19
»So gut?«, erkundigte sich Lanthe, als sie Sabine auf dem Rand ihres Bettes sitzend vorfand. Ihre Schwester trug einen Bademantel und hatte den Kopf in die Hände gestützt. Obwohl das Feuer fröhlich loderte, zitterte sie.
»Warum habe ich überhaupt etwas anderes erwartet? Er war grauenhaft. Wenn ich mich jetzt auf der Stelle entscheiden müsste, würde ich sagen, ich will das nie, nie wieder tun.«
»Das liegt nur daran, dass er ein großer Dämon ist und es dein erstes Mal war.«
»Vielleicht gehören Dämonen und Sorceri tatsächlich nicht zusammen. Vielleicht ist ihre Art einfach zu stark für uns.«
»Wahrscheinlich hat er einfach nur die Selbstbeherrschung verloren, weil er zum ersten Mal seinen Anspruch auf dich erheben konnte. Ich meine, du hast ihm ja vorher mächtig eingeheizt und …«
»Und er ist am Ende richtig in die Luft geflogen, Lanthe. Er wollte mir mit seinen riesigen Fängen sein Mal aufdrücken.« Und als sie abgelehnt hatte, hatte er mit aller Kraft, zu der sein Körper fähig war, in sie hineingestoßen. Sie erschauerte. »Du hättest sehen sollen, wie er aussah. Er ist wirklich ein richtiger Dämon!«
»Ich kann nicht glauben, dass du schlechten Sex hattest, und jetzt werde ich gar keinen Sex mehr haben – in den nächsten dreihundertvierundsechzig Tagen. Das wird mir eine Lehre sein – ich wette nie wieder gegen dich.«
Sabine rang sich nicht einmal ein Lächeln ab. Lanthe seufzte, setzte sich neben sie und legte ihr einen Arm um die Schultern. »Sieh mal, ich glaube, dass wir vielleicht schon so oft in unserem Leben absichtlich verletzt wurden, dass wir es gar nicht mehr glauben können, wenn uns jemand mal versehentlich verletzt.«
»Glaubst du das wirklich?«
»Oh ja. Ich denke … ich denke, dass es nicht jeder darauf abgesehen hat, uns zu nerven oder auszunutzen.« Sabine stieß nur einen spöttischen Laut aus und hielt den Kopf weiterhin in die Hände gestützt. »Zugegeben, jedes Wesen, mit dem wir in den letzten fünfhundert Jahren in Kontakt gekommen sind, hat ohne jede Ausnahme versucht, uns zu bescheißen. Aber trotzdem … Vielleicht ist der Dämon tatsächlich ein Typ mit Ehre. Was, wenn er der eine unter Millionen ist? Was, wenn er den Schmerz am liebsten rückgängig machen würde, wenn er nur könnte?«
Sabine sah auf. »Einer unter Millionen?« Wenn das so war, dann war Sabines Reaktion möglicherweise nicht ganz angemessen gewesen. Immerhin hatte er sie gewarnt, dass er die Selbstbeherrschung verlieren würde. Trotzdem, woher sollte sie denn wissen, was dann passieren würde? Sie hatte noch nie zuvor was mit einem Dämon gehabt! »Er wusste nicht, dass ich Jungfrau bin«, gab sie zu.
»Oh, Abie, nein.«
Vielleicht hätte ich ihm diese Kopfnuss doch nicht verpassen sollen … oder die Ohrfeige oder … »Und ich habe Anweisungen gegeben, ihn zu bestrafen.« Wieder einmal war ihr berühmt-berüchtigtes Temperament mit ihr durchgegangen. »Er sollte gebadet werden. Gründlich. Aber vielleicht ist es ja noch nicht zu spät, um den Befehl rückgängig zu …«
Ohne jede Vorwarnung öffnete sich die Tür.
Omort trat ein. »Lass uns allein«, befahl er Lanthe. »Sofort!«
Ihr blieb keine Wahl, als auf der Stelle schnell den Raum zu verlassen. Sie warf Sabine nur noch einen ängstlichen Blick zu, bevor sie die beiden allein ließ.
Sabine saß stocksteif da. Sie fühlte sich mehr als unwohl in seiner Nähe, nach seiner vorherigen Machtdemonstration.
Er lief im Zimmer auf und ab, sodass sein Umhang laut knallte wie eine Peitsche. »Deine Tafel … ist zerbrochen.« Als er ihr nun ins Gesicht blickte, zogen sich seine Augenbrauen zusammen. »Ich fürchtete, du würdest es genießen. Mit ihm.«
»Sehe ich aus, als ob ich das genossen hätte?«
»Es tut mir leid, dass du das durchmachen musstest. Es wird kein zweites Mal nötig sein.«
Sie stieß ungeduldig die Luft aus. »Wir können doch noch nicht sicher sein, dass ich schwanger bin.«
»Das Siegel des Dämons ist gebrochen?« Sie nickte zögernd. »Dann kann sich eine andere Frau mit ihm fortpflanzen.«
Als Rydstroms Schicksalsgefährtin war Sabine die einzige Frau, die in der Lage war, seinen Samen zum ersten Mal hervorzubringen. Doch jetzt, da das Siegel gebrochen war, konnte Rydstrom auch andere Frauen schwängern.
