17. KAPITEL

„Die meisten von uns stricken diese Kleidungsstücke für jemand Besonderen. Während wir das tun, wächst unsere Liebe und die liebevollen Gedanken von einer Masche zur nächsten.“

(Eugene Bourgois, The Philosopher’s Wool Co. Inverhuron, Ontario
www.philosopherswool.com)

Lydia Hoffman

Dank meiner Familie überstand ich irgendwie den Vierten Juli. Matt und Margaret waren so lieb zu mir, und meine Mutter fragte mich nur ein einziges Mal nach Brad. Ich weiß nicht, was Margaret gesagt hatte, aber sein Name tauchte auf geheimnisvolle Weise für den Rest des Tages nicht mehr in unseren Gesprächen auf.

Mom erschien mir besonders still und manchmal sogar ein wenig durcheinander. Ich verbrachte so viel Zeit mit ihr, wie ich konnte. Wir redeten über den Garten, mein Wollgeschäft, eine Fernsehshow, die wir beide gesehen hatten. Doch meine Gedanken kreisten ständig um Brad – und Cody. Ich spürte meinen Kummer wie einen körperlichen Schmerz, wie einen ständigen Druck in der Brust – ich glaube, das ist damit gemeint, wenn man vom gebrochenen Herzen spricht. Ich hätte schreien können über die Ungerechtigkeit, dass Janice mit ihnen zusammen war und nicht ich. Gleichzeitig versuchte ich mir immer wieder einzureden, dass Cody seine Mutter brauchte.

Nachdem wir das gegrillte Hähnchen, den Kohlsalat und den Mais genossen hatten – ein richtiges amerikanisches Festessen –, holte ich ein Paket mit ausgesuchten Backwaren vom French Café hervor. Dazu hatte ich ein paar Sahnebaisers und Eclairs mitgebracht, Spezialitäten von Alix. Ich hoffte, dass ich sie am Freitag im Laden sehen würde. Als wir unser Dessert beendet hatten, brachte ich Mom nach Hause. Sie war zu müde, um bis zur Dunkelheit zu warten, wenn das Feuerwerk begann.

Wir versammelten uns, Matt, Margaret und ich, um das Feuerwerk zu beobachten. Und als es über der Skyline von Seattle explodierte, liefen mir die Tränen über die Wangen. Ich hatte mich niemals zuvor so einsam und verlassen gefühlt.

Ich war nicht gerade sehr unterhaltsam. Es war jetzt fast zwei Wochen her. Und ich wusste, dass ich es überstehen würde, wenn ich nicht an die Zukunft dachte, sondern mir einen Tag nach dem anderen vornahm. Wenn ich den heutigen geschafft habe, sagte ich mir, finde ich auch genug Kraft, um mich dem folgenden Tag zu stellen und dann dem nächsten.

Es half nicht unbedingt, dass Brad weiterhin die gleiche Route fuhr. Am Dienstagmorgen berichtete er Margaret, dass er um eine Änderung gebeten hätte, diese aber abgelehnt worden sei. Das glaubte ich ihm. Letztes Jahr, als ich unsere Beziehung beendet hatte, war ihm auf seine Bitte hin eine andere Strecke angeboten worden. Und später, als sich alles bei uns wieder eingerenkt hatte, wurde dies auf seinen Wunsch wieder rückgängig gemacht. Nun hatten die Verantwortlichen offensichtlich genug von dem Hin und Her. Wir würden uns also auch weiterhin über den Weg laufen.

Margarets Befinden schien sich nun, nach Wochen der Depression wegen Matts unerwarteter Entlassung, wieder gebessert zu haben. Ich wusste nicht, ob es etwas mit mir zu tun hatte. Wie auch immer, ich glaubte gern, dass Margaret, weil sie mich liebte, versuchte, meine Stimmung aufzuhellen und für eine angenehme Atmosphäre zu sorgen. Ich schätzte ihre Hilfe und diese neue Sensibilität sehr.

