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»Ich würde ja etwas Nettes sagen«, meinte Sabine, als sie den wackeligen Schuppen zum ersten Mal sah, »so was wie ›Ich bin sicher, drinnen sieht es ganz toll aus‹, aber das würde meine Tafel auf der Stelle zerspringen lassen.«
»Du wolltest doch, dass ich dich in eine echte Mythenwelt-Bar ausführe.« Er grinste sie an. Überhaupt lächelte er jetzt viel öfter als früher, aber ihr wurden doch immer noch jedes Mal die Knie weich. »Wir haben ein Date, und zwar genau hier.«
Es stimmte, sie hatte ihn gebeten, sie zu einem Date auszuführen; ein Date, das im Grunde genommen ihr allererstes war. Schließlich hatten sie die letzten vier Tage im Haus oder jedenfalls nicht weit davon entfernt verbracht, meistens im Bett. Aber sie hatte dabei auch Hintergedanken gehabt …
»Heute Abend ist es brechend voll«, sagte er, als er seinen neuen Sportwagen auf der Suche nach einem freien Platz über den gekiesten Parkplatz rollen ließ.
Sie befanden sich mitten in einem Sumpf – wie konnte es hier bloß so voll sein?
Als er endlich geparkt hatte, sagte sie: »Ich finde immer noch, du hättest mich fahren lassen sollen.«
»Keine Chance«, sagte er, während er ausstieg.
Nachdem sie am Morgen nach ihrer ersten gemeinsamen Liebesnacht aufgewacht war, hatte er eine Überraschung für sie gehabt. Er hatte einen neuen Wagen für sich gekauft und gleichzeitig auch einen für sie liefern lassen. Aber sie hatte das glänzende rote Cabrio nur verwirrt angestarrt. »Ich kann nicht fahren.«
»Ich werde es dir beibringen«, hatte er zuversichtlich erklärt.
Am Ende der ersten Fahrstunde hatte er sie zur aggressivsten und gefährlichsten Fahrerin, der er je begegnet war, erklärt. Was bedeutete … Nummer eins!
Danach hatte Rydstrom Mythenwelt-Anbieter der feinsten Kleider und Juwelen in sein Haus eingeladen, damit sie sie mit allem versorgten, was sie brauchte.
»Versuchst du dir meine Zuneigung zu erkaufen?«, hatte sie gefragt.
»Und – funktioniert es?«, hatte er geantwortet.
Als er ihr jetzt die Tür öffnete, wurde sie sogleich von feuchter Luft, lauter Musik und rauem Gelächter begrüßt.
Bei den Göttern, wie gut er aussah. Er trug dunkle Jeans und ein schwarzes Hemd, mit einem teuren Ledergürtel und Stiefeln. Alles an ihm sagte: »Geld, Macht – und ich weiß es.«
Als er ihr aus dem Wagen half, bückte er sich und gab ihr einen raschen Kuss.
»Bist du sicher, dass du nicht wieder ins Bett zurückwillst?« Ihr wollüstiger Dämon schien unersättlich zu sein. Genau genommen waren sie es beide.
Er war so faszinierend. Er liebte es, wenn sie sein Gesicht mit zahllosen Küssen übersäte, zum Zeichen ihrer Zuneigung. Und wenn ihre Nägel über seinen Rücken kratzten, überlief ihn ein genüsslicher Schauer. Diesen Morgen erst hatte sie ihn dabei ertappt, wie er sich vor einem Spiegel hin und her drehte, um die Kratzer zu begutachten.
»Das ist wohl ein Zeichen, dass ich meine Sache gut gemacht habe?«, hatte er stolz gefragt und ihr ein sexy Grinsen geschenkt, das wiederum ihr einen Schauer der Lust über den Rücken jagte.
Sie wäre nur zu gerne in ihr Bett zurückgekehrt, aber an diesem Abend hatte sie sich ein wenig unwohl gefühlt – kein Schmerz, nur ein Gefühl, das bei einer Unsterblichen fehl am Platze war. Die alte Sabine war wieder erwacht – die, bei der Überleben höchste Priorität hatte. Auch wenn sie inzwischen sehr zuversichtlich war, was ihren Kampf gegen das Morsus anging, hatte sie doch immer einen Plan B in petto.
