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Toronto leuchtete golden im Licht der aufgehenden Sonne, als der Suborbital-Flug von Europa mit feuernden Triebwerken zur Landung auf dem Flughafen der Hauptstadt ansetzte. Lisa Arden und Mark Rykand warteten an der Gepäckausgabe auf ihre Sachen und gingen dann über die Passagierbrücke in ein Terminal aus Glas und Stahl, das gerade zum Leben erwachte. Sie waren vor einen parlamentarischen Ausschuss geladen worden, um über die Expedition zum Krebsnebel zu berichten und Marks Vision für eine Niederwerfung der Broa offiziell zu erläutern. Und sie waren auch nicht allein. Die meisten Personen, die mit der Ruptured Whale nach Klys’kra’t geflogen waren, hatte man ebenfalls vorgeladen.

Es waren zwei wundervolle Wochen gewesen, seit sie wieder einen Fuß auf die Erde gesetzt hatten. Die meiste Zeit hatten sie mit der Besichtigung der einschlägigen Sehenswürdigkeiten verbracht und damit, sich an der Gesellschaft des jeweils anderen zu erfreuen. Letzteres hatte zur Folge gehabt, dass keiner von ihnen besonders ausgeruht war – vor allem, wenn man bedachte, dass es sieben Stunden früher war als zu dem Zeitpunkt, als sie das Shuttle außerhalb von Kiew bestiegen hatten.

»Nun geht es wieder an die Arbeit«, sagte Mark, hängte sich beide Taschen über die Schulter und marschierte zum langen Tunnel, der zum Hauptkomplex des Terminals führte.

»Das musste irgendwann passieren«, pflichtete Lisa ihm bei. »Leider konnte unser Urlaub nicht ewig dauern.«

»Ich hätte das auch nicht ewig durchgestanden«, sagte er mit einem anzüglichen Grinsen.

»Du meinst, du hättest irgendwann nicht mehr deinen Mann gestanden«, entgegnete sie ebenso zweideutig.

Nach dem Verlassen des Terminals fuhren sie mit einem Auto-Taxi zum Hotel. Der Hotelangestellte an der Rezeption hatte zunächst Schwierigkeiten, sie zu dieser frühen Stunde irgendwo unterzubringen, aber dann bekamen sie doch noch ein Zimmer. Nach einem gemeinsamen Bad, das ›ungebührlich‹ lange dauerte, bereiteten sie sich auf einen anstrengenden Tag vor. Mark rasierte sich, während Lisa sich vorm Spiegel ankleidete. Beide hatten sich extra zu diesem Anlass eine neue Garderobe gekauft.

Es war exakt 9:00 Uhr, als Lisa fragte: »Fertig?«

Mark nickte, schlüpfte in einen Mantel, der sich nach der langen Zeit, in der er keinen getragen hatte, wie ein Fremdkörper anfühlte, und geleitete sie zur Tür hinaus. Zehn Minuten später standen sie auf einem Laufband und näherten sich dem Turm, der die Verwaltungsgebäude des Weltparlaments beherbergte.


Ein grauhaariger Mann schaute von seiner Lektüre auf, als sie das Vorzimmer des Ausschusses betraten. »Hallo, Mark, Lisa.«

»Hallo, Mikhail«, erwiderte Lisa. »Wann sind Sie denn zurückgekommen?«

»Erst heute Morgen. Die Besorgnis der Ärzte wegen meiner Schniefnase schien schlagartig nachgelassen zu haben. Wie diese Wunderheilung wohl zustande gekommen ist?«, fragte er viel sagend.

»Ich weiß auch nicht.«

Der Grund, weshalb Vasloff im Orbit festgesessen hatte, war für jeden offensichtlich gewesen – auch für ihn selbst. Er war der geborene Agitator und hatte seine Organisation, Terra Nostra, zu einer der effizientesten Lobby-Gruppen auf der ganzen Welt ausgebaut. Schon die bloße Andeutung, was draußen zwischen den Sternen lauerte, hatte vor drei Jahren zu weltweiten Unruhen geführt. Falls die Kunde von der Existenz der broanischen Souveränität an die Öffentlichkeit drang, wäre die sprichwörtliche Kacke am Dampfen. Die Mitgliederzahlen von Terra Nostra würden förmlich explodieren, wahrscheinlich in den Milliardenbereich.

