ÄRGER MACHEN

Nicomo Cosca schloss die Augen, leckte sich über die Lippen, atmete voller Vorfreude tief durch die Nase ein und hob die Flasche. Ein Schnaps, ein Schnaps, ein Schnaps. Das vertraute Versprechen, mit dem der Glasrand des Flaschenhalses gegen seine Zähne schlug, die kühlende Nässe auf der Zunge, die beruhigende Bewegung seiner Kehle, als er schluckte … wenn es doch bloß nicht nur Wasser gewesen wäre.

Er hatte sich aus den verschwitzten Laken geschält und war in seinem klammen Nachthemd in die Küche geschlichen, um nach Wein zu suchen. Oder nach irgendeiner anderen Pisse, die einen Mann betrunken machte. Irgendetwas, das seine staubige Schlafkammer daran hinderte, wie eine von der Straße abgekommene Kutsche zu ruckeln, das die Ameisen verscheuchte, die er ständig über seine Haut kriechen fühlte, und das den pochenden Kopfschmerz linderte, egal, was es ihn kostete. Scheiß auf die ganze persönliche Läuterung, und Scheiß auf Murcattos Rache.

Er hatte gehofft, dass alle im Bett sein würden, und er bebte vor Enttäuschung, als er Freundlich am Herd entdeckte, der Haferbrei fürs Frühstück kochte. Inzwischen musste er allerdings zugeben, dass er seltsam froh war, den Sträfling hier angetroffen zu haben. Freundlichs Ruhe und Gelassenheit hatten etwas beinahe Magisches an sich. Er hatte das Selbstbewusstsein, schweigsam zu bleiben und sich einfach nicht darum zu kümmern, was andere dachten. Genug, um Cosca selbst einen seltenen Schritt auf die Gelassenheit zugehen zu lassen. Auf Schweigsamkeit jedoch nicht. Stattdessen hatte er geredet, beinahe ununterbrochen, seit das erste Licht durch die Ritzen in den Fensterläden gekrochen war und die Morgendämmerung heraufzog.

»… wieso, zur Hölle, tue ich das, Freundlich? Wieso kämpfe ich, in meinem Alter? Kämpfen! Dieser Teil des Geschäfts hat mir nie Spaß gemacht. Und dann noch auf derselben Seite von widerlichen Selbstbeweihräucherern wie Morveer! Ein Giftmischer? Das ist doch eine abscheuliche Art, einen Menschen umzubringen. Und ich bin mir natürlich völlig bewusst, dass ich gerade die erste Soldatenregel breche.«

Freundlich hob eine Augenbraue um ein kleines Stück, während er langsam den Haferbrei umrührte. Cosca hatte den starken Verdacht, dass der Sträfling genau wusste, wieso er hier heruntergekommen war, aber falls das stimmte, dann hatte er bessere Manieren, als das Thema anzuschneiden. Sträflinge sind in der Regel äußerst höflich. Schlechte Manieren können im Gefängnis schnell tödlich sein. »Die erste?«, fragte er.

»Kämpfe nie für die schwächere Seite. Sosehr ich Herzog Orso mit brennender Leidenschaft verabscheut habe, ist es doch ein möglicherweise tödlicher Unterschied, ob man einen Mann hasst oder ob man wirklich etwas gegen ihn unternehmen will.« Er schlug sanft mit der Faust auf den Tisch und ließ das Modell von Cardottis Haus der Sinnesfreuden leicht erzittern. »Vor allem, wenn es im Auftrag einer Frau geschieht, die mich schon einmal verraten hat …«

Wie eine Brieftaube auf dem Heimflug, die immer wieder zu ihrem geliebten und gehassten Käfig zurückkehrt, arbeitete sich sein Hirn durch neun vergeudete Jahre. Nach Afieri. Wie schon so oft, in Hunderten von stinkenden Räumen, in spottbilligen Gasthäusern, in verkommenen Tavernen überall im ganzen Weltenrund dachte er wieder daran, wie die Pferde den langen Hang hinuntergaloppiert waren, mit der schimmernden Sonne im Rücken. Eine schöne Schau, hatte er gedacht, als die Kavallerie auf ihn zukam, und er hatte durch den leichten Nebel der Trunkenheit gelächelt, als er sah, wie echt es wirkte. Und er erinnerte sich an sein Entsetzen, als die Reiter nicht langsamer wurden. An den furchtbaren Schock, der ihn durchzuckte, als sie in seine eigenen, schlampig aufgestellten Reihen krachten. An die Mischung aus Wut, Hoffnungslosigkeit, Abscheu und betrunkener Verwirrung, die ihm seit diesem Tag wie ein Schatten folgte. Er betrachtete unwillig das verzerrte Spiegelbild seines verlebten Gesichts im blasigen Glas der Wasserflasche.

