Zwanzig

Für den Anzug hatte ich vor fünf Jahren vierhundert Dollar hingeblättert. Er war aus Schurwolle und von einem gedeckten Grau mit feinen schwarzen Nadelstreifen. Gert hatte ihn ausgesucht. Es gehörte sogar eine Weste dazu. Er saß wie angegossen und ich sah mehr als nur gut darin aus – ich suggerierte Erfolg, Souveränität und Selbstbewusstsein. Meine Schuhe waren Oxfords von Florsheim, Schuhe, die ich seit unserer Hochzeit nicht mehr getragen hatte. Das Gefühl, wieder in diesem Anzug und den Schuhen zu stecken, weckte Erinnerungen, die ich momentan am liebsten verdrängte. No problema. Gerts letzte Nachricht auf dem Anrufbeantworter hatte jeden unwillkommenen Anflug von Nostalgie im Keim erstickt.

Sie habe Rechtsanwälte auf mich angesetzt. Trey habe es nicht ins Starterfeld der Gatorade 125 geschafft und sei stinksauer. Das nächste Rennen finde in North Carolina statt und wenn er bis dahin keinen guten Mechaniker hätte, könne er das auch vergessen. Ich hätte kein Recht, Geld einzubehalten, das Trey brauche, um einen guten Mechaniker anzuheuern. Ob ich das nicht nachvollziehen könne. Diese Motoren liefen den ganzen Nachmittag bei achttausend Umdrehungen und müssten auf den Punkt eingestellt werden. Ihr Tonfall war schrill, die Stimme eines rasenden Geldeintreibers. Dann wechselte sie in eine sanftere Tonlage. »Aber eins stellt alles in den Schatten«, sagte sie. »Wir sind schwanger! Wir brauchen das Geld ganz, ganz dringend, Schatz. Das verstehst du doch, nicht wahr? Gynäkologen und Geburtshelfer sind nicht gerade billig, genau wie Pillen gegen Übelkeit, ganz zu schweigen von Anwälten. Du wirst demnächst von Rooney & Vesco hören.«

Während unserer gesamten Beziehung hatte sie die Pille genommen. Sie hatte keine Kinder haben wollen. Kinder bedeuteten Verantwortung, Einschränkungen, dazu hatte sie sich noch nicht bereit gefühlt. Ich wollte auch keine Kinder. Was das betraf, waren wir einer Meinung gewesen: Die Zeit für Kinder war noch nicht gekommen, vielleicht später, wenn unser Leben in geregelten Bahnen verliefe, wir ein eigenes Haus hätten und ein vernünftiges Einkommen. Sie war fast zehn Jahre jünger als ich und wir waren uns einig gewesen, dass es auf ihrer biologischen Uhr noch sehr früh sei. Und jetzt hatten sie und dieser Rennfahrer beschlossen, ein Baby zu bekommen, obwohl sie quasi auf der Straße lebten und abhängig waren von Preisgeldern und der Großzügigkeit von Sponsoren.

Vielleicht brauchte sie das Geld auch für eine Abtreibung. Aber dann hätte sie ›ich bin schwanger‹ gesagt und nicht die drollige Formulierung ›wir sind schwanger‹ gewählt, das leuchtete doch ein, oder? ›Wir sind schwanger‹ bedeutete, dass die Schwangerschaft gewollt war, und zwar von beiden. Meinem ohnehin angeschlagenen Gemütszustand gab das den Rest. Demnach war ich also kein geeigneter Babymacher; Trey ›Platz da oder es kracht!‹ Stovekiss war einer. Ich lachte; es klang wie ein Bellen.

Ich dachte an den Mann und die Frau, die mich gezeugt und das Licht der Welt hatten erblicken lassen, um mich anschließend auf den Treppenstufen eines Fremden auszusetzen. Gern hätte ich sie gefragt, weshalb. Weshalb hatten sie ihr Baby nicht gewollt? Mal unabhängig von ihren Lebensumständen – was an mir hatte sie bewogen zu glauben, sie könnten mich nicht lieben, könnten nicht für mich sorgen? Und dann die nächste Frage, die sich aufdrängte: Wenn sie mich nicht aufziehen wollten, warum haben sie mich nicht abgetrieben? Warum hatten sie es zugelassen, dass ich zu einem menschlichen Nullfaktor mittleren Alters herangewachsen war, der den Abbruch seines so genannten Daseins auf seine ganz eigene dumme Art und Weise vorantrieb?

