WEDER REICH NOCH ARM

Schenkt summte vor sich hin, als er mit Schritten, die nicht das geringste Geräusch verursachten, durch den schäbigen Flur ging. Die genaue Melodie bekam er jedoch bei aller Mühe nicht zu fassen. Das Bruchstück eines Liedes, das seine Schwester einst gesungen hatte, als er noch klein gewesen war, ging ihm im Kopf herum. Vor sich sah er noch das Sonnenlicht auf ihrem Haar, wie sie da saß, das Fenster in ihrem Rücken, das Gesicht im Schatten. Das war nun schon so lange her. Verblasst wie billige Farbe in der Sonne. Er selbst hatte nie eine gute Singstimme gehabt. Aber er summte zumindest und stellte sich vor, seine Schwester fiele mit ein, und das gab ihm ein beruhigendes Gefühl.

Er steckte das Messer weg und auch den geschnitzten Vogel, der schon beinahe fertig war, obwohl ihm der Schnabel noch ein paar Probleme bereitete und er nun nichts überstürzen wollte, um auf keinen Fall etwas abzubrechen. Geduld. Diese Tugend war für einen Holzschnitzer ebenso unerlässlich wie für einen Meuchelmörder. Vor der Tür blieb er stehen. Weiches, blasses Kiefernholz, voller Astlöcher und schlecht zusammengefügt; Licht fiel durch einen Spalt. Manchmal wünschte er sich, seine Arbeit würde ihn an bessere Orte führen. Ruhig hob er einen Fuß und sprengte das Schloss mit einem einzigen Tritt auf.

Acht Paar Hände griffen zu den Waffen, als die Tür aus den Angeln krachte. Acht harte Gesichter wandten sich ihm ruckartig zu, sieben Männer und eine Frau. Schenkt erkannte die meisten von ihnen. Sie hatten zu dem knienden Halbkreis in Orsos Thronsaal gehört. Assassinen, die man auf Arios Mörder angesetzt hatte. Gewissermaßen also Jagdgefährten. Wenn man die Fliegen auf einem Kadaver als die Jagdgefährten des Löwen bezeichnen kann, der die Beute gerissen hat. Er hatte nicht erwartet, dass ihm solches Volk zuvorkommen würde, aber er hatte es sich schon seit langem abgewöhnt, sich über die Wendungen zu wundern, die das Schicksal nahm. Es zuckte hin und her wie eine Schlange im Todeskampf.

»Komme ich zu einer ungünstigen Zeit?«, fragte er.

»Das ist er.«

»Der, der nicht knien wollte.«

»Schenkt.« Das kam von dem Mann, der sich ihm in Orsos Thronsaal in den Weg gestellt hatte. Schenkt hoffte, dass der Kerl seinen Rat beherzigt hatte, aber er hielt das für unwahrscheinlich. Ein paar der Kopfgeldjäger entspannten sich, als sie sein Gesicht erkannten, schoben die halb gezogenen Klingen wieder zurück und dachten offenbar, er sei einer von ihnen.

»Nun gut.« Ein Mann mit pockennarbigem Gesicht und langem schwarzem Haar schien der Anführer zu sein. Er beugte sich zu der Frau hinüber und drückte ihren Bogen mit einem Finger zu Boden. »Ich heiße Malt. Du kommst gerade richtig, um uns dabei zu helfen, sie zu stellen.«

»Sie?«

»Die Leute, für deren Tod uns Seine Exzellenz, Herzog Orso, bezahlt, oder was hast du gedacht? Sie sind da drüben in dem Rauchhaus.«

»Sie alle?«

»Die Wichtigen jedenfalls.«

»Woher wisst ihr, dass ihr den richtigen Mann erwischt habt?«

»Die richtige Frau. Pello weiß es, nicht wahr, Pello?«

Pello zeichnete sich durch einen zerrauften Schnurrbart und verschwitzte Verzweiflung aus. »Es ist Murcatto. Die Frau, die Orsos Heer bei Föhrengrund anführte. Sie war in Visserine, das ist noch keinen Monat her. Hatte sie gefangen genommen. Hab sie selbst befragt. Dabei hat der Nordmann ein Auge verloren.« Der Nordmann namens Espe, von dem dieser Sajaam erzählt hatte. »In Saliers Palast. Ein paar Tage später hat sie Ganmark dort umgebracht, Orsos General.«