Jeder erwartete, dass Vasloff und seine Organisation die Opposition gegen Mark Rykands Plan anführen würden. Denn Vasloff hatte ein Jahr lang Zeit gehabt, nach einer Möglichkeit zur Sabotage dessen zu suchen, was er als ›diese Idioten von Expansionisten‹ bezeichnete.

Langsam füllte sich das Vorzimmer. Dan Landon erschien eine Minute nach Mark und Lisa. Er nickte den beiden und Vasloff zu, sagte aber nichts.

Die Doktoren Thompson und Morino trafen ebenfalls ein, gefolgt von einem halben Dutzend anderer Personen. Es entwickelten sich ein paar Unterhaltungen direkt unterhalb der Ebene, wo das Gehirn noch einzelne Phoneme zu unterscheiden vermochte. Von Zeit zu Zeit warfen die Leute verstohlene Blicke in Vasloffs Richtung. Falls der Russe das bemerkte, ließ er sich nichts anmerken; stattdessen widmete er sich weiter seinen Aufzeichnungen.

Exakt um 10:00 Uhr ertönte ein musikalisches Signal, und die Türen zum Sitzungssaal öffneten sich. Alle gingen durch das Quartal in einen Raum mit zwei langen Tisch-und Stuhlreihen, die zu einem Podest ausgerichtet waren, wo ein repräsentativer Tisch mit größeren und komfortableren Stühlen stand. Der Platz eines jeden Zeugen war mit einem Namensschild versehen. Sie verbrachten eine Minute, um sich zu sammeln. Außer den paar Mitarbeitern, die eifrig Notizblöcke und Kugelschreiber sowie Krüge mit eisgekühltem Wasser auf den Tischen platzierten, war niemand sonst im Raum.

Als sie fünf Minuten gewartet hatten, öffnete sich eine Tür in der Vorderseite der Halle, und sechs Parlamentarier kamen herein. Der Leiter war Anthony John Hulsey, Abgeordneter aus New South Wales, Australien. Weiterhin erschienen Thackery Savimbi, Kapstadt, Afrikanische Föderation, und Jorge Santa Cruz aus Estados Unidos de Sud America, zusammen mit drei weiteren Personen, die Lisa nicht kannte.

Als die Parlamentsabgeordneten zur Bühne gingen, erhoben sich die Zeugen und erwiesen ihnen ihre Reverenz. Dann schlossen sich die Türen wieder, und ein leiser Summton direkt oberhalb der Hörschwelle signalisierte, dass das Anti-Abhör-Feld aktiviert worden war. Die Ausschussmitglieder nahmen ihre Plätze ein und bedeuteten den Zeugen, es ihnen gleichzutun.

Vorsitzender Hulsey drückte eine Platte, die in die Tischplatte eingelassen war. Dabei ertönte aus versteckten Lautsprechern der verstärkte Klang eines Hammers auf Holz. Ein uniformierter Bediensteter stimmte feierlich an: »Hört, hört! Der parlamentarische Sonderausschuss für die von der Krebsnebel-Expedition gemachten Entdeckungen tagt. Bürger Anthony Hulsey führt den Vorsitz. Es wird um die Aufmerksamkeit aller Anwesenden gebeten!«

»Unteroffizier vom Dienst. Sind alle geladenen Personen hier anwesend?«

»Jawohl, Herr Vorsitzender.«

»Dies könnte eine lange Sitzung werden. Ich schlage deshalb vor, dass wir gleich anfangen. Der Ausschuss ruft Mark Richard Rykand auf. Dem Vernehmen nach möchten Sie eine Erklärung verlesen?« Als Mark nickte, fuhr er fort: »In Ordnung, Herr Rykand, Sie haben das Wort.«


Mark hielt im Wesentlichen den gleichen Vortrag, den er bereits im Büro des Direktors der Sternenforschung gehalten hatte – mit dem Unterschied, dass er diesmal visuelle Präsentationshilfen hatte. Er rekapitulierte kurz die Entdeckung eines Heimatsterns der Souveränität und die Expedition, die sie dorthin ausgesandt hatten, und sein ungläubiges Entsetzen, als der große blaue Taff-Händler Sar-Say als einen Broa beschrieben hatte. Er erwähnte auch den hastigen Rückzug, der daraufhin stattgefunden hatte.

