42. KAPITEL

Bethanne Hamlin

Bethanne war mitten in der Vorbereitung einer Party für einen achtjährigen Jungen. Todd liebte alte Westernfilme. Bethanne hatte ein Fest organisiert, bei dem sein Lieblinsheld der Dreh- und Angelpunkt war. Die Einladungen waren bereits verschickt, alle wurden gebeten, sich als Cowboy zu verkleiden. Bethanne würde ihre Gitarre mitnehmen und hatte ein paar Ballen Heu bestellt, die noch angeliefert wurden. Die Eltern waren damit einverstanden, dass hinten in dem großen Garten ein Lagerfeuer gemacht werden sollte. Nach verschiedenen Spielen würden die Jungen sich um das Feuer versammeln, um dort mit Bethanne zu singen. Um sich in die richtige Laune zu versetzen, wollte sie sich ein rotes Halstuch umbinden und ihre Cowgirl-Boots anziehen. Sie hatte sich sogar einen Sheriffstern aus Blech gekauft, den sie an ihr kariertes Hemd stecken würde.

Zu Countrymusik aus dem Radio mitsummend, rührte sie die Bohnensuppe mit Schweinefleisch auf dem Herd um. Die Bohnen waren aus der Dose, aber Bethanne hatte Raucharoma dazugemischt, damit sie schmeckten, als wären sie auf dem Feuer zubereitet.

Die Spiele gestalteten sich ein wenig aufwendiger, da sie sich alle um das Western-Thema drehen mussten. Sie hatte vor, ihre Ideen noch mal mit Andrew zu besprechen, wenn er aus der Schule kam. Ansonsten war alles fertig.

Ihr gefiel Elises Idee, eine Liste von Standard-Partys aufzustellen, dann musste sie nicht bei jedem Kind wieder von vorn anfangen. Wer hätte geglaubt, dass ihr Einfallsreichtum sie so weit bringen würde? Das einzige Hindernis bildete das fehlende Startkapital. Es war äußerst schwierig, mit dem zur Verfügung stehenden Geld zu jonglieren, alle Ausgaben für die Feste zu bestreiten und weiterhin das Haus abzuzahlen. Sie wusste nun, wie wichtig es war, ein Budget festzulegen. Die Finanzen waren knapp, aber sowohl ihr Sohn als auch ihre Tochter verstanden, dass der Party-Service wichtig war. Sie mussten alle Abstriche machen, wenn das Geschäft überleben sollte.

Das Telefon klingelte, und Bethanne nahm den Hörer ab. Mit dem kabellosen Gerät zwischen Kopf und Schulter geklemmt, rührte sie weiter. Bohnen mit Schweinefleisch waren nicht unbedingt das Teuerste auf ihrer Einkaufsliste gewesen, aber sie wollte nicht riskieren, dass sie anbrannten.

„Hier ist Bethanne“, sagte sie. Sobald sie es sich leisten konnte, würde sie sich einen eigenen Anschluss für das Geschäft legen lassen.

„Mrs. Hamlin, hier ist Gary Schroeder von der Puget Sound Security Bank.“

„Ja, bitte?“

„Wir sprachen vor ein paar Wochen kurz über einen Kreditantrag, den Sie gestellt hatten. Ich hoffe, ich störe Sie nicht gerade.“

Bethanne versuchte, sich an diesen Bankangestellten zu erinnern, aber erfolglos. Sie hatte jedes Kreditinstitut nur kurz betreten, war in Rekordzeit herein- und wieder hinausgegangen, deshalb war es nicht verwunderlich, dass sie keine Ahnung hatte, wer da gerade am Telefon war.

„Ist schon in Ordnung.“ Der Timer am Ofen gab ihr das Zeichen, dass der Geburtstagskuchen fertig war.

„Vielleicht wäre es besser, wenn Sie sobald wie möglich in unsere Filiale kämen“, schlug er vor.

„Äh.“ Bethanne hatte auch ihren Benzinverbrauch rationiert und beabsichtigte, keine unnötigen Fahrten zu unternehmen. „Wenn Sie mir sagen könnten, worum es geht, kann ich vielleicht weiterhelfen“, sagte sie. Immer noch das Telefon gegen die Schulter geklemmt, öffnete sie die Ofenklappe, zog das obere Gitter heraus und überprüfte den Kuchen, indem sie einen Zahnstocher in die Mitte steckte und wieder herauszog.

„Wir haben hier einen Scheck für Sie, Mrs. Hamlin“, erklärte der Bankangestellte freundlich.

„Einen Scheck? Haben Sie es sich anders überlegt?“

„Darüber können wir reden, wenn Sie hier sind.“

„Ich werde in dreißig Minuten da sein“, sagte sie mit klopfendem Herzen. Es war unglaublich! Sie wusste nicht, was die Bankleute letztendlich davon überzeugt hatte, dass sie ihr doch den Kredit genehmigten. Was immer es auch war, sie könnte den Mann umarmen, an den sie sich noch nicht einmal erinnerte.

Während der Kuchen auf dem Küchentresen abkühlte und die Bohnen auf der Arbeitsplatte standen, fuhr Bethanne zur Bank und stellte ihren Wagen auf dem anliegenden Parkplatz ab.

Sie entdeckte den Schreibtisch mit Gary Schroeders Namensschild und ging auf ihn zu, die Hand ausgestreckt. „Ich bin Bethanne Hamlin“, stellte sie sich vor, dann bemerkte sie, dass sie immer noch ihre Schürze trug. „Ups“, sagte sie und band sie los. „Wie Sie sehen, bin ich etwas überstürzt aufgebrochen.“

Er zeigte auf den Stuhl. „Bitte setzen Sie sich.“

Sie ließ sich auf dem Rand des Sitzes nieder.