»Die Erinnerungen an unsere großen Taten schwinden«, flüsterte er, »und verkommen zu halb idiotischen Anekdoten, die schließlich dünn und so wenig überzeugend wirken wie die Lügen anderer Drecksäcke. Das Scheitern, die Enttäuschung, das Bedauern aber bleiben immer so greifbar wie in dem Augenblick, da es entstand. Das Lächeln eines schönen Mädchens, das man nie erwiderte. Eine kleine Schandtat, für die wir einem anderen die Schuld in die Schuhe schoben. Eine namenlose Schulter, die uns in einer Menge anrempelte und die wir tagelang, monatelang nicht vergaßen. Die wir nie vergessen.« Er verzog den Mund. »Das ist das Zeug, aus dem die Vergangenheit besteht. Diese elenden Geschehnisse machen uns zu dem, was wir sind.«

Freundlich blieb still, und das spornte Cosca mehr an als jede Aufforderung.

»Und es gab keinen bittereren Augenblick als jenen, als Monzcarro Murcatto sich gegen mich wandte, oder? Ich sollte an ihr Rache nehmen, anstatt ihr dabei zu helfen, sich selbst zu rächen. Ich sollte sie töten, sie und Andiche, Sesaria, Victus und all die anderen ehemaligen Arschloch-Freunde von den Tausend Klingen. Was zur Hölle tue ich hier also, Freundlich?«

»Du redest.«

Cosca schnaubte. »Wie immer. Ich hatte schon immer ein schlechtes Urteilsvermögen, wenn es um Frauen ging.« Plötzlich lachte er bellend auf. »Um ehrlich zu sein, ich hatte in fast allen Dingen ein grauenvolles Urteilsvermögen! Genau das hat mir ja ein so aufregendes Leben beschert.« Er schlug die Flasche auf den Tisch. »Genug Rinnsteinphilosophie! Es ist nun mal so, ich brauche die Chance, die sie mir bietet, ich muss mich ändern, und vor allem brauche ich unbedingt Geld.« Er stand auf. »Scheiß auf die Vergangenheit, Nicomo Cosca, verdammt noch mal! Ich lache im Angesicht der Angst!« Er unterbrach sich kurz. »Und jetzt gehe ich wieder ins Bett. Meinen verbindlichsten Dank, Meister Freundlich, du bist ein so guter Gesprächspartner, wie ich selten einen getroffen habe.«

Der Sträfling sah kurz von seinem Kessel mit Haferbrei auf. »Ich habe doch kaum was gesagt.«

»Genau.«

 

Morveers Morgenmahlzeit war auf dem kleinen Tisch angerichtet, in einer Schlafkammer, die einst vielleicht einmal ein Lagerraum in jenem verlassenen Gebäude in diesem eher ungesunden Viertel Sipanis gewesen war, einer Stadt, die er von jeher verabscheut hatte. Das Frühstück bestand aus einer schiefen Schüssel mit kaltem Haferbrei, einer zerbeulten Tasse mit dampfendem Tee und einem angeschlagenen Glas mit bitterem, lauwarmem Wasser. Daneben standen sauber aufgereiht siebzehn verschiedene Phiolen, Fläschchen und Krüge, allesamt mit speziellen Pasten, Flüssigkeiten oder Pudern gefüllt, deren Farben von durchsichtig und weiß über stumpfes Gelbbraun bis zum Grünblau des Skorpionöls reichten.

Zögernd nahm sich Morveer einen Löffel Brei. Während er ihn ohne besonderen Appetit mit der Zunge im Mund verteilte, zog er die Stopfen aus den ersten vier Behältern, nahm eine schimmernde Nadel aus ihrer Verpackung, tauchte sie in die erste Tinktur und stach sie dann in seinen Handrücken. Dann wiederholte er die Prozedur mit der zweiten, mit der dritten und vierten, dann warf er die Nadel angeekelt beiseite. Mit verkniffenem Gesicht sah er zu, wie sich ein winziger Blutstropfen über einer Einstichstelle bildete. Er lehnte sich ein wenig zurück, während eine Welle der Übelkeit über ihn hinwegschwappte.

»Verdammtes Larync!« Dennoch, es war besser, jeden Tag eine kleine Dosis zu nehmen und ein wenig Unwohlsein zu erdulden, als wenn eines Tages aufgrund einer großen Dosis, mochte sie ihm durch Zufall oder Boshaftigkeit zugeführt werden, jedes Blutgefäß in seinem Hirn platzte.

Er zwang sich, einen weiteren Löffel der salzigen Pampe zu schlucken, öffnete die Dose, die als Nächstes an der Reihe war, nahm eine winzige Prise Senfwurzel, hielt sich dann ein Nasenloch zu und schnupfte das Pulver durch das andere. Er erschauerte, als sich die Substanz brennend auf die Schleimhäute legte, und fuhr sich mit der Zunge über die Zähne, als sein Mund unangenehm taub wurde. Schnell trank er etwas Tee, merkte aber erst beim Schlucken, wie heiß der noch war, und spuckte ihn beinahe wieder aus.

