Ein Nachwort von Ekkehard Knörer
Zu Rick DeMarinis
Der Autor Rick DeMarinis gehört zu den am besten gehüteten Geheimnissen der amerikanischen Gegenwartsliteratur. Die meisten Lexika verzeichnen seinen Namen nicht. In den Buchhandlungen wird man seine Bücher sowohl unter ›General Fiction‹ als auch unter Kriminalliteratur in der Regel vergeblich suchen. Bisher war ein einziges Buch ins Deutsche übersetzt, der Roman The Year of the Zinc Penny, es ist längst nur noch antiquarisch aufzutreiben. Seit 1975 hat der Autor, den vorliegenden eingeschlossen, sieben weitere Romane verfasst. Die Kritik hat ihn mit den Kultautoren Terry Southern oder Kurt Vonnegut verglichen, mit gutem Grund. Dem breiten Lesepublikum aber ist er noch immer kein Begriff.
Immerhin moderaten Ruhm, jedenfalls eine gewisse Anerkennung unter Kennern, genießt er als Autor von Kurzgeschichten. 1986 erhielt er für den Band Under the Wheat den nicht unbedeutenden Drue Heinz Preis. Zuletzt hat er gar ein Lehrbuch veröffentlicht, The Art & Craft of the Short Story (2000). Ein Lehrbuch, aus dem man nicht nur das Handwerk lernt, das einen, so man denn Talent hat, zum guten Kurzgeschichtenautor macht. Nebenbei oder, je nach Perspektive, auch hauptsächlich, lernt man auch viel über den Autor selbst, der da eine Art Autobiografie entlang seiner Schreibtechniken und Publikationsgeschichten verfasst hat. Er plaudert aus dem Nähkästchen und er vertritt die Meinung, dass das Schreiben von Romanen ein Kinderspiel ist. Die wahre Herausforderung sei die Kurzgeschichte. DeMarinis muss freilich konstatieren, dass es sich um eine Kunst handelt, für die die früher durchaus begierig danach verlangenden Zeitschriften nicht mehr viel Platz oder Geld haben.
Viele Jahre lang hat DeMarinis deshalb auf andere Weise seinen Lebensunterhalt verdient – nicht als Schriftsteller, sondern als Dozent an diversen, freilich wenig prestigeträchtigen amerikanischen Colleges. Ein Schicksal, das er mit seinem Freund James Crumley teilt oder auch mit einer ihm nicht unähnlichen, der Literatur durch sträfliches Desinteresse der Verlage inzwischen abhanden gekommenen Figur: Tom Kakonis, der ein paar der literarisch ambitioniertesten, stilistisch brillantesten Romane der amerikanischen Kriminalliteratur der 80er und 90er Jahre schrieb, dann aber nicht mehr genug Bücher verkaufte und ins Nirgendwo abtauchte.
DeMarinis aber hat immer weitergemacht und der Ignoranz von Publikum und Betrieb tapfer getrotzt. Zuletzt hat er in El Paso unterrichtet, der texanisch-mexikanischen Grenzstadt, für die diejenigen, die sie kennen, manches Adjektiv gefunden haben. Pittoresk ist nicht darunter, liebenswert auch nicht. DeMarinis hat sich inzwischen in den Ruhestand nach Missoula im schönen Bundesstaat Montana zurückgezogen, aber nicht ohne dem Universitätsmilieu noch eine bitterböse Satire hinterherzuschreiben, die bitterböse Campus Novel A Clod of Wayward Marl (2001). Und in Kaputt in El Paso findet sich eine Art verschobenes, vermutlich einen nie verwirklichten Wunsch des Autors verkörperndes Selbstporträt. Güero, der eine Kneipe besitzt und an deren Wänden Beispiele für Grammatikfehler ausstellt, hat seinen Job an der University of Texas verloren, weil er einem impertinenten Kollegen einen Fausthieb verpasste.
Fausthiebe, wenngleich der literarischen Art, sind auch die Kurzgeschichten und Romane von Rick DeMarinis. Man hat seine Texte als ›schwarze Komödien‹ bezeichnet. Komisch sind sie weiß Gott, dennoch muss man die Betonung auf schwarz legen. Die Lage ist so ernst, so könnte sein Credo lauten, dass ihr nur finsterster Spott beikommt. Angesichts einer solchen Weltanschauung ist der alles in allem doch durchschlagende Misserfolg des Schriftstellers vielleicht kein Zufall. Etwas anderes jedenfalls als die Sorte Pech, der der große James Crumley im kurzen Vorwort zum amerikanischen Original von Kaputt in El Paso ironisch die Schuld gibt: »Er hat fast so viel Pech gehabt wie ich. Verleger, die von gelangweilten Aliens entführt wurden, Agenten, die sich vor allem auf ungedeckte Schecks und Unterschlagung verstanden, Kritiker von der Intelligenz eines abgenutzten Pferdesattels.« Man muss in Wahrheit weder groß spekulieren noch an Verschwörungstheorien glauben, um festzustellen, dass einer wie DeMarinis im Establishment keine Chance hatte.