27

 

Als Alejandro an die Tür von Isabellas Räumen klopfte, flog sie sofort auf, und da stand die Prinzessin selbst in ihrem prachtvollen Gewand, kochend vor Zorn.

Ihr Kinn fiel herunter, als sie ihn sah. »Ihr!« zischte sie. »Ich dachte, das wäre die Wäscherin, das faule Ding! Aber Euer plötzliches Erscheinen überrascht mich nicht; es trifft sich gut, daß Ihr hier seid, denn das ist allein Eure Schuld, und Ihr habt es zu verantworten!« Sie zeigte auf ihre Füße, die, wie Alejandro sah, vom Mageninhalt irgendeiner armen Seele befleckt waren.

So wird das also für mich sein. Noch immer zitternd vor Zorn nach seiner enttäuschenden Begegnung mit Gaddesdon, stand er nun vor dieser erbarmungslosen Furie in ihren ruinierten Schuhen. »Ich bin gekommen, um Adele zu sehen«, sagte er schließlich, »denn ich muß sofort mit ihr sprechen. Und ich kann nicht sehen, daß ich die Ursache des Unglücks bin, das Eure Schuhe befallen hat.«

»Dann folgt mir, und Ihr werdet es gleich begreifen«, befahl sie, und er folgte ihr in das Schlaf- gemach. »Da liegt Eure Geliebte. Wie Ihr sehen könnt, ist ihr unwohl, und das ist Eure Schuld.«

Er verstand nicht, was sie meinte, aber da unter dem Baldachin des Bettes Adele lag, blaß und schlaff, zweifellos unwohl, wie Isabella gesagt hatte. Als er an ihre Seite eilte, setzte Isabella ihre leidenschaftliche Rede fort; nervös ballte sie die Fäuste und lockerte sie wieder, während sie im Zimmer umherging. »Ich habe sie gern gehabt, und ich glaubte, sie sei meine liebste Gefährtin, und nun hat sie mich verraten, mich in der Stunde verlassen, in der ich sie am meisten brauche. Sie droht, aus meinen Diensten auszuscheiden, wegen ihrer Liebe zu Euch, einer Liebe, die für sie zu einer Tragödie geführt hat! Wo ist ihre Loyalität mir und meiner Familie gegenüber? Kann sie auch nur entfernt jemals der Loyalität gleichkommen, die ich für sie hege?«

Ihr pathetisches Gerede war für Alejandro nur ein Hintergrundgeräusch, eine ärgerliche Ablenkung; zu sehr war er damit beschäftigt, Adele zu untersuchen, um Isabella irgendwelche Beachtung zu schenken. Erst als er die Worte »wollüstiger Mißbrauch« und »Empfindlichkeit ihres Zustands« hörte, achtete er genauer darauf, was hinter ihm gesagt wurde. Abrupt drehte er sich um und unterbrach Isabella.

»Was habt Ihr über ihren Zustand gesagt?«

»Ihr scherzt wohl, Monsieur. Ihr seid doch der Arzt! Adele ist schwanger. Sie behauptet, es sei Euer Kind.«

Alejandro stand auf und sah Isabella an. »Sie ist schwanger

»Ja«, warf die Nurse ein, die den Arzt nervös beobachtete, denn sein Zorn war nur zu offensichtlich. »Ich habe es selbst festgestellt.« Sie nahm seine Hand und führte ihn langsam von Isabella fort, fort von der Möglichkeit eines Ausbruchs, und legte sie fest auf Adeles Leib. »Seht, wie weich ihr Leib ist. Sie wird im ersten Frostmonat gebären.«

Alejandro betrachtete sie traurig; sein Gesicht war ein Inbild des Kummers. »Gute Nurse, ich zweifle nicht an der Wahrheit Eurer Worte, aber ich fürchte, die Lady hat ein näherliegendes Problem.«

Sanft hob er Adeles Kinn und wies auf einen kleinen, aber deutlich sichtbaren dunklen Fleck. Kate, die sich während der ganzen Szene hinter einem Stuhl versteckt hatte, eilte nun hervor und stürzte sich auf Alejandro, der fast nicht schnell genug die Arme öffnen konnte, um sie aufzufangen.

»Oh, Doktor«, jammerte sie. »Bitte, heilt sie! Heilt sie, wie Ihr mich geheilt habt!«

Isabella und die Nurse starrten ihn beide an, entsetzt über das Geständnis, mit dem Kate herausgeplatzt war, und suchten nach einer Erklärung. Isabella sagte: »Sie heilen?« Rasch wandte sie sich an Kate und fragte: »Ist das wahr? Wart Ihr krank, und wurde die Ansteckung aus Eurem Körper vertrieben?«

Alejandro stand da und wußte nicht, was er gefahrlos sagen konnte. Isabella war bereits schrecklich erregt, und er vertraute nicht darauf, daß sie der Stimme der Vernunft lauschen würde.