»Die Schlange von Talins höchstpersönlich«, sagte Malt stolz, »und sie lebt noch. Was sagt man dazu?«

»Ich bin völlig verblüfft.« Schenkt ging langsam zum Fenster und sah auf die Straße. Ein schäbiger Ort für eine berühmte Generalin, aber so war das Leben. »Sie hat Männer bei sich?«

»Nur diesen Nordmann. Nichts, womit wir nicht fertig würden. Nim die Glückliche und zwei ihrer Jungs warten in dem kleinen Gässchen hinterm Haus. Wenn die große Uhr das nächste Mal schlägt, gehen wir vorn rein. Sie können nicht entkommen.«

Schenkt sah langsam in jedes der misstrauischen Gesichter um ihn herum. »Ihr seid alle entschlossen, das zu tun? Ihr alle?«

»Na klar sind wir das, verdammt noch eins. Hier wirst du keine Hasenherzen antreffen, mein Freund.« Malt sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an. »Willst du mit uns kommen?«

»Mit euch?« Schenkt holte tief Luft und seufzte. »Große Stürme spülen seltsame Gefährten an den Strand.«

»Das nehme ich als ein Ja.«

»Wir brauchen dieses Arschloch nicht.« Der, dem Schenkt geraten hatte zu beten, zog mit großer Geste ein gebogenes Messer. Offenbar ein wenig geduldiger Mann. »Ich würde sagen, wir schneiden ihm die Kehle durch, dann müssen wir mit einem weniger teilen.«

Malt drückte ihm sanft das Messer herunter. »Komm schon, es gibt keinen Grund, gierig zu werden. Ich habe schon öfter Aufträge erledigt, bei denen jeder auf das Geld scharf war, aber nicht auf die Arbeit, so dass man ständig hinter sich blicken musste. Ist schlecht für die eigene Gesundheit, und auch schlecht fürs Geschäft. Wir gehen zivilisiert an diese Sache heran oder gar nicht. Was meint ihr?«

»Ich wäre auch für die zivilisierte Art«, nickte Schenkt. »Wir sollten wie ehrliche Männer morden.«

»Ganz genau. Bei dem, was Orso zahlt, ist für jeden genug übrig. Jeder bekommt den gleichen Anteil, dann werden wir alle reich.«

»Reich?« Schenkt lächelte bedauernd, als er den Kopf schüttelte. »Die Toten sind weder reich noch arm.« Ein leicht überraschter Ausdruck malte sich auf Malts Gesicht ab, als Schenkts ausgestreckter Finger es sauber in zwei Teile spaltete.

 

Espe saß auf dem schmierigen Bett, den Rücken an die dreckige Wand gelehnt, und Monza hatte sich über ihm ausgestreckt. Ihr Kopf lag in seinem Schoß, ihr Atem zischte flach ein und aus. Die Pfeife hing noch immer in ihrer verbundenen linken Hand, und braune Rauchkringel stiegen aus der Asche. Er runzelte die Stirn, als er dem dünnen Rauchfaden durch die Lichtbalken folgte, wie er sich krümmte, ausbreitete und den Raum mit süßem Nebel füllte.

Spreu war gut gegen den Schmerz. Zu gut, nach Espes Ansicht. So gut, dass man immer mehr brauchte. So gut, dass es nach einer Weile schon reichte, wenn man sich den Zeh stieß, um sich eine Pfeife anzustecken. Es nahm einem die Härte, diese Qualmerei, und machte einen weich. Vielleicht hatte Monza mehr Härte, als sie wollte, aber er traute der Sache nicht. Der Rauch kitzelte seine Nase und erregte in ihm gleichzeitig Übelkeit und Verlangen. Sein Auge juckte unter dem Verband. Es wäre ganz leicht. Was schadete es schon …?

Ganz plötzlich wallte Panik in ihm auf, und er arbeitete sich unter ihr hervor, als sei er lebendig begraben. Monza stieß ein gereiztes Gurgeln aus und fiel dann wieder aufs Bett zurück, die Augenlider zuckten, und das Haar klebte an ihrem klammen Gesicht. Espe riss den Riegel des Fensters beiseite und zog die wackligen Läden auf, bis er einen schönen Ausblick auf die heruntergekommene Gasse hinter dem Haus hatte und er einen Schwall kalter, nach Pisse riechender Luft ins Gesicht bekam. Zumindest war das ein ehrlicher Geruch.