Außerdem benötigte ich Margaret als Puffer zwischen Brad und mir. Er war seit unserem letzten Gespräch etwa vier- oder fünfmal im Geschäft gewesen. Glücklicherweise hatte meine Schwester immer Zeit gehabt, sich um ihn zu kümmern. Das rettete mich, denn ich war noch nicht in der Lage, so zu tun, als wären wir lediglich gute Bekannte. Ich konnte nicht mit ihm sprechen, ohne meine Gefühle zu offenbaren. Und das hätte ich als noch demütigender empfunden.

Außer Margaret half mir noch die Wohlfahrts-Strickgruppe durch meine düstere Phase. Sie traf sich noch immer freitagabends, um an einigen Projekten zu arbeiten. Momentan strickten meine Freundinnen für „Warm Up America“ an Patchwork-Decken. Diese Vierecke wurden dann von Margaret zu einem Teil zusammengehäkelt. Das war ihr Beitrag zu unserer Arbeit. Die Vierecke waren leicht herzustellen, für jedes einzelne benötigte man nur kurze Zeit. Jacqueline, Carol und Alix passte das sehr gut, denn sie hatten viel zu tun und waren oft unterwegs. Es gefiel ihnen auch, dass sie die Objekte gemeinsam produzierten.

Elise wollte auch an der Strickgruppe teilnehmen, hatte sich aber bisher noch nicht sehen lassen. Ich hatte ihr etwas von der gespendeten Wolle überlassen, mit der sie zu Hause eine Decke für das Linus-Projekt strickte. Alix hatte auch ein paar Decken für das Projekt angefertigt, neben ihrem Kurs an der Seattle Cooking Academy und ihrem Halbtagsjob im French Café.

Margaret war im Laden, als die drei Frauen, die nun schon seit einem Jahr meine Freundinnen waren, am Freitagnachmittag auftauchten. Sie hatte sie genauso ins Herz geschlossen wie ich. Die Erste, die ankam, war Jacqueline.

„Da bin ich wieder“, rief sie, als sie ins Geschäft rauschte. Jacqueline brauchte stets ihren großen Auftritt. Margaret und ich waren inzwischen über ihr bühnenreifes Auftauchen sehr amüsiert, obwohl es mich früher geärgert hatte. Wie immer sah Jacqueline aus wie die Gesellschaftsdame, die sie ja auch war. Jedes Haar saß am richtigen Platz. Einmal hatte sie mir erzählt, wie wichtig ein gutes Haarspray sei. Ich hätte darüber gelacht, wenn es nicht tatsächlich ernst gemeint gewesen wäre.

Ich hatte es aufgegeben, mir zu merken, wohin Jacqueline und ihr Ehemann Reese ständig reisten. Vergangenes Jahr war es eine Kreuzfahrt zu den griechischen Inseln gewesen, eine Wandertour durch Englands Lake District, und gerade waren sie vom Lachsfang in Alaska zurückgekehrt. Das war ein langjähriger Traum ihres Mannes gewesen, wie Jacqueline berichtete. Zu meinem großen Erstaunen hatte es ihr sehr gut gefallen. Sie hatte mir sogar etwas geräucherten Lachs mitgebracht.

„Wie geht es dir?“, fragte sie und sah mich an. Ohne meine Antwort abzuwarten, zog sie mich fest in die Arme.

„Gut“, log ich.

Sie nahm am Tisch Platz und zog ihr Strickzeug hervor. Ihr Viereck bestand aus extra gewaschener, handgefärbter Wolle zu vierzehn Dollar das Knäuel, aber das war typisch Jacqueline. Geld war kein Thema. Und in ihrer Großzügigkeit kaufte sie immer selbst die Wolle für die Wohltätigkeits-Projekte, statt von mir die gespendeten Reste anzunehmen.