In meiner Niedergeschlagenheit nahm dieses anonyme Paar die Züge von Gert und Trey Stovekiss an. Sie standen am Rande einer von röhrendem Motorenlärm erfüllten Rennbahn, mit dem Lächeln der Beschränkten auf dem Gesicht, ein Lächeln ohne eine Spur von Ironie oder Angabe oder Gemeinheit. Gedankenlose Erzeuger, die die Welt mit Unerwünschtem bevölkerten. Sein Arm um ihre Schulter gelegt, seine Hand sorglos auf dem prallen Busen. Schwanger, um Gottes willen.

An diesem Punkt wurde mir klar, dass ich mich gedanklich völlig verzettelte.

Alles Wahnsinn, würde Jerry Farnsworth sagen.

Die B-Seite von Selbstmitleid heißt Zerstörungswut.

Die Nachricht von Mona Farnsworth war kurz und bündig: »Uri – oder wollen wir bei Strobe bleiben? –, ich glaube, wir können dich regelmäßig einsetzen. Die Bezahlung ist gut. Jerry und ich haben ein paar sensationelle Szenarios ausgebrütet. Würde es dir was ausmachen, Körperflüssigkeiten über die Kunden zu verteilen? Ruf mich an.«

Als Nächstes sechs wütende Anrufe von Rosie Hildebrand. Ihre Terrine war übergelaufen. Bill und sie mussten jetzt hinunter auf die Straße, hinüber zum Klo der Shell-Tankstelle gehen. Sie drohte mit einer Klage. Sie drohte mit einem Anruf beim Gesundheitsamt. Sie drohte, ihre Miete einzubehalten. Sie drohte damit, einen toten Fisch an meine Tür zu nageln. Damit kam ich jetzt nicht klar. Ich beauftragte einen Installateur und sagte ihm, er möge die Rechnung direkt an den Besitzer des Baron Arms schicken. Damit setzte ich womöglich meinen Job aufs Spiel, doch das scherte mich momentan herzlich wenig.

Ich betrachtete mich im Badezimmerspiegel. Den Bart hatte ich stehen lassen – inzwischen war er lang genug, um ihn mit einem Kamm bearbeiten zu können – und die Haare hingen über meinen Kragen. Gepaart mit meiner momentanen inneren Verfassung, verlieh mir die Bankerkluft das Aussehen eines kaltblütigen Schuldeneintreibers, der im Begriff war, eine Familie aus ihrem Haus zu werfen, weil sie ihre Zahlungen nicht mehr leisten konnte. Als Krönung des Ganzen setzte ich eine Sonnenbrille auf. Ein Kredithai sah mich an, bereit, jemandem die Beine zu brechen, weil er den Forderungen nach Wucherzinsen nicht nachkam.

Unten, auf dem Parkplatz, hockte ein junger Schnüffler neben meinem Ford. Er hatte den Tankverschluss abgeschraubt und atmete die benzolhaltigen Dämpfe ein. Ich beugte mich hinunter zu ihm und schrie ihm ins Ohr, doch er reagierte nicht. Er klebte förmlich an der Tanköffnung, also packte ich ihn am Gürtel und verfrachtete ihn neben ein anderes Auto. Er sah mich an. Sein Blick war stumpf, nicht mal im Ansatz verärgert. Ein Fünfzehnjähriger, der stramm auf die achtzig zuging und sich jetzt zum Müllcontainer aufmachte, um nach ausrangierten Spraydosen zu suchen. Ein im Werden begriffenes Gespenst. Ich schraubte meinen Tankverschluss zu und fuhr über die Straße zum DMZ.

Güero war da. »Schicke Montur, Mann«, sagte er. »Hast du endlich einen richtigen Job?«

»Nein, in diesem Outfit hab ich geheiratet.«

Er sah mich lange an, ersparte sich aber einen Kommentar.