Heute Abend wollte sie sich nach einem Vampir umsehen, der sie nach Rothkalina translozieren konnte, nur für den Fall, dass sich ihr Zustand verschlimmern sollte …
»Du siehst heute Abend einfach atemberaubend aus«, sagte er. »Ich hätte dir das ja schon früher gesagt, aber du hast mir glatt die Sprache verschlagen.« Als er vorhin gesehen hatte, wie sie die Treppe hinunterkam, wäre er fast gestolpert.
»Ich dachte, du wärst meiner Aufmachung gegenüber mittlerweile etwas resistenter geworden.« Auch wenn sie ihr Haar so wild wie immer trug, hatte sie diesmal einen einfachen Kopfschmuck aufgesetzt und auch den dunkelblauen Kajal etwas sparsamer verwendet, sodass er sich nur in Streifen über ihre Schläfen zog. Aber ihr Rock war kurz, ihre Stiefel hoch, und ihr Oberteil bestand aus einer Art Bandeau aus metallenem Netzstoff, das von Ketten – zwei vorne und vier auf dem Rücken –, die an ihrem Halsband befestigt waren, an Ort und Stelle gehalten wurde.
»Ich will nicht wieder hören, wie alt und spießig ich bin.« Als er noch einmal seine Blicke über sie gleiten ließ, nahm er ihre Hände und breitete ihre Arme aus. »Werde ich eifersüchtig sein, wenn dich andere Männer so sehen? Zweifellos. Meine Hörner werden sich auf der Stelle aufrichten, wenn irgendeiner es wagt, dir einen zweiten Blick zuzuwerfen. Aber es macht mich auch stolz.«
Er legte seine Arme um sie und zog sie näher an sich heran. Seine Wärme und sein Duft ließen ihre Lider schwer werden, als sie zu ihm emporblickte.
»Viele haben mich bemitleidet, weil ich meine Gefährtin so lange nicht finden konnte. Jetzt möchte ich ein bisschen mit dir angeben, und ich werde mir etwas darauf einbilden, weil du die ganze Zeit über für mich bestimmt warst – ich musste einfach nur abwarten.«
Wenn er im Verlauf der letzten vier Tage mit ruppigem Tonfall und durchdringendem Blick solche Dinge von sich gegeben hatte, hatte sie Angst bekommen, er könnte einfach zu wunderbar sein, zu gut aussehend und zu gut und zu rücksichtsvoll, um ihr zu gehören.
Diese Zeit mit Rydstrom war wundervoll gewesen, doch fairerweise musste man zugeben, dass sie nicht perfekt gewesen war. Zum einen hatte er darauf bestanden, dass sie schwimmen lernte, und sie in seinem luxuriösen Pool unterrichtet. Und auch wenn sie langsam besser wurde, klammerte sie sich doch die meiste Zeit an ihn, die Hände um seinen Kopf gelegt.
Und er trank auch immer noch Dämonenbräu, aß Steaks und saugte an kleinen ungezieferartigen Kreaturen, die Flusskrebse genannt wurden. Aber er sorgte auch dafür, dass sie Gemüse zu essen und süßen Wein zu trinken hatte. Er hatte sogar eine Flasche für heute Abend mitgenommen, für den Fall, dass sie in der Bar kein Getränk fand, das sie mochte.
An diesen Gedanken hielt sie sich, als sie nun ihre Aufmerksamkeit auf die baufällige Taverne richtete. Ein mitgenommenes Neonschild hing leuchtend über dem Eingang, allerdings war der Schriftzug unleserlich.
