ÜBLE GESELLEN

Das Lagerhaus war eine zugige Höhle. Das kalte Licht fand die Risse in den Fensterläden und zog helle Linien über die staubigen Dielen, über die in der Ecke aufgestapelten leeren Kisten, über den alten Tisch, der in der Raumesmitte stand. Espe ließ sich auf einen wackligen Stuhl fallen, der daneben stand, und spürte dabei den Griff des Messers, das Monza ihm gegeben hatte, an seinem Wadenbein. Eine deutliche Erinnerung daran, wofür sie ihn angeheuert hatte. Das Leben wurde hier allmählich dunkler und gefährlicher als zu Hause im Norden. Was die Verwandlung in einen besseren Menschen anging, so machte er jeden Tag größere Rückschritte.

Weshalb also war er immer noch hier? Weil er Monza begehrte? Er musste zugeben, der Umstand, dass sie ihm seit Westport nur noch die kalte Schulter zeigte, hatte bisher nur dazu geführt, dass er sie noch mehr wollte. Weil er sich von dem Geld hatte verlocken lassen, das sie ihm geboten hatte? Das auch. Geld war eine verdammt schöne Sache, um sich Dinge zu kaufen. Weil er die Arbeit brauchte? Er brauchte sie ja auch. Weil er bei dieser Art von Arbeit so gut war? Er war es eben.

Weil ihm diese Arbeit gefiel?

Espe runzelte die Stirn. Manche Männer waren nicht dafür gemacht, den guten Weg zu gehen, und er fragte sich allmählich, ob er einfach zu diesen gehörte. Jedenfalls war er sich mit jedem Tag weniger sicher, ob es all die Mühe wert war, unbedingt ein besserer Mensch werden zu wollen.

Der Knall einer zufallenden Tür riss ihn aus seinen Gedanken, und Cosca kam die knarrenden Stufen aus dem Obergeschoss hinab, wo die Schlafräume lagen. Er kratzte sich gemächlich an dem roten Ausschlag an seinem Hals.

»Morgen.«

Der alte Söldner gähnte. »Ja, ist es wohl. Ich kann mich kaum an den letzten Morgen erinnern, den ich in dieser Frühe erlebt hätte. Schönes Hemd.«

Espe zupfte an seinem Ärmel. Dunkle Seide, mit polierten Hornknöpfen und hübscher Stickerei an den Aufschlägen. Wesentlich auffälliger, als er selbst ausgesucht hätte, aber Monza hatte es schön gefunden. »Ist mir gar nicht aufgefallen.«

»Ich hatte früher viel übrig für gute Kleidung.« Cosca ließ sich auf einen ebenfalls recht wackligen Stuhl neben Espe fallen. »Monzas Bruder übrigens auch. Er hatte ein ganz ähnliches Hemd, wenn ich mich recht erinnere.«

Espe war sich nicht ganz sicher, worauf der alte Drecksack hinauswollte, aber er wusste, dass es ihm nicht gefiel. »Na und?«

»Hat sie viel von ihrem Bruder erzählt, ja?« Cosca lächelte auf eine seltsame Weise, als wüsste er etwas, von dem Espe nichts ahnte.

»Sie hat mir gesagt, er sei tot.«

»Das habe ich auch gehört.«

»Und sie hat mir gesagt, dass sie darüber gar nicht glücklich ist.«

»Ganz bestimmt nicht.«

»Gibt’s da noch etwas, das ich wissen sollte?«

»Ich denke, wir könnten alle ein bisschen schlauer sein, als wir es sind. Aber das überlasse ich ihr.«

»Wo ist sie?«, fragte Espe kurz angebunden, dem allmählich der Geduldsfaden riss.