»Verdammte Senfwurzel!« Dass er selbst ebenjenen Stoff mit bewundernswerter Effizienz gegen einige Zielpersonen angewandt hatte, machte es für ihn nicht angenehmer, das verdammte Zeug selbst zu konsumieren. Im Gegenteil. Er gurgelte mit einem Schluck Wasser und versuchte erfolglos, den bitteren Geschmack auf diese Weise loszuwerden; dabei wusste er nur zu gut, dass er ihn noch stundenlang hinten in der Nase spüren würde.

Er reihte die nächsten sechs Behältnisse auf, zog ihre Korken ab, öffnete die Verschlüsse und drehte ihre Deckel auf. Er hätte die verschiedenen Mittelchen hintereinander schlucken können, aber aufgrund der vielen Frühstücksmahlzeiten dieser Art, die er in den letzten Jahren genossen hatte, wusste er, dass es sich anbot, sie alle auf einmal zu nehmen. Also drückte, schnippte und tropfte er die jeweiligen Mengen in sein Wasserglas, vermischte sie sorgfältig mit dem Löffel, nahm sich zusammen und würgte diese Mixtur mit drei hässlichen Schlucken hinunter.

Morveer setzte das Glas ab, wischte sich die Tränen unter den Augen weg und stieß einen wässrigen Rülpser aus. Kurz spürte er einen neuerlichen Anflug von Übelkeit, aber er ging schnell vorüber. Immerhin machte er das schon seit zwanzig Jahren jeden Morgen so. Wenn er sich immer noch nicht daran gewöhnt hätte …

Mit einem Ruck stürzte er ans Fenster, riss die Läden auf und steckte seinen Kopf gerade rechtzeitig ins Freie, um sein mageres Frühstück in die dreckige Gasse zu spucken, die am Lagerhaus vorüberführte. Er stieß ein bitteres Stöhnen aus, als er zurücksank, schnaubte den brennenden Rotz aus seiner Nase und tastete sich unsicheren Schrittes bis zur Waschschüssel vor. Er schöpfte eine Handvoll Wasser, rieb es sich ins Gesicht und starrte auf sein Spiegelbild, während die Tropfen von seinen Brauen rannen. Das Schlimmste daran war, dass er jetzt noch eine weitere Portion Haferbrei in seinen rebellierenden Magen zwingen musste. Eines der vielen ungewürdigten Opfer, die er bringen musste, um sich immer wieder selbst zu übertreffen.

Die anderen Kinder im Waisenhaus hatten seine besonderen Talente nie zu schätzen gewusst. Ebenso wenig wie sein Meister, der berüchtigte Moumah-yin-Bek. Auch seine Frau hatte ihn nicht genügend wertgeschätzt. Und so, wie es den Anschein hatte, brachte seine jetzige Dienstherrin ebenfalls keinen Respekt für seine Selbstlosigkeit, für sein Ungemach, für die – nein, nein, es war keine Übertreibung – heroischen Anstrengungen auf, die er ihretwillen unternahm. Der liederliche alte Weinschlauch Nicomo Cosca erhielt mehr Anerkennung als er.

»Ich bin vom Schicksal gezeichnet«, murmelte er untröstlich. »Dazu verurteilt, zu geben, zu geben und zu geben und nichts dafür zurückzubekommen.«

Ein Klopfen erklang von der Tür, gefolgt von Days Stimme. »Sind Sie fertig?«

»Gleich.«

»Sie trommeln unten alle zusammen. Wir müssen los zu Cardotti. Den Boden bereiten. Weil Vorbereitung ganz wichtig ist und so.« Es klang, als spräche sie mit vollem Mund. Es wäre allerdings auch ein Wunder gewesen, wenn nicht.

»Ich komme sofort nach!« Er hörte, wie ihre Schritte verklangen. Zumindest gab es einen Menschen, der die angemessene Bewunderung für seine wissenschaftlichen Fertigkeiten zeigte, der ihm die gebührende Achtung entgegenbrachte und seine hohen Erwartungen sogar übertraf. Längst stützte er sich in vieler Hinsicht auf sie, sowohl in Alltagsdingen als auch gefühlsmäßig. Vielleicht mehr, als die Vorsicht geboten erscheinen ließ.

Aber selbst ein Mann von Morveers ungewöhnlichem Talent konnte nicht alles selbst erledigen. Er stieß einen langen Seufzer aus und wandte sich vom Spiegel ab.

 

Die Gaukler oder auch die Mörder, denn sie waren beides, hatten sich im Untergeschoss des Lagerhauses versammelt. Es waren fünfundzwanzig, wenn Freundlich sich selbst mit dazuzählte. Die drei gurkhisischen Tänzerinnen saßen im Schneidersitz da, und zwei von ihnen hatten ihre kunstvoll bemalten Katzenmasken bis über das eingeölte schwarze Haar hochgeschoben. Die dritte trug die Maske vor dem Gesicht; die Augen schimmerten dunkel hinter den geschlitzten Sichtlöchern, während sie sorgfältig einen Krummdolch polierte. Die Musikgruppe war bereits in elegante schwarze Jacken und gelbgrau gestreifte enge Hosen gekleidet, und dazu hatten die Männer Masken in der Form von Noten erhalten. Sie übten eine Tanzmelodie, die ihnen inzwischen halbwegs ordentlich gelang.

