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»Fertig werden für Ausbruch«, verkündete Mark Rykand. Die Worte hallten ihm in den Ohren, als sie per Durchsage im Sternenschiff New Hope II verbreitet wurden. Ihre Reise näherte sich am Rand eines Sternsystems dem Ende, von dem man wusste, dass es unter der Knute der Broa stand. Der Krieg gegen die Pseudoaffen trat nun in die ›heiße Phase‹ ein.

»Status-Kontrolle, Astrogator!«, rief Captain Jonah Harris. Harris war Erster Offizier auf einem Sternenschiff der Sternenforschung gewesen, bevor er zur Weltraum-Marine versetzt wurde und ein eigenes Kommando erhalten hatte. Er war noch nicht lange genug auf diesem Posten, um in einer Stresssituation keine Gefühlsregung zu zeigen. Das war wieder einer dieser Momente.

»Alles im grünen Bereich, Captain«, sagte Mark in einem Ton, von dem er hoffte, dass er Kompetenz und zugleich souveräne Lockerheit suggerierte. Er verspürte nämlich auch die Anspannung, während der Computer die Sekunden zum Ausbruch zählte.

Der Plan sah vor, dass sie in sicherer Entfernung vom Zielstern – der wegen seiner willkürlichen Auswahl als Gamma bezeichnet wurde – in den Unterlichtbereich zurückfielen. Nach der Überprüfung von über hundert Sternen hatten die Astronomen allgemeine Regeln für praktisch jedes systemübergreifende Merkmal formuliert: unter anderem die minimalen und maximalen Entfernungen für die Überreste der Sternenentstehung, aus denen die Oort’sche Wolke bestand.

Die New Hope hatte die Brinks-Basis vor über einer Woche verlassen und war dann vor vier Stunden aus dem Überlichtbereich gefallen, um eine Positionsbestimmung vorzunehmen und sich mit der Galloping Ghost abzustimmen. Im letzten Durchgang hatten sie anhand von einem Dutzend Markierungs-Sterne Dreieckspeilungen vornehmen müssen, um die exakte Position zu bestimmen. Anschließend suchten sie in einem Meer der Schwärze nach ihrem Begleiter. Die Ghost war gerade in einer solchen Entfernung in den Normalraum zurückgefallen, dass ein Rendezvous erschwert, nicht aber unmöglich wurde. Beide Schiffe nahmen dann mit maximaler Beschleunigung Kurs aufeinander, sodass sie nach nur einer Stunde ihre Umlaufbahnen abzugleichen vermochten.

Als die Ghost auf Sichtweite herangekommen war, hatte Mark Rykands Astrogations-Abteilung noch einmal zwanzig Minuten damit verbracht, ihre Sprung-Daten mit denen des anderen Schiffs, auch einem Q-Schiff vom ›Typ Sieben‹, zu synchronisieren. Indem sie vom selben Punkt im Raum starteten und einem exakten Routen- und Zeitplan zum Ziel folgten, müssten beide in relativer Nähe zueinander an der Peripherie des Gamma-Systems herauskommen. So bestand der einzige Unterschied in der Routenplanung auch nur in einem leichten Zeitversatz, um zu verhindern, dass sie nach dem Ausbruch miteinander kollidierten. Der Gefahr einer Kollision mit dem Schutt der Oort’schen Wolke vermochten sie jedoch nicht vorzubeugen.

Aus diesem Grund beschleunigte der Herzschlag von Mark – und wohl auch aller anderen – mit jeder Sekunde, die sie näher an Gamma heranführte. Die Oort’sche Wolke eines Sterns ist der Bereich der massiven gefrorenen ›Schneebälle‹, die eines Tages vielleicht als Kometen ins innere System vorstoßen.

Die Wolke war riesig und erstreckte sich fast im Radius von einem viertel Lichtjahr vom Zentralgestirn des Systems. Ihre Masse war größer als die Masse des Sterns und aller Planeten zusammen. Weil die Oort’sche Wolke jedoch einen Raum von mehreren Milliarden Kubikkilometern ausfüllte, enthielten manche Abschnitte nicht mehr Materie als die Leere zwischen den Sternen.

