Zwölf

Moses wohnt im Regency, einem halb leerstehenden, heruntergekommenen Apartmentkomplex. Der millio-nenschwere Eigentümer dieses Elendsquartiers lebt unter seinesgleichen in einem Ort nahe der roten Felsen bei Sedona, Arizona. Das Regency befindet sich am Nordufer des Rio Grande, im ältesten Bezirk der Stadt, der wegen seiner drogenabhängigen Einwohner oft als Junktown bezeichnet wird. Das Regency hatte durchaus bessere Tage gesehen. Gebaut im Stil Edward VII., war es vor Urzeiten der herrschaftliche Wohnsitz einer Familie gewesen, bis es um 1940 in Wohnungen für Angehörige der Arbeiterklasse umgewandelt wurde. In den Sechzigerjahren begann der Prozess des Verfalls, der zu dem jetzigen, nicht mehr sanierungsfähigen Zustand führte. Inzwischen hatte die Bienenwabenstruktur von zwanzig Einzimmerapartments das alte Gefüge abgelöst. Die Mieter der wenigen noch bewohnten Apartments gehören der gesellschaftlichen Randgruppe kaum noch Leistungsfähiger an: Junkies, Crackheads, Schnüffler, die Zombies unter den Bürgern unserer anständigen Stadt. Nach und nach wurden die leerstehenden Apartments ihrer gesamten Ausstattung beraubt – Türen zum Beispiel gibt es nur noch in bewohnten Apartments —, Graffiti überziehen die kahlen Wände, die an manchen Stellen eher einer Kraterlandschaft ähneln, Spuren gelegentlicher Tobsuchtsanfälle der Zombies auf Entzug. Schon vor Jahren hatte es Auflagen wegen dieses Zustandes gegeben, doch mit seiner vagen Zusage, das Gebäude als historische Sehenswürdigkeit wieder instandzusetzen, hatte der Eigentümer den Stadtvätern einen unbefristeten Aufschub abtrotzen können.

Ich klopfte einmal an Moses’ Tür, dann klopfte ich weiter.

Nach ein paar Minuten sagte eine bizarr klingende, mir wohlbekannte Stimme: »Verpiss dich! Vete a la chingada!«

»Mose? Ich bin’s, Uri.«

Es tat sich nichts, während er darüber sann, weshalb ich vor seiner Tür stand.

Ich hörte, wie Riegel zurückgeschoben wurden, dann das Klappern einer Kette, schließlich ging die Tür mit einem Knarren auf. Moses stand in Unterhosen vor mir. Seine blassen Arme und Beine waren dünn wie Dübel. Das schulterlange, an einigen Stellen von der Sonne gelblich gesträhnte, graue Haar war so speckig, dass es von allein stand. In der Hand hielt er einen abgesägten Baseballschläger, einen Louisville Slugger, ungefähr einen halben Meter helle Esche, den Griff mit Isolierband umwickelt, damit er besser in der Hand lag. Moses ist älter als ich, so um die fünfzig, doch er sah aus wie siebzig.

»Ich dachte schon, du bist dieser Kath kauende Turban-wichser, der unter mir wohnt. Dem hätte ich hiermit den Schädel eingeschlagen.« Er lehnte die vermeintliche Waffe an den Türrahmen. »Wer hat dich denn hergeschickt? Der alte Herr?«

»Sam wird wahrscheinlich sterben«, sagte ich. »Maggie hat mich gebeten, mal vorbeizuschauen.«

»Sam will sich seine Belohnung abholen, was? Hat hart dafür gearbeitet. Die geben ihm da oben sicherlich eine I a Unterkunft.«

»Maggie macht sich wahnsinnige Sorgen um dich, du Idiot.«

»Nett dich wiederzusehen, mi hermano.«

Er trat beiseite und ich ging hinein. Die Einrichtung war spartanisch, Junkie-Ausstattung eben: ein Tisch, zwei Stühle, auf dem Küchentresen, nahe einer rostigen Spüle, eine Kochplatte. Auf dem Küchentresen dann das notwendige Zubehör: medizinische Schläuche, Löffel, ein kleiner Butan-Gas-Bunsenbrenner. Vor dem einzigen Fenster des Apartments hing eine graue Armeedecke. Ein Klappbett aus Metall nahm eine ganze Wand ein. Darin lag eine Frau. Bewusstlos.