»Du wirst nicht zu ihm zurückkehren«, sagte Omort. »Lanthe oder Hettiah werden deine Pflichten übernehmen. Sobald sie geheilt ist.«
»Hettiah sollte gar nicht mehr am Leben sein. Sie hätte uns beide um ein Haar umgebracht.«
»Ihr wurde eine entsprechende Bestrafung zuteil.«
»Warum sollte Hettiah das überhaupt mit dem Dämon tun?« Sicher, jetzt war er in der Lage, sie zu schwängern, aber … »Der Erbe muss von mir stammen. Ich bin Rydstroms Königin.« Dies laut auszusprechen, erschütterte sie regelrecht. Ich bin die wahre Königin dieser Burg. Und er ist mein … Ehemann.
Omort blickte zur Seite. »Das Kind muss lediglich von seinem Blut sein.«
»Die Wutdämonen werden nur einen legitimen Erben anerkennen.«
»Möglicherweise habe ich mich … falsch ausgedrückt, bezüglich der Prophezeiung. Es ist nur wichtig, dass er der Vater des Jungen ist.«
Falsch ausgedrückt? »Was genau weißt du darüber, wie er den Brunnen entriegeln wird?«
Omort musterte ihr Gesicht mit seinen unheimlichen gelben Augen. »Ich möchte dir trauen. Ich muss dir trauen. Diese Stunden waren für mich eine wahre Folter.«
»Du planst, dass wir zusammen regieren, aber du erzählst mir nichts.«
»Ich wollte dich nicht übermäßig unter Druck setzen.« Er drehte den Ring an seinem Finger.
Du lügst mich also an.
»Tatsache ist, dass Rydstroms Sohn geopfert werden wird.«
»Was hast du gesagt?«
»Sein erstgeborenes Kind wird dem Brunnen übergeben.«
»Du meinst, es wird hineingeworfen?« Rasch legte sie eine Illusion über ihre Miene, während ihr Blick hektisch nach einem Papierkorb suchte, für den Fall, dass sie sich übergeben musste.
Sabine hatte sich nie selbst einen Dämonensohn gewünscht, einzig wegen der Macht hatte sie es getan. Aber sie wollte verdammt sein, wenn irgendjemand es wagen sollte, ihrem Nachwuchs etwas anzutun – Dämonenhalbling hin oder her!
»Das ist der Grund, wieso ich es dir nicht gesagt habe. Ich dachte nicht, dass du verstehen würdest, was getan werden muss. Du bist nicht so … stark, wie du dich gibst.«
Nicht so böse. Er wollte ihre Reaktion abschätzen. Wenn sie bei diesem Debakel irgendwie schwanger geworden sein sollte und jetzt besitzergreifend reagierte, würde Omort sie nur bestrafen und ihren Sohn dennoch umbringen. Jeder Hinweis, dass ihr etwas an ihrem Kind lag, würde als Schwäche gedeutet werden.
»Was bringt dich auf die Idee, dass es Hettiah leichter fallen wird, ihn zu verführen, als mir?« Sabine machte sich gar nicht erst die Mühe, Lanthe in diesem Zusammenhang zu erwähnen. Sie würde das niemals tun.
»Man wird dem Dämon ein Aphrodisiakum verabreichen.«
Nur über meine Leiche. »Weil der Erbe gar nicht anerkannt werden muss.«
»Genau. Sabine, öffne deinen Geist für mich.«
»Niemals, Omort. Ich werde dir aber sagen, was ich denke. Es ist mir vollkommen gleichgültig, was ich tun muss, um an die Macht des Brunnens zu gelangen«, log sie. Sie blickte ihm, ohne zu zögern, in die Augen. »Aber ich bin äußerst wütend, dass du dachtest, du könntest mir in dieser Angelegenheit nicht vertrauen. Warum?«
»Alles hängt in der Schwebe.«
»Erzähl es mir.«
Er stand auf und lief wieder auf und ab. »Cadeon hat die Herausforderung angenommen. Er hat das Gefäß und erweist sich als unerbittlich. Bislang hatte ich mich in Sicherheit gewiegt, da Cadeon bis heute noch bei jedem Versuch versagt hat, wenn es darum ging, sich zu rehabilitieren. Aber diesmal erringt er anscheinend einen Erfolg nach dem anderen. Denn das Gefäß selbst, das er Groot übergeben wird, scheint ihm dabei zu helfen, ihr eigenes Schicksal zu besiegeln.«
»Rydstrom sagte, Nïx habe geschworen, dass das Schwert dich zu töten vermag. Ist das wahr?«
Omort spielte an seinem Ring herum, während er ihr in die Augen sah. »Nein. Natürlich wird das Schwert nicht funktionieren. Nïx ist nicht unfehlbar.«
Er lügt! Atme … atme … »Du sagst mir nicht die Wahrheit.«
Sein Blick huschte über den Boden. »Es ist … möglich.«
Das erklärte, wieso er in letzter Zeit so labil gewesen war!
