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Isabellas Damen schwatzten fröhlich, während das Gepäck ausgepackt wurde; ihr Leben war seit dem Beginn der Pest öde und farblos gewesen, und die neuen, bunten Kleider stellten das lang ersehnte Ende ihres bedrückenden Einflusses dar. Am folgenden Tag erwarteten sie faszinierende Turniere und tapfere Ritter, und die Hofdamen konnten ihre Erregung kaum bezähmen. Nur Adele hatte sich nicht den Annehmlichkeiten überlassen, in denen ihre Gefährtinnen jetzt schwelgten, denn ihre Gedanken waren darauf konzentriert, wie sie sich aus ihrer mißlichen Lage befreien konnte.

»Trotz Eures Unwohlseins entbinde ich Euch nicht von den Feierlichkeiten«, hatte Isabella zu ihr gesagt. Sie hatte streng darauf beharrt, daß Adele teilnahm, und ihr versichert, das werde ihre Stimmung heben, und Adeles Gegenwart werde ihre eigene Freude steigern.

Aber wie kann mein Herz leicht und fröhlich sein, wie kann ich zu ihrem Vergnügen beitragen, wo doch Isabella selbst der Grund für einen so großen Teil meines Unglücks ist? Selbst nach ihrer vermeintlichen Versöhnung konnte Adele nicht vergessen, daß der König zu Isabellas Trost entschieden hatte, sie mit ihr auf die lange Reise nach Böhmen zu schicken.

Zu ihrem großen Schmerz wurde Adele klar, daß sie der Prinzessin nicht mehr vertraute und daß ihre einst tiefe Freundschaft durch Argwohn ersetzt worden war. Ich glaube ihr nicht, daß sie sich bei ihrem Vater für mich einsetzen wird, dachte Adele bei sich, und als ihr die Wahrheit dieses Gedankens bewußt wurde, begann sie großen Zorn auf die Frau zu empfinden, die sie einmal wie eine Schwester geliebt hatte.

Ein anderer Verdacht nagte noch unerbittlicher an ihr, einer, den sie kaum in Worte zu fassen wagte, nicht einmal insgeheim. War es wirklich die Idee Eures Vaters, mich mitzuschicken, oder war es Eure? Würdet Ihr mein Glück sabotieren, weil Ihr selbst nicht glücklich seid?

Doch die Prinzessin fuhr in ihren Vorbereitungen für die Festlichkeiten fort, als sei ihre einstige intime Schwesternschaft unangetastet. Von der vorgeschlagenen Verlobung war nicht weiter die Rede gewesen, und auch nicht davon, daß Isabella versprochen hatte, Adele zu helfen und den König umzustimmen. Beide Frauen gingen getrennt ihren Aufgaben nach, ohne daß ein unnötiges Wort zwischen ihnen gewechselt wurde.

Die alte Nurse beobachtete das mit resignierten Gefühlen; sie hatte immer gefürchtet, daß Isabella innerlich herzlos und grausam war, denn sie hatte die Grausamkeit miterlebt, mit der die Königin Kate behandelt hatte, und zweifelte nicht daran, daß die Prinzessin aus dem gleichen Stoff gemacht war.

Adele hielt sich zurück, während die anderen Damen sich der Aufgabe widmeten, ihre Herrin zu schmücken; sie umringten sie, zupften, steckten fest und strichen glatt, bis alles außer Isabellas Schmuck und ihren Schuhen an Ort und Stelle war.

»In einer Minute bin ich für die letzten Vorbereitungen wieder da«, sagte Isabella aufgeregt und verließ den Schwarm der Damen, um in ihr Privatgemach zu gehen. Wie sie versprochen hatte, kehrte sie gleich darauf zurück, und nun trug sie alles, was zu den offiziellen Gewändern des Hosenbandordens gehörte. Ihr langes Kleid bestand aus schimmerndem Samt in tiefem Saphirblau, dem gleichen wundervollen, klaren Blauton, den auch die kostbaren Steine in der Krone auf ihrem Kopf hatten. Zarte Silberstickereien zierten Mieder, Ärmel und Saum des prachtvollen Gewandes, und ein dünner Schleier fiel in silbernen Kaskaden über die anmutigen Kurven ihres Rückens. Sie hob den Rock an, was ein Kichern unter ihren Zuschauerinnen auslöste, und zeigte ihre zierlichen Füße in den bestickten Silberslippern, die vorne mit winzigen Edelsteinen besetzt waren.

Die Damen im Raum klatschten Beifall, und dann wurde das Gewand genau untersucht, denn alle Damen würden selbst ähnliche, aber weniger prunkvolle Gewänder tragen, die ihnen Isabella auf Kosten des Königs zum Geschenk machte. Alle lobten die feine Handarbeit und die exquisiten Details, nur Adele nicht, die still dasaß, zu sehr mit ihrer wachsenden Übelkeit und ihrer ebenso wachsenden Abneigung gegen Isabella beschäftigt.