»Die Wahrscheinlichkeit, mit einem Eisberg zu kollidieren, tendiert gegen null, Captain Smith!«

Mark wurde sich der Ironie dieser Aussage bewusst, kaum dass er sie formuliert hatte. ›Captain Smith‹ war nämlich der legendäre Edward John Smith, Kapitän des mythenumrankten historischen Überseedampfers, der glücklosen Titanic. Zweifellos hatte Smith’ Navigations-Offizier ihm die gleiche Zusicherung gegeben wie Mark soeben dem Kommandanten der New Hope.

»Kein Grund zur Besorgnis, Captain«, hatte er auf eine entsprechende Anfrage gesagt. Natürlich hatte er sich dann doch Sorgen gemacht.

»Zehn Sekunden bis Ausbruch!«, erfolgte Marks Durchsage. »Fertig werden.«

Die Sekunden verstrichen, und dann war das Sichtfenster plötzlich nicht mehr schwarz. Das heißt, es war nicht mehr pechschwarz. Eben bewegten sie sich noch mit Überlichtgeschwindigkeit und lauschten dem Summen des Sternenantriebs, und im nächsten Moment wurden sie wieder ins ›richtige‹ Weltall katapultiert. Sie alle wurden von den Sicherheitsgurten zurückgehalten, als im Schiff wieder die Mikrogravitation Einzug hielt. Marks Magen reagierte wie immer auf die Illusion des plötzlichen Falls. Zum Glück hatte er nur ein leichtes Frühstück gehabt.

Der Computer brauchte ein paar Sekunden für die Suche nach dem lokalen Stern. Als er ihn dann gefunden hatte, richtete er eine der Rumpf-Kameras in diese Richtung aus.

Dieser Stern machte nicht viel her – zumindest nicht aus einer Perspektive weit jenseits des äußersten Planeten dieses Systems. Er war kaum heller als die anderen Sterne im Sichtfenster, ein dimensionsloser Diamant, der stetig am schwarzen Firmament leuchtete.

Gamma schien verwaist. Und doch lag irgendwo im von der Außen-Kamera erfassten Raumsektor eine bewohnte Welt, mindestens zwei Sternentore und – vielleicht – die ganze ›abgefuckte‹ broanische Weltraum-Marine!

»Ausbruch abgeschlossen. Alle Systeme im grünen Bereich«, meldete Mark.

»Sehr gut, Herr Rykand«, erwiderte Captain Harris. »Protokollieren Sie unsere Ankunft im Logbuch. Herr Campano! Bremsmanöver einleiten. Frau Sopwell! Führen Sie einen Infrarot-Scan der näheren Umgebung durch. Suchen Sie mir eine Eiskugel, die groß genug ist, um sich dahinter zu verstecken.«

Der Normalraum-Navigator und die Sensoren-Bedienerin bestätigten die Anweisungen. Der Normalraum-Antrieb wurde aktiviert, und das Schiff nahm mit hoher Geschwindigkeit Kurs auf den Stern, während das Gewicht zurückkehrte.

»Kommunikation!«

»Ja, Captain?«, kam die Antwort aus der Kommunikationszentrale des Schiffs.

»Bestreichen Sie das Zielgebiet mit dem Kommunikationslaser. Achten Sie aber darauf, dass Sie den Stern in einem Winkel von über dreißig Grad anpeilen. Machen Sie Meldung, sobald Sie eine Antwort bekommen.«

»Aye, aye, Sir.«

Die allgemeine Spannung ebbte ab und wich wieder dem alltäglichen Hochbetrieb an Bord eines Raumschiffs. Die nächsten paar Stunden – oder Tage – wären der Suche nach einem Punkt gewidmet, von dem aus sie dieses System auszuspähen vermochten. Mit dem wandernden Laserstrahl wollten sie die Galloping Ghost ausfindig machen. Um die Einheimischen nicht auf sich aufmerksam zu machen, benutzten sie anstelle eines Radarstrahls den gebündelten Strahl eines Kommunikationslasers und hofften, die Ghost damit zu ihrer Position zu lotsen.

