SO VIEL FÜR NICHTS

Silber glitzerte im Sonnenlicht, mit jenem besonderen, verlockenden Funkeln, wie es irgendwie nur von Geld ausgeht. Eine ganze schwere Kassette voll, gut sichtbar aufgestellt, zog die Augen jedes Mannes im ganzen Lager noch stärker auf sich, als wenn sich eine nackte Gräfin verführerisch auf dem Tisch geräkelt hätte. Ganze Stapel schimmernder, glänzender Münzen, frisch geprägt. Eine der saubersten Währungen Styriens, die in einige der dreckigsten Hände gegeben worden war. Eine aberwitzige Wendung der Ereignisse. Auf der einen Seite zeigten diese Münzen natürlich die Waage, seit den Tagen des Neuen Kaiserreichs das traditionelle Symbol styrischen Handels. Auf der anderen prangte das strenge Profil von Großherzog Orso von Talins. Es erschien Cosca dabei geradezu köstlich, dass er die Männer der Tausend Klingen mit dem Gesicht jenes Mannes bezahlte, den sie kürzlich erst betrogen hatten.

In einer pockennarbigen und verdreckten, schielenden und kratzenden, hustenden und schlampigen Reihe gingen die Soldaten und Offiziere der ersten Kompanie des ersten Regiments der Tausend Klingen an dem improvisierten Tisch vorüber, um ihren ungerechten Lohn einzustreichen. Die Auszahlung wurde vom Hauptschreiber der Brigade und einem Dutzend der verlässlichsten Veteranen genau überwacht, und das war auch gut so, denn im Verlauf des Vormittags hatte Cosca bereits jeden demoralisierenden Täuschungsversuch gesehen, den man sich nur vorstellen konnte.

Bei verschiedenen Gelegenheiten kamen Männer in anderer Kleidung mehrfach an den Tisch, gaben einen falschen oder den Namen eines gefallenen Kameraden an. Übertreibungen, Ausschmückungen oder glatte Lügen hinsichtlich ihres Rangs oder der Dauer ihrer Truppenzugehörigkeit gingen ihnen leicht über die Zunge. Sie weinten um kranke Mütter, Kinder oder Bekannte. Sie feuerten ganze Salven von Beschwerden ab und maulten über die Verpflegung, Getränke, Ausrüstung, Durchfall, den Geruch der anderen, das Wetter, gestohlene Gegenstände, erlittene Verletzungen, verursachte Verletzungen, beklagten angebliche Beleidigungen nicht vorhandener Ehre und so weiter, und so weiter. Hätten sie im Kampf dieselbe Kühnheit und Standfestigkeit gezeigt, die sie nun bei dem Versuch aufbrachten, ihrem Befehlshaber auch noch den kleinsten, ihnen nicht zustehenden Krümel aus der Tasche zu ziehen – sie wären die größte Kampftruppe aller Zeiten gewesen.

Aber der Erste Feldwebel Freundlich beobachtete sie. Er hatte jahrelang in der Küche der Sicherheit gearbeitet, wo Dutzende der weltgrößten Betrüger tagtäglich miteinander darum wetteiferten, genug Brot zum Überleben zu erschwindeln, und daher kannte er jeden noch so armseligen Trick, jeden Kniff und jede Strategie, die je auf dieser Seite der Hölle erprobt worden war. Seinem Basiliskenblick entging nichts. Der Sträfling ließ nicht zu, dass auch nur ein einziges schimmerndes Abbild Großherzog Orsos unrechtmäßig ausgegeben wurde.