„Danke, dass Sie so schnell gekommen sind.“

„Keine Ursache. Ich habe Sie doch richtig verstanden, oder?“ Sie blickte ihn ernst an. „Sie haben meinen Kreditantrag genehmigt?“

Er presste die Lippen zusammen. „Nein, das nicht.“

„Nein“, sagte sie entsetzt, „warum sollte ich dann den ganzen Weg hierher kommen? Ich bin sehr beschäftigt, Mr. Schroeder, auf mich wartet eine ganze Menge Arbeit, und …“ Sie war so schockiert und enttäuscht, dass ihr die Worte fehlten. Dabei hatte sie nicht nur Zeit vergeudet, die Anzeige an ihrem Benzintank befand sich auch noch im roten Bereich. Es war unfair, ihr Hoffnungen zu machen! Sie stand auf und wollte hinausstürmen, aber Mr. Schroeder hielt sie zurück.

„Sie haben kein Konto bei unserer Bank“, begann er, „und …“

„Glauben Sie mir“, unterbrach sie ihn, „ich habe auch nicht vor, eines zu eröffnen, wenn Sie so mit Ihren Kunden umgehen.“

„Mrs. Hamlin“, sagte er und hob die Hand, um sie zu beruhigen. „Es tut mir leid, wenn ich Sie verärgert habe, aber das hier ist eine ziemlich … ungewöhnliche Situation. Bitte setzen Sie sich.“

Bethanne nahm wieder Platz und versuchte, den Knoten in ihrem Hals loszuwerden.

„Heute früh bekam ich einen Anruf von jemand, der mich fragte, ob Sie einen Geschäftskredit bei unserer Filiale beantragt hätten. Ich kann Ihnen versichern, dass es nicht zu unseren Gepflogenheiten gehört, derlei Auskünfte zu geben.“

„Das hoffe ich doch.“

„Der Mann, der darum bat, ungenannt zu bleiben, wollte fünftausend Dollar auf Ihr Konto einzahlen.“

„Aber – wie Sie eben bereits erwähnten – ich habe kein Konto bei Ihrer Bank.“

„Was ich ihm erklärt habe. Dann fragte er, ob es möglich wäre, Ihnen die beantragte Kreditsumme anders zukommen zu lassen.“

„Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz.“

„Keine Sorge. So ging es mir anfangs auch.“

„Was bedeutet das also?“

„Das bedeutet, dass diese Person, die anonym bleiben möchte, beabsichtigt, Ihnen das Geld zu schenken.“

„Schenken“, wiederholte sie.

„Genau.“

Bethanne lehnte sich vor. „Mal sehen, ob ich das richtig verstanden habe. Jemand, den ich nicht kenne, will mir fünftausend Dollar geben. Wo ist der Haken?“

„Es gibt keinen.“

Noch immer wollte sie es nicht glauben. „Und das ist auch kein Missverständnis?“

Er nickte. „Die einzige Bedingung wäre, dass Sie das Gleiche für jemand anders tun, wenn Sie die Gelegenheit dazu haben.“

„Verstehe … Nun, ich denke, das würde ich tun. Irgendwie.“

„Mit anderen Worten“, fuhr er fort und schlug einen Ordner auf, „ich habe hier einen Barscheck über fünftausend Dollar für Sie.“

Für einen Moment war sie sprachlos, als ihr richtig klar wurde, was das bedeutete. Sie starrte Gary Schroeder an und konnte sich einfach nicht vorstellen, wer so etwas für sie tun sollte. Dann ging ihr ein Licht auf. Sie kannte nur eine einzige Person, die ihr auf diese Weise helfen würde, aber da sie nicht sicher war, musste sie fragen.

„Ich habe einen Bekannten … Das Geld ist nicht zufällig von einem Mann namens Paul Ormond?“

Mr. Schroeder schüttelte den Kopf. „Wie ich schon sagte, ihr Wohltäter wollte unbedingt ungenannt bleiben.“

„Aber es ist nicht Paul gewesen?“

Er lächelte. „Nein.“

Bethanne dachte weiter darüber nach, wer ihr Gönner sein könnte. Grant sah es überhaupt nicht ähnlich, so etwas zu machen. Sie war sich sicher, dass er einiges bedauerte. Doch wenn er so großzügig gewesen wäre, ihr das Geld zu geben, hätte er ganz sicher dafür gesorgt, dass sie das auch erfuhr.

„Grant Hamlin?“, fragte sie trotzdem vorsichtshalber.

Wieder schüttelte der Bankangestellte den Kopf. „Ich kann Ihnen nicht mehr sagen, aber eins dürfen Sie ruhig wissen. Der Mann, der mit uns in Kontakt getreten ist, ist kein Verwandter oder Freund von Ihnen. Ich schlage vor, Sie machen sich keine Gedanken mehr darum. Investieren Sie diese Summe wohlüberlegt und bestätigen Sie auf diese Weise, dass diese Person zu Recht an Sie glaubt.“

Mit dem Scheck in der Hand nickte Bethanne und stand langsam auf. „Das werde ich tun“, versprach sie. „Auf jeden Fall.“

Sie wusste nicht, wer so viel von ihren Fähigkeiten hielt, doch sie würde dieses Geschenk sehr vernünftig nutzen, wie der Mann von der Bank ihr geraten hatte. Und um die Bedingung ihres Wohltäters zu erfüllen, schwor sie sich, diese Großzügigkeit an jemand anderen weiterzugeben, sobald sie die Gelegenheit dazu hatte.