»Monza?«

»Wer denn sonst?«

»Sie will nicht mehr Leuten als unbedingt nötig ihr Gesicht zeigen. Aber das ist kein Problem. Ich habe im ganzen Weltenrund Kämpfer rekrutiert. Und auch ziemlich viele Musiker und Gaukler. Geht es dir gegen den Strich, wenn ich jetzt die Dinge in die Hand nehme?«

Und wie das Espe gegen den Strich ging. Es war unübersehbar, dass Cosca in der letzten Zeit nur eine einzige Sache in die Hand genommen hatte – eine Flasche. Nachdem der Blutige Neuner seinen Bruder getötet, ihm den Kopf abgeschnitten und auf eine Standarte aufgepflanzt hatte, hatte Espes Vater mit dem Trinken angefangen. Er hatte getrunken, Wutanfälle und schließlich das Zittern bekommen. Er hatte keine guten Entscheidungen mehr getroffen, die Achtung seiner Leute verloren und schließlich auch alles andere, was er aufgebaut hatte. Als er gestorben war, hatte er Espe nichts weiter als bittere Erinnerungen hinterlassen.

»Ich traue keinem Mann, der säuft«, knurrte er und gab sich nicht die Mühe, seine Meinung in nettere Worte zu kleiden. »Wenn ein Mann mit dem Saufen anfängt, dann wird er schwach, und schließlich verliert er den Verstand.«

Cosca schüttelte traurig den Kopf. »Du hast das Pferd vom Schwanz aufgezäumt. Ein Mann verliert den Verstand, wird schwach und fängt dann an zu saufen. Die Flasche ist ein Zeichen, nicht die Ursache. Aber obwohl es mich tief in meinem Herzen rührt, wie sehr du dich um mich sorgst – du musst dir wegen mir keine Gedanken machen. Ich fühle mich heute schon viel stabiler.« Er spreizte die Hände auf der Tischplatte, und es stimmte, dass sie nicht mehr ganz so schlimm zitterten wie zuvor. Es war nur noch ein leises Beben, kein wildes Zucken mehr. »Ihr werdet euch wundern, wie schnell ich wieder in Form sein werde.«

»Ich kann es kaum erwarten.« Vitari schlenderte aus der Küche, die Arme vor der Brust verschränkt.

»Ich doch auch nicht, Schylo!« Cosca klopfte Espe auf den Arm. »Aber genug von mir! Welche Verbrecher, Straßenräuber, Schläger und anderes Gesindel habt ihr in den dreckigen Gässchen des alten Sipani aufgetan? Welche kämpfenden Künstler zieht ihr für uns in Erwägung? Musiker, die morden? Tödliche Tänzer? Sänger mit Säbeln? Gaukler, die …«

»Leute umbringen?«, schlug Espe vor.

Cosca grinste noch breiter. »Prägnant und präzise wie immer.«

»Prägnant?«

»Blöd«, übersetzte Vitari, die den letzten Stuhl heranzog und einen Bogen Papier auf dem vernarbten Tisch entfaltete. »Zunächst einmal habe ich eine Gruppe Musiker gefunden, die für ein paar Bruch unten am Hafen auftrat. Ich vermute allerdings, sie verdienen wesentlich mehr Geld, indem sie Passanten überfallen, als dass sie ihnen was vorspielen.«

»Zupackende, wilde Gesellen, was? Genau die brauchen wir.« Cosca reckte den schrundigen Hals wie ein Hahn, der krähen will. »Rein mit euch!«

Die Tür öffnete sich knarrend, und fünf Männer traten ein. Selbst dort, wo Espe herkam, hätte man sie als ziemlich raue Burschen betrachtet. Fettige Haare. Pockennarbige Gesichter. Zerlumpte Kleidung. Ihre Augen huschten hin und her, zusammengekniffen und voller Misstrauen, und die dreckigen Hände hielten verschiedene, fleckige Instrumente umklammert. Sie schlurften bis zum Tisch, einer kratzte sich im Schritt, und ein anderer bohrte sich mit einem Trommelstock in der Nase.

»Und wer seid ihr?«, fragte Cosca.

»Wir sind eine Musikgruppe«, erwiderte der, der am nächsten stand.