An einer Hintertür lungerten zwei Männer herum, und eine Frau hob eine Hand. Von einem hohen Uhrenturm eine Straße weiter erklang eine Glocke. Die Frau nickte, und dann zogen die Männer einen schimmernden Degen und einen schweren Streitkolben hervor. Sie öffnete die Tür, und sie huschten herein.

»Scheiße«, zischte Espe, der kaum glauben wollte, was er gerade gesehen hatte. Drei Mann, und nach der Art zu urteilen, wie sie draußen gewartet hatten, kamen höchstwahrscheinlich einige weitere durch die Vordertür. Zum Abhauen war es zu spät. Aber Espe hatte ohnehin keine Lust mehr zum Abhauen. Er hatte schließlich noch seinen Stolz, oder nicht? Dass er aus dem Norden hierher ins verdammte Styrien abgehauen war, hatte ihn ja überhaupt erst in diese beschissene einäugige Lage gebracht.

Er streckte die Hand nach Monza aus, hielt aber inne. In dem Zustand, in dem sie sich befand, war sie zu nichts nütze. Also ließ er sie in Ruhe, zog das schwere Messer hervor, das sie ihm am ersten Tag, als sie sich kennenlernten, gegeben hatte. Der Griff lag sicher in seiner Hand, und er drückte ihn fest. Die anderen mochten besser bewaffnet sein, aber große Waffen und kleine Räume passen schlecht zueinander. Die Überraschung war zudem auf seiner Seite, und das war die beste Waffe, die ein Mann haben konnte. Er drängte sich in den Schatten hinter der Tür, fühlte sein Herz klopfen und seinen Atem in der Kehle brennen. Keine Angst, kein Zweifel, nur wütende Bereitschaft.

Er hörte ihre leisen Schritte auf der Treppe und musste sich das Lachen verbeißen. Ein leichtes Kichern entschlüpfte ihm dennoch, und er wusste nicht warum, weil es eigentlich gar nichts zu lachen gab. Ein Knarren, ein unterdrückter Fluch. Nicht die schlausten Meuchelmörder im ganzen Weltenrund.

Er biss sich auf die Lippe und versuchte das amüsierte Beben seiner Rippen durch ruhiges Atmen zu ersetzen. Monza rührte sich und streckte sich lächelnd auf der speckigen Decke aus.

»Benna …«, murmelte sie. Die Tür flog auf, und der Degenfechter platzte hinein. Monza riss verwirrt die Augen auf. »Wassum …«

Der zweite Mann stürmte ungeschickt hinterdrein und riss seinen Kumpel beinahe um, hob den Streitkolben über den Kopf und schabte mit dessen Spitze etwas Putz von der niedrigen Decke. Es war beinahe wie ein Angebot, und es wäre unhöflich gewesen, es abzulehnen, also riss ihm Espe die Waffe aus der Hand, während er den anderen Kerl in den Rücken stach.

Die Klinge glitt hinein und wieder hinaus. Schnelle, ruhige Stiche bis zum Heft. Espe knurrte durch die zusammengebissenen Zähne und kicherte dabei immer noch halb, weil so viel Lachen von vorhin in ihm steckte, während sein Arm ausholte und wieder zustieß. Der Niedergestochene ließ jedes Mal einen kleinen, entsetzten Laut entweichen, als sei er nicht sicher, was gerade geschah, drehte sich dann weg und wand Espe damit das Messer, das noch in seinem Körper steckte, aus der Hand.

Der andere fuhr mit aufgerissenen Augen herum, stand aber zu nahe, um weit auszuholen. »Wa…«

Espe rammte ihm das untere Ende des Streitkolbens auf die Nase und fühlte, wie sie brach, dann krachte der Mann in den kalten Kamin. Bei dem, auf den er eingestochen hatte, gaben die Knie nach, er blieb erst mit der Degenspitze an der Wand über Monza hängen und fiel dann auf sie. Um den musste man sich keine Sorgen mehr machen. Espe tat einen kleinen Schritt, ging in die Knie, damit der Streitkolben nicht gegen die Decke prallte, und brüllte, als er den schweren Eisenknüppel schwang. Er traf seinen früheren Besitzer mit einem satten Geräusch auf der Stirn, schlug ihm den Schädel ein und ließ Blut gegen die Decke spritzen.