»Deine Freundin?«, fragte ich.

»Das ist Maria. Meine Partnerin.«

»Sie sieht beschissen aus.«

Meine Bemerkung entlockte ihm ein Lächeln, dann fing er an zu husten. »Scheiße, wir sehen alle beschissen aus. So ist nun mal der Kompromiss. Sich gut fühlen, aber beschissen aussehen.«

»Du siehst nicht gerade so aus, als würdest du dich gut fühlen. Du siehst eher aus wie Braunbier mit Spucke.«

»Das ist deine Sicht der Dinge, lieber Bruder. Die meiste Zeit klopfe ich ans Himmelstor, wie man so schön sagt.« Auf dem Tisch stand ein Laptop. Es war angeschaltet. Ich setzte mich davor. »Was ist das, Mose? Ein Chatroom für Junkies?«

»Da liegst du gar nicht mal so falsch, Bruder.«

Die Seite verkündete: Nur allerbestes Konfekt. Darunter konnte man über ein Menü verschiedene Sorten Süß-kram auswählen: Kandis, Toffee, Fruchtpralinen, Orangenstäbchen, Mandelkrokant, Minzschokolade.

»Die ganze Seite – alles nur Tarnung«, sagte Moses.

»Natürlich kodiert. Nur allerbeste Connections wäre wohl etwas kühn gewesen.«

»Das kann man machen? Ich meine, Drogen online verkaufen?«

»Man kann alles online verkaufen, Bruder, angefangen von Babys bis hin zu Senatoren, liest du keine Zeitung?« Mein Seufzer war wohl kaum zu überhören.

»Seit wann siehst du das so eng, Mann? Weißt du nicht mehr, wie wir früher abgegangen sind? Wir haben grifa geraucht und wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, sogar LSD geschluckt. Sechshundert Mikrogramm, schon vergessen?«

»Ich hab einmal Acid genommen, Mose. Es war der schlimmste Tag meines Lebens. Ich dachte, mein Hirn würde sich auflösen.«

»Ich habe das Zeug geliebt. Bin durch eine andere Welt gereist, Mann. Es war der Garten Eden.«

Ich stand auf und ging hinüber zum Metallbett. Maria lag auf dem Rücken. Eine Armeedecke – die gleiche, die vor dem Fenster hing – war bis zu ihrem Kinn hochgezogen. Die Augen waren zu Schlitzen verengt und dahinter sah man lebloses Schwarz. Die Atmung war derart flach, dass sich die Decke weder hob noch senkte. Ich berührte das Gesicht. Es war kalt.

»Mein Gott, Mose. Das Mädchen ist tot.«

»Wir sind alle tot, Mann. Das Leben ist ein Schattenspiel. Bevor wir geboren werden, sind wir tot, wir sind tot, wenn wir gestorben sind, und in der Phase dazwischen kriechen wir der großen Illusion auf den Leim. Der Tod ist das Gesetz und Thanatos ist König.«

»Hör auf mit dem Scheiß, Mose. Maria ist tot.«

Ich zog ihr die Decke vom Körper. Maria trug nur ein T-Shirt und darauf stand:

Wine me

Dine me

69 me

Ein Spruch für Spaßvögel. Doch dieses Mädchen machte nicht den Eindruck, als hätte sie jemals in ihrem Leben Spaß gehabt. Ihre dürren Beine waren eiskalt. Unterhalb ihrer Hüfte war das Bettzeug feucht. Bei dem Gestank drehte sich mir der Magen um.

»Kann nicht sein«, sagte Moses schwach.

»Glaub’s mir, Bruder. Sie ist hinüber.«

Er stand zu abrupt auf, fiel auf den Hintern und rollte sich auf den Rücken. Er gab ein paar leise Töne von sich. Ich hätte nicht zu sagen vermocht, ob es nun ein Schluchzen oder Lachen war. Ich entschied mich für das Lachen.