Die Ghost handelte natürlich entsprechend.

Wenn sie schließlich Sichtkontakt herstellten, würden die zwei Schiffe sich mit denselben Kommunikationslasern aneinanderkoppeln, die sie für die Suche verwendet hatten. Dann würden sie ihre jeweiligen Beobachtungsräume einnehmen. Sie würden dabei einen solchen Abstand halten, dass, falls ein Schiff entdeckt und vom Feind angegriffen wurde – was in dieser Entfernung vom Stern jedoch eher unwahrscheinlich war –, das andere immer noch nah genug war, um ihm notfalls zu Hilfe zu eilen oder unbeschadet zu entkommen.

Die meisten Menschen machten sich keine Vorstellung, wie groß ein Sternsystem überhaupt war. Als Mark auf den winzigen lodernden Punkt in der Mitte des Sichtfensters schaute, bekam er jedoch eine leise Ahnung davon.


Die New Hope fand nicht nur einen Schneeball, hinter dem sie sich zu verstecken vermochte, nein, sie waren gleich im Dutzend vorrätig. Die düster glühenden Zusammenballungen aus Stickstoff, Helium, Sauerstoff und Wassereis umkreisten einander in einer losen, durch die Gravitation zusammengehaltenen Gruppe, wobei die blauen Oberflächen durch den entfernten Stern trübe angestrahlt wurden.

Die Kollektion von Schneebällen war das ideale Versteck für ein Schiff. Die New Hope hatte sich in eine komplexe Formation geschmuggelt und achtete darauf, mit dem Antriebsfeld keinen der umgebenden Schneebälle zu touchieren. So weit draußen, wie sie waren, war es fast unvorstellbar, dass irgendjemand sie entdecken würde, selbst wenn sie keine solchen Vorsichtsmaßnahmen trafen. Jedoch ist ›fast unvorstellbar‹ nicht das Gleiche wie ›unvorstellbar‹.

Es bestand nämlich immer noch die Möglichkeit, dass die Einheimischen die New Hope anhand ihrer Infrarot-Strahlungssignatur entdeckten. Im Vergleich zum umgebenden Weltall war die Hülle der New Hope ein Hochofen mit 300 Grad Kelvin. In einem entsprechend empfindlichen Infrarot-Fernrohr würde das Schiff wie ein kleiner Stern vor dem schwarzen Hintergrund hervortreten.

Indem sie sich unter die fliegenden Schneebälle der Oort’schen Wolke mischten, wurde die Strahlung des Schiffs größtenteils durch die kalten Massen kaschiert, deren Temperatur kaum über dem absoluten Nullpunkt lag. Nachdem die New Hope hinter einem besonders großen Proto-Kometen in Deckung gegangen war, hatten sie zwei Tage damit verbracht, die Spionageausrüstung so zu positionieren, dass sie das innere Gamma-System vollständig auszuspähen vermochte.

Zuerst setzten sie das astronomische Fernrohr aus, ein kompaktes, drei Meter durchmessendes Instrument mit einer so hohen Lichtstärke, um noch eine Kerze auf der anderen Seite eines Sonnensystems zu entdecken. Sie hatten es auf der Rückseite des größten Schneeballs verankert und ein Kabel zur anderen Seite geführt, von wo eine Kurzwellenantenne die Bilder des Fernrohrs zum Schiff übertrug. Bei der zweiten Gruppe von Beobachtungs-Instrumenten handelte es sich um zwei unterschiedliche Parabolantennen, die das elektromagnetische Spektrum nach Kommunikationsaktivitäten absuchen sollten. Schließlich hatten sie zwei kleine Gravitations-Teleskope ausgesetzt. Diese wurden von einem Landungsboot ein paar tausend Kilometer zu beiden Seiten der New Hope disloziert. Denn sonst hätte die Masse der Schneebälle Gravitationswellen von den lokalen Sternentoren abgeschirmt oder verzerrt.