Cosca schüttelte tief erschüttert den Kopf, als er dem letzten Mann dabei zusah, wie er von dannen schlich, wobei das schlimme Hinken, für das er eine Entschädigung verlangt hatte, wunderbarerweise ganz plötzlich geheilt zu sein schien. »Bei den Schicksalsgöttinnen, man hätte doch meinen sollen, sie würden sich über diesen Bonus freuen! Es ist ja nicht so, als ob sie dafür hätten kämpfen müssen! Oder das Geld selbst klauen! Ich sag’s ja immer wieder: Je mehr man einem Mann gibt, desto mehr verlangt er und desto weniger glücklich ist er auch. Niemand weiß je etwas zu schätzen, das er umsonst bekommen hat. Die Pest über die verdammte Mildtätigkeit!« Er schlug dem Schreiber auf die Schulter, der daraufhin eine äußerst schiefe Linie auf seine sorgfältig ausgefüllte Seite krakelte.

»Söldner sind auch nicht mehr das, was sie mal waren«, brummte der Mann, der die Tinte missmutig ablöschte.

»Nein? In meinen Augen sind sie ebenso gewaltbereit und gehässig wie immer. Dieser Ausspruch, dass die Dinge nicht mehr sind, was sie mal waren, ist die Parole aller Kleingeister. Wenn die Menschen behaupten, dass die Dinge einmal besser waren, dann heißt das, sie waren besser für sie, weil sie jung waren und ihnen noch niemand ihre Hoffnungen zunichtegemacht hatte. Die Welt sieht unweigerlich finsterer aus, wenn man ins Grab hineinrutscht.«

»Also bleibt alles immer, wie es war?«, fragte der Schreiber und sah bedrückt auf.

»Manchen Menschen geht es besser, anderen schlechter.« Cosca stieß einen schweren Seufzer aus. »Aber im Großen und Ganzen habe ich keine bedeutenden Veränderungen feststellen können. Wie viele unserer Helden haben wir nun ausgezahlt?«

»Alle von Squires Kompanie aus Andiches Regiment. Also, aus dem Regiment, das früher von Andiche geführt wurde.«

Cosca bedeckte die Augen mit der Hand. »Bitte, sprich nicht mehr von diesem tapferen Herzen. Sein Verlust ist immer noch ein schwerer Schlag für mich. Wie viele haben wir ausgezahlt?«

Der Schreiber benetzte sich den Finger, blätterte ein paar knisternde Blätter in seinem dicken Hauptbuch um und begann, die Eintragungen zu zählen. »Eins, zwei, drei …«

»Vierhundertvier«, sagte Freundlich.

»Und wie viele zählen die Tausend Klingen?«

Der Schreiber verzog das Gesicht. »Alle Helfer, Diener und Händler mit eingeschlossen?«

»Ganz genau.«

»Auch die Huren?«

»Die zählen wir als Erstes, denn sie arbeiten vermutlich von allen in der ganzen verdammten Brigade am härtesten!«

Der Schreiber schielte zum Himmel empor. »Äh …«

»Zwölftausendachthundertneunzehn«, sagte Freundlich.

Cosca starrte ihn an. »Ich habe schon öfter gehört, ein guter Feldwebel sei drei Generäle wert, aber du bist vielleicht sogar drei Dutzend wert, mein Freund! Aber dreizehntausend? Da sitzen wir morgen ja noch hier!«

»Das ist durchaus wahrscheinlich«, brummte der Schreiber, der die Seite umblätterte. »Crapstanes Kompanie aus Andiches Regiment ist als Nächste dran. Also … aus dem Regiment … das früher von Andiche geführt wurde.«

»Mäh.« Cosca schraubte die Kappe des kleinen Flachmanns ab, den ihm Morveer in Sipani zugeworfen hatte, setzte ihn an die Lippen, schüttelte ihn und stellte fest, dass das Fläschchen leer war. Er sah den kleinen, eingebeulten Metallbehälter missmutig an und erinnerte sich mit Unbehagen an die verächtliche Bemerkung des Giftmischers, niemand würde sich je wirklich ändern. Mit so viel Unbehagen, dass sein Verlangen nach einem Schnaps plötzlich noch größer wurde. »Eine kurze Pause, während ich kurz nachfüllen gehe. Crapstanes Kompanie soll sich schon mal aufstellen.« Er stand auf, verzog das Gesicht, während er seine schmerzenden Knie knirschend bewegte, und dann lächelte er plötzlich. Ein großer Mann kam stetigen Schrittes durch den Matsch, den Rauch, die Zelte und das Durcheinander ihres Lagers auf ihn zu.