Er mühte sich in eine sitzende Position. »Jetzt zieht sie diese Scheiße mit mir ab«, sagte er, »und ich soll damit klarkommen. Hier das Neuste, Maria Guadalupe – ich komm überhaupt nicht klar damit, dass du mich auf diese Weise hängen lässt.«

Die Welt der Junkies ist einfach. Die Nadel und ich. Alles andere ist Einmischung oder Hilfe. Er sah hoch zu mir und in seinen Augen stand die Bitte um Hilfe. »Bring sie in ein leeres Apartment, Uri«, sagte er völlig ruhig. »Kannst du das für mich machen? Zurzeit bin ich zum Pinkeln zu schwach, irgendwie außer Form.«

Tote zu transportieren schien meine neue Lebensaufgabe zu werden. Ich musste unwillkürlich grinsen. »Okay, Mose.«

»Die Cops kümmern sich einen Scheiß um tote Junkies. Keiner wird hier auftauchen, Türen eintreten und Fragen stellen.«

»Ich habe okay gesagt. Ich bring sie weg.«

Ich hob sie vom Bett hoch. Sie konnte nicht mehr als fünfundvierzig Kilo wiegen. Aus der Nähe betrachtet, sah sie alles andere als mädchenhaft aus, eher wie eine verwitterte Vierzigjährige. Wenn nicht sogar älter. Das lange, seidige schwarze Haar trog. Die trockene Haut um Augen und Mund war schrundig, die Lippen waren zudem voller Bläschen. Sie erinnerte mich an eine Mumie – Pergamenthaut und Staub. Ich brachte sie in ein Apartment am Ende des Flurs und legte sie vorsichtig hin. Tote verdienen Respekt, gleichgültig, wie sinnlos ihr Leben verlaufen ist.

Das leere Apartment war einst eines der besten im Regency gewesen. Von einem Erkerfenster aus hatte man einen wunderbaren Blick auf Juárez am anderen Ufer des Rio Grande. 1911 hätte ein Bewohner von hier aus Pancho Villas Geschütze dabei beobachten können, wie sie die Regierungstruppen hinter ihren Barrikaden unter Beschuss nahmen. Während der Revolution wurden diese alten, nach Süden zeigenden Gebäude durch verirrte Geschosse in Mitleidenschaft gezogen – das Kriegstreiben von der neutralen Grenzseite aus zu verfolgen war also nicht ganz ohne Risiko gewesen, was das Spektakel umso aufregender gemacht hatte.

Ich ging zurück in Moses’ Apartment. Er hockte am Tisch und bearbeitete sein Laptop, als wäre nichts passiert.

»Ich brauch unbedingt ’ne neue Partnerin«, sagte er. Sein Verlust war ein rein praktischer, kein emotionaler. »Allein krieg ich nicht genügend Schotter zusammen. Maria Guadalupe war richtig gut. Eigentlich hieß sie ja Rusty Odegaard, ein Mädchen vom Lande, aus Idaho. Ihre Leute haben ihr die Zustimmung für eine Abtreibung verweigert, also ist sie hierher gekommen, um eine machen zu lassen, weil man hier, was das betrifft, nicht hinterm Mond lebt. Anschließend ist sie an zwielichtige Typen geraten.« Er feixte ein wenig. »Ich hab sie überredet, sich die Haare schwarz zu färben, damit sie als Mexikanerin durchgeht.« Er beugte sich hinunter, wühlte unter dem Tisch in einem Stapel Pappen, kam wieder hoch und zeigte mir ein Schild:

Meine Niños haben Hunger

Können Sie uns helfen?

Gott Ihnen möge einen

Platz im Himmel geben

»An den Abfahrten der Freeways hat sie zwei-, dreihundert am Tag gemacht«, sagte Moses. »Die von außerhalb denken, sie sind in der Dritten Welt und reichen schnell mal ’ne Hand voll Dollar rüber, um ihr Gewissen zu beruhigen.«

Er zog noch eine Pappe aus dem Stapel. »Das ist meins.«

Obdachloser Kriegsveteran

Und Kriegsversehrter

Sucht Arbeit gegen Essen

Gott schütze Sie

»Es ist inzwischen reichlich abgelutscht«, räumte er ein. »Da draußen müssen hunderte von Typen in meinem Alter unterwegs sein, die diese abgefuckte VeteranenNummer abziehen. Mal bin ich Vietnam, dann wieder Desert Storm. Einmal hab ich’s mit Panama versucht. Hängt davon ab, wie ich drauf bin. Manchmal bin ich mit einem Stock unterwegs, manchmal mit ’ner Krücke. Einmal hab ich mir ’nen Rollstuhl besorgt und mich wie ein Querschnittsgelähmter reingelegt. Hab unglaublich abkassiert, Mann.«

Moses ist natürlich kein Veteran. Er ist nicht mal bei den Pfadfindern gewesen.