»Ich muss dir trauen. Kann ich dir trauen?«
Niemals! »Natürlich, Bruder.« Er kann besiegt werden!
»Dies ist einer der Gründe, aus denen ich nach Nïx suche«, sagte er. »Damit ich sie über die Waffe ausfragen kann.«
Um ihre Aufregung zu verbergen, tat Sabine so, als wäre sie empört. »Warum hast du mir davon nichts gesagt? Du enthältst mir Details von entscheidender Bedeutung vor? Das ist eine Schwachstelle, die wir uns einfach nicht leisten können, vor allem jetzt nicht. Vor allem dann nicht, wenn Cadeon tatsächlich Erfolg haben wird.«
Rydstroms nichtsnutziger Bruder stand kurz davor, sich das Instrument zu beschaffen, mit dem man den Unsterblichen töten konnte. Wie konnte sie diese Information nutzen? Wie ihren Vorteil aus seiner Schwäche ziehen?
»Ich hätte mich dir anvertrauen sollen.« Omort blieb vor ihr stehen und streckte die Hand nach ihrem Gesicht aus. »Ich liebe dich«, murmelte er.
Sie zuckte zurück. Jetzt war ihre Stimmung endgültig im Eimer. »Du liebst mich nicht. Du weißt gar nicht, was das ist!«
Und was noch schlimmer war: Sabine war nicht sicher, ob sie selber eine Ahnung davon hatte.
Wenn Omort mit einer seiner Schwestern geschlafen hatte, dann war es nicht Sabine gewesen. Sie war für Rydstrom Jungfrau geblieben. Nach all diesen Jahren war sie noch unberührt.
Und wenn ich sie geschwängert habe? Rydstrom starrte an die Decke der Zelle, die er inzwischen nur zu gut kannte. Es war absolut möglich, dass sie schwanger war.
Mit meinem Kind schwanger. Ihm wurde klar, dass er sich wünschte, dies wäre wahr, obgleich er wusste, dass damit seine letzten Tage gezählt wären. Wenn sie schwanger war, würden sie ihn nicht mehr brauchen. Er musste entkommen, jetzt mehr denn je. Ich schnappe mir meine Frau und mein Kind und dann komme ich wieder, um mein Königreich zurückzuerobern …
Rydstrom wollte, dass die Zauberin hier bei ihm war. Er hatte sie verletzt und brauchte eine Chance, es wiedergutzumachen. Aber es war nicht nur der ihr zugefügte Schmerz, der ihn beunruhigte. Auch wenn er mit Sabine geschlafen hatte, war sie nicht seine Frau, und er hatte seinen Anspruch auf sie als seine Gefährtin nicht vollständig erhoben. Er musste sie noch mit seinem Mal versehen, um seine Dämoneninstinkte zu befriedigen.
Rydstrom erstarrte, als er draußen laute Schritte hörte, die die Stufen zum Kerker hinabstiegen. Kurz darauf betraten drei riesige Männer die Zelle, offensichtlich Inferi-Sklaven. Ihm fiel Sabines Zorn ein – hatte sie den Befehl gegeben, ihn verprügeln zu lassen?
Der größte von ihnen begann Rydstrom loszuketten, was gleichbedeutend mit einer Chance zu fliehen war. Er wurde ganz ruhig und machte sich bereit. Drei Inferi waren niemals in der Lage, einen Dämon in Schach zu halten …
Wieder brannte ein Pulver in seinen Augen. Die Götter mögen sie verdammen … Doch diesmal blieb Rydstrom wach. Er konnte alles sehen. Nur bewegen konnte er sich nicht.
Es lag etwas in den Augen der Männer, als sie seinen hingestreckten Körper betrachteten. Sobald Rydstrom erkannte, was es war, überlief ihn ein eisiger Schauer.
Lust.
Als sie ihn unter die Dusche schleppten und ihm die Hose auszogen, konnte Rydstrom nicht das Geringste tun, um sich dagegen zu wehren. Als sie seinen hilflosen Körper wuschen, blieb ihm nichts anderes übrig, als an die Decke zu starren, während glühend heißer Hass in ihm hochkochte.
Sie hatte ihm das angetan. Sabine hatte den Befehl dazu gegeben, wohl wissend, wie sehr er es hassen würde.
Sobald er entflohen war, würde er sie vor tausend Dämonen erniedrigen, er würde sie ihnen zu ihrem Vergnügen überlassen. Sobald dieser Gedanke in ihm aufkam, brach eine unglaubliche Wut in seinem Inneren aus. Er verlor sich in diesem Zorn, schwelgte geradezu darin und schwor erneut grausamste Rache. Eine angemessene Vergeltung für jedes Unrecht, das sie ihm angetan hatte.
Ich werde nicht ruhen, ehe ich sie habe büßen lassen.