»Na, wenn das nicht Meister Espe ist, aus dem kalten und blutigen Norden!« Der Nordmann hatte es offenbar aufgegeben, sich etwas feiner zu kleiden; er trug eine nietenbewehrte Lederweste und ein grob gesponnenes Hemd, dessen Ärmel er bis zu den Ellenbogen aufgerollt hatte. Sein Haar, sauber geschnitten wie das eines musselianischen Stutzers, als er Cosca das erste Mal unter die Augen gekommen war, war wieder zu einer verfilzten, langen Matte gewachsen, sein kantiges Kinn von Stoppeln bedeckt, die schon auf halbem Weg zu einem richtigen Bart waren. Aber auch das konnte die Narben nicht verbergen, die seine linke Gesichtshälfte verunstalteten. Dazu war mehr nötig als ein wenig Haar. »Mein alter Gefährte vieler Abenteuer!« Oder Morde, wie es in diesem Fall wohl eher zutraf. »Du hast wahrlich blitzende Augen.« Das stimmte, denn auf dem hellen Metall in der leeren Augenhöhle des Nordmanns spiegelte sich die Mittagssonne beinahe schmerzhaft grell. »Du siehst gut aus, mein Freund!« Wobei er eigentlich eher wie ein verstümmelter Wilder wirkte.

»Ein glückliches Gesicht zeigt ein glückliches Herz.« Der Nordmann lächelte schief, wobei sich das verbrannte Fleisch nur ein winziges Stück bewegte.

»In der Tat. Wer zum Frühstück lächelt, der scheißt zu Mittag Glückseligkeit. Warst du in der Schlacht?«

»Das war ich.«

»Dachte ich mir. Du schienst mir nie ein Mann zu sein, der Angst davor hat, die Ärmel hochzukrempeln. Blutig, was?«

»Das war es.«

»Manche Männer erstarken allerdings durch Blutvergießen, oder? Ich vermute, dass du einige gekannt hast, bei denen das so war.«

»Das habe ich.«

»Und wo ist deine Dienstherrin, meine berüchtigte Schülerin, Nachfolgerin und Vorgängerin, Generalin Murcatto?«

»Hinter dir«, ertönte eine scharfe Stimme.

Er wirbelte herum. »Bei Gottes Zähnen, Frau, du kannst dich immer noch an einen Mann anschleichen, ohne dass er dich sieht!« Er tat so, als habe sie ihn sehr erschreckt, denn so konnte er die Gefühle verbergen, die stets in ihm aufwallten, wenn sie erschien, und die drohten, sich in der Rauheit und Rührung in seiner Stimme zu verraten. Sie hatte einen langen Kratzer auf einer Wange und ein paar Prellungen im Gesicht, sah sonst aber gut aus. Sehr gut. »Meine Freude, dich lebend zu sehen, kennt natürlich keine Grenzen.« Er zog den Hut, dessen Feder entschuldigend herabhing, und kniete sich vor ihr in den Dreck. »Bitte sag, dass du mir meine kleine Schauspielerei von neulich verziehen hast. Du siehst ja jetzt, was ich von dir schon die ganze Zeit dachte. Ich bin dir noch genauso zugetan wie immer.«

Sie schnaubte. »Zugetan, ja?« Mehr, als sie jemals erfahren, und mehr, als er ihr je verraten würde. »Also war die kleine Schauspielerei nur zu meinem Besten? Wenn ich da vor Dankbarkeit mal nicht in Ohnmacht falle.«