»Wie heißt das Ding denn überhaupt?« Es lag direkt über dem Wasser, unter ein paar Zypressen, und sah aus, als ob es beim ersten stärkeren Windzug zusammenfallen würde. Ein instabil aussehender Steg führte zu ihr hinaus. »The Thirsty Thistle oder so was Ähnliches?«
»Es heißt einfach Erol’s. Also, wenn da drinnen irgendwas passiert, bleib einfach hinter mir. Versprich mir das.«
Er war wirklich schrecklich überfürsorglich. »Das kann ich dir nicht versprechen, weil dein Küchenboden sonst voller Tonscherben liegt.«
»Unser Küchenboden.«
»Dämon, wenn da drinnen irgendwas passiert, brauch ich dich nicht, um auf mich aufzupassen. Ich werde dich brauchen, um mir zu helfen, auf uns aufzupassen.«
Das schien ihn etwas aus der Fassung zu bringen. Sie drehte sich um, spazierte auf den Steg hinaus und ließ ihn mit verwirrter Miene einfach stehen. Dieser große Dämon würde bei ihr noch einige neue Tricks lernen müssen.
Als sie auf Zehenspitzen ging, damit die Stilettoabsätze ihrer Stiefel nicht zwischen den Planken stecken blieben, fragte er: »Warum trägst du nicht einfach flache Absätze und lässt sie wie hohe aussehen?«
»Weil ich mich sexy fühle, wenn ich die hier trage.«
»Würdest du dich auch sexy fühlen, wenn dich dein Mann jetzt hinüberträgt?«
»Damit würde ich klarkommen, mein Märchenkönig«, sagte sie. »Also, wenn es da drinnen wirklich so voll ist, wirst du dann jemanden treffen, den du kennst? Vielleicht eine der Abertausend Dämoninnen, mit denen du schon im Bett warst, wie Durinda«, neckte sie ihn.
Als er verstummte, sah sie ihm ins Gesicht. »Das war doch nur ein Witz. Ich weiß doch, dass du nichts mit ihr hattest. Augenblick mal, wieso siehst du so schuldbewusst aus?« Warum sollte Rydstrom ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie diese Frau erwähnte? Plötzlich schien sie keine Luft mehr zu bekommen. »Du hast doch nicht … da im Lager … du warst doch wohl nicht mit ihr …«
»Oh ihr Götter, nein! Aber ich hatte dir gesagt, dass ich nicht mit ihr geschlafen habe, und offenbar habe ich das doch getan, vor tausend Jahren oder so.«
Erleichterung durchströmte sie. »Du hast gesagt, das hättest du nicht«, sagte sie dennoch.
Er fuhr sich mit der Hand über den Nacken. »Ich hatte es … vergessen.«
»Musste sie dich daran erinnern?« Als er zögernd nickte, brach sie in lautes Gelächter aus.
»Das ist nicht witzig«, sagte er unwirsch. »Es war verflucht peinlich«, fügte er hinzu, wobei er aber schon gegen ein Grinsen ankämpfen musste.
»Ich hätte ziemlich viel Gold dafür gegeben, um diese Unterhaltung mitanzuhören«, sagte sie, immer noch lachend.
»Ich dachte, du würdest wütend werden.«
Sie kicherte. »Doch nicht bei so lustigen Dingen. Hey, ich hab eine Idee! Vielleicht sollten wir eine Datenbank anlegen, in die wir alle Namen der Frauen eingeben, die du schon flachgelegt hast, damit du in Zukunft immer auf dem Laufenden bist …«
»Ach, findest du, du Klugscheißer?« Er hob sie hoch. »Der einzige Eintrag, der mir etwas bedeutet, ist der letzte.« Mit diesen Worten machte er sich auf den Weg über den Steg, während sie nicht aufhören konnte zu lachen.
An der Eingangstür angekommen, ließ er sie an seinem Körper entlang nach unten gleiten. Als sie dann eintraten, hatte Rydstrom eine Hand auf ihre Hüfte gelegt und die Schultern durchgedrückt. Er wirkte arrogant und wahrhaft königlich. Sie liebte es.
Das Innere der Bar war nur spärlich erleuchtet und sehr voll. In der Ecke stand eine altmodische Jukebox, die heiße Musik spielte. An der hinteren Wand hing ein Spiegel, der von Schädeln eingerahmt war. Die Augenhöhlen der Totenköpfe waren mit Christbaumkerzen geschmückt. Dieser Ort hatte seinen Charme.
Sie gingen an der Bar vorbei, an der ein auffallend gut aussehendes Zwillingspaar saß. Sie vermutete, dass es sich bei den beiden Männern um Lykae handelte, und wusste, dass sie recht hatte, als sie ihren starken schottischen Akzent hörte.
