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»Werden ihre Wangen nicht rosig? Hat die Heilung eingesetzt?«
Sabine hörte Rydstroms gehetzte Stimme, als sie nach und nach erwachte.
»Du hast recht.« War das die alte Hexe? »War ja klar, dass die Zauberin die Spannung bis zum Letzten auskosten musste.«
Als Sabine Rydstroms Namen murmelte, stieß er erleichtert die Luft aus. »Oh ihr Götter! Cwena, ich bin hier bei dir.«
Als sie die Augen aufschlug, sah er mit wildem, aber zärtlichem Blick auf sie hinab. Er strich ihr mit der Rückseite seiner Finger über die Wange.
»Ich werd euch zwei jetzt mal allein lassen«, murmelte die Hexe.
»Warte!«, sagte Sabine. Wer war denn diese Frau, die wie die alte Hexe klang? War sie das etwa? »Wo ist Lanthes Heilmittel?«
»Ich hab für sie eine Phiole auf den Tisch neben die Rhinozeroshoden gestellt.«
»Oh.« Frei. Endlich waren sie von Omort befreit – und von dem Gift, das ihr Blut verunreinigt hatte. Offensichtlich war auch die Vettel wieder frei. »Wie kommt es, dass du so … anders bist?«
»Omort nahm mir meine hellseherische Gabe und verfluchte mich, als alte Frau in diesem Höllenloch mein Leben zu fristen. Nur wegen meiner Weissagung, dass Omort sich in eine Zauberin verlieben würde. Zumindest, soweit er dazu in der Lage war. Dein Bruder, Sabine, hat dich nicht wegen des Dämons zu sich geholt, sondern nur um seiner selbst willen. Aber sobald ich dich erblickte, hatte ich die Vision, dass du und der Dämonenkönig heiraten und einen Sohn haben würdet, der die Macht des Brunnens entfesseln würde.«
»Doch nicht auf die Weise, wie Omort es sagte?«, fragte Sabine.
»Ganz und gar nicht. Omort benutzte die Prophezeiung und schmückte sie aus, bis sogar er selbst an seine Lügengeschichte glaubte. So, wenn es euch nichts ausmacht, ich muss ein Portal erreichen. Und ich komme fünfhundert Jahre zu spät zu einer Verabredung.«
»Warte doch …«
»Der Kampf da oben ist noch nicht vorbei, Zauberin.« Mit diesen Worten verließ sie die Kammer.
»Bring mich zu meiner Schwester«, bat Sabine Rydstrom.
Im nächsten Augenblick translozierte er sie in den Thronsaal. Doch Lanthe hatte Hettiah bereits niedergestreckt und war dabei, deren leblosen Körper mit Fußtritten zu bearbeiten, während sie laut schimpfte: »Jahrhundertelang musste ich mich mit deinem Scheiß rumärgern. Tag für Tag!«
Das ist meine Schwester …
Sabine sah, dass Rydstrom seinerseits seinen Bruder ansah, der mitten im Kampfgetümmel steckte. Er wirkte hin- und hergerissen – offensichtlich wünschte er sich, bei ihr zu bleiben, wollte aber auch seinem Bruder helfen.
»Ich muss Cadeon unterstützen.«
»Oh nein, Dämon!« Mit einer wütenden Geste machte Sabine Cadeons Söldner für die Feuerdämonen unsichtbar. »Wir haben noch einiges zu besprechen.«
»Zur Hölle, yeah!«, brüllte Cadeon.
Nachdem Rydstrom ein paar Augenblicke lang Cadeons fröhliches Gemetzel und Lanthes Therapie beobachtet hatte, sagte er: »Ich glaube, sie schaffen das auch allein.«
Er schob sein Schwert wieder unter den Gürtel und translozierte Sabine aus dem Thronsaal in ihr Zimmer auf der Burg, auf den Balkon mit Aussicht aufs Meer.
Nachdem Rydstrom sie nach der Teleportation wieder stabilisiert hatte, sprach sie gleich weiter: »Du hast Omort doch nicht geglaubt, was er über den Brunnen und das Opfer gesagt hat? Dass ich ein Teil dieses Plans gewesen sei?«
»Natürlich nicht. Genauso wenig wie ich glaube, dass das alles ein Komplott war, das du dir ausgedacht hast. Die letzte Woche zwischen uns war real.«
»So wie unsere Ehe?«
Sabines Miene war unbewegt, nur ihre Augen glühten blau und zeigten ihre Gefühle. Er hätte unmöglich sagen können, was sie wegen seiner Täuschung tun würde, hatte keine Ahnung … Das Einzige, was er sich auf dieser Welt wünschte, war so nahe …
»Hat Omort gelogen?«
Er fuhr sich mit der Hand über den Mund. »Ich … cwena …«
»So darfst du mich gar nicht nennen, stimmt’s? Ich bin nicht deine Königin. Was für einen Schwur hast du in dieser Nacht geleistet? Was war es, das du mir so feierlich ins Gesicht versprochen hast?«
»Dass ich mich an dir rächen würde.«
Sie zog die Brauen zusammen, und ihre Unterlippe bebte.
Rydstroms Herz zog sich zusammen. »Bei den Göttern, Sabine.«
Sie war niedergeschmettert, und das zu Recht. So zu tun, als ob er sie heiraten würde …
»Dämon, ich bin …«, sie schüttelte den Kopf und schluckte heftig, »so stolz auf dich.« Ihr standen Tränen in den Augen. »Du hast mich reingelegt.«
Erstaunt öffnete er den Mund. »Du bist nicht … du …« Er packte sie und wirbelte sie durch die Luft.
»Na ja, zuerst hab ich mich schon geärgert, aber du hast Glück, ich bin nicht nachtragend. Ich kann sogar ganz schön nachsichtig sein, wenn jemand beschließt, sein Leben für meines zu opfern.«
»Das tue ich mit Freuden, Sabine. Jederzeit.«
»Na gut, außerdem wurde mir noch klar, dass ich auf diese Weise etwas gegen dich in der Hand habe, und zwar bis in alle Ewigkeit. Stell dir nur mal vor, wozu ich das alles ausnutzen kann, Dämon!« In gespielt unschuldigem Tonfall fuhr sie fort: »Aber was willst du denn damit sagen, dass wir keinen Minirocktag in unserem Königreich einführen können? Weißt du denn nicht mehr, wie du mich mit unserem Ehegelübde hintergangen hast?«
Er umfasste ihren Nacken. »Mach das, halte es mir vor. Mach mich ruhig fertig. Hauptsache, du bleibst bei mir.«
»Ich habe wohl keine Wahl, nachdem es so aussieht, als ob ich mich unbeabsichtigt in dich verliebt habe.«
Die Falte zwischen seinen Augenbrauen vertiefte sich. »Ich liebe dich auch, Zauberin. Und ich möchte die Sache mit der vorgetäuschten Vermählung auf der Stelle in Ordnung bringen.«
Sie legte ihre Handflächen zu beiden Seiten an sein Gesicht. »Gut, denn ich brauche unbedingt die Befugnis, hier ein paar kleine Änderungen vorzunehmen. Oh, und diesmal machst du es bitte in einer Sprache, die ich verstehe.«