36. KAPITEL
Bethanne Hamlin
Bethanne hatte drei Partys in dieser Woche vorzubereiten und ging sorgfältig die zur Verfügung stehende Summe für jede einzelne durch. Ihre finanzielle Situation würde bis zum Eintreffen der nächsten Unterhaltszahlung von Grant und dem Honorar für die Feste ziemlich eng werden. Wenn sie die Kosten für die Partys mit ihrem schrumpfenden Girokonto beglich, hieß das, sie hatte bis zum Wochenende kaum noch Bargeld zur Verfügung. Was wiederum bedeutete, dass sie die Lebensmitteleinkäufe verschieben musste. Sie wagte es nicht, ihre Kredit-Karte zu benutzen, um Partyzubehör zu kaufen, da sie bereits deren Limit erreicht hatte. Eigentlich konnte sie immer noch mit Schecks bezahlen. Das Problem dabei war nur, dass sie diese in der Hoffnung ausschreiben musste, dass sie erst in ein paar Tagen eingelöst würden. Das war ein komplizierter Balanceakt, zumal ihr Einkommen immer noch niedriger war als ihre Ausgaben.
Unglücklicherweise brauchten Annie und Andrew ständig Geld für das eine oder das andere. Ihre Ausgaben für die Schule waren unumgänglich, und sie konnte die beiden nicht vertrösten. Diese Beträge, dazu die Haushaltungskosten und die Ausgaben für das Geschäft – das war tatsächlich eine Herausforderung.
Das Telefon klingelte, und obwohl sie gehofft hatte, dass es eine weitere Partybuchung wäre, zeigte das Display die Nummer ihrer Bankfiliale. Sie griff nach dem Hörer und betete, dass der Mitarbeiter der Darlehensabteilung seinen Fehler bemerkt hatte und nun anrief, um ihr doch einen Kredit anzubieten.
Vor ein paar Jahren war Grant mit ihr nach Las Vegas gefahren, und sie hatten Reiseschecks mitgenommen, die mehr wert gewesen waren als die Summe, die sie sich leihen wollte. Las Vegas? Die Reise damals war eine Überraschung von Grant gewesen, und Bethanne hatte sich sehr darüber gefreut. Aber im Licht dessen, was sie inzwischen erfahren hatte, nahm sie an, dass Grant ihr dieses Geschenk nur gemacht hatte, um sein Gewissen zu beruhigen.
„Hallo“, meldete sie sich so gut gelaunt wie möglich. „Hier ist Bethanne Hamlin.“
Ihr Lächeln verschwand augenblicklich, als ihr der Bankangestellte mitteilte, dass ein Scheck, den sie für die lokale Tankstelle ausgeschrieben hatte, nicht gedeckt war. Früher hatte die Bank ihr einen Überziehungskredit genehmigt, um kleinere Summen abzudecken, doch das tat sie nun offenbar nicht mehr. Dazu kam, dass die Tankstelle fünfundsiebzig Dollar Gebühren für den geplatzten Scheck forderte.
„Fünfundsiebzig Dollar!“, rief sie außer sich. „Sie machen Witze.“
„Ich versichere Ihnen, dass es ernst gemeint ist.“
„Wie viel … kostet mich das jetzt alles?“ Ein voller Tank Benzin belief sich normalerweise um die fünfundzwanzig Dollar; nun kamen die Bankgebühren und die fünfundsiebzig Dollar der Tankstelle dazu.
Die Summe war erschütternd. „Wie viel?“, rief sie.
„Wann können Sie das Geld einzahlen?“, wollte der Mann wissen.
„Ich … ich …“ Sie hatte es nicht, sie hatte es ganz einfach nicht. Das Einzige, was ihr blieb, war, einen Ring oder zwei zum Pfandhaus zu bringen und zu sehen, was sie dafür bekam. „Ich werde heute Nachmittag etwas einzahlen“, versprach sie leise und fühlte sich gedemütigt.
Der Bankangestellte war kein Ungeheuer – er tat nur seinen Job –, aber Bethanne verfiel in Panik. Sie rannte die Treppe hoch, holte ihren Schmuckkasten und ging all ihre Habseligkeiten durch – was nicht viel war.