„Wie ich sehe, bin ich die Erste hier“, sagte sie, während sie sich umblickte. Das war sehr ungewöhnlich. „Also, ich habe wunderbare Neuigkeiten, und du erfährst sie zuerst.“ Sie lächelte strahlend. „Tammy Lee ist wieder schwanger! Reese und ich sind ganz aufgeregt!“

Ich erinnere mich, wie sie anfangs sehr energisch gegen ihre Schwiegertochter aus dem Süden gewettert und sie sogar als Schlampe und Bruthenne bezeichnet hatte. Meine Freundin war inzwischen eines Besseren belehrt worden, dank Tammy Lees Geduld und ihrer liebenswerten Persönlichkeit – wie Jacqueline mittlerweile zugeben würde. Sie betete ihre kleine Enkeltochter Amelia an, und ich war sicher, dass sie das Gleiche für das neue Baby empfinden würde.

„Es wird ein Mädchen, und wir erwarten es im Februar um den Valentinstag.“ Ihre Augen strahlten. „Ist das nicht perfekt?“ Wieder lächelte sie strahlend. „Ich will mir nachher mal deine Babymuster ansehen. Da gibt es noch eine Menge zu stricken!“

Noch während wir lachten, wurde die Tür geöffnet, und Carol kam herein. Ich war überrascht, sie allein zu sehen.

„Wo ist Cameron?“, wollte ich wissen. Ihr kleiner Sohn war ein Wunder, das ihnen letztes Jahr widerfahren war. Carol und Doug hatten verzweifelt versucht, ein Baby durch In-vitro-Befruchtung zu bekommen – erfolglos. Inzwischen hatten sie ein Kind adoptiert, das ihr ganzes Glück bedeutete. Das verdankten sie Alix, deren damalige Mitbewohnerin ungewollt und sehr unglücklich schwanger gewesen war und das Baby nicht hatte haben wollen.

„Doug hat einen freien Tag, deshalb ist Cam bei seinem Daddy“, erklärte Carol, während sie sich neben Jacqueline setzte. Sie begrüßten sich, und Carol holte ihr Strickzeug heraus. Es war schön, sie zu sehen. Da sie ein Kleinkind zu versorgen hatte, konnte sie nicht jede Woche dabei sein. Wenn sie kam, dann war das während Camerons Mittagsschlaf. Sie stellte dann den Kinderwagen neben den Tisch und blieb nur so lange, bis der Kleine aufwachte. Der Junge war ihre größte Freude im Leben, er machte sie unglaublich glücklich. Sie hatte mir erzählt, dass Doug und sie sich zurzeit näher waren als je zuvor. Beide waren voller Hingabe mit dem Kleinen beschäftigt. Ich wollte ihr sagen, sie solle diese Freude bis zum Letzten auskosten, denn – wie ich vor zwei Wochen erfahren hatte – das Glück kann so schnell wieder vergehen.

Carols Stricknadeln klickten leise aneinander, als sie mit geübten Fingern an ihrem Teil der Decke arbeitete. Sie ging sehr selbstbewusst an die Handarbeit heran und scheute keine Herausforderung. Ich hatte ihr die Technik mit zwei Nadeln zum Sockenstricken gezeigt, und den Rest hatte sie sich mehr oder weniger selbst beigebracht. „Ich habe neulich wieder was von meinem Bruder gehört“, berichtete sie mit leicht gerunzelter Stirn. „Er hat noch einmal geheiratet.“

„Hat er euch nicht zur Hochzeit eingeladen?“

„Nein. Wir haben’s erst hinterher erfahren.“

So wie sie das sagte, wusste ich, dass Carol von ihm enttäuscht war. Sie hatte mir bereits vorher einiges über Rick anvertraut, und ich vermutete, dass er ziemlich unreif und nicht sehr gefestigt war. Als Pilot ließ er sich ständig auf ein Techtelmechtel mit den Stewardessen oder anderen Frauen ein, die er auf seinen Reisen traf. Seine Untreue hatte seine Ehe mit einer Frau ruiniert, die Carol sehr schätzte.

„Ich hoffe, diesmal hält es länger als beim ersten Mal“, fügte Carol hinzu. „Doug und ich haben ihnen nachträglich ein Hochzeitsgeschenk geschickt. In letzter Zeit hören wir kaum noch was von Rick.“ Mit anderen Worten, sie rannte nicht täglich zum Briefkasten, in der Hoffnung, eine Dankeskarte von ihm zu erhalten.

