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»Nein, das ist keineswegs offensichtlich.« Rydstrom schaute von dem Bett zurück zu der Zauberin, die vor ihm stand.
Seine Gedanken überschlugen sich, er stellte Vermutungen an und verwarf sie wieder. Ein Bett und Ketten. Es war ihr nicht gelungen, ihn dazu zu bringen, freiwillig mit ihr ins Bett zu steigen. Hatte sie am Ende vor, sich zu nehmen, was sie wollte?
Als ihn bei dieser Vorstellung eine irritierende Woge der Lust überkam, wurde ihm klar, dass er bereits unter dem Einfluss ihres Zaubers stehen musste. Aber natürlich. Er hatte gesehen, wie die Straße verschwunden war und wie sich der Brückenpfeiler bewegt hatte. Sie besaß unermessliche Kräfte und aus irgendeinem Grund hatte sie ihn ins Visier genommen.
Er musterte den nur mäßig erhellten Raum. Sie hatte ihn auf direktem Wege in eine riesige Kerkerzelle gelockt, die er sogar wiedererkannte. Er selbst hatte hier Gefangene untergebracht, als er noch Herr und König über Burg Tornin war.
Sie hat mich in meinem eigenen gottverfluchten Kerker eingesperrt.
Als er sich ihr wieder zuwandte, blickte sie ihm direkt in die Augen. Ihre Augen waren ungewöhnlich: Die Iris hatte die Farbe hellen Bernsteins und war von einem Ring umgeben, so dunkel wie Kaffee. Er schien seinen Blick gar nicht mehr von ihnen abwenden zu können. »Du hast mich nach Tornin zurückgebracht, darum gehe ich davon aus, dass du mit Omort zusammenarbeitest.«
»Das ist korrekt.« Ihre Stimme klang eher wie ein Schnurren.
Ich befinde mich in meinem eigenen Kerker – ein Gefangener meines schlimmsten Feindes.
»Und wann werde ich ihm gegenüberstehen?«, fragte er mit zusammengebissenen Zähnen.
»Gar nicht. Das ist nicht nötig. Alles, was du brauchst, bin ich.«
»Erkläre mir, was genau du vorhast«, verlangte er, während er innerlich seine Reaktion auf sie verfluchte. Vor ihr hatte er noch nie so stark auf irgendeine Frau reagiert. Als er sie vorhin so selbstvergessen geküsst hatte, hatte er tatsächlich gedacht: »Sie könnte meine Königin sein.«
Rydstrom hatte sich gesorgt, was so eine Schönheit wohl über seine Narbe denken mochte und um wie viel größer er war als sie. Er hatte sich für sie bemüht, seine Berührungen und Küsse so zart wie nur möglich ausfallen zu lassen. Und dabei war ihr einziges Ziel gewesen, ihn in die Falle zu locken.
»Ich habe vor«, sagte sie sachlich, »mit deinem Erben schwanger zu werden.«
Seine Lippen teilten sich. Diese Worte allein reichten schon aus, um seinen Schaft hart wie Stahl werden zu lassen, während sich in ihm sämtliche dämonischen Urinstinkte zu regen begannen. Diese Frau mit ihren vollen Brüsten und süßen Lippen begehrte seine Saat, wollte sich von ihm begatten lassen.
Sie hat mich mit einem Zauber belegt. Eine andere Erklärung gibt es nicht.
Er hatte Omorts Familie gründlich studiert, hatte alles über Hunderte seiner Halbgeschwister gelesen. Die meisten von ihnen hatte Omort ermordet, nachdem er sie ihrer Kräfte beraubt hatte. Aber einige wenige hatte er um sich geschart.
Was habe ich über diese Zauberin gelesen? Sie wurde zu Recht Königin der Illusionen genannt. Eben erst war Rydstrom auf eine von ihnen hereingefallen, die mit bemerkenswerter Sorgfalt geschaffen worden war. Auch wenn sie aussah, als ob sie gerade erst Anfang zwanzig wäre, musste sie einige Jahrhunderte alt sein.
Es hieß, sie sei noch diabolischer als Omort selbst.
Er zwang sich zur Geduld. »Sabine, lass uns das doch vernünftig diskutieren«, stieß er mit rauer Stimme hervor. Er fühlte sich alles andere als vernünftig. »Was erhoffst du dir davon?«
»Wenn ich die Kontrolle über deinen Erben habe, wird das auch den letzten Rest der Rebellion im Keim ersticken.«
Die Vorstellung, dass die Rebellen auch nur der kleinste Giftstachel in Omorts Fleisch sein konnten, war ermutigend. Rydstrom war davon ausgegangen, dass das sadistische Regime des Hexenmeisters der Revolte alle Kraft genommen hätte. »Dein Plan weist zwei Schwachstellen auf.«
»Erleuchte mich, Dämon.«
»Erstens: Mein Körper wird keinerlei … Saat abgeben.« Ein Wutdämon konnte zwar seine Lust beim Sex befriedigen, allerdings vergoss er so lange keinen Samen, bis er die ihm bestimmte Frau gefunden und seinen Anspruch auf sie erhoben hatte. Erst damit wurde das Siegel endgültig gebrochen. »Es sei denn für die mir vom Schicksal zugedachte …«
»Ich bin die Deine.« Ihr Blick hielt seinen fest und ihm wurde klar, dass zumindest sie selbst an das glaubte, was sie gesagt hatte. Omort verfügte über Orakel, ihm stand im Grunde seine eigene Nïx rund um die Uhr zur Verfügung.
