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Statt auf den Mietwagen hätte Jan auf das andere Ende der Straße achten sollen, dann hätte er Jana im Licht der Scheinwerfer gesehen.
Mehr als eine Viertelstunde hatte sie dort gestanden und gezögert. Sie hatte sich unter einen freien Carport gestellt und Jans Haus durch die Regenschleier beobachtet – unschlüssig, ob sie seiner Einladung wirklich folgen sollte oder nicht.
In ihr hatte ein gewaltiges Durcheinander geherrscht. Einerseits hatte sie eine unbeschreibliche Freude empfunden, ihm nun endlich in der realen Welt gegenübertreten zu können. Sie hatte eigens dafür Blumen mitgebracht, die ihm sicherlich gefallen hätten – ein Strauß roter Tulpen, den sie aus einer der Vasen am Kircheneingang entwendet hatte –, und das Verlangen nach Jans Nähe war nahezu überwältigend gewesen.
Sie hatte sich vorgestellt, wie es sein würde, wenn sie zusammen waren – endlich richtig zusammen, nicht nur in der anderen Welt, in der es nichts Physisches gab – und es war eine wundervolle Vorstellung gewesen.
Doch andererseits hatte sie sich auch vor dieser Begegnung gefürchtet. Besonders vor Jans Reaktion, wenn er sie sah. Wenn er sie erkannte.
Aber gerade, als sie sich dazu entschlossen hatte, nicht zu kneifen, und es nur noch eine allerletzte Überwindung gekostet hätte, weiterzugehen und an seiner Tür zu klingeln, war sie gekommen.
Sie!
Das Miststück!
Diese dreckige Schlampe!
Ja, sie hatte genau gesehen, was diese Nutte getan hatte. Sie hatte ihn geküsst, und vor allem hatte sie ihn angefasst. Noch dazu an einer Stelle, die unrein war!
Mit Genugtuung hatte Jana gesehen, dass es ihm nicht recht gewesen war. Nein, mehr noch, er musste es förmlich gehasst haben. Er hatte sich davor geekelt, so wie sie.
Du bist einfach zu gut für diese Welt, mein Liebling. Statt nur vor ihr zurückzuweichen, hättest du sie anschreien sollen. Du hättest diesem verdorbenen Weibsstück in ihr verfluchtes Nuttengesicht schlagen sollen!
Es hatte so wehgetan, das ansehen zu müssen. Vor allem jetzt, wo er ihr sogar in der realen Welt seine Liebe gestanden hatte. Für Jana war es gewesen, als habe man ihr das Herz bei vollem Bewusstsein aus dem Leib gerissen. Ein Schmerz, den sie mit jeder Faser ihres Körpers spürte.
Leise weinend hatte sie beobachtet, wie das Miststück zurück zu ihrem Wagen gegangen und gleich darauf an ihr vorbeigefahren war. Diese Hure hatte sie nicht einmal wahrgenommen, und Jana hatte ihr nachgesehen und dabei die Tulpen mit beiden Händen zerdrückt, bis nur noch ein undefinierbares Knäuel aus Blättern, Blüten und Stängeln in ihren Fäusten zurückblieb.
»Nein«, flüsterte sie. »Nein, nein, nein.«