Sie wollte gerade noch etwas erzählen, als die Tür erneut geöffnet wurde und Alix hereinkam.

„Alles klar?“, rief sie auf den Begrüßungschor hin. Alix ist … einzigartig. Als sie sich für den Kurs einschrieb, dachte ich wirklich, ich hätte mich mit einer Kriminellen eingelassen. Das Erste, was Alix mir damals erzählt hatte, war, dass sie die Babydecke nur strickte, um so ihre gerichtlich verordneten Arbeitsstunden zum Wohle der Allgemeinheit zu absolvieren. Dann wollte sie wissen, ob Stricken auch bei der Aggressionsbewältigung helfen könnte. Trotz einiger unangenehmer Momente zu Beginn wissen wir sie inzwischen alle zu schätzen. Die Zeit und die Liebe hatten ihre rauen Kanten abgeschliffen. Letztes Jahr hatte sie eine Beziehung mit Jordan begonnen, ein Jugendpfarrer, den sie seit ihrer Schulzeit kannte. Ich wusste, dass es den beiden ernst war. Und es würde mich nicht überraschen, wenn Alix in nächster Zukunft ihre Verlobung bekannt gäbe.

Sie sah mir in die Augen. „Ich weiß das von Brad. Wenn du willst, könnte ich ihm einen Denkzettel verpassen.“

Ich wusste nicht, ob sie es ernst meinte oder scherzte, deshalb lachte ich oder versuchte es zumindest. Ich versicherte ihr genauso wie Jacqueline: „Mir geht es gut.“

„Ganz bestimmt?“

Ich schluckte schwer und nickte.

Alix nahm sich einen Stuhl und setzte sich mit ihren Nadeln und der Wolle an den Tisch. Ich nahm am Ende Platz und machte mit der Arbeit weiter, die ich vor einer Woche begonnen hatte. Dann lächelte ich meinen Freundinnen zu und versuchte mir vorzustellen, wie die Decke für „Warm Up America“ aussehen würde, an der sie gerade strickten. Jacqueline mit ihren lavendel- und pinkfarbenen extra gewaschenen Wollpatches, Carols Vierecke aus dem hübschen babyblauen Faden, den ich ihr aus meinem Bestand überlassen hatte, und Alix’ bunte Grün-Gelb-Mischung aus übrig gebliebener Wolle, die meine Kunden gespendet hatten.

„Ich habe heute Morgen eine Génoise gebacken“, verkündete Alix stolz. „Die sind wirklich schwer hinzukriegen – sehr empfindlich. Sie ist perfekt geworden. Und hat sich sofort verkauft.“

„Das ist ja wunderbar“, rief Jacqueline. „Ich werde eine für das Geschäftsessen nächste Woche bestellen.“

„Für dich ist es umsonst. Ich werde sie zu Hause backen.“ Alix wohnte noch immer in der Haushälterwohnung, die zu dem Anwesen von Jacqueline und Reese gehörte. Ursprünglich war sie angestellt worden, um bei der Hausarbeit zu helfen. Doch mit dem Kurs und dem Halbtagsjob war es zu viel für sie geworden. Jacqueline hatte eine andere Frau engagiert, die tagsüber kam. Trotzdem blieb Alix bei den Donovans wohnen und kümmerte sich um das Haus, wenn Jacqueline und Reese auf Reisen gingen.

„Stellt euch das nur vor“, sagte Alix, „ich trete meinen ersten richtigen Job als Konditormeisterin an, und es ist in dem gleichen Laden, in dem ich vorher schon gearbeitet habe. Nur dass es diesmal kein Videogeschäft, sondern ein spitzenmäßiges Café ist.“

„Und Reese und ich haben nichts damit zu tun, dass sie diese Stelle bekommen hat“, erinnerte Jacqueline die anderen. „Alix wurde wegen ihrer Fähigkeiten genommen.“

„Darauf kannst du wetten. Jeder, der meine Eclairs und Sahnebaisers gekostet hat, würde das bestätigen.“