Espe stand daneben und trug einen fleckigen Waffenrock aus Leder, der rund um seine Schultern mit stellenweise kahlern Fell besetzt war, einen großen runden Holzschild über dem Arm und ein schweres Schwert in der anderen Hand. Graulock ragte ihm gegenüber auf, eine Eisenmaske bedeckte sein ganzes Gesicht, und er hielt eine große, mit vielen Eisennieten besetzte Keule in Händen. Espe redete schnell auf Nordisch auf ihn ein, zeigte ihm, wie er sein Schwert schwingen würde, wie Graulock darauf am besten reagieren sollte, und ging mit ihm die Schritte der Darbietung durch, die sie zeigen wollten.

Barti und Kümmel, die Akrobaten, trugen eng anliegende, kunterbunt karierte Kleidung und stritten miteinander in der Sprache der Union, während einer der beiden wild ein Kurzschwert schwang. Der Unglaubliche Ronco sah ihnen unter seiner Maske zu, die mit grellem Rot, Orange und Gelb wie zuckende Flammen bemalt war. Hinter ihm wirbelten die drei Gaukler einen Reigen funkelnder Messer durch die Luft, die im Halbdunkel schimmerten und blitzten. Andere lehnten an Kisten, saßen im Schneidersitz auf dem Boden, alberten herum, schärften ihre Klingen oder machten sich an ihren Kostümen zu schaffen.

Freundlich erkannte Cosca kaum wieder, der einen mit viel Silber bestickten Samtmantel trug, sich einen hohen Hut aufgesetzt hatte und einen langen schwarzen Stock mit schwerem Goldknauf in der Hand führte. Der Ausschlag an seinem Hals war mit Puder überdeckt worden. Sein ergrauender Schnurrbart war mit Pomade in eine schwungvoll halbrunde Form gezwirbelt, seine Stiefel glänzend poliert und seine Maske mit Splittern von Spiegelglas besetzt, aber seine Augen strahlten sogar noch heller.

Er schlenderte auf Freundlich zu und lächelte dabei gewinnend wie ein Zirkusdirektor, der gerade die Vorstellung eröffnen will. »Mein Freund, ich hoffe, es geht dir gut. Vielen Dank dafür, dass du mir heute Morgen dein Ohr geliehen hast.«

Freundlich nickte und versuchte nicht zu grinsen. Coscas gute Laune hatte beinahe etwas Magisches an sich. Er hatte das Selbstbewusstsein, unausgesetzt zu reden, zu reden und zu reden und sich dabei gewiss zu sein, dass ihm die Leute zuhörten, mit ihm lachten, ihn verstanden. Beinahe brachte er Freundlich dazu, selbst etwas sagen zu wollen.

Cosca hielt ihm etwas hin. Eine Maske in der Form von zwei Würfeln, die zwei Einser zeigten, wobei die Würfelaugen gleichzeitig die Löcher zum Durchsehen bildeten. »Ich hoffte, du würdest mir den Gefallen tun, heute Abend den Spieltisch zu beaufsichtigen.«

Freundlich nahm mit zitternden Händen die Maske entgegen. »Das würde ich wirklich gern tun.«

 

Die verrückte Truppe machte sich auf durch die gewundenen Straßen, als die Morgennebel sich allmählich lichteten, zog durch graue Gassen, über schmale Brücken, durch dunstverhangene, überwucherte Gärten und durch feuchte Tunnel, und ihre Schritte hallten hohl in der Düsternis. Das verräterische Wasser war niemals weit entfernt, und Espe rümpfte die Nase angesichts des salzigen Gestanks der Kanäle.

Die halbe Stadt war maskiert und kostümiert, und offenbar hatte jeder etwas zu feiern. Wer nicht zum großen Ball zu Ehren der königlichen Besucher Sipanis eingeladen worden war, hatte eigene Feste organisiert, und viele machten sich bereits früh dorthin auf den Weg. Einige hatten sich nicht allzu aufwendig verkleidet – Festtagsmäntel und -kleider, dazu eine schmale Maske für die Augen. Andere wiederum hatten keine Kosten und Mühen gescheut – auffällige Hosen, hohe Schuhe, goldene und silberne Gesichter, die tierhafte Züge oder irres Grinsen zeigten. Espe musste an den Blutigen Neuner denken, wie er damals im Schildkreis gekämpft hatte, an das mit Blut bespritzte Teufelsgrinsen. Seine Nerven beruhigte das alles kein bisschen. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass er Pelz und Leder trug so wie früher im Norden, ein langes Schwert und einen Schild, wie er sie sonst auch tatsächlich geführt hatte. Eine Gruppe, die von oben bis unten in gelbe Federn gehüllt war und deren Masken aus großen Schnäbeln bestanden, drängte sich an ihnen vorüber und kreischte wie ein Möwenschwarm. Auch das beruhigte seine Nerven nicht besonders.