»Ich krieg dich wieder clean, Mose. Und wenn du dabei draufgehen solltest.«

»Spar dir die Mühe, Bruder. Ich liebe meine Art zu leben.«

»Ich würde es nicht für dich tun, Arschloch, sondern für Maggie.«

Er wandte den Blick vom Laptop ab und sah mich lange an. »Und du meinst, das hat einen Sinn?«, fragte er schließlich.

»Ja, das meine ich.«

Die Tür ging auf. Maria Guadalupe alias Rusty Odegaard taumelte in das Apartment. »Was für ’ne Scheißübung führst’n du hier durch?«, fragte das sichtlich angepisste Gespenst. »Willst du mich loswerden? Wer hat mich in diesen verdammten Verschlag gebracht?«

Sie steuerte geradewegs die Spüle an, nahm ein Stück Schlauch vom Tresen, band sich damit den Oberarm ab, entzündete den Bunsenbrenner, tauchte einen Suppenlöffel in ein Heroinpäckchen, gab ein paar Tropfen Mineralwasser dazu, hielt den Löffel über die blaue Flamme, zog den flüssigen schwarzen Teer auf eine Spritze und injizierte sich den Dreck in die mittlere Ellbogenvene, besser gesagt, in das, was davon übrig war. Dieses Programm spulte sie in weniger als einer Minute ab, effizient wie eine Chefsekretärin. Rusty Odegaard, eine untote Landpomeranze aus Idaho war wiederauferstanden, um einen weiteren Tag in der Hölle zu verbringen. Nach dem Schock machte sich Betretenheit in mir breit und ich stieß ein »Allmächtiger« aus.

Moses sah das ganz locker. »Entspann dich, Uri«, sagte er, »es ist nicht deine Schuld. Sie sieht fast immer aus wie der Tod auf Latschen. Außerdem verzeiht Maria Guadalupe alles, wenn sie gedrückt hat.«

Gelassen, beinahe gesund aussehend, kam sie zu uns herüber und fragte: »Was gibt’s Neues auf der Homepage, Mose?«

»Morgen um sechs müssen wir auf dem Parkplatz nördlich der Santa Fe Bridge sein. Ein Spaßvogel, der sich subcomandante Sam Houston nennt, will mit ’nem Viertel da sein. Mierda primera.«

Moses klappte das Laptop zu und stand auf. »Zieh dich an, Rusty«, sagte er. »Wir müssen zur Arbeit. Meinst du, du schaffst heute die I-10 Ausfahrt an der Mesa Street? Ich nehm den Bus zur East Side und arbeite vor der Mall.«

»Das kapier ich einfach nicht«, sagte ich.

»Er kapiert’s nicht«, sagte Rusty Odegaard. Sie lächelte und dieses Lächeln brachte Leben in ihr Gesicht. Sah man mal ab von ihrer pusteligen, schorfigen Haut und gewissen Zeichen des Verfalls, war sie beinahe schön, diese Frau, die darüber lächelte, wie sie in den Schatten des Todes treten konnte und auch wieder hinaus.

»Was kapierst du nicht, Bruder?«, fragte Moses.

»Wenn du deine Kontakte übers Internet machst, haben die von der Drogenfahndung doch Zugriff darauf, oder? Die sind doch kompetent genug, um euren lächerlichen Code zu knacken.«

»Oh Mann«, stöhnte Moses. »Er kapiert’s wirklich nicht.«

Maria Guadalupe lächelte immer noch und sagte: »Ai chingao, que estúpido.«

»Es ist ein Riesengeschäft, Uri«, erklärte Mose. »Blaue Anzüge an Mahagonitischen handeln Margen und Vertriebswege aus. Die Nummer eins – angeblich soll er nach einer Gesichtsoperation gestorben sein, na, wer’s glaubt – hat in einem Jahr mehr Gewinn erzielt als General Motors. Dem mexikanischen Präsidenten hat er erklärt: ›Halt mir den Rücken frei oder ich verschwinde aus Mexiko‹. Sein Argument: Die mexikanische Wirtschaft bricht ohne den Drogenhandel zusammen. Das kannst du im Time Magazine nachlesen. Wenn so viel Geld im Spiel ist, werden die Leute korrupt. Die Wachhunde auf beiden Seiten des Flusses kämpfen darum, auf die Lohnliste zu kommen. Die DEA braucht den Drogenschmuggel. Je mehr geschmuggelt wird, desto mehr Geld können sie für ihren Beamtenapparat einsacken. Beamtenapparate sind reiner Selbstzweck, welche idiotische Rechtfertigung auch immer für ihre Existenz herhalten muss. Hast du das nicht gewusst? Glaubst du im Ernst, nur Mexiko ist korrupt?«