Hinter sich hörte er einen Schrei und fuhr herum. Die Frau sprang durch die Tür, eine kurze Klinge in jeder Hand. Doch sie stürzte über Monzas zuckendes Bein, während die gerade versuchte, sich unter dem sterbenden Fechter hervorzuarbeiten. Ein glücklicher Zufall, denn der Schrei der Frau wandelte sich von Wut zu Entsetzen, als sie in Espes Arme fiel und versuchte, eines ihrer Messer zum Einsatz zu bringen. Er packte ihr Handgelenk, als er stürzte und sie mit sich riss, fiel auf den Leichnam des Streitkolbenschwingers, und sein Kopf krachte dabei gegen die Kamineinfassung. Ein heller Blitz in seinem Kopf blendete ihn kurz.

Mit aller Macht hielt er dennoch die Hand der Frau weiter fest, während sie mit den Nägeln an seinem Verband riss. Sie knurrten einander stumpfsinnig an, ihr Haar hing herunter und kitzelte ihn, und sie hatte die Zunge zwischen die Zähne geklemmt, während sie versuchte, ihm mit all ihrem Gewicht die Klinge in den Hals zu stoßen, ihr Atem roch nach Zitronen. Er wand sich unter ihr hervor und versetzte ihr einen Schlag unters Kinn, dass ihr der Kopf nach hinten flog und ihre Zähne tief in ihre Zunge fuhren.

Im gleichen Augenblick fuhr der Degen ungelenk in ihren Arm, die Spitze schrammte knapp an Espes Schulter vorbei und ließ ihn hastig zurückweichen. Monzas weißes Gesicht tauchte hinter der Frau auf, mit ungerichtetem, verschwommenem Blick. Mit einem weiteren wilden Schlag krachte die Breitseite der Klinge auf den Kopf der Frau, die zur Seite kippte. Monza taumelte gegen die Wand, fiel über das Bett und erstach sich beinahe selbst, als ihr der Degen wieder aus der Hand glitt. Espe entwand das Messer dem schlaffen Griff seiner Gegnerin und stieß es ihr bis ans Heft unterhalb des Kinns in den Hals. Blut spritzte über Monzas Hemd und gegen die Wand.

Er befreite sich mit ein paar Tritten aus dem Gewirr der toten Körper, packte den Streitkolben, zog sein Messer aus dem Rücken des toten Fechters und schob es sich wieder in den Gürtel, und dann hastete er zur Tür. Auf dem Flur war niemand zu sehen. Er packte Monza am Handgelenk und riss sie hoch. Sie starrte auf ihre Kleider, die vom Blut der Frau durchtränkt waren.

»Wa … wa …«

Rasch hob er ihren schlaffen Arm über seine Schulter, zog sie durch die Tür und schleppte sie die Treppe hinunter, wobei ihre Stiefel gegen die Stufen schlugen. Hinaus durch die offene Hintertür und ins Sonnenlicht. Sie machte einen unsicheren Schritt und spie wässrige Kotze gegen die Mauer. Stöhnte und würgte erneut. Er schob sich den Stiel des Streitkolbens in den Ärmel, so dass der blutverschmierte Kopf in seiner Hand lag, um ihn, falls es nötig war, sofort herausgleiten zu lassen. Er merkte, dass er dabei immer noch kicherte. Er wusste nicht, warum. Gab doch immer noch nichts zu lachen. Im Gegenteil, soweit er feststellen konnte. Aber irgendwie lachte er immer noch.

Monza machte ein paar trunkene Schritte und krümmte sich zusammen. »Ich muss mit dem Rauchen aufhören«, murmelte sie und würgte Galle hervor.

»Klar. Sobald mir mein Auge nachwächst.« Er packte sie am Ellenbogen und zog sie hinter sich her zum Ende des Gässchens, wo sich Leute auf der sonnenhellen Straße tummelten. An der Ecke hielt er inne, sah schnell in beide Richtungen, legte sich dann wieder ihren Arm um die Schulter und verschwand.

