfahren.

Niemand hatte etwas aus dem Falken entfernt, obwohl die aufgestemmten Schotts und eine Brandspur an Hans persönlich entwickeltem Sicherheitssystem in der Nähe der vorderen Tragestütze darauf hindeuteten, daß irgendwer es versucht hatte. Die Glücksdame war nicht so gut davongekommen. Der größte Teil ihrer Inneneinrichtung war verschwunden, und ein Teil der Hardware, der ohne Mühe ausgebaut werden konnte.

Lando als wütend zu bezeichnen wäre nach Hans Ansicht einer starken Untertreibung gleichgekommen.

Han blieb auf der Glücksdame und reparierte die Antriebssysteme mit allem, was er finden konnte. Das Cockpit war bereits wieder funktionsfähig, aber eine Menge nützlicher technischer Spielereien waren verschwunden. Lando und Chewbacca hatten sich aufgemacht, Skip 1 nach den restlichen Geräten und Landos verschwundenen Droiden abzusuchen. Han bestand darauf, daß sie innerhalb eines Tages abfliegen sollten, falls sie bis dahin nicht genug Teile fanden, um die Glücksdame wieder einwandfrei herzurichten. Ein Gefühl der Dringlichkeit hatte ihn erfaßt, das er sich nicht recht zu erklären vermochte.

Blue hatte sich erboten, ihnen zu helfen, aber Han lehnte ihr Angebot ab. Sie hatte sich als die loyalste unter seinen alten Freunden erwiesen, aber das bedeutete nicht mehr sehr viel. Vielleicht hatte Lando recht gehabt. Vielleicht war er tatsächlich bei allen unbeliebt gewesen. Aber er mochte nicht in alten Erinnerungen herumstochern. Einst waren sie Freunde gewesen - und inzwischen war einfach zu viel Zeit vergangen. Es gab kein Zurück, auch wenn er das gewollt hätte.

Und ob er das überhaupt wollte, wußte er nicht zu sagen. Die Sehnsucht nach der guten alten Zeit, die sich gelegentlich in allzu ruhigen Augenblicken auf Coruscant einstellte, galt mehr einer romantisch verklärten Vergangenheit als den tatsächlichen Ereignissen.

Han hatte gerade den Hyperantrieb neu montiert, als er spürte, wie sich seine Nackenhaare sträubten. Er griff sich an den Hals und fühlte, wie ihm ein Schauer über den Rücken lief. Das Gefühl machte ihn unruhig, es erinnerte ihn zu sehr an das, was Leia und Luke ihm über die Macht erzählt hatten; an etwas, das seine Kinder empfanden, er aber nicht mit ihnen teilen konnte.

Irgend etwas war geschehen oder würde geschehen oder konnte vielleicht geschehen sein. Han kroch aus dem Wartungsschacht der Glücksdame.

Dann hallten ein paar dröhnende Explosionen durch das Schiff. Die Glücksdame erbebte in ihren Grundfesten, und Han schlitterte auf die andere Seite des Gangs. Weitere Explosionen folgten und dann immer mehr. Er lag reglos da, die Arme schützend über dem Kopf, aber im Innern des Schiffes geschah nichts.

Überhaupt nichts.

Es war ganz genauso wie bei der Explosion in der Senatshalle: Panik rings um ihn, aber keinerlei Schäden in seiner unmittelbaren Nähe.

Aber Leia war bei der ersten Explosion verletzt worden.

Han stemmte sich hoch. »Chewie!« schrie er. »Lando?«

Natürlich kam keine Antwort. Er war allein in der Glücksdame. Er griff nach seinem Blaster, öffnete das Hauptschott und betrat ...

... ein Szenario der Verwüstung. Der Landeplatz für die Skipper lag in Trümmern. Es sah aus, als wäre ein wahrer Bombenregen auf ihn niedergegangen. Aber der Landeplatz war eine riesige Höhle, die man aus dem Felsgestein herausgetrieben hatte, und die Decke schien vollkommen unversehrt. Was auch immer hier passiert war, hatte seine Ursache im Innern des Skip.