»Es zählte stets zu deinen liebenswürdigsten Eigenschaften, allzeit zu einer kleinen Ohnmacht bereit zu sein.« Er erhob sich unter leichten Mühen wieder. »Eine Folge deines empfindsamen weiblichen Herzens, nehme ich an. Komm mit, es gibt etwas, das ich dir zeigen möchte.« Er führte sie durch die Bäume zu einem Bauernhaus, dessen geweißte Wände in der Mittagssonne leuchteten, während Freundlich und Espe ihnen wie schlechte Erinnerungen folgten. »Ich muss jedoch zugeben, dass ich nicht nur daran dachte, dir einen Gefallen zu tun, und dass es sehr verlockend war, endlich Orso in den Arsch zu treten, sondern dass der Gedanke an persönlichen Wertzuwachs durchaus auch eine Rolle gespielt hat.«

»Manche Dinge ändern sich nie.«

»Nichts ändert sich jemals, und wieso sollte es auch. Mir wurde eine beträchtliche Summe gurkhisischen Goldes versprochen. Nun, das weißt du ja, schließlich warst du die Erste, die es mir anbot. Oh, und Rogont war außerdem so freundlich, mir in dem jetzt recht wahrscheinlichen Fall, dass er zum König von Styrien gekrönt wird, das Großherzogtum von Visserine in Aussicht zu stellen.«

Er beobachtete zufrieden, dass sie überrascht die Luft einzog. »Du? Der verdammte Großherzog von Visserine?«

»Nun, ich würde ungern die Verdammnis mit in meinen Titel aufnehmen, aber ansonsten hast du es erfasst. Großherzog Nicomo hört sich doch gut an, oder nicht? Salier ist schließlich tot.«

»So viel weiß ich auch.«

»Er hatte keine Erben, nicht einmal entfernte Verwandte. Die Stadt wurde geplündert, vom Feuer verwüstet, die Regierung brach zusammen, ein Großteil der Bevölkerung floh, wurde getötet oder anderweitig bedrängt. Visserine braucht einen starken, selbstlosen Anführer, unter dem die Stadt wieder zu ihrer früheren Größe erstarken kann.«

»Und stattdessen bekommt sie dich.«

Er gönnte sich ein kleines Lachen. »Aber wer wäre denn besser geeignet? Stamme ich denn nicht aus Visserine?«

»Das tun viele Leute. Und die reißen sich auch nicht gleich das ganze Herzogtum unter den Nagel.«

»Nun, es gibt ja auch nur eins, und das ist meins.«

»Wieso willst du das überhaupt? Verantwortung? Verpflichtungen? Ich dachte, das alles wäre nichts für dich.«

»Das habe ich auch immer gedacht, aber mein Wanderleben hat mich nur in die Gosse geführt. Ich habe in meinem Leben nicht viel geschaffen, Monzcarro.«

»Ach was.«

»Ich habe meine Talente sinnlos vergeudet. Selbstmitleid und Selbsthass haben mich auf dem unguten Weg der Selbstvernachlässigung, Selbstverstümmelung und schließlich fast bis zur Selbstzerstörung geführt. Das verbindende Element all dieser Wörter?«

»Du selbst?«

»Ganz genau. Eitelkeit, Monza. Selbstbezogenheit. Das Kennzeichen der Kindheit. Zu meinem eigenen Segen und dem meiner Mitmenschen muss ich lernen, erwachsen zu werden. Meine Fähigkeiten nach außen zu wenden. Es ist, wie du mir immer zu sagen versucht hast – es kommt eine Zeit, da ein Mann an etwas festhalten muss. Und wie könnte ich das besser tun, als mich mit ganzem Herzen dem Dienst an meiner Geburtsstadt zu verschreiben?«

»Was das wohl wird, wenn du dich mit ganzem Herzen etwas verschreibst. Die arme Stadt Visserine kann einem leidtun.«