»Lauscher sind online!«, ertönte die Stimme eines Raumfahrers im Raumanzug, nachdem das letzte der großen Radioteleskope auf der Oberfläche eines der nahe gelegenen Eisberge verankert worden war. Die Füße hatte man gegen die absolute Kälte isoliert.

Lisa Rykand überflog ihre Instrumente und bemerkte, dass sie schon ›Wellensalat‹ von Gamma empfingen. Sie aktivierte eilig das Programm, das diese Frequenzen zusammen mit dem Hintergrundrauschen ausfilterte. Das aus dem Lautsprecher dringende Zischen ließ nach und wich der leicht musikalischen Anmutung künstlich erzeugter Signale.

»Nicht aus den Augen lassen«, sagte sie zum Funk-Unteroffizier, der ihr assistierte. Als Angehörige der Arbeitsgruppe Alien-Abschätzung verfügte sie über keine besondere technische Expertise bezüglich der Instrumente, mit denen sie arbeiteten. Andererseits waren die Funktechniker auch nicht in der Lage, das zu deuten, was sie hörten. Als ob ein Tauber einen Blinden führte, wie sie schon lange erkannt hatte.

»Ich frage mich, wieso jede technologisch noch so fortgeschrittene Art Radiowellen verwendet«, sagte sie nachdenklich.

»Verzeihung, Ma’am«, sagte Funktechniker Leonard Wolfling, der Unteroffizier vom Dienst. »Haben Sie etwas zu mir gesagt?«

»Nein, ich habe nur laut nachgedacht.«

»Worüber denn, Ma’am?«

»Über das, was wir hier tun. Wir beobachten sie im sichtbaren und unsichtbaren Spektrum des Lichts, wir hören sie auf allen elektromagnetischen Frequenzen ab und wir warten auf die von ihrem Tor erzeugten Gravitationswellen. Aber was, wenn eine Spezies ein anderes Kommunikations-Medium als Funk entwickelt? Sie könnten in diesem Moment ihrer Flotte den Befehl zum Angriff geben, und wir würden es überhaupt nicht mitbekommen.«

»Das ist unmöglich, Ma’am. Jeder nutzt Funk.«

»Sie sollten sie nicht unterschätzen, Unteroffizier.«

»Ich wollte damit auch nicht sagen, dass sie zu dumm wären, etwas anderes zu erfinden, Ma’am. Ich meine, das ist physikalisch unmöglich.«

»Und wieso?«

»Weil es nur vier Arten von Energie im Weltall gibt. Jedenfalls haben wir das auf der Fachschule gelernt. Da wären die Gravitation, die elektromagnetische Strahlung, die starke Kernkraft und die schwache Kernkraft. Das ist alles – mehr gibt es nicht. Wenn Sie also über große Entfernungen kommunizieren wollen, wofür entscheiden Sie sich dann? Wenn man Gravitationswellen nach Belieben erzeugen könnte, wäre das ebenfalls eine ziemlich gute Kommunikationstechnik. Aber diese Wellen können wir auch registrieren. Weil die Erzeugung einer Gravitationswelle entweder ein kleines schwarzes Loch oder ein Sternentor erfordert, entscheidet sich jeder für elektromagnetische Strahlung für seine Kommunikationsausrüstung. Das ist im Grunde die einzige Möglichkeit.«

»So hatte ich das noch gar nicht gesehen«, erwiderte Lisa. »Ergibt durchaus einen Sinn.«

»Kann ich Ihnen sonst noch irgendwie behilflich sein?«, fragte Wolfling, ohne den Blick vom Überwachungs-Bildschirm zu nehmen.

»Nein. Ich war nur neugierig.«

Dann hatte die lange Nachtschicht begonnen. Dass es viele Radiowellen zum Belauschen gab, hatte sich schon in den ersten Sekunden nach dem Anpeilen des kleinen Radiosterns gezeigt, der der einzige bewohnte Planet des Systems war. Den Signalen aber einen Sinn zu entnehmen, war eine Arbeit für viele Tage.