Im Nebel, beim schnellen Blick um die nächsten Ecken und über breite Plätze nur halb zu sehen, hielten sich noch seltsamere Gestalten auf, deren Rufe und Schreie durch die hölzernen Gassen hallten. Ungeheuer und Riesen. Espes Handflächen begannen zu prickeln, als er daran denken musste, wie der Gefürchtete damals bei Dunbrec aus dem Nebel gekommen war und den Tod mit sich gebracht hatte. Das hier waren natürlich nur Idioten auf Stelzen, aber trotzdem. Wenn man jemandem eine Maske aufsetzt, geschieht etwas Seltsames. Mit der Veränderung des Aussehens ändert sich auch das Verhalten. Manchmal erscheinen sie dann nicht mehr wie Menschen, sondern wie irgendetwas anderes.

Espe hätte diese ganze Sache auch dann nicht gefallen, wenn sie nicht gerade einen Mord geplant hätten. Es war, als sei die Stadt am Rand der Hölle errichtet worden, und die Teufel drängten in die Straßen, mischten sich ins Alltagsgeschehen, ohne dass irgendjemand das auch nur im Geringsten ungewöhnlich fand. Er musste sich selbst in Erinnerung rufen, dass seine Truppe von all den seltsamen und gefährlich wirkenden Menschen die seltsamste und gefährlichste war, der sie überhaupt begegnen konnten. Wenn es Teufel in der Stadt gab, dann zählte er zu den Schlimmsten. Das war nicht unbedingt ein beruhigender Gedanke, nachdem er sich einmal in ihm festgesetzt hatte.

»Hier entlang, meine Freunde!« Cosca führte sie über einen Platz, der mit vier feucht schimmernden, blattlosen Bäumen bepflanzt war. Ein großes hölzernes Gebäude erhob sich aus der Düsternis, das von drei Seiten einen Innenhof umschloss. Ebenjenes Gebäude, dessen Modell in den letzten Tagen auf dem Küchentisch des alten Lagerhauses gelegen hatte. Vier gut bewaffnete Wächter standen mit finsteren Mienen an einem vergitterten Tor, und Cosca sprang elegant die Stufen zu ihnen hoch und schlug die Hacken zusammen. »Einen schönen guten Morgen, meine Herren!«

»Bei Cardotti ist heute geschlossen«, knurrte der Wächter, der ihm am nächsten stand. »Heute Abend auch.«

»Nicht für uns.« Cosca deutete mit einer weiten Bewegung seines Stocks auf die zusammengewürfelte Gruppe. »Wir sind die Künstler, die bei der Privatveranstaltung heute Abend für Unterhaltung sorgen sollen, eigens für diesen Zweck von der Gefährtin des Prinzen Ario, Carlot dan Eider, ausgewählt und angeheuert. Nun öffnen Sie uns umgehend, wir haben noch eine Menge vorzubereiten. Hinein, meine Kinder, und trödelt nicht! Die Leute wollen unterhalten werden!«

Der Innenhof war größer, als Espe ihn sich vorgestellt hatte, und angesichts der Tatsache, dass es sich hier um das beste Hurenhaus der Welt handeln sollte, auch eine ziemliche Enttäuschung. Wacklige Tische und Stühle, von denen die Goldfarbe abblätterte, standen auf moosbewachsenen Pflastersteinen. Zwischen den Fenstern des oberen Stockwerks waren Wäscheleinen gespannt, an denen schlaffe Betttücher trockneten. In einer Ecke waren Weinfässer unordentlich aufgestapelt worden. Ein gebeugter alter Mann fegte den Platz mit einem ausgefransten Besen, und eine dicke Frau klatschte ein paar Kleidungsstücke, vielleicht ihre Unterwäsche, mit großer Kraft auf ein Waschbrett. Drei dürre Frauen saßen gelangweilt um einen Tisch. Die eine hielt ein geöffnetes Buch in der Hand. Eine andere betrachtete missmutig ihre Nägel, die sie mit einer Feile bearbeitete. Die dritte lümmelte auf ihrem Stuhl und sah der Ankunft der Künstler zu, während sie den Rauch einer kleinen Tschagga-Pfeife ausblies.

Cosca seufzte. »Es gibt doch nichts Gewöhnlicheres oder weniger Aufreizendes als ein Hurenhaus zur Tageszeit, nicht wahr?«

»Offenbar nicht.«

Espe beobachtete, dass die Gaukler sich einen Platz in einer Ecke suchten und ihre Requisiten auspackten, zu denen auch funkelnde Messer gehörten.

»Ich habe immer gedacht, dass es doch ein recht angenehmes Leben sein muss, so als Hure. Jedenfalls, wenn man einigermaßen erfolgreich ist. Tagsüber hat man frei, und wenn man schließlich an die Arbeit muss, kann man den größten Teil im Liegen erledigen.«

»Es ist nicht sehr ehrenhaft«, wandte Espe ein.