Warum nur, warum hatte Grant ihr nicht ein Diamantarmband geschenkt statt dieser dummen Reise nach Las Vegas? Das Armband hätte sie jetzt zu Geld machen können, aber der Trip war pure Verschwendung gewesen. Grant war das ganze Geld, das sie mitgenommen hatten, beim Spielen losgeworden. Diese Erfahrung konnte ihn nicht davon abhalten, wieder dorthin zu fahren, dachte sie bitter. Er hatte Tiffany in Las Vegas geheiratet. Bethanne ertappte sich dabei, dass sie hoffte, er würde auf ganzer Linie verlieren – in mehr als einer Hinsicht.
Diese negativen Gedanken taten ihr nicht gut, aber sie war verzweifelt. Es blieb ihr kaum etwas anderes, als den Schmuck zu verpfänden. Annie und Andrew hatten auch jeder ein Bankkonto und könnten ihr womöglich die Summe leihen, die sie benötigte. Das war sicher besser, als Grant zu fragen. Aber … Sie würde nichts von allem tun. Eher würde sie der Bank ihr Haus überlassen, als dass sie ihren Exmann jemals wieder nach einem Cent fragte. Sich etwas von der Familie zu leihen, besonders von ihren Kindern, oder von Freunden, kam nicht infrage. Sie hatte ihren Stolz – offensichtlich eines der wenigen Dinge, die sie noch besaß.
Nach langer Überlegung wählte Bethanne ihren Ehering – er war mittlerweile ja ohnehin nutzlos und ohne Bedeutung – und einen kleinen Saphirring, dazu ein paar goldene Ohrringe. Sicher würde ihr das genug einbringen, um zumindest den Scheck und die Gebühren für die Tankstelle abzudecken.
Es machte sie ganz krank, wie wenig sie letztendlich für den Schmuck bekam. Aber es reichte, um den Rückstand bei der Bank auszugleichen. Das war eine gute Lektion gewesen. Sie konnte nicht einfach Schecks über eine Summe ausschreiben, die sie noch nicht besaß, egal wie bald sie das Geld erwartete.
Als sie aus dem Bankgebäude kam, wäre sie fast mit ihrem Exmann auf dem Parkplatz zusammengeprallt. Sie wurde knallrot, als könnte Grant ihr den Grund ihres Besuchs hier von der Stirn ablesen.
„Bethanne.“ Er hielt sie bei den Schultern fest.
„Grant.“ Sie war nicht sicher, wie sie reagieren sollte. „Hallo … Ich habe eben …“ Sie unterbrach sich, um sich nicht zu blamieren. Das ging ihn nichts an.
„Du siehst gut aus“, sagte er und trat einen Schritt zurück, um sie bewundernd zu mustern.
Der neue Haarschnitt war eine Extraausgabe, die sie inzwischen bereute. Annie und Courtney hatten sie dazu überredet. Der Friseur hatte Wunder bei ihrem Haar bewirkt und vorgeschlagen, es etwas zu tönen. Als Bethanne erklärte, dass sie sich das nicht leisten könne, hatten die beiden Mädchen darauf bestanden, die Kosten zu übernehmen.
Sie hatten eine der etwas teureren Marken ausgewählt – noch mal zehn Dollar mehr –, ein dunkles Braun mit rötlichem Ton. Wenn man bedachte, dass Bethanne sich auf den Geschmack von zwei Teenagern verlassen hatte, dann war es erstaunlich gut geworden.
„Danke“, sagte sie lässig.
„Was machst du denn hier?“, wollte Grant wissen.
Als wenn ihn das etwas anginge. „Geld einzahlen. Und du?“ Er brauchte ja keine Einzelheiten zu wissen, und zumindest hatte sie ihn nicht angelogen.
„Eine Überweisung“, erklärte er und klang nicht besonders glücklich darüber. „Geld vom Sparkonto aufs Girokonto.“
„Für meine Wenigkeit?“
„Eigentlich nicht“, entgegnete er mit einem Stirnrunzeln.
„Kann es sein, dass deine neue Frau deine Finanzen etwas strapaziert?“, erkundigte Bethanne sich und konnte dabei das Aufleuchten in ihren Augen nicht verbergen.