»Wo hast du gesteckt, Uri?«, fragte er, während er den Tresen abwischte. »Du hast dir deine nachmittäglichen Margaritas entgehen lassen.«

»Ich habe Urlaub in Mexiko gemacht.«

»Urlaub wovon? Dein gesamtes Leben ist ein einziger Urlaub.«

»Fang du nicht auch noch an.«

Ich erzählte ihm von meinem Abenteuer in Samalayuca. »Du hast einen Schutzengel, ése, jemand da oben hält die Hand über dich. Du solltest dich nicht länger mit diesen Leuten abgeben.«

»Nichts lieber als das.«

Er machte mir eine Margarita. »Ich werde dich nicht fragen, wie du an traficantes geraten bist«, sagte er. »Ich will’s gar nicht wissen. Am besten verdrückst du dich für ’ne Weile. An deiner Stelle würde ich nach Norden gehen, ziemlich weit nördlich, vielleicht nach Saskatoon. Oder mach Nägel mit Köpfen, geh nach Australien.«

»Ich habe mich mein ganzes Leben lang verdrückt«, sagte ich. »Als hätte sich am Tag meiner Geburt etwas an meine Fersen geheftet, was da schon wusste, dass ich besser in einer Mülltonne krepiert wäre.« Mir wurde bewusst, dass ich die Wahrheit aussprach. Es auszusprechen machte es deutlich, als wäre der Gedanke bisher nur eine verschwommene Theorie gewesen.

»Alles klar mit dir, Mann?«, fragte Güero. »Du siehst ’n bisschen abgedreht aus. Nicht dass du mir zum loco mutierst, okay?«

»Ich hab mich immer nur versteckt, Güero. Das kotzt mich so an. Genauso gut könnte ich tot sein, findest du nicht? Was macht das für einen Unterschied – tot sein oder sich verstecken? Ich habe immer geglaubt, ein Körper wie meiner bietet ’ne Art Schutz.«

Er musterte mich. Sein analytischer Blick versuchte meine körperliche und seelische Verfassung einzuschätzen. »Schutz? Wovor? Muskeln können keine Kugeln abwehren.«

»Dämonen, vermutlich.« Über dieses Eingeständnis musste ich selber lachen.

»Dämonen stecken im Innern, ése«, sagte Güero. »Vielleicht halten deine Muskeln sie gefangen. Willst du den Namen eines guten curandera? Oder lieber einen Gringo-Seelenklempner? Ich hab gehört, die Freudianer feiern fröhliche Urständ.«

»Eins nach dem anderen.«

»Wie du meinst«, sagte er. »Ich habe genug eigene Probleme.« Mit einem Mal sah er bedrückt aus, sein Blick wirkte abwesend.

Ich hakte nicht nach, was seine Probleme betraf, ich hatte nur Sinn für meine.

Ich fuhr auf der Mesa Richtung Süden, Richtung downtown, ohne Plan, ich war richtiggehend angepisst und ein wenig in Kamikazestimmung – ein Zustand, der Strategie zur Nebensache verkommen lässt.

Unwirsch betätigte ich meine Hupe, weil der Fahrer eines silbernen Cadillacs vor mir ständig auf dem Bremsklotz stand, ein Fuß auf dem Gas, den anderen auf der Bremse. Er hielt alles auf, machte aber keine Anstalten, schneller zu fahren. Mit neunzehn Meilen durch eine Zone, in der vierzig erlaubt waren. Mein Hupen wurde schlicht ignoriert. Ich konnte ihn nicht mal sehen – wahrscheinlich ein winziger, alter Mann, der kaum an die Kopfstütze des Fahrersitzes reichte. Diese Sorte kannte ich: Welk, reich, vorsichtig, ließen sie die Bremse schleifen und saßen immer hinter dem Steuer eines Cadillacs. Ich malträtierte meine Hupe, doch in der vornehmen Isolation seines Caddys war der Fahrer unerreichbar.

Direkt neben dem Gebäude der Stadtverwaltung fand ich einen Parkplatz. Das Dach der Stadtverwaltung hat die Form eines Sombreros von der Größe eines halben Footballfeldes – die Stein gewordene Vorstellung unserer Stadtväter von einer Touristenattraktion. Der Sombrero dient als Sinnbild für den geselligen Charakter El Pasos und unserer Schwesterstadt auf der anderen Seite des Flusses. Ein Denkmal sorgloserer Tage. Inzwischen reduziert sich der gesellige Charakter beider Städte nämlich auf den kleinen Grenzverkehr in Sachen Prostitution und auf Turbo-Scheidungen à la Mexiko.

Drei Blocks entfernt von der Stadtverwaltung sah ich das Gebäude der Cibola Savings and Loan in den Himmel ragen, ein Monolith aus grünem Glas und schwarzem Stahl, achtundzwanzig Stockwerke hoch und alles andere als ein Hingucker für Touristen. Das Schrägdach neigt sich gen Süden und suggeriert Luxussuiten im Dachgeschoss, ausgestattet mit Wintergärten, die in der kühlen Jahreszeit angefüllt sind mit Licht, Wärme und Optimismus.

