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»Oh ihr Götter! Es wird sie umbringen!«, kreischte jemand ein paar Stunden später.
Worum auch immer es sich dabei handelte, Sabine wünschte diesem geheimnisvollen Es jedenfalls alles Glück der Welt. Sie konnte nicht aufhören zu grübeln. Die Worte des Dämons gingen ihr einfach nicht mehr aus dem Sinn. Wie ich es genieße, Zeit mit einer anderen Frau zu verbringen …
Mistkerl.
Rydstrom war vor Stunden mit Durinda losgezogen, und irgendwann war dann auch Puck gegangen, um mit den anderen zu Abend zu essen. Die Sonne war untergegangen, die Dämmerung hatte sich über den Himmel gesenkt, und Rydstrom war immer noch nicht zurück. Der Mond würde wunderschön sein heute Nacht. Sogar romantisch.
»So hilf ihnen doch jemand!«
Sabine schnaubte genervt, rappelte sich auf die Füße und drückte danach mit dem Kopf gegen die Zeltklappe, um hinausgehen zu können. Da konnte sie sich die Show ja auch gleich ansehen …
Ihr blieb der Mund offen stehen. Ein Basilisk mit karminroten Schuppen jagte Dämonen durch das ganze Lager, wobei er ein Zelt nach dem anderen plattmachte. Sein enormer Schwanz trommelte wütend auf den Boden, als er jetzt laut brüllte. Der Schrei dröhnte in ihren Ohren und ließ die Nacht erbeben.
Sabines Wachposten war verschwunden; er hatte sich mit anderen zusammengetan, die es anscheinend mit dem Monster aufnehmen wollten.
Dem Basilisken war es gelungen, eine kleine Gruppe in eine halbrunde Ausbuchtung in der Canyonwand zu treiben. Er machte sich bereit zum Sprung; seine gespaltene Zunge zischte wiederholt in die Luft. Wenn er diesen Gang erst einmal verspeist hatte, würde Sabine eine leichte Beute für ihn sein – an einen Pfahl angebunden und ohne Wache! Während Rydstrom irgendwo da draußen Romeo und Julia mit dieser Pute spielte.
Da erspähte sie eine der adligen Frauen, eine Dämonin aus Durindas Clique, die über Sabine die Nase gerümpft hatte. Sie rannte hin und her und redete dabei laut mit sich selbst.
»He, Dämonenfraudingsbums«, rief Sabine. »Wenn du mich losbindest, kann ich sie alle mit meinen göttinnengleichen Kräften retten.«
Sie verlangsamte ihre Schritte, zögerte, rang die Hände.
Hör bloß auf mit deinen dämlichen Zwangshandlungen, dachte Sabine angewidert. Zeit, endlich mal richtig aktiv zu werden, Frau! »Willst du, dass sie sterben?«
»D-die Männer verteidigen die Frauen und Kinder.« Dämonen mit Fackeln in den Händen bereiteten sich darauf vor, die Bestie zu jagen. »Sie werden uns retten …«
»Vielen Dank. Ich glaube, mir kommt’s gerade hoch.« Diese Gesellschaft musste dringend neu organisiert werden – vollständig! »Die Fackeln, mit denen die Typen das Vieh erschrecken wollen, werden ihn nur noch angriffslustiger machen. Also, die Fesseln …« Sie drehte sich um und hielt ihre gefesselten Handgelenke in die Höhe.
»Wenn ich Euch befreite, wäre König Rydstrom sehr erzürnt …«
»Er ist aber nicht hier, oder?«
»Du bist in Gedanken mit ganz anderen Dingen beschäftigt«, sagte Durinda leise zu Rydstrom.
Nach erfolgreicher Jagd ließen sie ihre schweißbedeckten Pferde auf dem Heimweg gemächlich nebeneinanderher laufen.