Dass er, Lisa und noch ein paar andere am Boden zerstört in der Messe der Ruptured Whale gesessen und sich gegenseitig ihr Leid geklagt hätten. Sie hätten gerade über die überwältigende Macht der Souveränität gesprochen, als Lisa eine beiläufige Bemerkung gemacht hatte:


›Zu dumm, dass wir das Sonnensystem nicht gegen Sternentore verteidigen können. Was wir bräuchten, ist eine Festung, die den Zugang zu unserem System blockiert – wie Gibraltar einst den Zugang zum Mittelmeer kontrolliert hat.‹


»Dann hatte ich eine Eingebung«, sagte Mark dem Ausschuss. »Ich wurde mir bewusst, dass die Broa gar keine drei Meter groß und mit Pelz bedeckt sind.« Er lächelte verlegen. »Nun gut, sie haben zwar auch einen Pelz, aber Sie wissen schon, wie ich das meine.«

»Das wissen wir«, entgegnete Elisabeth Fetscher, eine der jüngeren Abgeordneten im Gremium. »Aber vielleicht sollten Sie diesen Aspekt dennoch etwas ausführen.«

»Die Broa kontrollieren eine Million Sternsysteme. Wie sollte ein Planet mit einem Dutzend interstellarer Kolonien unter diesen Umständen hoffen, einen Konflikt mit einem so weit überlegenen Gegner zu überleben? Die Antwort lautet natürlich, dass wir dazu nicht der Lage sind. Falls die Broa von der Erde Kenntnis erlangen, hätten wir genauso viele Chancen wie ein Schneeball in der Hölle. Sie würden uns überwältigen, bevor wir uns überhaupt organisiert hätten.

Aber sie haben keine Kenntnis von uns … noch nicht. Sie haben keine Ahnung, dass wir überhaupt existieren, und wüssten auch nicht, wo im Universum sie nach uns suchen müssten. Solange das also der Fall ist, haben wir volle Handlungsfreiheit gegen sie, ohne Repressalien befürchten zu müssen.

Und die Broa sind auch nicht allmächtig. Sie haben selbst Probleme. Es gibt Zwistigkeiten zwischen ihnen, wofür der Angriff auf Sar-Say ein Beweis ist. Sie haben eine abnorm geringe Geburtenrate. Und die Meister der Voldar’ik haben ihre Welt schon seit geraumer Zeit nicht mehr besucht. Die Broa sind dünn gesät. Ein großer Teil ihres Territoriums läuft die meiste Zeit quasi auf Autopilot.

Dennoch besteht das Problem ihrer inhärenten Macht. Die Souveränität hat eine gigantische Population mit einer Million planetarischer Ökonomien, auf deren Ressourcen sie zuzugreifen vermag. Wenn wir es mit dem ganzen broanischen Territorium aufnehmen wollten, hätten wir nicht die geringste Chance.

Aber es besteht auch keine Notwendigkeit, dass wir sie alle bekämpfen. Um Sicherheit für uns und unsere Kinder zu gewährleisten, müssen wir keine Million Welten erobern. Wir müssen nur die broanische Heimatwelt finden und sie dort schlagen.«

»Und wie sollen wir das bewerkstelligen?«, fragte der Vorsitzende.

Mark erläuterte ihm schnell seinen gesamten Plan, den die Besatzung der Ruptured Whale inzwischen als ›die Gibraltar-Erde-Strategie‹ bezeichnete.