»Scheiße düngt wenigstens die Blumen. Ehre kann man nicht einmal dazu verwenden.«

»Aber was ist, wenn du alt wirst und dich niemand mehr will? Mir kommt es so vor, als ob man die Verzweiflung nur aufschiebt und schließlich auf sehr viel Bereuenswertes zurückblickt.«

Das Lächeln hinter Coscas Maske hatte etwas Trauriges. »Das geht uns allen so, mein Freund. So ist es in jedem Beruf, auch in unserem. Als Soldat, als Mörder, wie man es auch immer nennen will. Niemand will dich, wenn du alt bist.« Er stolzierte an Espe vorbei über den Innenhof, und sein Stock zuckte mit jedem Schritt vor und zurück. »Auf die eine oder die andere Art sind wir alle Huren!« Er zog ein buntes Tuch aus seiner Tasche und ließ es durch die Luft flattern, als er sich im Gehen vor den drei Frauen verbeugte. »Meine Damen. Es ist mir eine große Ehre.«

»Blöder alter Sack«, hörte Espe die eine auf Nordisch murmeln, bevor sie sich wieder ihrer Pfeife widmete. Die Musikgruppe stimmte ihre Instrumente und ließ dabei ein ähnlich misstönendes Jammern erklingen, wie sie es auch bei den Liedern produzierte.

Zwei hohe Torbogen führten vom Innenhof weg – nach links in den Spielsaal, nach rechts in den Rauchsaal und von dort zu den beiden Treppen. Seine Augen glitten an der efeubewachsenen Wand empor, an den wettergegerbten Holzplanken im Fischgrätmuster vorbei bis zu den schmalen Fenstern im ersten Stock. Dort befanden sich die Zimmer, in denen die Gäste unterhalten wurden. Weiter oben, gleich unter der Dachkante, waren größere Fenster aus farbigem Glas zu sehen. Die Königssuite, die den besonders hoch geschätzten Gästen zur Verfügung stand. Nur noch einige Stunden, und Prinz Ario und sein Bruder Foscar würden dort begrüßt werden.

»He.« Etwas berührte seine Schulter, er wandte sich um und stand blinzelnd da.

Eine große Frau stand hinter ihm, einen schimmernden schwarzen Pelz um die Schultern geschlungen, lange schwarze Handschuhe über den schlanken Armen, das schwarze Haar seitlich über den Kopf gekämmt, so dass es weich und locker über ihr weißes Gesicht hing. Ihre Maske war mit Kristallstückchen besetzt, und die Augen, die durch die kleinen Sichtlöcher blitzten, waren direkt auf ihn gerichtet.

»Äh …« Espe musste sich zwingen, nicht auf ihren Busen zu starren, aber seine Augen fühlten sich vom Schatten zwischen ihren Titten so angezogen wie ein Bär von einem Bienenstock. »Kann ich irgendwie … ich meine …«

»Weiß ich nicht, kannst du vielleicht?« Ihre geschminkten Lippen zogen sich in einem Mundwinkel leicht in die Höhe, halb verächtlich, halb lächelnd. Die Stimme klang irgendwie vertraut. Durch den Schlitz in ihrem Rock konnte er zudem den letzten Ausläufer einer langen hellroten Narbe auf ihrem Schenkel erkennen.

»Monza?«, flüsterte er.

»Welche derart gut gekleidete Frau würde wohl sonst etwas zu einem wie dir zu sagen haben?« Sie ließ ihren Blick an ihm auf und ab schweifen. »Da kommen alte Erinnerungen auf. Du siehst beinahe so nach einem Wilden aus wie damals, als ich dich zum ersten Mal traf.«

»So soll es ja auch sein, denke ich. Du siehst aus wie … äh …« Er suchte nach dem richtigen Wort.

»Wie eine Hure?«

»Wie eine verdammt teure vielleicht.«

»Ich würde es auch hassen, wie eine billige auszusehen. Ich gehe jetzt nach oben und warte auf unsere Gäste. Wenn alles gut läuft, sehen wir uns später wieder im Lagerhaus.«

»Joh. Wenn alles gut läuft.« In Espes Leben war es gewöhnlich so, dass die Dinge nicht so gut liefen. Er sah mit gerunzelter Stirn zu den farbigen Fenstern hoch. »Du kommst doch zurecht?«

»Oh, mit Ario kann ich umgehen. Außerdem freue ich mich darauf.«

»Ich weiß, aber ich wollte nur sagen … wenn du mich in der Nähe brauchst …«

»Konzentriere dein Spatzenhirn lieber darauf, das Töten hier unten in Grenzen zu halten. Um mich sorge ich mich schon selbst.«

»Ich sorge mich genug, ich könnte noch was abgeben.«

»Ich dachte, du wärst ein Optimist«, warf sie ihm über die Schulter zu, als sie davonschritt.