Über diese Immobilie, ein Spekulationsobjekt aus den frühen Achtzigerjahren, hatte ich schon einiges gelesen. Im Zuge der Liberalisierung des Bankensektors durch die Reagan-Administration wurden hohe Kredite angeboten wie Pfefferminzbonbons, und zwar jedem, der ein Investmentkonzept vorweisen konnte, das nicht völlig gaga war. Bürogebäude, Eigentumswohnungen, Themenparks und Wohnsiedlungen schossen überall aus dem Boden. Dann brach die Wirtschaft ein. Kredite wurden nicht getilgt, Banken standen vor dem Aus. Gebäude wie das der Cibola wurden von einer eigenen Abteilung der Zentralbank zum Verkauf angeboten und für einen Bruchteil der ausstehenden Forderungen verscherbelt. Als das Cibola für weniger als eine Million an ein Konsortium ging, das eine mexikanische Holding repräsentierte, schlugen die Wellen der Empörung in den Leserbriefspalten der Zeitungen hoch. Ein Gebäude, das neunzig Millionen Dollar gekostet hatte, wurde von der Regierung praktisch verschenkt und der sowieso schon auf alle Ewigkeit geschröpfte Steuerzahler sollte für die Verluste geradestehen. Landesweit kostete das Bankenfiasko den Steuerzahler fast eine Billion Dollar. Ausgemachte Aasgeier, die von den mit den Notverkäufen betrauten Verantwortlichen bevorzugt wurden, bekamen die attraktivsten Immobilien für ein Butterbrot und Gerüchte über Korruption und Schmiergeldzahlungen hielten sich über die Jahre hartnäckig. Dann kam der wirtschaftliche Aufschwung und die kollektive Amnesie brachte das Ende der öffentlichen Diskussion.

Streifen hoher, dünner Wolken dämpften das Sonnenlicht und in diesem Licht nahm die Glasfassade des Cibola-Gebäudes den grünen Farbton von Dollarnoten an. Diese dem Betonsombrero der Stadtverwaltung an Raffinesse weit überlegene architektonische Besonderheit wollte keine Touristen anziehen, sondern große Bargeldeinlagen.

Ich betrat das Gebäude durch die mit Gold gesprenkelten Glastüren und wurde von einem älteren Mann begrüßt, an dessen kastanienbraunem Jackett messingfarbene Knöpfe und goldene Schulterstücke blitzten. »Guten Tag, Sir«, sagte er. »Kann ich Ihnen helfen?« Er sprach mit gedämpfter Stimme und legte ein dezent-persönliches Gebaren an den Tag. Die Form seiner Begrüßung beinhaltete folgende Botschaft: Ihre Privatsphäre wird respektiert, die Bedeutung Ihrer Person unsererseits geachtet, dem Gewicht Ihrer Unternehmung mit äußerster Ernsthaftigkeit begegnet.

»Wo ist das Büro vom jefe?«, fragte ich.

»Sir?«

»Der Boss. El presidente. Der Chef.«

»Im Penthouse, Sir. Im obersten Stock. Ich nehme an, Sie gehören zur Helmstrom Group?«

Ich nickte. »Stellvertretender Abteilungsleiter Finanzen«, sagte ich. »Zuständig für feindliche Übernahmen, imaginäre Tochtergesellschaften, kreatives Jonglieren mit Zahlen und sonstige lukrative Phantasiegebilde.« Ein zögerliches Lächeln umspielte seinen schmallippigen Mund, als er für sich entschied, dass ich für einen stellvertretenden Abteilungsleiter Finanzen richtig witzig sei. In Anerkennung seiner kastanienbraunen, militärisch anmutenden Kluft salutierte ich mit zwei Fingern. Dann packte ich ihn bei seinem unterentwickelten Trapezmuskel und schüttelte ihn fröhlich. Die Schulterstücke bebten. Die gönnerhafte Geste eines Mannes meiner Statur ging ihm zu Herzen. Seine Augen röteten sich und er machte eine Verbeugung.

Es kam mir vor, als sei ich in eine Kathedrale der Alten Welt hineinspaziert. Man konnte den Weihrauch förmlich riechen. Die Kassierer saßen hinter altmodischen Schaltern aus geschnitztem Eichenholz und Milchglas. Sie lauschten den leise vorgetragenen Wünschen ihrer Kunden wie Priester im Beichtstuhl. Es fehlte nur noch die gepolsterte Stütze um niederzuknien und das Gemurmel bußfertiger Gläubiger.