»Verflixt und zugenäht, Rydstrom, wo hast du die denn her?«, sagte einer, während er eiligst von seinem Barhocker hinunterglitt. »Und angezogen ist sie wie eine Zauberin in den alten Zeiten.« Er stieß einen leisen Pfiff aus.
»Hat das Mädel vielleicht eine Schwester?«, fügte sein Bruder hinzu.
Rydstrom begrüßte sie mit einem kühlen Nicken. »Sabine, das sind Uilleam und Munro, Lykae-Soldaten.«
»Ich habe in der Tat eine Schwester«, sagte Sabine eifrig. »Ihr würdet sie lieben, und sie fände euch sicherlich wunderbar …«
Aber Rydstrom führte sie, ehe sie den Satz beenden konnte, in den hinteren Teil des Raumes, zu dem einzigen freien Tisch. Nebenan saßen ziemlich laute Frauen bei einem Würfelspiel, die allesamt berauscht zu sein schienen, sei es vom Alkohol oder von entsprechenden Zaubern.
Als Rydstrom murmelte: »Noch mehr Hexen«, tastete Sabine sie vorsichtig auf ihre Fähigkeiten hin ab. Wieder fand sie nichts, was sie von den Socken haute, aber eine der Frauen hatte spitze Ohren und ihre Haut schien zu strahlen.
»Und Regin die Ränkevolle.« Er schüttelte den Kopf. »Sie ist häufig Nïx’ Komplizin.«
Nachdem sie den Tisch erreicht hatten und er ihr einen Stuhl zurechtgerückt hatte, zögerte er. Offensichtlich behagte es ihm gar nicht, sie allein zu lassen und Getränke zu holen.
»Geh ruhig, Rydstrom. Mir geht’s gut.«
Er beugte sich zu ihr herunter und flüsterte ihr ins Ohr: »Sag einfach nur niemandem deinen vollen Namen oder deinen Zauberinnentitel, dann sollte alles glattlaufen.«
Als Rydstrom sie widerwillig verließ, warf Sabine den Frauen böse Blicke zu, weil sie sehnsüchtig seufzten, als er vorbeiging, auch wenn er es gar nicht zu bemerken schien.
An der Bar angekommen, drehte er sich um und überprüfte mit wachsamen grünen Augen, ob mit ihr auch alles in Ordnung war.
Einen Schlag aufs Kinn kassieren für das Team der Bösen? Dann doch lieber einen Treffer für Team Sabine.
Er war so unglaublich maskulin. Eine Rakete im Bett, auf der Couch und am flachen Ende des Pools. Und er war gut zu ihr.
Meistens war auch sie gut zu ihm gewesen, hatte sich zumindest für ihn bemüht. Aber alte Gewohnheiten waren nur schwer zu überwinden. Jedes Mal wenn Rydstrom seinen Waffenschrank aufgeschlossen hatte, um dieses Schwert zu betrachten, hatte Sabine sich unsichtbar gemacht.
Und jetzt kannte sie die Kombination …
Das könnte heikel werden. Er hatte Sabine hierher gebracht, weil sie sich früher oder später daran würde gewöhnen müssen, sich in dieser Gesellschaft zu bewegen. Und die Mythenweltgeschöpfe mussten sich daran gewöhnen, sie mitten unter ihnen zu sehen.
Doch er hatte noch einen zweiten Grund, aus dem er gekommen war. Das Erol’s war ein ausgezeichneter Ort, um sich Informationen zu beschaffen, und Rydstrom wollte wissen, wo Lothaire steckte.
Als Rydstrom Sabine gegenüber zugegeben hatte, unter welcher Bedingung das Abkommen mit Lothaire zustande gekommen war, war sie verständlicherweise besorgt gewesen. Lothaire konnte von ihm verlangen, was er nur wollte. Jederzeit.
»Was ist, wenn er deinen Erstgeborenen haben will? Wir müssen ihn umbringen!«
»Unseren Erstgeborenen. Und ich werde mich darum kümmern.«
An der Bar fragte Rydstrom erst einen neben ihm stehenden Sturmdämon und dann den Wirt nach Informationen, aber schon die bloße Erwähnung des Erzfeindes ließ sie die Köpfe schütteln.