Bei vielen der Schiffe brannten kleine Feuer. Ein Metallstück war an der Wand des Falken angeschmolzen, aber der Boden unter dem Schiff stand nicht in Flammen. Bei der Glücksdame war ebenfalls kein Feuer zu sehen.

Han sah überall Schmuggler liegen, auf dem Rücken, auf der Seite, tot, teils mit abgerissenen Gliedmaßen. Einige Schiffe hatten Löcher, deren Größe auf umherfliegende Felsbrocken schließen ließ, aber diese Löcher waren von innen heraus entstanden. Über dem Knistern der Flammen konnte Han das Stöhnen und Jammern der Überlebenden hören. Dicker schwarzer Qualm füllte die Höhle im Innern des Asteroiden und nahm ihm den Atem.

Er kehrte in die Glücksdame zurück und schnappte sich eine Atemmaske, die die Plünderer zum Glück übersehen hatten. Was mochte im Rest des Skip auf ihn warten. Die Explosionen konnten den Asteroiden ernsthaft beschädigt haben - schließlich waren Asteroiden ohnehin ziemlich instabil. Und das, was hier geschehen war, konnte das Ende des Skip sein.

Han verließ die Glücksdame und rief nach Chewbacca und Lando. Er hatte keine Ahnung, wo die beiden hingegangen waren. Sie waren hinter den entwendeten Teilen der Glücksdame her, hatten aber nicht gesagt, wen sie verdächtigten. Han hatte lediglich erwähnt, daß er Kid und Zeen mit Diebesgut beobachtet hatte. Wahrscheinlich hatten sie zuerst deren Quartiere durchsucht und waren dann tiefer ins Innere des Skip eingedrungen.

Hoffentlich nicht zu tief, dachte Han. Einige dieser Gänge waren eng und ohne jegliche Stützen aus dem nackten Felsgestein herausgehauen, das auf Erschütterungen wie diese äußerst empfindlich reagieren mochte.

Als Han von der Rampe auf den Boden trat, griffen Hände nach seinen Füßen, und Stimmen, die er nicht kannte, riefen nach ihm. Er blieb einige Maie stehen, um auf dem Boden liegende Schmuggler von Trümmern zu befreien die auf ihnen gelandet waren, und half ihnen dabei, sich aus der unmittelbaren Umgebung der Brände zu entfernen. Der Rauch war inzwischen so dick geworden, daß er kaum mehr etwas sehen konnte. Wenn er den Falken und die Glücksdame retten wollte, würde er schleunigst dafür sorgen müssen, daß wenigstens der Millennium Falke wieder raumtüchtig wurde.

Aber das bedeutete, daß er Chewie und Lando sich selbst überlassen mußte. Dabei drängte sich ihm ein Bild auf, wie Chewie unter einem Felsbrocken begraben lag, während Lando neben ihm von abstürzenden Steinen zermalmt wurde. Die Chance, sie überhaupt zu finden, war äußerst gering, das wußte Elan.

Aber er mußte es versuchen.

Er stieg über Wrackteile und glühendes Metall hinweg. Diese Verwüstung erinnerte stark an die verheerenden Folgen des Attentats auf Coruscant. Nur daß er dort nur eine Explosion und hier mehrere gehört hatte.

Die Schreie der Verletzten wurden immer kläglicher. Er selbst schien einer der wenigen Unverletzten in diesem Bereich des Skip zu sein. Er konnte diese Opfer nicht einfach ihrem Schicksal überlassen. Er mußte ihnen irgendwie helfen und hoffen, daß irgend jemand anders sich ebenso um Chewie und Lando bemühte.

Er arbeitete sich an ein paar Brandherden vorbei zum Falken durch, ging hinein, schnappte sich den Feuerlöscher und kam Schaum versprühend wieder heraus. Der Schaum löschte die Feuer in der Nähe und hinterließ ausgeglühte Metallteile und ein paar angekohlte Leichen.

Han spürte, wie ein Würgen in ihm hochstieg, aber er machte weiter. Zuerst mußten die Brände gelöscht werden, weil sonst der ganze Sauerstoff aufgebraucht würde, und das mußte unweigerlich dazu führen, daß der Rauch noch dichter wurde und weitere Menschen starben. Wenigstens versuchte er sich das einzureden, mußte es sich einreden, während er immer mehr Hilferufe hörte.