Sabine könnte mehr wissen als ich …
Rydstrom schüttelte heftig den Kopf, während gleichzeitig sein Mund trocken wurde. In fünfzehn Jahrhunderten hatte er sich nicht ein Mal dermaßen von einer Frau angezogen gefühlt. Was, wenn sie tatsächlich die Seine wäre? Wenn er seine Königin gefunden hätte, nachdem er so lange gewartet hatte? Und zwar in Omorts Schwester? »Nein, so grausam ist das Schicksal nicht.«
Sie hob eine Augenbraue. »Dem Schicksal ist das vollkommen gleichgültig.«
»Wie wahrscheinlich ist es, dass meine Frau ausgerechnet mit meinem schlimmsten Feind verwandt ist?«
»Omorts Erzeuger lebte viele Jahrtausende lang und zeugte Hunderte von Töchtern.« Sie schlich um ihn herum. »Vor fünfhundert Jahren teilte eine Wahrsagerin Omort mit, dass seine eigene Halbschwester, die Königin der Illusionen, die dir vom Schicksal zugeteilte Gefährtin sein und dass sie in einer Zeit des Krieges deinen Erben gebären würde. Nach dieser Weissagung ließ Omort überall nach mir suchen, weil ich bin, was ich nun mal für dich bin. Und dann habe ich einfach hier auf Tornin auf den richtigen Zeitpunkt gewartet.«
»Warum jetzt? Warum ausgerechnet jetzt?«
Sie legte den Kopf auf die Seite. »Ich hatte vor, dich langsam zu verführen, aber dann erfuhren wir von der Verschwörung zwischen Groot und dir. Also musste ich verhindern, dass du dich mit deinem Bruder, Cadeon dem Königsmacher, triffst.«
Ob Sabine die Einzelheiten ihres Plans kannte? Erst an diesem Abend hatte Rydstrom seinem Bruder gesagt, dass Omort vor nichts zurückschrecken würde, um ihre Absicht zu vereiteln, wenn er von seiner Suche nach dem Schwert erfahren sollte. Da hatte Rydstrom noch nicht gewusst, dass seinem Feind eine Zauberin wie diese zur Seite stand.
»Was wisst ihr von einem Plan?«
»Mehr, als du glaubst«, erwiderte sie. »Ich weiß immer mehr, als die Männer glauben.«
Ob sie wusste, dass wenigstens eine Waffe existierte, die Omort töten konnte? Dass Rydstrom es so eilig gehabt hatte, sich mit Cadeon zu treffen, damit sie sich auf die Reise zu Groot machen konnten, um mit diesem Wahnsinnigen einen Tauschhandel einzugehen? So musste es wohl sein.
Cadeon befand sich in genau diesem Moment an ihrem Treffpunkt und fragte sich, wo zur Hölle sein älterer Bruder war. Der Bruder, der nie zu spät kam, niemals ein Treffen versäumte.
»Selbst wenn du mir vom Schicksal bestimmt bist, Sabine, werde ich doch nie mit dir zusammen sein.«
»Oh doch, das wirst du.« Ihre Lippen kräuselten sich in einem wissenden sexy Grinsen, das sein Herz schneller schlagen ließ. »Wieder und wieder, bis es vollbracht ist.«
Wieder und wieder. Ihren weichen Körper zu nehmen, diese perfekte weiße Haut zu erforschen … Nein! Du musst ihr widerstehen!
»Jetzt sag mir, was die zweite Schwachstelle ist.« Anmutig ließ sie sich auf den Rand des riesigen Bettes sinken. Ihre Mähne glänzend roter Haare fiel nach vorne, und ihr Duft stieg zu ihm empor. »Du hast mich neugierig gemacht.«
Er schüttelte sich innerlich. »Damit mein Erbe legitim ist, musst du meine mir durch die Ehe verbundene Königin sein.«
»Ich weiß.« Sie fuhr mit ihrer zerbrechlich wirkenden Hand über das Laken. »Wir werden uns vermählen.«
Sie sprach davon, ihn zu heiraten, als ob das vollkommen nebensächlich wäre, während er nicht mehr wusste, wo ihm der Kopf stand. Doch das lag daran, dass er sich tatsächlich zu ihr hingezogen fühlte wie noch zu keiner anderen Frau zuvor. Und es gab nur einen Weg herauszufinden, ob sie wirklich die Seine war.