»Den Bürgern wird es besser ergehen als unter diesem kunstraubenden Vielfraß.«

»Jetzt kriegen sie einen alles raubenden Säufer.«

»Du beurteilst mich falsch, Monzcarro. Ein Mann kann sich ändern.«

»Ich dachte, du sagtest gerade, dass sich nichts jemals ändert?«

»Hab’s mir anders überlegt. Und wieso auch nicht? An einem einzigen Tag habe ich mir ein Vermögen gesichert – und eines der reichsten Herzogtümer Styriens.«

Sie schüttelte den Kopf in einer Mischung aus Abscheu und Staunen. »Und dabei hast du weiter nichts getan, als hier zu hocken.«

»Das ist der wahre Trick. Sich seinen Lohn verdienen, das kann doch jeder.« Cosca legte den Kopf in den Nacken und lächelte zu den schwarzen Ästen und dem blauen Himmel dahinter hinauf. »Weißt du, ich glaube nicht, dass jemals in der Geschichte ein Mann so viel damit gewonnen hat, dass er absolut gar nichts tat. Aber ich bin kaum der Einzige, der die Ernte des gestrigen Tages einbringt. Großherzog Rogont ist vermutlich auch sehr zufrieden mit den Entwicklungen. Und du bist einen großen Schritt näher an deiner großen Rache, oder nicht?« Er beugte sich zu ihr hinüber. »Und wo wir gerade davon sprechen, ich habe ein Geschenk für dich.«

Sie sah ihn misstrauisch wie immer an. »Was für ein Geschenk?«

»Ich möchte doch die Überraschung nicht verderben. Feldwebel Freundlich, würdest du unsere frühere Dienstherrin und ihren nordischen Gefährten ins Haus bringen und ihr zeigen, was wir gestern gefunden haben? Natürlich kann sie damit tun und lassen, was sie möchte.« Er wandte sich mit einem selbstzufriedenen Lächeln ab. »Wir sind jetzt doch alle Freunde.«

 

»Hier drin.« Freundlich stieß die knarrende Tür auf. Monza warf Espe einen Blick zu, den er achselzuckend erwiderte. Sie duckte sich unter dem Türrahmen hindurch und betrat einen düsteren Raum, kühl nach der Sonne draußen, mit einer gemauerten Gewölbedecke und Lichtflecken auf dem Steinboden. Nachdem sich ihre Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, sah sie in der äußersten Ecke eine kauernde Gestalt. Sie kam ihr schlurfend entgegen, die Kette zwischen den Fußgelenken klapperte leise, und ein Zackenmuster aus Schatten und Licht fiel durch die schmierigen Fensterscheiben auf eine Hälfte des Gesichts.

Prinz Foscar, Herzog Orsos jüngerer Sohn. Monza fühlte, wie ihr ganzer Körper sich versteifte.

Offenbar war er tatsächlich erwachsen geworden, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, wie er aus dem Saal seines Vaters lief und kreischte, dass er nichts mit dem Mord an ihr zu tun haben wollte. Der Flaum auf der Oberlippe war verschwunden, dafür blühte ein Veilchen um ein Auge, und der entschuldigende Blick war einem ängstlichen gewichen. Er starrte erst Espe und dann Freundlich an, als sie hinter ihr den Raum betraten. Keine Gestalten, die in einem Gefangenen große Hoffnungen weckten, insgesamt gesehen. Dann stellte er sich Monzas Blick, endlich, zögernd, mit dem gequälten Gesichtsausdruck eines Mannes, der weiß, was ihm bevorsteht.