„Hör bloß auf, von den Eclairs zu reden“, flehte Jacqueline und schloss kurz genüsslich die Augen. „Ich mache eine neue Diät und lasse die Desserts aus – es sei denn, ich bin zu einer Dinner-Party eingeladen.“

„Apropos Diät“, sagte ich und wechselte das Thema. „Ich habe ein junges Mädchen in meinem Socken-Kurs, Courtney, das strickt, um abzunehmen.“ Ich lachte, während ich das sagte. „Es funktioniert so, dass sie, während sie strickt, nicht in die Küche schleichen kann, um den Kühlschrank zu plündern. Und sie hat tatsächlich ein paar Pfund abgenommen.“

„Hmm, klingt nicht mal so abwegig“, murmelte Jacqueline. „Halte uns auf dem Laufenden.“

„Courtney geht in die Abschlussklasse der Highschool“, sagte ich. „Erinnert sich irgendjemand an Vera Pulanski? Courtney ist ihre Enkeltochter.“

Jacqueline nickte. „Vera hat mir ihr Schalmuster gegeben.“

„Courtney wohnt dieses Jahr bei ihr.“

„Was hält sie denn davon?“, erkundigte sich Alix. „Es ist ziemlich hart, so viel umziehen zu müssen. Ich weiß, wie das ist.“

„Es geht so weit“, versicherte ich ihr.

„Hat sich noch irgendjemand Interessantes für den Kurs gemeldet?“, fragte Carol, die ihre erste Reihe fertig hatte.

Ich zögerte, bevor ich von Bethanne erzählte. „Eine Frau, die kürzlich geschieden wurde und sich noch nicht richtig selbst gefunden hat.“ Unwillkürlich machte ich mir Sorgen um sie. Bethanne hatte erwähnt, dass sie dringend eine Arbeit brauchte. Doch offenbar war bislang nichts, das ich oder andere vorgeschlagen hatten, das Richtige für sie. Auf mich wirkte sie depressiv, ohne richtige Ziele und Interessen. Das Einzige, was sie noch am Leben hielt, waren ihre beiden Kinder im Teenageralter, die in wenigen Jahren aus dem Haus sein würden. Dann wäre sie vollkommen allein.

„Dann ist da noch Elise.“

„Ist das die pensionierte Bibliothekarin?“, fragte Carol.

„Ja.“ Ich legte meine Arbeit beiseite und nahm Maschen für ein neues Viereck in einer Mischung aus Acryl- und Naturwolle auf, die mir ein Vertreter gegeben hatte. „Sie kam mir zuerst ein bisschen unfreundlich vor, aber das hat sich dann geändert. Ich glaube, sie ist einfach … zurückhaltend. Wahrscheinlich hat sie nicht viele Freunde.“

„Hast du ihr von meinem Geburtstagsclub erzählt?“, wollte Jacqueline wissen. „Sie ist herzlich eingeladen, bei uns mitzumachen.“

Ich hätte mir denken können, dass meine Freundin sofort bereit wäre, Elise in ihre Kreise aufzunehmen. „Ich glaube kaum, dass sie zu dem Country-Club-Typ zählt“, entgegnete ich.

„Das macht nichts. Es ist einfach eine gute Gelegenheit, einmal im Monat auszugehen und zu feiern. Und wenn in einem Monat mal keine aus der Gruppe Geburtstag hat, suchen wir uns einen Star oder eine berühmte Autorin aus. Wir haben eine Menge Spaß dabei.“ Sie kicherte so albern und ausgelassen wie ein Schulmädchen. Manchmal war es schwierig, sie mit der etwas spießigen, wohlhabenden Frau in Zusammenhang zu bringen, die vor einem Jahr zu mir in den Kurs gekommen war. Diese Veränderung kam sicher daher, dass meine Freundin die Liebe zu ihrem Mann wiederentdeckt hatte und ihrer Schwiegertochter nähergekommen war.

„Ich werde es Elise sagen“, versprach ich. Doch ob sie Interesse haben würde, wusste ich nicht. Ich wurde noch nicht ganz schlau aus ihr. Sie war verschlossen und redete nicht viel über sich, als hätte sie Angst, sich anderen Leuten so zu zeigen, wie sie war. Wie auch immer, wenn sie ihre Tochter und ihre Enkel erwähnte, hellte sich ihr Gesicht jedes Mal auf.