Tentakel, Hände, Finger - Fühlende aller Art versuchten nach ihm zu greifen. Beinahe schämte er sich dafür, daß er unversehrt geblieben war. Er arbeitete schneller und schneller, versuchte, immer mehr Feuer zu löschen. Der Rauch wurde jetzt dünner, zumindest in dem Bereich, in dem er sich abmühte, und als er aufblickte, sah er, daß Blue ganz dicht bei ihm mit einem Feuerlöscher aus ihrem Skipper dasselbe tat.

Sie war genau wie er mit Ruß und Asche bedeckt, wies aber im Gegensatz zu ihm einige Prellungen auf und blutete an beiden Armen. Das Rückenteil ihrer Bluse war zerrissen, und er sah Verbrennungen an ihren Rippen. Ihre Lippen bewegten sich, während sie arbeitete, und Tränen liefen ihr über die Wangen.

Er hatte Blue noch nie so fassungslos gesehen.

Er überließ ihr die Brände auf ihrer Seite und nahm sich anderer Feuer an. Immer mehr Schmuggler kamen eilig aus ihren Schiffen gerannt. Ein sullustanisches Schiff versprühte Schaum aus einer Düse. Langsam verloschen die Feuer und gaben den Blick auf rauchende Trümmer und Leichen frei, und auf Verwundete, die durch das Chaos taumelten wie lebende Tote.

Han wischte sich mit dem Armrücken den Schweiß vom Gesicht. Er war schon jetzt erschöpft, überwältigt von der gewaltigen Aufgabe, den Run aufzuräumen.

All die Leben zu retten.

Er packte sich einen Ssty, der sich durch einen Haufen rauchender Wrackteile grub. Abgesehen von ein paar kleinen verbrannten Partien auf seinem Feil wirkte der Ssty einigermaßen wohlauf, ebenso schockiert wie Han, aber nicht schwer verletzt.

»Holen Sie die Medidroiden. Alle!« rief er Wir werden eine Hilfsstation auf der Glücksdame einrichten.«

»Droiden?« Der Ssty ließ seinen kleinen Kopf zu ihm herumkreisen. Seine Augen waren rot gerändert. »Das ist ein übler Witz, mein Herr.« Er drehte sich aus Hans Grift und fuhr zu graben fort.

Han versuchte sich mit gefurchter Stirn auszumalen, wie Droiden angriffen und Waffen abfeuerten, aber das gab keinen Sinn. Das war nicht möglich. Er hatte selbst schon Seite an Seite mit Droiden gekämpft und wußte, daß sie zwar clever waren, sich aber nie gegen ihre Herren und Meister wandten.

Nie.

»Wonach graben Sie eigentlich?« wollte er wissen.

»Nach meiner Gefährtin«, antwortete der Ssty.

Han spürte, wie sein Herz kurz aussetzte, und erinnerte sich an Leia in den Ruinen des Senatsgebäudes, an jenes schreckliche Gefühl, das ihn erfaßt hatte, als er dort hingerannt war, das Gefühl, daß er gerade das Wichtigste verloren hatte, was es in seinem Leben gab. Ohne zu zögern, griff er mit bloßen Händen in die heißen Metallstücke und räumte Trümmer zur Seite, für die die Kräfte des Ssty nicht ausreichten. »Die Droiden haben uns angegriffen?«

»Sie ...«, die Stimme des Ssty war nur noch ein heiseres Flüstern, »sie sind explodiert.«

All die Explosionen, das waren die Droiden gewesen. »Sämtliche Droiden?«

»Einige von ihnen.« Der Ssty grub jetzt noch schneller. »Genug.«

Han zog ein großes Metallstück zur Seite. Darunter lag eine Ssty, die Arme über dem Kopf, die Klauen ausgefahren ...

... die Augen weit geöffnet.

Mit einem lauten Schrei zog der Ssty seine Gefährtin aus den Wrackteilen. Ihre untere Hälfte war plattgedrückt. Sie war eindeutig tot.