»Dann stimmt es also«, flüsterte er. »Sie leben.«

»Im Gegensatz zu deinem Bruder. Ich stach ihm einen Dolch in die Kehle und warf ihn dann aus einem Fenster.« Der vorspringende Knubbel an Foscars Hals glitt auf und ab, als er schluckte. »Ich ließ Mauthis vergiften. Ganmark wurde von einer Tonne Bronze durchbohrt. Der Getreue endete erstochen, aufgeschlitzt und ertränkt an einem Mühlrad. Wahrscheinlich dreht er sich immer noch darauf. Gobba hatte Glück. Dem zerschmetterte ich nur die Hände und die Knie und dann den Schädel mit einem Hammer.« Die Aufzählung verursachte ihr eher grimmige Übelkeit denn Befriedigung, aber sie zwang sich dennoch dazu. »Von den sieben Männern, die im Zimmer waren, als Benna ermordet wurde, ist nur noch dein Vater übrig.« Sie zog den Calvez aus der Scheide, und das sanfte Kratzen der Klinge klang so hässlich wie Kindergeschrei. »Dein Vater … und du.«

Der Raum war eng, stickig. Freundlichs Gesicht war so ausdruckslos wie das einer Leiche. Espe lehnte sich neben ihr an die Wand, die Arme verschränkt, grinsend.

»Ich verstehe.« Foscar kam näher. Mit kleinen, unwilligen Schritten, aber dennoch näher. Er blieb kaum eine Armeslänge von ihr entfernt stehen und fiel auf die Knie. Etwas ungelenk, da seine Hände hinter seinem Rücken gefesselt waren. Die ganze Zeit über hielt er die Augen auf ihre gerichtet. »Es tut mir leid.«

»Dir tut es verdammt noch mal leid?«, presste sie durch die zusammengebissenen Zähne hervor.

»Ich wusste nicht, was geschehen würde! Ich habe Benna geliebt!« Seine Lippe zitterte, und eine Träne rann über seine Wange. Angst oder Schuld oder beides. »Ihr Bruder war für mich wie … wie ein Bruder. Ich hätte nie gewollt, dass … einem von Ihnen das angetan wird. Es tut mir leid … die Rolle, die ich dabei gespielt habe …« Er hatte keine Rolle dabei gespielt, das wusste sie. »Ich will nur … ich will leben!«

»Das wollte Benna auch.«

»Bitte.« Noch mehr Tränen flossen und hinterließen schimmernde Spuren auf seinen Wangen. »Ich will nur leben.«

Ihr drehte sich der Magen um, Säure brannte in ihrer Kehle und stieg bis in ihren Mund, der voller Speichel war. Tu es. Sie hatte diesen ganzen Weg zurückgelegt, so viel erlitten und so vielen anderen Leid zugefügt, nur damit sie es tun konnte. Ihr Bruder hätte keine Skrupel gehabt, auch nicht damals. Beinahe hörte sie seine Stimme.

Tu, was du tun musst. Gewissen ist nur eine Ausrede. Erbarmen und Feigheit sind dasselbe.

Es war Zeit, es zu tun. Er musste sterben.

Tu es jetzt.

Aber ihr steifer Arm schien Tausende von Tonnen zu wiegen. Sie starrte in Foscars aschgraues Gesicht. Seine großen, geweiteten, hilflosen Augen. Etwas an ihm erinnerte sie an Benna. Vor Caprile, vor Föhrengrund, bevor sie Cosca verrieten, sogar noch, bevor sie zu den Tausend Klingen stießen. Als sie einfach nur den Boden bestellen wollte. Vor langer Zeit. Der Junge, lachend im Weizen.

Die Spitze des Calvez zitterte, senkte sich, stieß auf den Boden.

Foscar stieß einen langen, bebenden Atemzug aus, schloss die Augen, und als er sie wieder öffnete, schimmerten die Winkel feucht. »Danke. Ich wusste immer, dass Sie ein Herz haben … trotz allem, was die anderen sagten.« Er streckte die Hand aus und berührte sanft ihr Bein. »Dank…«

Espes große Faust prallte in sein Gesicht und schleuderte ihn auf den Rücken, und Blut strömte aus seiner gebrochenen Nase. Erschreckt stammelte er etwas, aber dann war der Nordmann wieder über ihm und legte ihm die Hände um den Hals.