»Vielleicht hast du es mir ausgeredet«, murmelte er ihr nach. Es gefiel ihm nicht, wenn sie so mit ihm sprach, aber es war immerhin besser, als wenn sie gar nicht mit ihm redete. Als er sich umwandte, sah er Graulock, der ihn anstarrte, und er deutete mit einem zornigen Zeigefinger auf den großen Mann. »Steh da nicht so rum! Lass uns mal diesen verdammten nachgemachten Schildkreis markieren, bevor wir hier Wurzeln schlagen!«

 

Monza fühlte sich alles andere als sicher, als sie durch den Spielsaal stakste, Cosca an ihrer Seite. Sie war die hohen Schuhe nicht gewöhnt. Ebenso wenig wie die Zugluft an den Beinen. Korsetts waren schon unter normalen Umständen Folterinstrumente, und es machte die Sache nicht besser, dass bei diesem zwei Stangen entfernt und durch dünne, lange Messer ersetzt worden waren, deren Spitzen nun auf ihre Schulterblätter zeigten, während die Griffe kurz über ihrem verlängerten Rücken schlummerten. Ihre Knöchel, ihre Knie und ihre Hüften pochten bereits heftig. Der Gedanke an einen Zug Spreu rührte sich in ihrem Hinterkopf, wie immer, aber sie zwang sich, an etwas anderes zu denken. Sie hatte genug Schmerzen ertragen in den letzten Monaten. Ein wenig mehr war ein geringer Preis, den sie gern dafür zahlte, um näher an Ario heranzukommen. So nahe, dass sie ihm sein abfälliges Grinsen würde aufschlitzen können. Schon allein diese Vorstellung ließ sie wieder ein wenig aufrechter gehen.

Carlot dan Eider wartete kurz vor dem Treppenaufgang auf sie. Sie stand zwischen zwei mit grauen Tüchern abgedeckten Spieltischen und strahlte in ihrem roten Kleid, das jeder Kaiserin aus den alten Legenden alle Ehre gemacht hätte, eine geradezu königliche Überlegenheit aus.

»Nun sieh uns doch mal einer an«, bemerkte Monza sarkastisch, als sie zu Eider trat. »Eine Generalin, die wie eine Hure gekleidet ist, und eine Hure, die sich als Königin verkleidet hat. Heute Abend versucht wohl jeder, etwas anderes zu sein.«

»So ist das in der Politik.« Arios Mätresse warf Cosca einen Blick zu. »Wer ist das?«

»Magisterin Eider, welch große und unerwartete Ehre.« Der alte Söldner verbeugte sich und nahm den Hut ab, wobei er seine schorfige, mit Schweißtropfen besetzte kahle Stelle auf dem Kopf zeigte. »Ich hätte mir niemals träumen lassen, dass wir beide uns je wieder begegnen würden.«

»Sie!« Eider starrte ihn kalten Blickes an. »Ich hätte mir ja denken können, dass Sie in dieser Sache mit drinstecken. Ich dachte, Sie seien in Dagoska umgekommen!«

»Dachte ich auch, aber dann stellte sich heraus, dass ich nur sehr, sehr betrunken war.«

»Nicht so betrunken, dass es Ihnen nicht gelungen wäre, mich zu hintergehen.«

Der alte Söldner zuckte die Achseln. »Es ist immer eine wahre Schande, wenn ehrliche Leute hintergangen werden. Wenn es jedoch den Betrügern passiert, dann hat es doch immer irgendwie einen Hauch von … kosmischer Gerechtigkeit.« Cosca grinste von Eider zu Monza und zurück. »Drei Leute, treu und loyal wie wir, auf ein und derselben Seite? Ich kann kaum erwarten, wie das wohl ausgehen wird.«

Blutig, vermutete Monza. »Wann werden Ario und Foscar hier sein?«

»Wenn Sotorius’ großer Ball sich allmählich dem Ende neigt. Mitternacht, oder kurz vorher.«

»Wir werden warten.«

»Das Gegengift«, zischte Eider. »Ich habe meinen Teil erfüllt.«

»Das bekommen Sie, wenn ich Arios Kopf auf einer Platte vor mir habe. Vorher nicht.«

»Und was, wenn etwas passiert?«

»Dann sterben Sie mit uns zusammen. Hoffen Sie lieber darauf, dass alles glattläuft.«

»Was hält Sie überhaupt davon ab, mich sterben zu lassen?«

»Mein fantastischer Ruf, stets gerecht zu sein und mich guter Manieren zu befleißigen.«

Wie zu erwarten war, lachte Eider nicht. »Ich habe versucht, in Dagoska das Richtige zu tun.« Sie stieß Monza den Zeigefinger gegen die Brust. »Ich habe versucht, das Richtige zu tun! Ich habe versucht, Menschen zu retten! Und sehen Sie, was es mir eingebracht hat!«

»Vielleicht ist Ihnen das eine Lehre, dass es mit dem Richtigen immer so eine Sache ist.« Monza zuckte die Achseln. »Das Problem hatte ich noch nicht.«