»Du wirst vor mir das Gelübde ablegen, Dämon. Und ich werde es akzeptieren.«
Das Gelübde – das Versprechen, das einen Wutdämon an seine Königin band. Keine Zeremonie, keine Zeugen, nur ein Pakt zwischen zwei Individuen, die gelobten, eins zu werden. Er würde mit Worten seinen Anspruch auf sie erheben, und wenn sie dem zustimmte, würde sie für alle Zeit seine Königin sein.
»Mein Volk wird eine Heirat, die durch Zauberei erzwungen wurde, niemals anerkennen. Genauso wenig wie eine Empfängnis, die nur aufgrund deiner berüchtigten Zaubertränke zustande kam.«
»Rydstrom, lass uns ehrlich miteinander reden. Angesichts deiner Reaktion auf mich« – sie deutete diskret auf seine Erektion – »glaubst du wirklich, dass ich Magie bei dir einsetzen muss?«
Er biss die Zähne aufeinander, unfähig, das Offensichtliche zu leugnen. »Selbstverständlich wirst du mich töten, sobald unser Kind auf der Welt ist?«
Unser Kind. Diese Worte hatte er in seinem ganzen Leben noch nie ausgesprochen. Selbst sie neigte den Kopf zur Seite, als sie das hörte.
Aber dann breitete sich langsam ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. So betörend, dass es ihm den Atem raubte. Ob ihr das aufgefallen war?
»Nun ja, ich wäre ja wohl keine gute böse Zauberin, wenn ich es dir gestatten würde, weiterzuleben.«
»Dann kann ich dir eines versprechen: Du wirst mich nicht dazu bewegen können, dir gegenüber das Gelübde abzulegen.«
»Dann, Rydstrom, werde ich mich dir nicht hingeben können, ehe du es tust.«
Jetzt wurde ihm alles klar. Sie würde ihn reizen, ihn sexuell so lange quälen, bis er die Worte aussprach. Wieso nur ließ dieser Gedanke ihm das Blut in die Lenden schießen? Dieses Geschöpf würde ihn bis zum Äußersten treiben, wieder und immer wieder.
Wenn er sich den Machtkampf zwischen ihnen beiden vorstellte, mit all seinen Verwicklungen … Fantasien schwirrten ihm durch den Kopf, Gedanken, die er für gewöhnlich auf der Stelle wieder verdrängte. Lange zurückgehaltene – und für alle Ewigkeit verleugnete – Geheimnisse.
»Dann hast du nichts erreicht, als meine Zeit zu vergeuden«, sagte er, wenn auch mit heiserer Stimme.
»Was macht dich so zuversichtlich, dass ich dich nicht dazu bringen kann, irgendetwas zu sagen oder zu tun, um in mir sein zu können?«
Weil zu viel auf dem Spiel steht. Niemals war Rydstrom all seinen Hoffnungen und Wünschen so nah gewesen. Er musste entkommen, um zu seinem Bruder zu gelangen, bevor dieser mal wieder irgendetwas vollkommen Egoistisches anstellte. Cadeon war ein Söldner und Halsabschneider, dem gerade erst in den Schoß gefallen war, wonach er sich am allermeisten auf der ganzen Welt gesehnt hatte.
»Du hast es vorhin schon nicht geschafft, mich von meiner Pflicht abzulenken, und da wusste ich noch nicht einmal, wer du warst.« Was für eine große Klappe du hast, Woede.
Sie stand mit zurückgezogenen Schultern vor ihm. »Du hast noch längst nicht alles gesehen, womit ich dich verführen kann«, sagte sie und zog an einem Band ihres Mieders. Das Kleid glitt über ihre kessen Brustwarzen an ihrer schmalen Taille vorbei und ihre wohlgeformten Beine hinunter auf ihre Füße hinab.
Jetzt trug sie nichts mehr an ihrem exquisiten Leib als einen durchsichtigen Fetzen aus weißer Seide, der ihre Brüste bedeckte, und das winzigste Höschen, das er je gesehen hatte.
Sein Mund öffnete sich, und sein Schwanz fühlte sich an, als ob er gleich den Stoff seiner Hose durchstoßen würde. Mit blitzenden Augen hob sie den Kopf, sie war sich ihrer Wirkung auf ihn sehr wohl bewusst und stolz darauf.
Wenn diese Frau nicht so böse wäre, wäre sie wunderbar. In diesem Augenblick fasste er einen Entschluss: Ich werde sie als meine Kriegsbeute mitnehmen, wenn ich fliehe.
Und er würde sie benutzen, um freizukommen.