Der Boden aus schwarzem Marmor war mit Gold verziert und ihm entwuchs eine stattliche Anzahl Marmorsäulen, hoch zu einer gewölbten, mit Fresken im italienischen Stil bemalten Decke. Gegenüber dem Kassenbereich befanden sich einige großzügige, an Gruften erinnernde Nischen, in denen Kreditsachbearbeiter hinter pompösen Schreitischen aus Ebenholz saßen. Die Wände dieser Nischen waren mit goldenem Damast drapiert und mit Bildern geschmückt, die der religiösen Kunst der frühen italienischen Renaissance nachempfunden waren. Selbst Kunden von beachtlicher Statur wirkten vor diesen massiven schwarzen Schreibtischen wie Winzlinge. Die für die Kunden vorgesehenen Stühle waren niedriger als die der Sachbearbeiter, die so nicht nur physisch, sondern auch psychologisch dem Bittsteller gegenüber im Vorteil waren. Die Symbolik war klar und vermutlich auch beabsichtigt: Die Geldverleiher hatten den Tempel übernommen.

Ich sah mich nach den Aufzügen um, entdeckte sie und bestieg einen, zusammen mit einem Typ in feinem Zwirn. Er trug eine Aktentasche, die seine Körperhaltung leicht in Schräglage brachte, als befänden sich Goldbarren darin. Allein sein Fünfzigdollarhaarschnitt war ein Kunstwerk. Er hatte die Augen eines Raubtiers, blassgrau und wachsam, das Grau seines Anzugs war nur eine Nuance dunkler. Würde ein Fuchs in die Gestalt eines Menschen schlüpfen, dann in diese.

»Helmstrom Group?«, fragte ich. Der Fuchs in Menschengestalt nickte, zu sehr mit der Gewichtigkeit seiner Aufgabe beschäftigt, um antworten zu können. Er drückte P für Penthouse. Der Fahrstuhl hielt im siebenundzwanzigsten Stock, ein Etage unterhalb des Ziels. Während wir warteten, musterte mich der Fuchs.

Jetzt drückte ich P. Die Türen zum siebenundzwanzigsten Stockwerk blieben geöffnet.

»Sie müssen Ihre PIN eingeben«, erklärte mein Begleiter und zeigte auf eine Tastatur oberhalb der Fahrstuhlknöpfe. »Keine PIN, keine Weiterfahrt.«

»Pin?«, fragte ich.

»Wenn Sie keine persönliche Identifizierungsnummer haben, müssen Sie hier aussteigen, im siebenundzwanzigsten Stock ist Endstation. Das Penthouse ist für die Allgemeinheit nicht zugänglich.«

Er tippte seine PIN ein und hielt die Türen für mich offen.

»Die Tollwut soll euch holen«, sagte ich und winkte, als die Türen sich schlossen und sein ungerührtes Fuchs-Starren ausblendeten.

Ich ging einen mit Teppichboden ausgelegten Flur entlang, vorbei an Bürotüren, sowohl zur Rechten als auch zur Linken. Mehrere Türen führten in Konferenzzimmer. Ovale Tische mit Stühlen. Podeste. Leinwände. Ein Konferenzzimmer war belegt. Ich öffnete die Tür einen Spalt und linste hinein. Anzüge unterhielten sich mit Anzügen. Anzüge machten sich Notizen, Anzüge öffneten Aktenkoffer. Anzüge stocherten in ihren Nasen. Anzüge veränderten ihre Sitzposition und ihre Mimik, um Überdruss und Überlegenheit anderen Anzügen gegenüber zum Ausdruck zu bringen.

Am Ende des Ganges, hinter den Konferenzräumen, befand sich eine Tür mit dem Schild ›Notausgang‹, dahinter eine schmale Treppe. Ich stieg die schmale Stahltreppe zum Penthouse hoch. Ein ›Zutritt verboten‹-Schild markierte die Feuerschutztür. Natürlich ignorierte ich dieses Schild und drückte die Klinke. Die Tür war nicht verschlossen.

Ich fand mich in einer Oase wieder, in einem grünen Paradies. Ein echter Papagei in einem echten Bananenbaum sah mich an und sagte: »¿Que pasa, compa?«, während er kleine, weiße Scheißhaufen fallen ließ.