»Sie machen vielleicht Witze! Wissen Sie, wie das ist, wenn man jeden Augenblick in Angst lebt?«

Monza machte einen schnellen Schritt auf sie zu, und Eider wich zurück, bis sie die Wand berührte. »In Angst leben?«, fauchte Monza, und ihre Masken trafen beinahe aufeinander. »Willkommen in meinem verdammten Leben! Und jetzt hören Sie auf zu jammern und lächeln schön für Ario und die anderen Arschlöcher beim Ball heute Abend!« Sie senkte ihre Stimme zu einem Flüstern. »Und dann bringen Sie ihn zu uns. Ihn und seinen Bruder. Tun Sie, was ich Ihnen sage, und dann gibt es für Sie vielleicht doch noch ein glückliches Ende.«

Sie wusste, dass sie beide das für nicht sehr wahrscheinlich hielten. Die Festlichkeiten des heutigen Abends würden für die meisten wenig glücklich enden.

 

Day drehte den Bohrer noch einmal. Die Spitze biss knirschend ins Holz, dann zog sie ihn vorsichtig wieder heraus. Ein kleiner Lichtfleck drang in die Dunkelheit des Spitzbodens und warf einen hellen, kreisrunden Fleck auf ihre Wange. Sie grinste Morveer an, und ihn überkam plötzlich die bittersüße Erinnerung an das Lächeln seiner Mutter im Kerzenschein. »Wir sind durch.«

Es war nicht der rechte Augenblick für Nostalgie. Er schluckte die aufwallenden Gefühle hinunter und kroch zu ihr hinüber, wobei er sich alle Mühe gab, seine Füße lediglich auf die Balken zu setzen. Wenn plötzlich ein schwarz gekleidetes Bein durch die Decke brach und wild um sich trat, würde das Orsos Söhne und ihre Gäste sicherlich etwas bedenklich stimmen. Durch das kleine Loch, das im aufwendigen Stuck kaum zu sehen sein würde, sah Morveer in den reich verzierten und vertäfelten Flur unter ihnen, der mit gurkhisischen Teppichen ausgeschlagen war und von dem zwei Türen abgingen. Eine Krone war in das Holz über der nächstliegenden geschnitzt.

»Perfekt positioniert, meine Liebe. Die Königssuite.« Von hier aus hatten sie einen unverstellten Blick auf die Wächter, die beide Eingänge bewachten. Er fasste in seine Jacke und runzelte die Stirn. Schnell klopfte er seine Taschen ab, und Panik griff nach ihm.

»Verdammt! Ich habe mein Reserveblasrohr vergessen! Was, wenn …«

»Ich habe noch zwei zusätzliche mitgebracht, nur für den Fall.«

Morveer drückte eine Hand gegen seine Brust. »Den Schicksalsgöttinnen sei Dank. Nein! Verdammt sollen sie sein! Der Dank gilt deiner umsichtigen Planung. Wo wäre ich nur ohne dich?«

Day lächelte ihr unschuldiges kleines Lächeln. »Dort, wo Sie jetzt auch sind, nur mit weniger angenehmer Gesellschaft. Vorsicht steht immer an erster Stelle.«

»Das ist so wahr.« Er senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Und hier kommen sie auch schon.« Murcatto und Vitari erschienen, beide maskiert, gepudert und dem Anlass entsprechend bekleidet oder vielmehr unbekleidet, genau wie die zahlreichen anderen weiblichen Angestellten dieses Etablissements. Vitari öffnete die Tür neben der Krone und verschwand in dem dahinterliegenden Raum. Murcatto sah kurz zur Decke empor, nickte, dann folgte sie ihr. »Sie sind drin. Soweit verläuft alles nach Plan.« Aber es blieb immer noch genug Raum für Katastrophen. »Der Innenhof?«

Day rutschte auf dem Bauch zum Rand des Dachbodens, wo das Dach über den Balken lag, und sah durch die Löcher, die sie so gebohrt hatten, dass der Blick auf den Hof in der Gebäudemitte frei war. »Sieht aus, als würden sie sich darauf vorbereiten, unsere Gäste willkommen zu heißen. Was jetzt?«

Morveer kroch zum winzigen, verdreckten Fenster und wischte mit einer Hand die Spinnweben weg. Die Sonne ging hinter den spitzen Dächern unter und tauchte die Stadt der Geflüster in ihren düsteren Schein. »Der Maskenball in Sotorius’ Palast sollte demnächst beginnen.« Auf der anderen Seite des Kanals, hinter Cardottis Haus der Sinnesfreuden, wurden Fackeln angezündet, und Lampenlicht sickerte aus den Fenstern der weiter zurückliegenden Herrenhäuser in den blauen Abend. Morveer schüttelte die Spinnenweben mit leichtem Abscheu von seinen Fingern. »Jetzt sitzen wir auf diesem verdreckten Dachboden und warten, bis Seine Hoheit Prinz Ario erscheint.«