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Jana stand in sicherer Entfernung und beobachtete die Trauergemeinde, die sich um Volker Nowaks Grab versammelt hatte. Eine Reihe in Schwarz gekleideter Gestalten, überdacht von einem Gedränge dunkler Schirme, auf denen unaufhörlich der Regen trommelte.
In ihrer Mitte sah sie Nowaks Mutter, die unbeweglich in ihrem Rollstuhl saß. Der größte Teil ihres wachsbleichen Gesichts war hinter einer großen Sonnenbrille verborgen. Trotz des Regenschirms, den einer der Trauergäste über sie hielt, glänzten Wasserperlen auf ihrem schwarzen Gewand, und hin und wieder bewegte sich der Gladiolenstrauß auf ihrem Schoß, wenn sie schluchzte.
Die alte Frau tat ihr leid. Am liebsten wäre sie zu ihr gegangen und hätte sie um Vergebung gebeten. Aber das wäre in mehrerlei Hinsicht nicht richtig gewesen. Immerhin war es doch nicht ihre Schuld, dass er gestorben war. Volker selbst war schuld daran. Wäre er nicht so stur gewesen, hätte sie ihm kein Haar gekrümmt. Nein, ganz bestimmt nicht.
Was sind das nur für Gedanken?, fragte etwas in ihr mit tiefer, zorniger Stimme. Soll ich dir sagen, was das für Gedanken sind? Es sind Heulsusengedanken! So etwas passt nicht zu meiner Tochter! Was hast du hier überhaupt verloren? Noch dazu am helllichten Tag!
»Nichts«, flüsterte sie. »Ich wollte doch nur …«
Es schert mich einen Dreck, was du wolltest! Was machst du, wenn dich irgendjemand sieht, hm? Nur weil du glaubst, dass du ein gutes Versteck hast, ist das noch lange kein Grund, ein Risiko einzugehen. Du riskierst ohnehin schon viel zu viel in letzter Zeit!
Sie nickte. Ja, die Stimme hatte natürlich Recht. Sie durfte kein weiteres Risiko mehr eingehen. Jetzt zählte nur noch ihr Plan.
Nur noch ihr Plan.