Ihre Verachtung entging der Prinzessin nicht; durch die Gruppe ihrer Damen kam sie auf ihre liebste Freundin zu. Die allgemeinen Gespräche verstummten, und als Isabella vor Adele stand, herrschte vollständiges Schweigen. Adeles Gesicht war so weiß wie das Leinen ihres Hemdes. Isabella drehte sich vor den Augen ihrer bleichen Gefährtin anmutig im Kreis, und der Saum ihres Kleides raschelte leise, als er sich wieder senkte. Adele sagte nichts.

Mit argwöhnisch hochgezogenen Augenbrauen fragte Isabella: »Ihr seid seltsam still, Adele; ist Euch noch immer unwohl?«

»Es ist schlimmer geworden«, sagte Adele, »denn nun bricht mir auch das Herz.«

Isabella beäugte sie neugierig. »Das verstehe ich nicht«, sagte sie.

»Ihr habt das bewirkt, also müßt Ihr es verstehen«, sagte Adele darauf leise und äußerte ihren Verdacht. »Es war nicht Eures Vaters Idee, mich mit Euch zu schicken. Ihm bringt das keinen Nutzen. Es muß Euer Einfall gewesen sein.«

Isabellas Lächeln verging. »Wir werden mit meinem Vater ein andermal darüber reden, liebe Freundin, denn heute abend werden wir feiern.«

»Und warum sollte ich feiern?« sagte Adele bitter. »Welche wunderbaren Dinge werden uns zustoßen, die wir feiern müßten? Ihr werdet mit einem Mann verlobt, den Ihr nicht liebt, und ich werde auf Euren Wunsch gegen meinen Willen von dem Mann getrennt, den ich liebe. Ist das ein Grund zu feiern?«

»Adele«, sagte Isabella, »wir werden ein andermal über diese Angelegenheit sprechen.«

Adele, die sich jetzt in Zorn geredet hatte, sagte: »Es wird kein anderes Mal geben, denn ich werde Euren Dienst auf der Stelle verlassen.«

Isabella versteifte sich und sagte: »Ich verbiete es. Mein Vater wird es verbieten.«

»Ihr und Euer Vater sollt verdammt sein.«

Isabella streckte die Hand aus und schlug Adele voll ins Gesicht. Als Adele danach dastand, die Hand an der Wange, Tränen in den Augen, lächelte Isabella und sagte: »Lady Throxwood, ich warte noch immer auf Eure Meinung über mein Kleid.«

Sie sah Adele direkt in die Augen und fragte: »Bin ich kein schöner Anblick?«

Adele erwiderte den Blick, beherrschte ihre Wut und starrte Isabella ebenso bösartig an. »Wahrhaftig, Prinzessin, Ihr seid ganz unbeschreiblich.«

Mit großer Befriedigung bemerkte sie den schockierten Ausdruck auf Isabellas Gesicht, als dieser der wahre Sinn der klug formulierten Antwort klar wurde. Adele lachte bitter, gab ihrem inneren Aufruhr nach und erbrach sich über Isabellas zierliche, silberbeschuhte Füße.

Als er die Zugbrücke zum Schloß von Canterbury überquerte, sah Alejandro Arbeiter, die damit beschäftigt waren, auf einem nahen Feld Zuschauertribünen zu errichten; er wußte daher, daß bald tapfere Ritter ihre Geschicklichkeit zur Schau stellen würden. Adele hatte ihm das in einer ihrer letzten gemeinsamen Nächte erzählt und versucht, ihn auf die Rechte und Pflichten des Rittertums vorzubereiten.

Er sprach bei dem Wachmann vor und wurde zum Hauptmann der Garde geleitet; es hieß, dieser könne ihm sagen, wo sich der König aufhalte. Alejandro trug nur seine Satteltasche bei sich und ließ sein Pferd locker angebunden bei den Wachen zurück; dem Stallburschen sagte er, er solle das Pferd erst in den Stall führen, wenn er ihm die Anweisung dazu übersende.

»Er ist zum Manöver mit einem Teil seiner Truppen ausgeritten, fürchte ich«, sagte der Hauptmann. »Vor morgen wird es keine Audienzen geben.«

»Gibt es keinen Minister, den ich aufsuchen könnte? Ich bringe Nachricht vom Wiederaufleben der Pest auf dem Lande.«

Der Mann ließ vor Überraschung das Kinn fallen. »Gott im Himmel!« rief er. »Wahrhaftig, das duldet keinen Aufschub. Ihr müßt mit Master Gaddesdon sprechen! Er ist der Leibarzt der ganzen königlichen Familie und gerade mit den jüngeren Kindern aus Eltham zurückgekehrt. Er wird wissen, was zu tun ist.«

Alejandro fand den ihm noch unbekannten Kollegen schließlich im Vorraum zu den Gemächern des Königs, stellte sich sofort vor und sagte, er habe ein dringendes Anliegen.