Die einheimische Rasse sprach untereinander nämlich kein Broanisch. Deshalb erfolgte die Kommunikation zum größten Teil in ihrer Muttersprache oder -sprachen, sodass die Mitschnitte nur Kauderwelsch für Lisa und ihre zwei anderen Broanisch-Übersetzer darstellten. Sie zeichneten es trotzdem – insbesondere das Bildmaterial – für die spätere Analyse durch den Linguistik-Computer auf. Nachdem die Kommunikationstechniker hinter die Codierung der Bilder beziehungsweise Hologramme gekommen waren, schauten sie sich die Videoclips an.

Die Wesen waren dahingehend humanoid, dass sie zwei Arme, zwei Beine und einen Kopf hatten. Sie waren auch gepanzert, sodass jedes Individuum wie ein Ritter in nicht schimmernder Wehr erschien. Die Gesichter waren starr und schienen mit überlappenden Schuppen oder Platten verkleidet zu sein, aber die Gesichtszüge wirkten mehr oder weniger menschlich. Zwei kleine blaue Augen waren über Atmungsschlitzen positioniert … sechs vertikale, von einem Grat überragte Löcher, damit es nicht hineinregnete. Der Mund war am bekannten Platz, doch im geöffneten Zustand enthüllte er eine doppelte Zahnreihe und mehrere Wimpern. Diese Letzteren hatten die Funktion einer Zunge.

Nach Ansicht der meisten Menschen sahen diese Gestalten so aus, als ob sie den Mund voll Würmer hätten – keine sehr ästhetische Vorstellung, wenn man sich das einmal vergegenwärtigte. Lisa war anderer Ansicht. Welche Umwelt auch immer diese Wesen hervorgebracht hatte, die Evolution war auch hier dem ehernen Gesetz gefolgt: ›Die Form folgt der Funktion.‹ Wenn sie gut an ihre Umgebung angepasst waren, dann waren sie definitionsgemäß ›schön‹.

Erst in der zweiten Woche der Aufklärungstätigkeit fingen sie eine Sendung in broanischer Sprache auf. Das begleitende Bildmaterial beantwortete eine der wichtigsten Fragen der Mission. Gab es Broa im System?

Sar-Says Zwilling schaute sie auf dem Bildschirm an. Er schien erregt und machte einen armen Untergebenen – der nicht mit im Bild war – wegen eines verspäteten Berichts über die lokale Produktion eines Produkts mit einem völlig unverständlichen Namen zur Minna. Der Broa ereiferte sich, dass der Bericht auf einem Schiff sein müsse, das am nächsten Tag zur Sektor-Kapitale abflog, und wieso er noch nicht übermittelt worden sei?

Tatsächlich registrierte ihr optisches Teleskop am nächsten Morgen, dass ein Schiff aus der Bahn des Planeten ausscherte und in Richtung eines von drei Sternentoren beschleunigte, die sich weit außerhalb von Gamma befanden. Ein paar Tage später sprang dieses Schiff dann durchs Sternentor und verschwand auf Nimmerwiedersehen. Die Gravitationswellen-Detektoren der New Hope meldeten das Verschwinden in dem Moment, als die Infrarotdarstellung des Schiffs mit der des Sternentors verschmolz und dann erlosch.


»Also, Leutnant, was haben wir herausgefunden?«

»Weniger, als ich mir gewünscht hätte, Captain«, entgegnete Lisa Captain Harris einen Monat nach ihrer Ankunft im Gamma-System. »Anscheinend wird der Stern oder Planet in der Sprache der Einheimischen ›Harlasanthenar‹ genannt, und die Spezies bezeichnet sich selbst als ›Dastanthanen‹, was unsere Transliteration des Namens ist. Die eigentliche Bezeichnung enthält ein paar Laute, für deren Wiedergabe der menschliche Sprechapparat nicht ausgelegt ist.