»Ich bitte um Verzeihung«, sagte er zu ihr. »Es gibt so vieles, worüber ich im Moment nachdenken muss.« Er bekam die Szene einfach nicht mehr aus dem Kopf, wie Sabine mit diesen bernsteinfarbenen Augen zu ihm emporgeschaut hatte. Sie war ausgelassen gewesen, hatte Spaß gehabt, ihn geneckt …
Wieder eine neue Facette an ihr. Immer wenn er etwas Neues über Sabine erfuhr, bekam er ein neues Puzzleteil in die Hand, das er versuchen musste, anzuordnen – manchmal passten sie einfach nicht zusammen.
So war sie einerseits eine Frau, die zu brutalen Morden fähig war, und hatte sich andererseits mit einem einsamen Dämonenjungen angefreundet – auf ihre eigene Weise. Sie war eine Zauberin, die so eiskalt und hart war, dass sie die Zunge einer anderen Frau in einem Glas aufbewahrte, und doch schmiegte sie sich seit einiger Zeit im Schlaf vertrauensvoll an Rydstroms Brust.
Er war zu dem Schluss gekommen, dass Sabine immer jemanden um sich haben musste, der sie bei ihren Albträumen beruhigen konnte. Und bei allen Göttern, dieser Jemand würde er sein.
»Deine Gedanken sind von der Zauberin erfüllt.«
»Unter anderem.« Er grübelte nicht ausschließlich über Sabine nach. Was sie ihm über Cadeon erzählt hatte, bedeutete – wenn es denn der Wahrheit entsprach, und davon ging er aus –, dass er neun Jahrhunderte des Streits neu überdenken musste.
Jetzt erfüllte Cadeon ihn mit Stolz, indem er die Suche nach dem Schwert so unbeirrt fortsetzte. Aber würde er Holly, seine wahre Gefährtin, tatsächlich Groot überlassen können? Wenn Cadeon das tat, würde er Rydstrom für alle Zeit hassen.
»Sabine ist für dich offensichtlich mehr als eine Konkubine«, sagte Durinda.
Rydstrom leugnete es nicht. »Sie ist meine Schicksalsgefährtin.«
»Du hast sie … erprobt?«
Er nickte brüsk. Ihr Ton gefiel ihm ganz und gar nicht.
»Ich hätte mir für dich etwas so viel Besseres gewünscht – und erwartet«, sagte sie zögernd. »In der Tat wüsste ich nicht, wie es noch schlimmer sein könnte.«
Genauso ging es Rydstrom auch. Er hatte noch nie jemanden getroffen, der so von sich selbst eingenommen war wie Sabine. Sie log, stahl, betrog und tötete. Abgesehen von Puck verabscheute sie jeder Einzelne seiner Untertanen.
Und trotzdem bin ich ihr verfallen. Er konnte nichts dagegen tun – jedes Mal wenn sie sich an ihn klammerte, um nach einem Albtraum Trost zu finden, oder wenn sie ihren durchtriebenen Sinn für Humor aufblitzen ließ, wuchsen seine Gefühle für sie.
»Es ist ja nicht so, als ob ich in dieser Angelegenheit eine Wahl hätte.«
»Warum ist sie gefesselt in deinem Zelt?«
»Vermutlich würde sie bei erster Gelegenheit durchbrennen.« Selbst wenn sich Sabine inzwischen ein wenig mehr zu ihm hingezogen fühlte und langsam Vertrauen zu ihm aufbaute, gehörte sie zu einer anderen Welt, in der sie für all ihre Laster belohnt wurde. Eine Welt, in die sie, wie er glaubte, sicherlich zurückkehren wollte.
»Du kannst sie doch nicht immer fesseln.«
»Ich hoffe, ihre Zuneigung zu gewinnen, wenn wir diese Ebene erst einmal verlassen haben.« Wenn sie dazu überhaupt fähig ist. Nein, sie musste es sein.
»Ich kann einfach nicht glauben, dass du, bei all den Dämoninnen, die du erprobt hast, keine Frau deiner eigenen Art finden konntest.«
»Nein, das ist nicht geschehen. Und es lag gewiss nicht daran, dass ich es nicht versucht hätte.« Er lachte freudlos auf. »Ich bin nur froh, dass du nicht darunter warst.«
Eine Pause. »A-aber das war ich, Rydstrom.«