Punkt eins: Die Menschheit würde die Arbeit beenden, die sie auf Klys’kra’t begonnen hatte, und eine planetarische Datenbank mit ihren astronomischen Daten und Karten des Sternentor-Netzwerks erlangen.
Punkt zwei: Sie würde anhand dieser Daten die Position der broanischen Heimatwelt und anderer Hauptwelten bestimmen.
Punkt drei: Sie würde eine Flotte von Sternenschiffen bauen, die in der Lage wären, die Broa in ihren Machtzentren anzugreifen. Das Ziel wäre die Zerstörung der Heimatwelt-Sternentore und die Isolierung des Gros der Broa von ihren Besitzungen.
Punkt vier: Nach der Zerstörung des feindlichen Transportsystems würde die Menschheit Revolten auf möglichst vielen Sklaven-Welten anzetteln.
Punkt fünf: Diese Strategie sollte so lange beibehalten werden, bis die Souveränität unter der Belastung kollabierte. Wenn tausende ehemaliger Sklaven-Spezies auf ihrem Territorium Amok liefen, wären die Pseudo-Affen viel zu beschäftigt, um die weit entfernte menschliche Rasse noch zu bedrohen.

»Ein kühner Plan, das muss ich Ihnen lassen«, entgegnete Thackery Savimbi, als Mark geendet hatte. »Aber auch leicht verrückt, meinen Sie nicht?«

»Nicht so verrückt, als wenn wir nur darauf warten würden, bis sie uns entdecken«, erwiderte Mark. Aus dem Augenwinkel sah er, dass Mikhail Vasloff sich versteifte.

»Fahren Sie fort, Herr Rykand«, sagte der Vorsitzende und warf einen Blick auf seine Armbanduhr.

Mark skizzierte die operativen Details, die sie im Lauf des vergangenen Jahres ausgearbeitet hatten. Mit den Unterbrechungen durch diverse Fragen war es schon deutlich nach 12:00 Uhr, als er schließlich fertig war.

Der Vorsitzende ließ den Blick über die anderen Zeugen schweifen. »Ich weiß, dass gemäß der Tagesordnung noch ein paar von Ihnen Ihre technische Evaluation präsentieren müssten. Ich schlage vor, dass wir heute Nachmittag damit fortfahren. Wir machen nun eine Dreiviertelstunde Mittagspause. Die Ausschussmitglieder und Zeugen werden gebeten, sich um 13:30 Uhr wieder hier einzufinden. Dann werden wir uns die Gegenrede anhören.«

Der aufgezeichnete Klang eines Hämmerchens auf Holz bildete den Schlusspunkt der Anmerkungen des Vorsitzenden.


Mikhail Vasloff saß mit perfekt sitzender Frisur und dem Anflug eines Lächelns im Gesicht am Zeugentisch. Er saß mit gefalteten Händen da und wartete darauf, dass die Ausschussmitglieder nach der Mittagspause wieder ihre Plätze einnahmen. Wenn man ihn so sah, hätte man glauben können, dass er zur Unterstützung der Gesetzesvorlage für den Bau einer Autobahn oder die Bewilligung einer Agrar-Subvention erschienen war. Die Anspannung, die ihn während der letzten Stunden geprägt hatte, schien verschwunden.

Dass er nach außen hin gleichmütig wirkte, während er innerlich kochte, war seiner langen politischen Erfahrung geschuldet. Es war geradezu eine Folter für ihn gewesen, dazusitzen und Mark Rykands mit Häresien gespickter Rede zu lauschen.

Nicht dass er eine persönliche Abneigung gegen Mark gehegt hätte. Er hielt ihn für einen umgänglichen jungen Mann und einen unterhaltsamen Reisebegleiter. Auf der Heimreise hatten die beiden die Langeweile mit einem Schachduell bekämpft. Bei diesen Spielen hatte Vasloff versucht, Mark auf seine Seite zu ziehen.

Aber er hätte genauso gut mit Sar-Say sprechen können.

Vasloff schrieb Marks Einstellung dem Wahnsinn zu, von dem die Menschen hin und wieder befallen wurden. Wo sie schon so lange die Herren der Schöpfung waren, hieß die automatische Antwort auf jede Herausforderung ›Attacke‹! Bei den meisten Menschen war der Reflex ›kämpfen oder fliehen‹ ständig auf ›kämpfen‹ geschaltet, und wenn diese Reaktion auch in emotionaler Hinsicht befriedigend war, war sie dennoch geeignet, alles Leben auf der Erde auszulöschen.