 

Wenn man von den drei Leichen absah, war der Raum leer. Schenkt schlich zum Fenster, wobei er es vorsichtig vermied, in die Blutlachen auf dem Boden zu treten, und sah hinaus. Von Murcatto und dem einäugigen Nordmann war keine Spur. Aber es war besser, dass sie entflohen waren, als dass sie jemand vor ihm fand. Das hätte er nicht zugelassen. Wenn Schenkt einen Auftrag übernahm, dann führte er ihn garantiert aus.

Er hockte sich hin, ließ die Unterarme auf den Knien ruhen und die Hände baumeln. Mit Malt und seinen sieben Freunden hatte er kaum ein größeres Blutbad angerichtet als Murcatto und ihr Nordmann mit diesen drei Leuten. Die Wände, die Decke, das Bett waren alle rot bespritzt und verschmiert. Ein Mann lag am Kamin, sein Schädel war völlig eingedellt. Der andere hatte sich bäuchlings ausgestreckt, der Rücken seines Hemds war mit Stichen übersät und blutgetränkt. Die Frau hatte eine klaffende Wunde am Hals.

Nim die Glückliche, vermutete er. Offenbar hatte sie das Glück verlassen.

Etwas schimmerte in der Ecke an der Wand. Er bückte sich und hob es auf, hielt es ans Licht. Ein goldener Ring mit einem großen, blutroten Rubin. Ein viel zu schönes Schmuckstück, als dass jemand von diesen Schnapphähnen ihn hätte tragen können. Also vielleicht sogar Murcattos Ring? Noch warm von ihrem Finger? Er schob ihn auf seinen eigenen, dann packte er Nim am Knöchel und zog ihren Leichnam aufs Bett, und er summte wieder, als er ihn entkleidete.

Ihr rechtes Bein zeigte am Oberschenkel einen schuppigen Ausschlag, also nahm er das linke, trennte es mitsamt der Hinterbacke mit drei geübten Bewegungen seiner Metzgersichel ab. Mit einer scharfen Drehung seiner Handgelenke löste er den Knochen aus dem Hüftgelenk, schlug den Fuß mit zwei Schlägen der gebogenen Klinge ab, schlang den Gürtel um das sauber herausgelöste Bein, um Ober- und Unterschenkel aneinanderzubinden, und schob es in seinen Beutel.

Ein Schinkenbraten also, dick geschnitten und in Fett ausgebacken. Für solche Gelegenheiten hatte er stets eine besondere Gewürzmischung aus Suljuk bei sich, genau richtig gemahlen, und das Öl, das man in der Gegend um Puranti presste, hatte einen wunderbar nussigen Geschmack. Dann Salz und zerstoßener Pfeffer. Das Geheimnis guten Fleisches lag in der Würze. Im Inneren rosa, aber nicht blutig. Schenkt hatte es nie verstanden, dass es Leute gab, die ihr Fleisch blutig mochten; die Vorstellung fand er ekelhaft. Daneben brutzelnde Zwiebeln. Vielleicht den Unterschenkel würfeln und daraus eine schöne Suppe kochen, mit Wurzeln und Pilzen, und eine Brühe aus den Knochen, mit einem Spritzer dieses alten Muris-Essigs, um ihm …

»Zing.«

Er nickte versunken, wischte die Sichel sorgfältig sauber, hängte sich den Beutel über die Schulter, wandte sich dann zur Tür … und hielt noch einmal inne.

Zuvor war er an einer Bäckerei vorübergekommen, und ihm war das herrliche, krosse, frisch gebackene Brot aufgefallen, das dort im Fenster lag. Der Geruch von frischem Brot. Dieser wundervolle Geruch von Ehrlichkeit und dem einfachen, guten Leben. Er wäre sehr gern ein Bäcker geworden, wäre er nicht das geworden … was er nun einmal war. Wenn man ihn nie zu seinem alten Meister gebracht hätte. Wenn er niemals dem Pfad gefolgt wäre, der ihm vorbestimmt gewesen war, und wenn er nie dagegen aufbegehrt hätte. Wie gut das Brot nun wäre, dachte er, aufgeschnitten und dick mit einer groben Leberpastete beschmiert. Vielleicht mit Quittengelee oder etwas Ähnlichem dazu, und einem guten Glas Wein. Er zog wieder sein Messer und stieß es Nim der Glücklichen in den Rücken, um sich ihre Leber zu holen.

Sie selbst brauchte sie schließlich nicht mehr.