»Es tut mir leid«, sagte Han. Die Worte reichten nicht aus, und der Ssty hörte sie nicht. Seine lauten Schreie mischten sich jetzt in die der anderen, und das blaue Zeug färbte seinen weißen Pelz. Er wischte immer noch Haare von den leblosen Augen seiner Gefährtin und wiegte sie hin und her, ais könne er sie damit wieder zum Leben erwecken.

Han entfernte sich, er brachte es nicht übers Herz, dem Kleinen in seinem Schmerz zuzusehen.

Die Droiden waren explodiert,

Dasselbe Bild wie in der Senatshalle. All die Senatoren mit ihren Protokolldroiden, ihren Übersetzerdroiden, ihren Assistenzdroiden. Mehrere gleichzeitige Explosionen würden wie eine einzige große Explosion klingen. Und sie würden keine verwertbaren Spuren hinterlassen, weil die Bomben und jene, die sie in sich getragen hatten, zerstört waren.

Han wankte auf den Falken zu. Er hatte Mühe, klar zu denken. Keine Medidroiden. Sie würden sich also mit den medizinischen Notfallmitteln begnügen müssen, die im Run vorhanden waren. Niemand würde hierherkommen, um zu helfen. Niemand würde ohne einen exakten Lageplan Zugang finden.

Eine unbeschreibbare Katastrophe.

»Han!«

Die Stimme klang beruhigend vertraut. Unten an der Rampe des Falken warteten Lando und Chewbacca. Landos Hemd war versengt, und das Fell auf Chewbaccas Brust war fast verschwunden, aber sie waren darüber hinaus sichtlich unbeschadet.

Han war sein ganzes Leben noch nie so froh gewesen, jemanden zu sehen. »Ich dachte, ihr wärt tot«, sagte er.

»Das haben wir von dir auch angenommen.«

»Was machen wir jetzt?«

Lando schüttelte den Kopf. »Es gibt hier zwar noch ein paar uralte FX-7er, aber die sind total überlastet. Und ein Großteil des medizinischen Personals hat den Tod gefunden, als die neuen Medidroiden explodierten.«

Chewbacca knurrte.

»Das habe ich mir auch überlegt, Chewie«, nickte Han. »So war es auch auf Coruscant, wobei die Explosion irgendwie auf ein Gebäude beschränkt blieb. Aber ich kann mir nicht vorstellen, aus welchem Grund die Attentäter es jetzt auf den Run abgesehen hatten.«

»Das hatten sie auch gar nicht«, widersprach Lando. »Die meisten Droiden hier sind gestohlen.«

Han spürte einen eisigen Schauder seinen Rücken hinunterrinnen. »Du meinst, dieser Anschlag galt in Wirklichkeit einem anderen Ziel?«

»Wahrscheinlich«, nickte Lando.

Han wollte darüber am liebsten gar nicht nachdenken. Nicht jetzt. Die Schreie waren noch lauter geworden, der Rauch hatte sich weitgehend gelegt. Blue war unterdessen immer näher an den Falken herangekommen. Ihr Gesicht war von Tränen überströmt. Ihre Augen blickten glasig. Sie bewegte sich roboterhaft.

»Hör zu«, sagte Han. »Ich denke, wir sollten auf der Glücksdame eine Art Lazarett einrichten. Das Schiff ist praktisch leer. Also ist genügend Platz vorhanden, und wir können die am schwersten Verwundeten von hier wegbringen.«

»Wer wird denn schon Schmugglern helfen wollen?« fragte Lando.

»Da werden wir schon jemanden finden«, antwortete Han. »Dafür werde ich sorgen. Wir sollten unser Vorhaben mit sämtlichen unbeschädigten Schiffen koordinieren. Hier im Run reichen die Möglichkeiten nicht aus, um einer solchen Katastrophe Herr zu werden.«

»Aber die Glücks...«, begann Lando.

»Wird ohnehin überholt werden müssen«, fiel Han ihm ins Wort. »Ich bin sicher, daß die gestohlene Ausrüstung ohnehin nicht mehr in erstklassigem Zustand ist.«

Lando nickte. Er war erschöpft. »Ich werde alles vorbereiten«, versprach er.