»Und hat eure Gruppe auch einen Namen?«

Sie sahen einander an. »Nö. Wieso sollte sie?«

»Dann bitte eure eigenen Namen, wenn ihr so freundlich wärt, und eure besonderen Fähigkeiten als Musiker wie auch als Kämpfer.«

»Ich heiße Solter. Ich spiele Schlagzeug und Streitkolben.« Er warf den speckigen Mantel zurück und enthüllte darunter stumpf schimmerndes Eisen. »Allerdings bin ich mit dem Streitkolben besser, muss ich ehrlicherweise sagen.«

»Ich bin Morc«, fuhr der Mann neben ihm fort. »Flöte und Entermesser.«

»Olopin. Horn und Hammer.«

»Auch Olopin.« Ein Daumen deutete zur Seite. »Der Bruder von dem da. Geige und Klingen.« Damit ließ er ein paar lange Messer aus seinen Ärmeln gleiten und um die Finger kreisen.

Der Letzte hatte die am eindrucksvollsten gebrochene Nase, die Espe je gesehen hatte, und er hatte schon einige heftig verformte zu Gesicht bekommen. »Gurpi. Laute und Laute.«

»Du kämpfst mit der Laute?«, hakte Cosca nach.

»Ich hau einfach mit ihr drauf.« Der Mann machte eine weit ausholende Bewegung und zeigte dann zwei Reihen kackfarbener Zähne. »Im Korpus steckt eine Streitaxt.«

»Aua. Dann spielt mal auf, wenn es euch beliebt, Gesellen, und zwar am besten etwas Fröhliches!«

Espe kannte sich mit Musik nicht besonders gut aus, aber selbst er merkte, dass es kein besonders schönes Spiel war. Die Trommel schlug nicht im Takt. Die Flöte trötete unmelodiös vor sich hin. Die Laute klang flach, was vermutlich an den Eisenwaren im Inneren lag. Aber Cosca nickte rhythmisch mit dem Kopf, die Augen geschlossen, als hätte er nie etwas Schöneres gehört.

»Bei meinen Jahren, was seid ihr doch für vielseitig talentierte Burschen!«, rief er nach einigen Takten, und der misstönende Lärm brach mittendrin ab. »Ihr seid engagiert, ihr alle, und zwar für eine Nacht und für vierzig Waag pro Mann.«

»Vierzig … Waag … pro Mann?«, wiederholte der Trommler mit staunend aufgerissenem Mund.

»Zahlbar nach Erledigung. Aber es kommt harte Arbeit auf euch zu. Ihr werdet zweifelsohne kämpfen müssen, möglicherweise sogar spielen. Es könnte durchaus ein tödlicher Auftritt werden, jedenfalls für eure Feinde. Seid ihr zu einem solchen Engagement bereit?«

»Für vierzig Waag pro Mann?« Jetzt grinsten sie alle. »Jawohl, mein Herr, das sind wir! Für eine solche Summe sind wir völlig furchtlos!«

»Wunderbar. Wir wissen, wo wir euch finden.«

Vitari lehnte sich über den Tisch, als die Musiker den Raum verließen. »Ein paar hässliche Drecksäcke.«

»Einer der vielen Vorzüge eines Fests, bei dem Masken getragen werden«, raunte Cosca. »Wir stecken sie in ein paar bunte Klamotten, und niemand wird etwas merken.«

Espe hielt nicht viel davon, sein Leben in die Hände solcher Gestalten zu legen. »Aber es wird doch auffallen, wie sie spielen?«

Cosca schnaubte. »Man geht nicht wegen der Musik zu Cardotti.«

»Hätten wir uns nicht ansehen sollen, wie sie kämpfen?«

»Wenn sie so kämpfen, wie sie spielen, dann sollten wir keinen Ärger haben.«

»Sie spielen ungefähr so gut wie Dünnschiss.«

»Sie spielen wie Wahnsinnige. Mit ein bisschen Glück kämpfen sie auch so.«

»Das ist doch keine Art der …«

»Ich hätte gar nicht gedacht, dass du so empfindlich bist.« Cosca sah Espe von oben herab an. »Du musst ein wenig über das Leben lernen, mein Freund. Alle Siege, die es zu feiern lohnt, werden mit Dreistigkeit errungen!«

»Mit wem?«

»Mit Dreistigkeit, mit Unvorsichtigkeit«, sagte Vitari.