Einfach aus dem Grund, weil die menschliche Rasse nicht die Macht hatte, die Broa herauszufordern. Die Oberherren besaßen eine Million Welten und die Menschheit nicht mehr als ein Dutzend, wobei elf noch dazu am Tropf der Erde hingen. Verglichen mit den Broa war die Menschheit ein Käfer, der frontal auf einen dahinrasenden Lkw zuflog.

In einer Hinsicht hatte Mark Rykand jedoch recht. Die einzige Verteidigung der Menschheit lag in ihrer Anonymität. Und Mikhail Vasloff würde schon dafür sorgen, dass sie alles in ihrer Macht Stehende unternahm, um diese Anonymität zu wahren.

Als die Ausschussmitglieder zurückkamen, rief Vorsitzender Hulsey sie mit einem Hammerschlag zur Ordnung und stellte Vasloff vor, bevor er ihm das Wort erteilte.

»Ich danke Ihnen, Herr Vorsitzender, und Ihnen, den Mitgliedern dieses Ausschusses«, sagte er mit rhetorisch geschulter Stimme. »Ich weiß die Gelegenheit zu schätzen, die Sie mir an diesem Nachmittag eingeräumt haben. An dieser Stelle möchte ich Ihnen auch nochmals dafür danken, dass Sie mich aus PoleStar befreit haben, wo man mich widerrechtlich festgehalten hatte, um mich am Reden zu hindern.

Bevor ich nun beginne, möchte ich noch einmal betonen, dass mein Disput mit Herrn Rykand nicht auf persönlichen Differenzen beruht. Unsere Differenzen sind vielmehr der unterschiedlichen Sichtweise der Welt geschuldet.

Herr Rykand ist noch jung. Er ist vom Optimismus der Jugend beseelt. Für ihn ist ein Sieg über die Herren der Galaxis nur eine Aufgabe wie jede andere auch. Ich bin indes älter und erfahrener in, sagen wir, den unangenehmen Realitäten des Lebens. Deshalb sind die Alten auch pessimistischer als die Jungen. Denn wir sind öfter enttäuscht worden.

Wenn Herr Rykand nun seinen großartigen Plan für die Niederwerfung der Broa präsentiert, sage ich ›Bravo!‹. Falls für einen solchen Plan auch nur die geringsten Erfolgsaussichten bestehen, werde ich ihn begeistert unterstützen. Leider sprechen die Fakten gegen uns. Sein Plan hat nicht die geringsten Erfolgschancen. Irgendwann wird irgendwas schiefgehen, und die Broa werden die Position der Erde entdecken. Sie werden eine Armada entsenden, um uns zu unterwerfen, wir werden uns tapfer wehren, und am Ende werden wir vernichtet werden.

Diese Fakten mögen unangenehm sein, aber sie sind dennoch Fakten. Die Broa sind nun einmal die Herren der Galaxis. Hunderttausende Spezies sind ihnen untertan. Ganz egal, wie tapfer und kampfstark unsere Soldaten auch sind, der Tag wird kommen, an dem die Broa diese Welt entweder besetzen oder sie zerstören. Dies geht aus den Klys’kra’t-Daten kristallklar hervor. Herr Rykand hat eine Anzahl von Szenen gespeichert, die das Schicksal aufständischer Welten plastisch veranschaulichen. Sie umkreisen nun als Schlackehaufen ihre jeweiligen Sterne.«

Er wartete ein paar Sekunden, bis die Anwesenden das mental visualisiert hatten, und fuhr dann fort.

»Es ist kein ruhmreiches Ende, das kann ich Ihnen sagen. Deshalb gibt es für die menschliche Rasse nur Sicherheit, indem sie sich möglichst bedeckt hält. Die Erde und die Broa existieren seit Tausenden von Jahren nebeneinander her. Nur dass wir das bisher nicht gewusst haben. Wenn wir uns auf unseren Teil des Weltraums beschränken und sie sich auf ihren, bin ich sicher, dass wir für immer in friedlicher Koexistenz mit ihnen leben können.