»Ach ja, Master Hernandez! Der König spricht großzügig von Euren medizinischen Fähigkeiten. Es ist mir eine Ehre, Eure Bekanntschaft zu machen.«

»Aber nein, werter Herr«, sagte Alejandro, der sich an die Manieren der Engländer erinnerte. »Ich bin derjenige, der sich geehrt fühlt, Euch kennenzulernen.«

Alejandro beeilte sich, einen detaillierten Bericht von den Ereignissen zu geben, die ihn zu der Überzeugung gebracht hatten, daß die Pest in entlegenen Landstrichen wiederaufgeflammt war, und erklärte seine Theorie, wie neue Opfer möglicherweise geheilt werden könnten. »Ich habe Seiner Majestät in meinen Briefen all das geschrieben. Gewiß hat er sie Euch gezeigt.«

»Das hat er«, sagte Gaddesdon, »aber bitte, erklärt Euch genauer.« Er tat so, als höre er aufmerksam zu, nickte an den Stellen, an denen es angebracht schien, und gab sich höchst interessiert.

Alejandro schloß endlich: »Ich habe guten Grund zu der Annahme, daß diese Fälle der Beginn einer weit verbreiteten Rückkehr dieser Seuche sind, denn sie fängt so an, wie es in. Europa der Fall war, schreitet jeden Tag um ein paar Meilen fort, bis man ihre Auswirkungen sogar an der Küste spürt. Es gibt keinen Anlaß, etwas anderes anzunehmen.«

Gaddesdon schwieg einen Moment. »Master Hernandez«, begann er dann, den Titel benutzend, der sie einander gleichstellte, wenn auch Alejandro weit besser ausgebildet war, »wir sind hier der Meinung, daß die vereinzelten Fälle, von denen Ihr berichtet, nicht bedrohlich genug sind, um die Bürgerschaft zu alarmieren. König Edward wünscht, daß die Dinge so bald wie möglich wieder normal werden, denn in diesem Jahr werden seine Einkünfte aufgrund der Geschehnisse im letzten Jahr recht ärmlich sein. Wir führen einen Krieg, und Ihr wißt sicher, daß das eine teure Angelegenheit ist. Ich fürchte, man kann nichts tun, solange nicht viel bedeutendere Beweise vorliegen.«

»Ist das Aussterben eines ganzen Klosters nicht genug? Und was ist mit der Familie, die vorher umkam? Reicht das nicht als Beweis?«

Gaddesdon sagte: »Wie könnt Ihr wirklich sicher sein, daß die Leute in jenem Kloster nicht letzten Herbst gestorben sind und nur noch nicht bestattet wurden?«

»Der Geruch war der von frischen Leichen, nicht von alten.«

»Der Tod riecht immer schlecht, und in einem warmen Gebäude, so wage ich zu behaupten, könnte auch der schärfste Geruchssinn keine solche Unterscheidung treffen.«

»Und was ist mit dem Heilmittel? Wird der König mir bei dieser Entdeckung beistehen?«

»Seine Majestät ist der Ansicht, daß es ein großes Sakrileg wäre, denen, die bereits gestorben sind, noch weiteren Schaden zuzufügen. Ich habe ihm mitgeteilt, daß ich kein derartiges Heilmittel für irgendeine andere Krankheit kenne und daß ich den Nutzen Eurer Behandlung bezweifle. Aber er hat sich bereit erklärt, darüber nachzudenken, und ich glaube, das hat er Euch bereits wissen lassen. Ihr müßt Geduld haben und warten, wann es ihm gefällt, Euch zu antworten.«

Da wurde Alejandro klar, wie unwillkommen er war, und er dachte: Dieser Mann glaubt, daß ich seine Stellung beim König usurpiere! Und weil er so kleinlich ist, werden viele zu Tode kommen. Wütend über Gaddesdons Weigerung, seine Theorie zu unterstützen, sagte er: »Ich werde das bei seiner Rückkehr mit dem König persönlich besprechen.«

»Das steht Euch natürlich frei«, sagte Gaddes- don, »aber Ihr werdet feststellen, daß er heute abend sehr beschäftigt ist und kaum geneigt sein wird, sich Eure Geschichten anzuhören. Morgen wird er von der Ernennung vieler neuer Ritter in Anspruch genommen sein, unter denen auch Ihr seid, wie man mir sagte. Natürlich gratuliere ich Euch und zweifle nicht daran, daß Ihr die Ehre verdient. Aber was die andere Angelegenheit betrifft, bringt uns weitere Beweise, dann wird der König Euch sein Ohr leihen.«

Alejandro wußte nicht, was er tun sollte. Er würde Adele suchen müssen, und mit ihrer üblichen Weisheit würde sie ihm einen Rat geben.