»Mit Schwung«, verbesserte Cosca. »Und indem man die Gelegenheit am Schopf packt.«

»Und was hältst du von der ganzen Sache?«, fragte Espe Vitari. »Von Dreistigkeit und so?«

»Wenn alles nach Plan verläuft, dann werden wir Ario und Foscar von den anderen trennen und …« Sie schnippte hart mit den Fingern. »Da spielt es keine große Rolle, wer die Laute spielt. Die Zeit läuft uns davon. Noch vier Tage, bis sich alles, was in Styrien Rang und Namen hat, hier in Sipani für die große Versammlung einfindet. Unter idealen Bedingungen würde ich bessere Männer suchen. Aber die haben wir nun mal nicht.«

Cosca stieß einen kehligen Seufzer aus. »Nein, die haben wir wirklich nicht. Aber wir wollen nicht die Köpfe hängen lassen – gerade eben haben wir uns schließlich in kürzester Zeit schon die ersten fünf Männer gesichert. Wenn ich jetzt vielleicht ein Glas Wein bekommen könnte, wären wir doch schon gut aufgestellt, um …«

»Kein Wein«, knurrte Vitari.

»Es ist schon ein schlechtes Zeichen, wenn ein Mann sich nicht einmal die Kehle befeuchten darf.« Der alte Söldner lehnte sich so weit zu ihm hinüber, dass Espe die geplatzten Äderchen auf seinen Wangen genau betrachten konnte. »Das Leben ist ein Sorgenmeer, mein Freund. Und herein!«

Der Mann, der nun eintrat, passte kaum durch die Tür, so groß war er. Einige Fingerbreit größer als Espe, vor allem aber viel schwerer. Dicke Bartstoppeln zierten sein kantiges Kinn, und seine Locken waren eisengrau, obwohl er noch nicht alt zu sein schien. Er spielte nervös mit den gewaltigen Händen, als er zum Tisch hinüberging, und hielt sich ein wenig geduckt, als schäme er sich seiner Größe. Jedes Mal, wenn er einen seiner klobigen Stiefel aufsetzte, beklagten sich die Dielen mit einem lauten Knarren.

Cosca stieß einen leisen Pfiff aus. »Du liebe Güte, das ist aber ein großer Kerl.«

»Den habe ich in einer Taverne unten beim Ersten Kanal entdeckt«, erklärte Vitari. »Er war stockbesoffen, aber alle anderen hatten zu viel Angst vor ihm, um ihn rauszuwerfen. Er spricht allerdings kaum ein Wort Styrisch.«

Cosca beugte sich wieder zu Espe. »Vielleicht könntest du diese Sache übernehmen? Auf die große Familie der Nordmännern pochen und so?«

Espe konnte sich nicht daran erinnern, dass sie sich da oben in der Kälte je wie eine große Familie gefühlt hätten, aber man konnte es ja mal versuchen. Die Worte klangen seltsam in seinen Ohren, nachdem er seine Sprache schon so lange nicht mehr gesprochen hatte. »Wie heißt du, mein Freund?«

Der große Mann schien überrascht zu sein, dass er auf Nordisch angesprochen wurde. »Graulock.« Er deutete auf seine Haare. »Die hatten immer schon diese Farbe.«

»Was hat dich hierher verschlagen?«

»War auf der Suche nach Arbeit.«

»Was für Arbeit?«

»Ganz egal. Was ich kriegen kann.«

»Selbst wenn es blutige Arbeit ist?«

»Was anderes kommt wahrscheinlich nicht in Frage. Bist du ein Nordmann?«

»Joh.«

»Du siehst aus wie ’n Südländer.«

Espe runzelte die Stirn und zog die eleganten Manschetten des Hemds ein wenig zurück, dann schob er die Hände unter den Tisch. »Nun, ich bin aber keiner. Ich heiße Caul Espe.«

Graulock blinzelte. »Espe?«

»Joh.« Ein warmes Gefühl der Freude wallte in ihm auf, weil der Mann seinen Namen kannte. Schließlich hatte er seinen Stolz noch immer nicht verloren. »Du hast schon von mir gehört?«

»Du warst in Uffrith mit dem Hundsmann?«

»Das stimmt.«

»Und auch mit dem Schwarzen Dow, was? Das soll eine ziemlich saubere Arbeit gewesen sein, nach dem, was ich gehört habe.«