»Du willst also verdammt noch mal leben, was?«, zischte Espe, der die Zähne verächtlich grinsend bleckte, während die Sehnen seiner Unterarme hervortraten, als er immer stärker zudrückte. Foscar strampelte hilflos, wehrte sich ohne einen Laut, verdrehte die Schultern, und sein Gesicht wurde erst rosa, dann rot, dann purpurn. Espe zog Foscars Kopf mit beiden Händen zu sich, so nahe, dass er ihn hätte küssen können, dann ließ er ihn mit einem lauten Krachen gegen die Steinfliesen krachen. Foscars Stiefel zuckten, die Kette an den Knöcheln rasselte. Espe schob seinen Kopf erst zur einen, dann zur anderen Seite, versuchte Foscars Hals besser zu packen, und die Sehnen zeichneten sich auf den abgeschürften Handrücken ab. Er zog ihn ohne Eile wieder empor und ließ ihn mit dumpfem Aufprall noch einmal hinabfahren. Foscars Zunge hing aus dem Mund, die Augenlider zuckten, schwarzes Blut rann vom Haaransatz hinab.

Espe knurrte etwas auf Nordisch, Worte, die sie nicht verstand, hob Foscars Kopf und schleuderte ihn mit der Präzision eines Steinmetzen, der jede Einzelheit richtig hinbekommen wollte, noch einmal zu Boden. Wieder und wieder. Monza guckte zu, den Mund halb offen, den Degen noch unsicher in der Hand, und tat nichts. Wusste nicht, was sie tun konnte oder tun sollte. Ob sie ihm in den Arm fallen oder ihm helfen sollte. Blut spritzte in Tropfen und Placken über die verputzten Wände und die Steinfliesen. Über das Knirschen und Knacken brechender Knochen hörte sie eine Stimme. Bennas Stimme, dachte sie für einen Augenblick, die ihr immer noch ins Ohr flüsterte, es zu tun. Doch dann erkannte sie, dass es Freundlich war, der ruhig die Schläge zählte, mit denen Foscars Schädel auf den Steinen zerschmettert worden war. Er kam bis elf.

Espe hob den zermanschten Kopf des Prinzen noch einmal hoch, stand breitbeinig über Foscars Leiche. »He.« Er betrachtete seine Hände, sah sich nach etwas um, woran er sie hätte abwischen können, rieb sie schließlich aneinander und verschmierte schwarze Blutstreifen bis zu den Ellenbogen zu trockenem Braun. »Noch einer mehr, den’s erwischt hat.« Er sah sie von der Seite mit seinem einen Auge an, und sein Mundwinkel war zu einem ekelhaften Lächeln verzogen. »Sechs von sieben, was, Monza?«

»Sechs und eins«, brummte Freundlich vor sich hin.

»Es fügt sich alles so, wie du dir erhofft hattest.«

Sie blickte starr zu Foscar hinab, dessen eingeschlagener Kopf zur Seite gedreht war, so dass seine schielenden Augen gegen die Wand glotzten, während Blut aus seinem gebrochenen Schädel zu einer schwarzen Pfütze auf den Steinen zusammenlief. Ihre Stimme schien von weither zu kommen und war dürr und brüchig. »Wieso hast du …«

»Warum nicht?«, flüsterte Espe, der näher zu ihr trat. Sie sah ihr blasses, schorfiges, verkniffenes Spiegelbild verzerrt und gebogen in dem toten Metallauge. »Deswegen sind wir doch hierhergekommen, oder nicht? Dafür haben wir den ganzen Tag da unten im Schlamm gekämpft. Ich dachte, du wärst jemand, der niemals umkehrt? Erbarmen und Feigheit sind dasselbe, und was du mir noch so an harten Sprüchen geliefert hast. Bei den Toten, Häuptling.« Er grinste, die dicke Narbe auf seinem Gesicht zuckte und pochte, und die gesunde Wange war mit roten Tropfen bespritzt. »Ich könnte beinahe schwören, dass du nicht halb so hart und böse bist, wie du immer tust.«