Während er auf die Drinks wartete, warf Rydstrom einen Blick auf Sabine. Sie saß mit angeborener Anmut am Tisch und musterte den Raum mit ihren bernsteinfarbenen Augen.
Sie ist so verflucht schön. Und natürlich war er nicht der Einzige, dem das aufgefallen war. Überall verrenkten sich die Männer die Köpfe, um einen Blick auf sie zu erhaschen. Genau wie er es vorhergesehen hatte, richteten sich Rydstroms Hörner auf. Er warf einigen dieser Mistkerle mörderische Blicke zu, um sie wissen zu lassen, dass diese Frau ihm gehörte.
Aber tat sie das wirklich? Laut Sabine blieben ihm nur noch zwei Tage mit ihr. Danach würden sie sich noch einmal zusammensetzen und neu verhandeln. Er hatte sie nicht weiter bedrängt, weil er einfach davon ausging, dass sie bestimmt bleiben wollte, wenn sie nur genug Zeit gemeinsam verbrachten. Er tat alles, damit es ihr gefiel, und doch fühlte er, wie sie ihm entglitt.
Gerade als er ihren Wein und sein Bräu in Empfang nahm, brüllte Regin quer durch die ganze Taverne: »Yo, Dämon, wer ist die kleine Schlampe da?«
Rydstrom atmete aus und wandte sich um, um zum Tisch zurückzugehen. Jetzt fiel ihm auf, dass einige der Hexen am Nebentisch auf der Poolparty gewesen waren. Sie mussten Sabine wiedererkannt haben, da sie sich nun bemühten, Regin zum Schweigen zu bringen.
Obwohl sie nur im Flüsterton mit ihr sprachen, fragte Regin laut zurück: »Sabine? Wer zum Teufel ist das? Für mich sieht sie jedenfalls wie eine Schlampe aus.«
Als sich Sabine in Zeitlupentempo Regin zuwandte, stellte Rydstrom die Getränke rasch auf dem nächsten Tisch ab und beeilte sich, zu ihr zurückzukommen.
»Ich bin keine kleine Schlampe. Ich bin die Königin der Illusionen«, erwiderte Sabine mit seidiger Stimme, die die unterschwellige Drohung nicht verbergen konnte. Zugleich erhob sie die Hände.
Oh, verdammte Scheiße!
»Schwester von Omort?« Regin sprang auf die Füße, wobei sie ihren Stuhl umwarf. Während draußen Blitze über den Himmel zuckten, riss die Walküre zwei kurze Schwerter aus den beiden Scheiden, die sie auf dem Rücken trug. »Wie haben dir denn die handlosen Feuerdämonen gefallen, die Nïxie und ich dir zurückgeschickt haben? Hast du die Nachricht erhalten?«
Bei der Erwähnung Omorts begannen die anderen Gäste zu begreifen, wen genau Rydstrom in diese Bar mitgebracht hatte. Von allen Seiten hörte er Gemurmel und Flüstern über die Zauberin, und die Ersten strebten schon auf die Tür zu.
Als die Lykae-Zwillinge den Ausgang erreichten, rief einer von ihnen Rydstrom noch zu: »Verdammt, Dämon, dieses Fohlen ist noch nicht zugeritten.«
Und der andere fügte hinzu: »Erzähl du mir noch mal, ich solle nicht mit jeder ins Bett steigen.«
Rydstrom trat zwischen Sabine und Regin. »Sie gehört zu mir, Walküre. Nïx würde nicht wollen, dass du mit Sabine kämpfst.« Weil Sabine Regin umbringen würde.
Regin runzelte verwirrt die Stirn. »Dann muss sie wohl die Zauberin sein, von der Nïx mir extra noch gesagt hat, ich soll sie heute Abend nicht umlegen.« Die Walküre zuckte die Achseln und schob die Schwerter gekonnt wieder in ihre Scheiden zurück. Ihre Wut war genauso schnell verflogen, wie sie ausgebrochen war, und schon driftete ihre Aufmerksamkeit in eine ganz neue Richtung, weg von Sabine und Rydstrom. »Hey! Wo geht ihr denn alle hin? Heute läuft die Rocky Horror Picture Show in der Innenstadt!« Mit diesen Worten eilte Regin an ihnen vorbei Richtung Ausgang, und ihre Freundinnen folgten ihr.