Während der letzten Stunde war sie zunächst sogar noch zugeknöpfter gewesen als sonst. Als ich versuchte, sie in die Unterhaltung mit einzubeziehen, hatte sie nur müde gelächelt und sich mit der Begründung entschuldigt, dass sie wohl nicht auf der Höhe sei. Später aber hatte sie tatsächlich etwas von sich erzählt. Ihr Exmann sei zu Besuch, berichtete sie uns, und habe angekündigt, hierherzuziehen. Elise schien von der Aussicht nicht begeistert zu sein, dass der Mann, der sich die ganzen Jahre kaum um seine Tochter gekümmert hatte, nun am Familienleben teilhaben wollte.

Die Türglocke klingelte, und da es Freitag war, befürchtete ich schon, es wäre Brad. Ich würde es Margaret überlassen, ihn in Empfang zu nehmen. Sie hatte den ganzen Nachmittag die Kunden bedient. Sicher ahnte sie, dass ich diese Pause brauchte, dass die Zeit im Kreise meiner Freundinnen mir guttat. Ich seufzte erleichtert, als ich Elise sah. „Gerade habe ich von dir erzählt“, sagte ich zu ihr und begrüßte sie herzlich.

Sie blickte etwas schüchtern zu den Frauen am Tisch. Ich stellte sie der Runde vor. Jacqueline zog schnell ihre Handarbeitstasche zur Seite und räumte einen Platz neben sich frei. „Lydia meint, du wärst vor Kurzem in Pension gegangen. Ich würde meinen, es wird höchste Zeit, in unseren Geburtstagsclub einzutreten.“ Sie schwieg einen Augenblick, bevor sie die Frage stellte: „Wann hast du denn Geburtstag?“

„Im Januar.“ Elise schien sich nicht sicher zu sein, was sie von Jacquelines Einladung halten sollte. „In meinem Alter ist es wohl keine gute Idee, so viel Tamtam um das Älterwerden zu machen.“

Jacqueline lächelte. „Machst du Witze? Jedes neue Jahr ist ein Grund zum Feiern. Es wird dir gefallen, ich verspreche es dir. Unser nächstes Treffen findet Donnerstagmittag statt. Ich werde zu dir kommen und dich abholen. Das Leben sollte gelebt werden, sag ich immer.“

„Ich … ich kenne doch niemanden da. Und … was ist mit den Kosten? Wie viel muss man da bezahlen?“

„Du kennst mich zum Beispiel“, widersprach Jacqueline. „Und dein erstes Mittagessen geht auf meine Kosten, weil wir deinen Geburtstag nachfeiern.“ Als Elise weitere Einwände vorbringen wollte, redete Jacqueline mit ihrem entschiedenen Ton auf sie ein, den wir alle schon kannten. „Du kommst mit, alles klar? Ausreden gelten bei mir nicht.“

„Na gut“, sagte Elise, aber so richtig überzeugt schien sie nicht zu sein.

Ich lächelte, weil mich die Herzlichkeit meiner Freundin rührte. Die Türglocke ging erneut, und als ich hochsah, stand Brad dort. Wie schon befürchtet … Das angenehme Gefühl war sofort verschwunden, doch ich hätte mir keine Sorgen zu machen brauchen.

Margaret sah mich an. „Ich kümmere mich darum“, murmelte sie.

Alix runzelte die Stirn und lehnte sich zu mir vor. „Ich kann ihm einen Denkzettel verpassen. Ich kenne ein paar Leute. Du brauchst nur einen Ton zu sagen.“

Ich wusste immer noch nicht, ob sie scherzte oder es ernst meinte, und musste immer wieder zu Brad hinübersehen. Dann schüttelte ich den Kopf. Er sah genauso miserabel aus, wie ich mich fühlte. „Das wird wohl nicht nötig sein“, versicherte ich Alix. Er litt offensichtlich bereits genug, ohne dass sie nachhalf. Das taten wir beide.