Der Umstand, dass 99 % aller abgefangenen Sendungen im lokalen Dialekt sind, hat es uns erheblich erschwert, ihre Kommunikation zu verstehen. Der Sprachcomputer hat die Bilder und Tonspuren digitalisiert und die Bedeutung von kaum zweihundert Laut-Gruppen präsentiert – bei den meisten ohne Gewähr. Ein Großrechner auf der Erde würde ein Jahr oder noch länger brauchen, um allen Aufzeichnungen einen Sinn zu verleihen, und dann würden wir die Sprache vielleicht immer noch nicht verstehen.«

»In Ordnung«, sagte Captain Harris. »Wir werden ihre Sprache also auf absehbare Zeit nicht verstehen. Aber was wissen wir überhaupt

»Unsere wichtigste Entdeckung ist die, dass diese Welt direkt von den Broa beherrscht wird. Es gibt mindestens ein Dutzend Residenturen, vielleicht auch noch mehr. Durch ihre Anwesenheit ist dieses System für einen Erstkontakt denkbar ungeeignet, und die Freisetzung eines Trojanischen Pferds verbietet sich hier ebenfalls.« ›Trojanisches Pferd‹ war der umgangssprachliche Name für die kleinen Sternenschiffe, die die Menschheit in ausgewählten Systemen aussetzen wollte, um die Kenntnis vom Sternenantrieb zu verbreiten.

Es gab noch keine verbindlichen Einsatzbestimmungen für Trojanische Pferde. Dennoch sollte keins der ›Schiffswracks‹ in Systemen ausgesetzt werden, von denen man wusste, dass Broa dort residierten. Wenn die Einheimischen nämlich ein unbekanntes und mit hoher Geschwindigkeit ins System eindringendes Radarecho auffingen, würden sie die Sichtung sofort dem örtlichen Meister melden. Das Gelingen oder Scheitern des ganzen Plans hing davon ab, die Broa so lange in Unkenntnis über den Sternenantrieb zu lassen, bis ihre Diener-Spezies erkannt hatten, was sie in den kleinen aufgegebenen Scouts gefunden hatten.

»Deshalb hat man uns hierher geschickt, Leutnant. Um den Plan umzusetzen, Zwietracht in der Souveränität zu säen, müssen wir erst das Terrain sondieren.«

»Jawohl, Sir. Ich befürchte aber, das wird sehr viel Arbeit für uns bedeuten.«

Harris zuckte die Achseln. »Wir haben alle gewusst, dass es nicht leicht werden würde. Wenn Sie eine ruhige Kugel schieben wollten, wären Sie nicht in die Weltraum-Marine eingetreten. Was wissen wir sonst noch über die Dastanthanen?«

»Wir verfügen über aussagefähige Aufzeichnungen der nicht kommunikationsbezogenen Emissionen, Sir. Das ermöglicht uns eine Einschätzung ihrer industriellen Leistungsfähigkeit. Ungefähr die gleiche wie auf Klys’kra’t. Ich kann Ihnen jetzt schon sagen, dass ihre jährliche Güterproduktion in etwa der der Erde entspricht, obwohl sie nur ein Fünftel der Erdbevölkerung umfassen.«

»Woher wollen Sie das wissen?«, fragte Captain Harris.

»Durch die Intensität und die Verteilung ihrer Energieemissionen, Captain. Wir sind zwar ziemlich weit entfernt, aber wir haben ein paar unscharfe Scans von der Oberfläche ihres Planeten bei Nacht. Wir sind in der Lage, ihre Bevölkerung aufgrund der Lumen-Werte zu schätzen, die sie von den verschiedenen Landmassen emittieren.«

»Und es gibt eine Million dieser Welten, von denen die meisten der entsprechen, die wir beobachten?«

»Ja, Sir.«

»Das ist eine höchst ernüchternde Vorstellung.«

»Wir wussten doch schon über die Größe der Souveränität Bescheid, bevor wir diese Expedition unternahmen.«

»Etwas verstandesmäßig zu begreifen ist eine Sache, Leutnant. Es mit eigenen Augen zu sehen ist wieder etwas ganz anderes.«

»Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche, Sir.«