Doch Kate wartete nicht, bis er antwortete, sondern rief aufgeregt: »Ja! Ja! Es ist wahr! Vierzehn Tage lang lag ich krank, und sie gaben mir eine scheußlich schmeckende Medizin, und Ihr seht ja selbst, daß ich wieder gesund bin.«

Isabella sah Alejandro an. »Sie? Wer waren >sie<?«

Er ließ den Kopf hängen und antwortete leise: »Es waren Adele und ich, auf unserer Reise zu Kates Mutter. Das Kind wurde auf dieser Reise krank. Während wir im Haus ihrer Mutter waren, erfuhren wir von einem Mittel, die Pest zu heilen, und suchten danach. Mit diesem Mittel konnten wir ihr Leben retten. Deshalb hat sich unsere Rückkehr verzögert.«

»Adele wußte davon, und sie hat mir nichts gesagt!« Isabella betrachtete ihre Gefährtin, ihre Kindheitsfreundin, die hilflos auf dem Bett lag und ein Schluchzen unterdrückte. Mit Tränen in den Augen wandte sie sich an Alejandro und sagte: »Entsprach das Euren Anweisungen?«

»Wir vereinbarten miteinander, daß es am besten sei zu schweigen. Wir fürchteten um die Sicherheit des Kindes.«

Tiefer Schmerz zeichnete sich auf Isabellas Gesicht ab. »Oh, was für eine grausame Falschheit!« sagte sie bitter. Sie sah Alejandro an, und ihr schönes Gesicht war nun fast so bleich wie Adeles. »Ihr wart weise, das zu verheimlichen, denn hätte mein Vater von ihrer Krankheit gewußt, hätte sie nicht zurückkehren dürfen. Und nun, fürchte ich, muß ich mit ihm darüber sprechen, was zu tun ist.« Sie sah das Kind an und sagte streng: »Ihr werdet diesen Raum nicht verlassen, bis die Angelegenheit geregelt ist.«

Die Nurse, die sprachlos vor Schreck über das war, was sie soeben gehört hatte, fand endlich ihre Stimme wieder. »Könnt Ihr nun Lady Adele heilen?«

»Gott allein, gute Frau, weiß, ob ich nicht schon zu spät komme. Aber ich werde alles versuchen.« Er wandte sich wieder Adele zu und legte zärtlich seine Hand auf ihren Leib. »Aber ich fürchte, sie wird das Kind nicht behalten. Diese Krankheit tötet alles, was gut und heilig ist.«

Rasch sah er sich im Raum nach einer Flasche oder einem Gefäß um, um das kostbare Wasser aus der Quelle bei der Hütte darin zu tragen, und sah eine große Flasche mit parfümiertem Wasser, die nach Isabellas Lieblingsblume, dem Flieder, duftete; er drehte sie um, und der Inhalt ergoß sich auf den steinernen Fußboden.

»Vielleicht kann dieses stinkende Zeug etwas von dem üblen Geruch in diesem Zimmer überdecken«, sagte er zornig. »Ich brauche das Gefäß, um das mineralisierte Wasser zu holen, das zur Heilung gehört. Ich habe nicht bei mir, was ich brauche; ich werde hastig reiten müssen, um es zu holen. Ich komme so schnell wie möglich zurück.«

Bevor er die Tür öffnete, wandte er sich noch einmal um und sagte zu der weinenden Prinzessin: »Betet, daß sie lange genug lebt, um ein neues Kind zu empfangen.«

Nachdem Alejandro wie ein Wilder durch das Vorzimmer gestürmt war, tuschelten Isabellas andere Damen neugierig hinter ihm her. Isabella selbst kam bald aus dem Schlafzimmer, schloß die Tür hinter sich und ließ die Nurse und Kate mit Adele allein. Schulterzuckend sagte sie: »Seht, wie Männer vor dem leisesten Anzeichen von Frauenproblemen die Flucht ergreifen, selbst der gelehrte Arzt!« Dann ermahnte sie die Damen: »Sagt nichts zu irgend jemandem außerhalb dieses Zimmers. Ich möchte aus diesem wichtigen Anlaß Adele nicht in

Verlegenheit bringen oder meinen Vater erzürnen. Es würde mir sehr mißfallen, wenn diese private Angelegenheit Gegenstand müßigen Klatsches würde. Und nun geht an Eure Arbeit und vergeßt, was Ihr soeben gesehen habt!«

Die Prinzessin kehrte in das Schlafgemach zurück, wo sie Kate und die Nurse auf einer Bank am Fenster sitzend fand, wo sie weinten und sich tröstend umarmten. Isabella ging an den Wänden entlang, so weit wie möglich von Adele entfernt, bis sie das Fenster erreichte. Zuerst sprach sie die Nurse an, und ihre Stimme war dunkel vor Mißtrauen: »Wart Ihr an diesem Verrat an meinem Vertrauen beteiligt?«

Erschrocken antwortete die Frau: »Bei meiner Seele, Prinzessin, ich wußte nichts davon!«

Kate bestätigte die Unschuld der alten Frau: »Nur ich, der Arzt und Adele wußten es.«

»Ihr bleibt mit dem Kind hier«, sagte die Prinzessin zu der Frau, die sie von Geburt an versorgt hatte. Sie warf der zitternden Dienerin einen bedrohlichen Blick zu. »Ihr werdet dem Arzt helfen, wenn er zurückkommt. Ich und meine anderen Damen werden uns eilends von hier entfernen; sie sollen nichts von diesen Ereignissen wissen. Ich denke, es ist am besten, wenn sie nichts erfahren, also haltet besser Euren Mund. Und wenn Ihr auch krank werdet, dann ist das Gottes gerechte

Strafe. Heute abend werden wir sehen, was mein Vater zu diesen unglückseligen Ereignissen zu sagen hat.«

Sie nahm einen Schlüssel aus einer kleinen Dose auf dem Kaminsims und schloß die beiden ein, als sie ging.