Grant schnaufte. „Du hast ja keine Ahnung …“, entgegnete er.
Er klang nicht, als würde er scherzen, was sie hätte freuen sollen. Aber Bethanne war wegen der dunklen Ringe unter seinen Augen beunruhigt. „Ist bei dir alles in Ordnung, Grant?“, fragte sie. Sein Wohlbefinden hatte nichts mehr mit ihr zu tun, trotzdem machte sie sich automatisch Sorgen.
„Würde es dich zufrieden stimmen, wenn ich dir sagte, dass es nicht so ist?“ Er gab ihr keine Gelegenheit zu antworten. „Allerdings bin ich vollkommen glücklich.“
Ihr war nie aufgefallen, wie schlecht er lügen konnte, und fragte sich, warum sie ihn während der Jahre, in denen seine Affäre lief, nicht durchschaut hatte. Wahrscheinlich, weil sie es nicht hatte wissen wollen. „Das tut mir leid, Grant“, sagte sie. Sie meinte es ernst.
Er zuckte nur lässig die Schultern.
Es war schon eine Ironie des Schicksals, dass sie ihre erste vernünftige Unterhaltung Monate nach der Scheidung auf einem Parkplatz führten.
„Und wie läuft es mit deinem neuen Spielzeug?“, fragte er.
„Redest du von Paul?“, fragte sie verärgert. So vernünftig, wie sie gedacht hatte, konnte man wohl doch nicht mit ihm sprechen. „Es macht uns nichts aus, dass ich älter bin. Genauso wenig, wie es dich stört, dass Tiffany fünfzehn Jahre jünger ist als du. Außerdem kann ich ausgehen, mit wem ich will. Du wolltest nicht mehr mit mir verheiratet sein, und Tiffany nicht mit Paul. Er und ich haben eine Menge gemeinsam.“
„Du hast die neue Frisur seinetwegen machen lassen, was? Versuchst du, jünger auszusehen?“
„Nicht wirklich.“
„Aha.“
„Ich fahre jetzt besser nach Hause“, sagte sie und wollte so schnell wie möglich von ihm wegkommen. Sie dachte kurz daran, den Schulball Ende des Monats zu erwähnen, überlegte es sich jedoch anders. Grant würde schon früh genug erfahren, dass sein Sohn zum Mitglied des Organisationskomitees gewählt worden war.
Grant nickte, die Hände in den Hosentaschen. „Es war schön, dich zu sehen, Bethanne.“ Er schenkte ihr ein schwaches Lächeln „Das meine ich ernst.“
„Danke, ganz meinerseits.“
Sie ging zu ihrem Wagen, blieb dann aber stehen, um sich umzudrehen. Grant stand noch immer am selben Platz und starrte ihr hinterher.
Fast hätte sie ihm zugewunken. Sie wünschte ihrem Exmann nichts Schlechtes. Okay, manchmal, wenn sie sich ärgerte, schon. Aber sie hatte echte Fortschritte gemacht in diesem Sommer, was ihre Fähigkeiten zu vergeben betraf.
Es gefiel ihr nicht, allein zu sein, doch eigentlich hatte sich nichts wirklich geändert. Grant mochte vielleicht vor zwei Jahren im selben Haus wie sie gewohnt und im selben Bett geschlafen haben, doch seine Gedanken waren bei einer anderen Frau gewesen. Und das hieß, er hatte sich nie richtig für seine Familie verantwortlich gefühlt – wie sein jetziges Verhalten vor allem seinen Kindern gegenüber bewies.
Ja, ihre finanzielle Situation war unangenehm, aber sie lernte schnell. Sie würde zwangsläufig Fehler machen, aber sie hatte ein neues Leben und in Paul einen guten Freund. Und ein enges Verhältnis zu ihren Kindern.
Derjenige, dem es offenbar nicht so gut ging, war Grant. Er schien einiges zu bereuen. Das hatte er angedeutet, bevor er, ziemlich unglaubwürdig, behauptete, er wäre glücklich. Sie bezweifelte, dass er ihr die Wahrheit gesagt hatte.