Ich zuckte mit den Achseln und ignorierte sein Lächeln, das Überlegenheit ausdrücken sollte. Ich hasste es, den Einfältigen zu spielen. Güero hätte mich wahrscheinlich ausgelacht.

»Es geht nicht nur um Heroin, Koks und Marihuana, verstehst du. Die großen Pharmakonzerne schicken ganze Lastwagenladungen von Amphetaminen und Tranquilizern in kleine mexikanische Grenzstädte. Haben sie sich jemals gefragt, warum ein Einzelhändler mit vielleicht zwei- oder dreitausend Kunden zwanzig Millionen Amphetamin-Kapseln bestellt, die bei uns als illegale Drogen der Klasse 2 gelten? Scheiße, nein, haben sie nicht. Denn sie wissen, warum. Das Zeug kommt wieder nach Hause, auf unsere Straßen, zu entsprechenden Preisen. Meine Güte, Uri, vor hundert Jahren hat Bayer das Heroin erfunden. Was glaubst du wohl, warum das FBI kleine Hinterzimmer-Laboratorien aushebt? – weil die Pharmariesen keine Konkurrenz aus dem Amateurlager dulden. Kapierst du jetzt? Wach auf, Bruder. Es geht um Medikamente und die bringen einen Riesenprofit und Profit regiert die Welt. Freunde dich mit dem Gedanken an.«

Die Rechtfertigung eines Süchtigen. Wenn die Welt derart verkommen ist, kann man sich nur noch zuballern. »Hört sich an, als würde Ralph Nader für die Verbraucherrechte von Junkies eintreten«, sagte ich, doch Moses erwiderte nichts darauf. Er bereitete sich für die Straße vor. Ich versuchte es anders. »Schreib das doch alles mal auf und schick es Maggie. Wird sie sicherlich davon überzeugen, dass es ein heldenhafter Kampf gegen das Establishment ist, wenn du dein Leben ruinierst.«

Er lachte, dann musste er husten. »Wie geht’s dir denn so, Bruder? Drückst du immer noch Steroide? Hast du deine erste Million bereits im Sack? Oder einen Bombenjob mit Gratifikation und Pläne für die Altersvorsorge?«

»Leck mich am Arsch, Mose.«

»Ich liebe dich auch, carnalito.«

Sie stiegen in ihre Klamotten – Rusty zog eine Folklore-Bluse an, einen langen mexikanischen Rock und schlüpfte in abgetragene Sandalen. Anschließend wickelte sie eine Puppe in eine Decke, hielt sie eng an ihre flache, vertrocknete Brust, als wolle sie die Puppe stillen, und verwandelte sich flugs in Maria Guadalupe, die Mutter hungernder Kinder.

Moses zog Hosen in Tarnfarbe an und streifte ein Sweatshirt über. Dann schnürte er seine Springerstiefel zu. Er sah aus wie ein Veteran, der im Krieg zu viel gesehen hatte, um in Friedenszeiten überleben zu können. Sein verwüstetes Gesicht passte dazu wie die Faust aufs Auge.

An der Tür machte er Halt und sah zurück. »Wenn du Maggie das nächste Mal siehst – ich weiß, das wird ’ne Weile dauern, denn schließlich betrachtet sie dich genauso wenig als ihren Kronensohn, nun, wenn du sie siehst, sag ihr, ich bin glücklich wie eine Muschel im warmen Schlamm. Sag ihr, das alles hat nichts mit ihr zu tun oder mit Sam. Ich hab lebenstechnisch gesehen nun mal die Arschkarte gezogen. Alles klar?«

Ich nickte.

»Pass auf dich auf, carnalito«, sagte er. »Und mach die Tür richtig zu, wenn du gehst.«