»Das war’s auch. Haben die Stadt eingenommen, ohne dass es mehr als ein paar Tote gab.«

»Nicht mehr als ein paar Tote.« Der große Mann nickte langsam, und die Augen blieben fest auf Espes Gesicht gerichtet. »Das muss ja ziemlich glattgegangen sein.«

»Ging es auch. Er war ein guter Häuptling, der Hundsmann, der immer sehr drauf achtete, dass die Leute am Leben blieben. Der Beste, dessen Befehlen ich je gefolgt bin, würde ich sagen.«

»In Ordnung. Da der Hundsmann selbst ja nun nicht hier ist, wäre es mir eine Ehre, Schulter an Schulter mit einem Mann wie dir zu kämpfen.«

»Bestens. Mir geht’s genauso. Ich freue mich, dich dabeizuhaben. Er macht mit«, sagte Espe dann auf Styrisch.

»Bist du sicher?«, fragte Cosca. »Er hat so eine gewisse … Bitterkeit in den Augen, die mir ein wenig Sorgen macht.«

»Du musst ein wenig über das Leben lernen«, brummte Espe. »Der bringt garantiert jede Menge Dreistigkeit mit.«

Vitari prustete los, und Cosca griff sich an die Brust. »Ah! Von meiner eigenen Klinge durchbohrt! Nun, ich denke, du kannst deinen kleinen Freund haben. Was könnten wir nun also mit zwei Nordmännern anfangen?« Er hob den Zeigefinger. »Wir könnten eine Kampfszene nachspielen! Eine Aufführung dieses berühmten Nordmann-Duells – du weißt schon, das mit diesem Fenris, dem Gefürchteten, und dem anderen … wie heiß er noch … diesem …«

Espe lief ein kalter Schauer über den Rücken, als er den Namen nannte. »Dem Blutigen Neuner.«

»Du hast davon gehört?«

»Ich war dabei. Hautnah. Ich hielt einen der Schilde, die den Kreis umschlossen.«

»Hervorragend! Dann solltest du ja in der Lage sein, ein Quäntchen historischer Akkuratesse in die Veranstaltung einzubringen.«

»Quäntchen?«

»Ein kleines bisschen«, brummte Vitari.

»Wieso sagst du das denn nicht einfach, verdammt noch mal?«

Aber Cosca war zu sehr damit beschäftigt, sich über seine eigene Idee zu freuen. »Ein Hauch von Gewalt! Arios Edelleute werden Feuer und Flamme sein! Und was gäbe es für einen besseren Vorwand, um ganz offen Waffen mitzubringen?« Espe war eindeutig weniger begeistert. Nun sollte er ausgerechnet den Mann darstellen, der seinen Bruder getötet und den er beinahe selbst umgebracht hatte, und sollte einen Kampf vorspielen. Das einzig Gute daran war, dass er keine Laute schlagen musste.

»Was sagt er?«, knurrte Graulock auf Nordisch.

»Wir zwei sollen so tun, als würden wir einen Zweikampf ausfechten.«

»So tun?«

»Ich weiß, aber hierzulande wird alles Mögliche nur vorgespielt. Wir machen einen Schaukampf. Schauspielerei, weißt du – reine Unterhaltung.«

»Der Schildkreis ist nicht zum Lachen.« Und der große Mann sah auch nicht so aus, als ob ihm danach wäre.

»Hier unten schon. Erst tun wir so, und später dann werden wir vielleicht noch ein paar echte Gegner finden. Vierzig Waag, wenn du das hinbekommst.«

»Das geht dann in Ordnung. Erst tun wir so. Dann kämpfen wir richtig. Hab ich verstanden.« Graulock warf Espe einen langen Blick zu, dann stapfte er davon.