Innerhalb von Minuten hatte sich jedes Geschöpf in der ganzen Taverne – einschließlich des Wirts – aus dem Staub gemacht. Sabine betrachtete den leeren Raum mit undurchdringlicher Miene.
Er schloss sie in die Arme und kitzelte sie mit den Fingern unterm Kinn. »Tut mir leid, Baby. So was braucht halt seine Zeit.«
»Machst du Witze? Ich fühle mich überaus geschmeichelt.« Als Rydstrom ihr einen zweifelnden Blick zuwarf, fügte sie hinzu: »Du darfst nicht vergessen, dass ich in einer Umgebung aufgewachsen bin, in der Furcht mit Respekt gleichgesetzt wird. Und diese ganzen Leute haben mir soeben wahnsinnig viel Respekt erwiesen.« Er schien immer noch nicht überzeugt zu sein. »Dämon, ich bin nicht in der Erwartung hergekommen, Freunde zu finden. Und, haben wir immer noch ein Date?«
»Aber sicher.«
»Und wir sind immer noch in einer Mythenwelt-Bar?«
»Das sind wir.«
Sie ging an die Theke und setzte mit einem Sprung darüber. »Also, was möchtest du trinken?«, fragte sie grinsend. »Die Getränke gehen aufs Haus.«
Den Heimweg verbrachten sie in einträchtigem Schweigen, beide tief in ihre eigenen Gedanken versunken.
Rydstrom hatte ihr erzählt, dass Dämonen schöne Autos liebten, von ihnen fasziniert waren, und jetzt wusste sie auch, warum. Sie war vom Geruch neuen Leders umgeben, die Sitze waren angenehm warm, und die Lichter des Armaturenbretts beleuchteten sein bildschönes Gesicht.
Er lenkte den Wagen mit deutlichem Selbstbewusstsein. Dies war etwas, worin er gut war, und das wusste er. Bei den Göttern, ein Mann, der gut Auto fuhr, hatte schon durchaus einen besonderen Reiz. Es machte ihn sexuell attraktiv, auch wenn sie dies bislang nur mit Pferden und Kutschen erlebt hatte.
Bei jeder roten Ampel nahm er die Hand vom Schaltknüppel und legte sie auf ihr Knie, als ob er es nicht ertragen könnte, auch nur ein paar Sekunden auf die Berührung zu verzichten.
Die Vorfreude darauf, zurück nach Hause zu fahren und sich dort die ganze Nacht lang zu lieben, lenkte sie von jeglichen Sorgen ab, die sie hätten beunruhigen können. Und sie fühlte seine Kraft, greifbar und beruhigend. Er hatte geschworen, hatte sich gewünscht, sie zu beschützen.
Sie würde ihm von dem Gift erzählen. Nachdem sie sich geliebt hatten …
»Du siehst heute Abend ganz bezaubernd aus«, sagte er mit seiner grollenden Stimme.
»Du siehst auch gar nicht übel aus.«
»Bin ich in den Medaillenrängen?«
»Dämon, von mir bekommst du die Goldmedaille. Ich war so stolz, an deiner Seite zu sein. Auch wenn es nur kurz war.« Nachdem sie die ganze Bar für sich hatten, hatte Rydstrom ihr beigebracht, Poolbillard zu spielen. »Und ich hab mich prima amüsiert.«
Er grinste zu ihr herüber. »Obwohl unser Weg nicht mit Leichen gepflastert war?«
»Vielleicht färbst du ja langsam auf mich ab«, sagte sie geistesabwesend. Sie blickte auf seine lächelnden Lippen und in die tiefgrünen Augen, und schon überkam sie wieder dieses Gefühl – so heftig, dass die Erkenntnis sie traf wie ein Fausthieb.
Ich glaube, ich bin in den Dämon verliebt.