»Danke«, nickte Han und bedeutete Chewie dann mit einer Geste, daß er Lando begleiten sollte. Dann wandte er sich Blue zu.

Sie war verschwunden.

Han atmete tief durch, blickte in die Runde, suchte sie. Hoffentlich war sie nicht irgendwo zusammengebrochen.

Dann entdeckte er sie. Sie saß im Schneidersitz, auf einem Trümmerhaufen und hielt eine verkohlte Leiche in den Armen. Sie weinte nicht mehr, wirkte aber völlig leblos, als habe ihr jemand einen Dolch ins Herz gestoßen.

Han bahnte sich einen Weg zu ihr. Jetzt, da er wußte, was geschehen war, vermochte er einige der Trümmer zu erkennen: lange Kranteile, die zu binären Lastenhebern gehörten: Buchsen zum Anschluß an Computersysteme; Räder von R5- Einheiten ... Die Droiden hatten sich selbst gesprengt, um ihre Master zu vernichten.

Aber wie? Und warum?

Er blieb neben Blue stehen. Die Leiche, die sie in den Armen hielt, war kaum zu erkennen. Ein Arm war abgetrennt Erst als Han sich niederkauerte, sah er das Gesicht.

Davis.

Seine Augen standen offen, von unsäglichem Schrecken geweitet. Han drückte sie zu.

Jetzt sah Blue ihn an. Ihr Gesicht war immer noch von Tränen verschmiert. Aber sie sah so aus, als würde sie nie wieder weinen. »So hatte das nicht ablaufen sollen«, sagte sie mit ausdrucksloser Stimme.

Han fröstelte. Wollte er wirklich wissen, was sie damit sagen wollte? Er fragte dennoch. »Was denn?«

»Davis.« Sie erstickte fast an dem Wort. »Du solltest ihm vertrauen. Er hätte dich hier rausgebracht.«

Hans Schenkel schmerzten. Er war diese kauernde Haltung nicht gewöhnt. »Du hast ihn gekannt?«

»Ich habe ihn geliebt.« Ihre Stimme war jetzt nur noch ein Flüstern. »Weißt du, das, was Kid gesagt hat, hat nicht gestimmt. Was mein Herz anging, war ich nie eine Schmugglerin. Ich habe ein Herz. Zumindest hatte ich eines.« Sie senkte den Kopf. »So etwas sollte niemandem zustoßen.«

»Nein«, pflichtete Han ihr mit leiser Stimme bei. »So etwas sollte niemandem zustoßen.«

Vielleicht hatte er sie mißverstanden. Vielleicht war es das, was sie gemeint hatte, als er neben sie getreten war: daß so etwas wie dieser Anschlag an Niedertracht nicht zu überbieten war und daß jemand, der sich so etwas ausdachte, ein Ungeheuer sein mußte.

»Was ist geschehen, Blue?«

Die Frau schüttelte den Kopf. »Die Kredits, Han. Du hast ja keine Ahnung, was so viele Kredits anrichten können.«

Wieder überkam ihn eisige Kälte. Davis wirkte nicht friedlich. Er sah aus, als ob er einen qualvollen Tod erlitten hätte. Blue konnte es vermutlich auch erkennen. »Sag es mir«, bat Han.

»Man hat erwartet, daß du ihm vertrauen würdest. Ich hätte wissen sollen, daß du nicht so leicht zu überzeugen bist, aber meine Erinnerung hat mich getrogen, Han. Ich hatte dich als einen netten Kerl in Erinnerung, einen tüchtigen Kerl. Aber ich hatte vergessen, daß du ein Einzelgänger bist. Ich hatte vergessen, daß du deinen eigenen Kopf hast und dir nicht gern vorschreiben läßt, wie du etwas anpackst.«

»Warum hat man von mir erwartet, daß ich ihm vertraue, Blue?«

»Du solltest dich auf die Suche nach dem Kriegsgerät begeben, den Abschluß eines Handels beobachten und die Sache bis zu ihrem Ursprung verfolgen.«

»Und wo liegt dieser Ursprung?«

»Auf Almania«, flüsterte sie.

