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Stimmen, die ihn durch einen Alptraum begleiteten.
Ich habe einen Menschen
getötet.
Da hat Gott Ihnen eine schwere Prüfung auferlegt,
Felix.
Ich habe einen Menschen getötet.
Einen Menschen.
Getötet.
Eine schwere Prüfung.
Schwitzend und stöhnend wand sich Felix Thanner auf der Wohnzimmercouch, während er in einer anderen Welt – jener Traumwelt, die das Unterbewusstsein gelegentlich aufsucht, um all das aufzuarbeiten, was wir im wachen Zustand von uns weisen – die Hand auf den schmiedeeisernen Türgriff des Kirchenportals legte und dessen unangenehme Kälte spürte. Er zögerte, dann drückte er die Klinke nieder und öffnete die schwere Eichentür, die sich mit knarrenden Angeln vor ihm auftat.
Im Inneren der Christophorus-Kirche empfing ihn der vertraute Geruch nach Stein, Weihrauch und dunklem Holz. Kaltes Mondlicht fiel durch die Mosaikfenster und tauchte die Bankreihen in einen kaleidoskopartigen Schimmer.
Thanner schauderte. Um ihn herum herrschte gespenstische Stille, doch dann drang vom Altar ein leises Flüstern zu ihm her.
Er folgte dem Flüstern zum Mittelgang, und dann sah er die Frau. Sie kniete auf den Stufen, die zum Tabernakel emporführten, und hatte ihm den Rücken zugewandt. Ihr langes blondes Haar schien im Zwielicht der nächtlichen Kirche beinahe weiß.
»Wer sind Sie?«, fragte er. Seine Stimme war belegt, die Worte kamen nur heiser heraus.
Die Frau verharrte in ihrer Haltung. Sie sah sich nicht zu ihm um und flüsterte weiter.
»Wer sind Sie?«, wiederholte Thanner seine Frage, und als die Frau noch immer nicht reagierte, ging er weiter auf sie zu.
Je näher er ihr kam, desto mehr konnte er sie riechen. Ein strenger Geruch, wie nach verbranntem Holz, der ihm bei jedem weiteren Schritt mehr in die Nase stieg.
Als er unmittelbar hinter ihr stand, war der Gestank beinahe unerträglich. Es war, als hätte diese Frau eine Ewigkeit in einer Räucherkammer zugebracht.
Er sah zurück zur Empore. Dort oben, in der Dunkelheit zwischen den Geländerpfosten, hielt ein verborgenes elektronisches Auge über ihn Wacht. Es zeichnete jede seiner Bewegungen auf. Es sah, wie er sich wieder der Frau zuwandte. Es hörte, wie er sie erneut ansprach.
Wer – sind – Sie?
Der Autofokus der Kamera würde die Schärfe regulieren, wenn Thanner den Arm ausstreckte, seine zitternde Hand auf die Frau zubewegte, sie auf ihre Schulter legte und mit sanfter Bestimmtheit zu sich herumdrehte.
Doch dieses elektrische Auge konnte nicht spüren, wie es sich anfühlte, die Frau zu berühren. Der Körper unter ihrem Mantel war kalt und hart wie Eis. Und der Brandgeruch … Dieser ekelhafte Brandgeruch! Als sei sie auf dem Weg aus der Hölle zu ihm verkohlt.
Noch während er sie zu sich herumzog, wandte sie ihm ihr Gesicht zu. Das lange blonde Haar glitt raschelnd über den Mantelstoff, und dann konnte Thanner ihr Gesicht sehen.
Panisch wich er vor diesem Etwas zurück, das nicht länger eine Frau war. Nein, es war nie eine Frau gewesen. Weder jetzt noch jemals zuvor. Dieses Wesen war kein Mensch. Es war eine Ausgeburt der Hölle. Da gab es kein Gesicht, weder Augen noch Nase, sondern nur ein einziges riesiges Maul mit langen, rasiermesserscharfen Zähnen.
Thanner starrte in einen weit aufklaffenden roten Abgrund, aus dem ihm Gestank und gurgelnde Laute entgegendrangen.
Und dann sprang es ihn an. Es verbiss sich in seinem Gesicht, und schlagartig wurde alles dunkel.
Schreiend schreckte Thanner aus dem Alptraum hoch. Er betastete sein Gesicht, realisierte, dass er nur geträumt hatte, und ließ sich seufzend gegen die Rückenlehne der Couch sinken. Schweißperlen rannen ihm über das Gesicht. Er starrte auf das Feuer im Schwedenofen und stieß ein heiseres Lachen aus. Es war ein Lachen, das ihn selbst schaudern ließ.
Dieses Maul, das ihn zu verschlingen gedroht hatte … Ihm war klar, was es zu bedeuten hatte. Die Situation überforderte ihn. Das Wissen, das er mit niemandem teilen konnte und durfte, hatte ihm sein unheimliches Gesicht gezeigt.
Da hat Gott Ihnen eine schwere Prüfung auferlegt, Felix.
O ja, das hatte er wirklich. Und der wichtigste Bestandteil dieser Prüfung schien für Felix Thanner darin zu bestehen, nicht den Verstand zu verlieren.