»Der Nächste!«, bellte Cosca. Ein magerer Mann in orangefarbenen Strumpfhosen und leuchtend roter Jacke sprang ins Zimmer, in der Hand trug er eine große Tasche. »Wie lautet dein Name?«

»Ich bin niemand Geringerer als …«, er verbeugte sich schwungvoll, »der Unglaubliche Ronco!«

Die Brauen des alten Söldners fuhren ebenso schnell in die Höhe, wie Espes Zuversicht sank. »Und deine besonderen Fähigkeiten als Gaukler und als Kämpfer?«

»Sind ein und dasselbe, meine Herren!« Damit nickte er Cosca und Espe zu. »Und meine Dame!« Eine leichte Verbeugung vor Vitari. Langsam drehte er sich um, griff verstohlen in seine Tasche, fuhr wieder herum, eine Hand vor dem Gesicht, die Backen aufgeblasen …

Nach einem kurzen Knistern schoss ein heller Flammenstoß aus Roncos Lippen und fuhr nahe genug an Espe vorbei, dass der die Hitze noch an seiner Wange fühlte. Er wäre von seinem Stuhl in Deckung gesprungen, wenn er genug Zeit gehabt hätte, aber stattdessen blieb er wie angewurzelt sitzen – blinzelte, starrte und glotzte, als sich seine Augen wieder an die Dunkelheit des Lagerhauses gewöhnt hatten. Einige Feuernester zuckten noch auf dem Tisch, direkt vor Coscas zitternden Fingerspitzen. Die Flämmchen flackerten geräuschlos, dann gingen sie aus und hinterließen einen Geruch, der Espe so in der Kehle kratzte, dass er beinahe gekotzt hätte.

Der Unglaubliche Ronco räusperte sich. »Ah. Eine etwas … kraftvollere Vorstellung, als mir eigentlich vorschwebte.«

»Aber verdammt beeindruckend!« Cosca verscheuchte den Rauch vor seinem Gesicht mit einer Handbewegung. »Du bist angeheuert, mein Herr, zum Preis von vierzig Waag für den Abend.«

Der Mann strahlte. »Gern zu Diensten!« Dieses Mal verbeugte er sich noch tiefer. »Meine Herren! Meine Dame! Ich … verabschiede mich!«

»Bist du dir sicher?«, fragte Espe, nachdem Ronco zur Tür marschiert war. »Ist ein bisschen gefährlich, oder? Feuer in einem Holzgebäude?«

Cosca sah wieder auf ihn herab. »Ich dachte, ihr Nordmänner bestündet nur aus Zorn und schlechten Zähnen. Wenn die Sache schiefläuft, wäre ein Feuer in einem Holzgebäude vielleicht genau die richtige Liquidierungsmaßnahme.«

»Die richtige was?«

»Eine Art Erdboden-Gleichmacher«, sagte Vitari.

Das erschien Espe ein schlecht gewähltes Wort. Oben in den Bergen des Nordens nannten sie den Tod den großen Gleichmacher. »Feuer im Innern eines Hauses könnte uns alle gleichmachen, und falls euch das nicht aufgefallen ist, dieser Kerl war nicht besonders treffsicher. Feuer ist gefährlich.«

»Feuer ist hübsch. Er ist dabei.«

»Aber wird er denn nicht –«

»Ah.« Cosca hob die Hand, um Schweigen zu gebieten.

»Wir sollten …«

»Ah.«

»Sagt mir jetzt nicht …«

»Ah, habe ich gesagt! Kenn man das Wörtchen ›ah‹ in eurem Land nicht? Murcatto hat es mir übertragen, die Gaukler auszuwählen, und mit dem allergrößten Respekt: Das bedeutet, dass ich derjenige bin, der entscheidet, wer dabei ist. Wir stimmen hier nicht ab. Du konzentrierst dich darauf, einen Schaukampf auf die Beine zu stellen, um Arios Edelleute zu unterhalten. Ich beschäftige mich mit der Planung. Wie hört sich das an?«

»Wie der kürzeste Weg ins Unglück«, brummte Espe.

»Ah, Unglück!« Cosca grinste. »Ich kann es kaum erwarten. Wen müssen wir uns bis dahin noch ansehen?«

Vitari blickte unter ihren orangefarbenen Brauen auf die Liste. »Barti und Kümmel – Gaukler, Akrobaten, Messerwerfer und Drahtseilgänger.«

Cosca stieß Espe mit dem Ellenbogen in die Seite. »Drahtseilgänger, da hast du’s. Wie könnte das wohl danebengehen?«