Und um das zu erreichen, sage ich, dass wir alles in unseren Kräften Stehende tun müssen, um ihre Aufmerksamkeit nicht zu erregen. Und dies erfordert einige unangenehme Maßnahmen auf unserer Seite.

Wir müssen uns ins Sonnensystem und auf die Erde zurückziehen. Wir müssen das Radiorauschen reduzieren, das wir ins All abstrahlen. Die frühesten TV- und Radiosignale haben sich schon weit entfernt und entfernen sich immer weiter, sind aber relativ schwach im Vergleich zur heutigen Sendeleistung. Die Sünden der Vergangenheit vermögen wir nicht mehr zu heilen, aber wir sollten sie wenigstens nicht fortsetzen. Indem wir die Energiequellen abschirmen und elektromagnetische Emissionen reduzieren, können wir verhindern, dass die Erde zu einer Funkboje am broanischen Himmel wird.«

»War es das?«, fragte der Vorsitzende.

»Mitnichten, Sir«, entgegnete Vasloff. »Die Reduzierung der Emissionen ist nur der erste Schritt. Wir müssen darüber hinaus auch unsere interstellaren Kolonien aufgeben. Sie hinterlassen eine zu deutliche Spur, als dass man sie übersehen könnte. Trotz der Größe des Weltraums ist es exponenziell leichter, eine über ein ganzes Sternsystem verteilte Zivilisation zu finden, als einen einzigen Stern ausfindig zu machen.«

»Was, wenn die Kolonisten sich weigern, ihre Kolonien aufzugeben?«

»Dann müssen wir sie eben zwingen. Wir dürfen nicht zulassen, dass ein paar selbstsüchtige Individuen die gesamte menschliche Rasse gefährden.«

»Sonst noch etwas?«

Vasloff hob in einer Geste der Resignation die Hände und drehte die Handflächen nach vorn. »Die Liste wäre endlos. Nachdem die Kolonien aufgegeben wurden, müssen wir alle Spuren unserer Anwesenheit von den Oberflächen dieser Planeten beseitigen. Zum Glück sind unsere Brückenköpfe noch so klein, dass dies bei den meisten Kolonien nicht schwierig sein wird. Und nachdem die Kolonisten hierher zurückgekehrt und alle Spuren verwischt wurden, werden wir auch unsere Sternenschiffe aufgeben müssen. Es wäre aber nicht damit getan, sie nur einzumotten; wir müssen sie vielmehr restlos zerstören.«

»Und weshalb?«

»Um das zu verhindern, was im Neu-Eden-System bereits geschehen ist. Wenn wir zulassen, dass Sternenschiffe diesen Teil des Weltraums durchstreifen, besteht eine viel höhere Wahrscheinlichkeit einer Begegnung mit einem broanischen Schiff, als wenn unsere Schiffe nicht unterwegs wären.«

»Ihre Vorschläge«, sagte Vorsitzender Hulsey, »laufen jedoch auf die Art von totalitärem Staat hinaus, den wir eigentlich überwunden glaubten.«

»Das wäre auch nicht totalitärer als der Militarismus, den Herr Rykand propagiert, aber auch nicht weniger. Mir gefällt diese Vorstellung genauso wenig wie Ihnen, aber die Sicherheit der Menschheit ist wichtiger als meine persönliche Meinung.«

Vasloff setzte seinen Vortrag noch für eine Stunde fort, und dann durften die Wissenschaftler ihre Stellungnahme abgeben. Viele unterstützten Mark Rykands Gibraltar-Erde-Plan, aber nicht alle. Die Sonne war längst untergegangen, und den Anwesenden knurrte schon der Magen, als die Anhörung schließlich ein Ende fand.

Schließlich beendete der ehrenwerte Tony Hulsey die Anhörung mit einem Hammerschlag. Es war eine verwirrte Gruppe von Parlamentariern, die den Sitzungssaal durch eine Tür verließ, und eine niedergeschlagene Gruppe von Zeugen, die ihn durch eine andere Tür verließ.

»Niemand hat gesagt, dass es leicht werden würde«, sagte Mark zu Lisa, als sie den schwarzen Turm verließen und auf die Straße hinaustraten.