Han glitt näher an Blue heran. »Hatte Jarril etwas damit zu tun?«

»Nicht freiwillig. Als Seluss herausbekam, daß er den Run verlassen hatte, beschlossen wir, daraus Nutzen zu ziehen. Du hättest da gut ms Bild gepaßt.«

»Wem, Blue?«

Sie streichelte über Davis' verbrannten Schädel. Er hatte kein einziges Haar mehr auf dem Kopf. Selbst im Tod wirkte er noch verletzbar.

»Wem?« wiederholte Han.

»Die Kredits, Han. Du verstehst das mit den Kredits nicht.«

»Doch, das tue ich«, widersprach er. »Das tue ich sehr wohl.« Er verstand, daß Kredits manche Leute verrückt machten; sie brachten sie dazu, zu vergessen, was wirklich von Bedeutung war, und machten sie zu Geschöpfen ohne Herz. Aber so sehr Blue auch protestieren mochte, er glaubte ihr nicht. Sie hatte kein Herz. Nicht, wenn sie ein Teil dieses Komplotts war.

»Sein Name ist Kueller. Er will deine Frau.«

»Leia?«

Sie nickte. »Und ihren Bruder.«

Hans Blick verfinsterte sich. »Aber weshalb?«

»Weil er die Neue Republik haßt. Er ist der Ansicht, daß sie den Menschen mehr Schaden zufügt als Nutzen bringt.«

»Und er hat das hier getan?«

Blue erstarrte förmlich. Ihre Hand, die immer noch mechanisch über Davis' Kopf strich, stockte mitten in der Bewegung. Sie schloß die Augen.

»Blue?«

»Es hieß, daß es sich um eine saubere Waffe handelt, Han. Niemand hat gesagt, daß sie solchen Schaden anrichten würde.«

»Du wußtest, daß das hier geschehen würde, nicht wahr?"

Blue schüttelte den Kopf. »So dumm bin ich nicht. Wirklich. Ich würde nie zulassen, daß meinen Freunden so etwas passiert. Davis.«

Han ballte die Fäuste. Es drängte ihn, auf irgend etwas einzuschlagen, jemandem weh zu tun, aber er mußte sich im Zaum halten. »Was hat dieser Kueller mit Leia vor?«

»Er will sie und Skywalker beseitigen. Er will der Meiste) der Macht in der Galaxis sein und über alle Planeten herrschen.«

»Er will Imperator sein?«

Sie schüttelte den Kopf. »Er ist ein guter Mann.«

»Das soll Palpatine auch einmal gewesen sein«, erwiderte Han. Er stemmte sich in die Höhe, weil er die Nähe zu Blue nicht mehr ertrug.

»Er ist nicht so, Han.«

Han schüttelte den Kopf. »Du hast mich falsch eingeschätzt, Blue. Wieso kannst du nicht auch diesen Kueller falsch eingeschätzt haben? Du hast nur noch die Kredits gesehen.'

»Ich habe dein Leben gerettet«, sagte sie. »Und Davis auch.«

»Weil ihr mich gebraucht habt, um Leia in den Tod zu locken. Das zählt nicht, Blue.«

»Han, bitte ...«

Er schüttelte den Kopf und trat ein paar Schritte zurück. Dann wurde ihm plötzlich etwas klar, und er blieb stehen. »Wenn das hier nicht so hätte ablaufen sollen, was ist dann schiefgegangen ?«

»Ich hatte es vergessen«, flüsterte Blue, »das mit den gestohlenen Droiden.«

»Gestohlen? Von wo?«

»Überall. Schmuggler stehlen ständig Droiden. Das weißt du doch.«

»Aber diese Droiden, die explodiert sind, wo wurden sie gestohlen?«

Blue blickte zu ihm auf und sah ihn an, als ob er sich das eigentlich selbst hätte zusammenreimen müssen, als ob er es längst hätte wissen müssen. Und Han fürchtete, daß er es tatsächlich längst wußte, wartete aber darauf, daß sie es aussprach.

»Coruscant«, flüsterte sie. »Sie wurden auf Coruscant gestohlen.«