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D’Agosta war bang zumute. Die alte Bar könnte dichtgemacht haben. Er war seit Jahren nicht mehr dort gewesen. Wenige seiner Kollegen kannten den Laden überhaupt – die Farne vor den Makramee-Gardinen garantierten, dass kein Cop mit Selbstachtung sich dort erwischen lassen würde. Doch als er von der Versey in die Church Street bog, die Füße knirschend auf der pulvrigen Schneeschicht, sah er erleichtert, dass das Lokal immer noch dort war. Die Farne im Fenster wirkten verwelkter denn je, wenn das überhaupt möglich war. Er stieg die Stufen hinunter und ging hinein.

Laura war bereits da. Sie saß im rückwärtigen Teil, an genau demselben Tisch – war das nicht ein schöner Zufall? –, ein frisches, schaumiges Guinness in der Hand. Sie blickte hoch, als D’Agosta sich näherte, und lächelte.

»Ich wusste nicht mal, dass der Laden einen Namen hat«, sagte sie, während er sich setzte.

D’Agosta nickte. »Vino Veritas.«

»Vielleicht ist der Besitzer ja Weinkenner. Oder Harvard-Absolvent. Oder beides.«

D’Agosta verstand das nicht ganz, und statt zu antworten, nickte er deshalb dem Kellner zu und zeigte auf Haywards Glas.

»Ich fand, es ist ein guter Ort, um sich zu treffen«, sagte er, als sein Guinness vor ihn gestellt wurde. »Nur einen Steinwurf vom Polizeihochhaus entfernt.«

Er trank einen Schluck aus dem Pint, dann setzte er sich in seinem Stuhl zurück, wobei er versuchte, lässig zu wirken. Tatsächlich war er wahnsinnig nervös. Die Idee war ihm am Morgen gekommen, auf dem Weg zur Arbeit. Kein großer Plan diesmal, keine ausgeklügelten Vorbereitungen. Sein Gefühl sagte ihm, dass er’s am besten einfach versuchte.

»Große Intrigen im Büro von Captain Singleton«, sagte Laura neckend.

»Die Nachricht hat sich also schon herumgesprochen?«

Sie nickte. »Midge Rawley. Die letzte Person, der man so etwas zugetraut hätte. Ich meine, sie war Glens Sekretärin, kannte ihn in- und auswendig seit mindestens – wie vielen? – zehn Jahren?«

»Und ich glaube, sie war all die Jahre loyal. Bis vor kurzem. Zumindest haben dann die Zahlungen stattgefunden – laut der Bankunterlagen.«

»Ich habe gehört, dass sie irgendwelche persönlichen Probleme hat. Getrennt lebt von ihrem Ehemann, Mutter im Pflegeheim. Ich nehme an, dass man sie deshalb ausgewählt hat.«

»Vielleicht hat man sie erpresst. Man könnte fast Mitleid mit ihr haben.«

»Fast. Bis man sich daran erinnert, dass es ihr Tipp war, der den Ort des Treffens am Bootshaus im Central Park verraten hat. Was zu der Schießerei führte, zum Tod von fünf Menschen und zur Entführung und Ermordung von Helen Pendergast.« Laura seufzte. »Hat der Durchsuchungsbefehl irgendetwas aufgedeckt?«

D’Agosta nickte. »Wir hoffen, Weiteres aus den Audio- und Videoüberwachungsaufnahmen zu erfahren. Oder vielleicht von Rawley selbst. Die Jungs von der Internen Ermittlung haben sie im Moment eingebuchtet. Wer weiß? Könnte ja sein, dass sie auspackt.« Er trank noch einen kleinen Schluck. Er wurde von Minute zu Minute nervöser – und dieser Smalltalk half ihm auch nicht.

»Wie auch immer. Du hast das gut gemacht, Vinnie. Du kannst wirklich stolz auf dich sein.«

»Danke.«

»Außerdem könnte es Singleton ein wenig von seinem Podest holen.«

D’Agosta hatte auch daran gedacht. Dass unter seinen engsten Mitarbeitern ein Maulwurf entdeckt worden war, würde Captain Singleton in die Defensive drängen, um das mindeste zu sagen – und das konnte mittelbar nur dazu beitragen, ihm, D’Agosta, aus der Bredouille zu helfen. Obwohl: Es war eine verdammte Schande – Singleton war ein anständiger Kerl.

»Eigentlich ist es Pendergasts Verdienst«, sagte er.

»Er hat dich einfach angerufen, wie aus heiterem Himmel, und dir gesagt, wen du suchen sollst?«

»Nicht genau. Sagen wir, er hat mir die richtige Richtung gewiesen.«

»Also war es deine gute polizeiliche Arbeit, die’s gebracht hat. Mach dich nicht schlecht, Vinnie, du hast einen Erfolg gelandet, einen großen. Akzeptier den Ruhm.« Lauras schlaues Lächeln wurde breiter. »Heißt das also, dass ihr, du und Agent Pendergast, wieder beste dicke Kumpel seid?«

»Er hat mich ›mein lieber Vincent‹ genannt – wenn das ein Hinweis ist.«

»Verstehe. Also ist Pendergast wieder zurück in New York, der Hotel-Mörder hat aufgehört, und die Profiler des FBI glauben, dass er weitergezogen ist. Es ist Heiligabend. Ehre sei Gott in der Höhe, alles ist in Ordnung hienieden auf Erden.« Sie hob ihr Glas.

D’Agosta trank noch einen Schluck von seinem Guinness, aber er schmeckte das Bier kaum. Fast wäre er auf seinem Stuhl hin- und hergerutscht. Das Ganze wurde langsam unerträglich. Er musste irgendeinen Weg finden, das Thema anzusprechen, aber verdammt noch mal, er wusste nicht, wie. Plötzlich merkte er, dass Laura ihr Glas abgestellt hatte und ihn durchdringend musterte. Einen Moment lang schauten sie einander schweigend an. Und dann sagte sie mit leiser Stimme: »Ja.«

D’Agosta war verwirrt. »Wie bitte?«

Sie langte über den Tisch und ergriff seine Hand. »Du Dussel. Lass mich dich aus deinen Qualen befreien. Natürlich heirate ich dich.«

»Du … wie …?« D’Agosta wusste nicht, was er sagen sollte.

»Hältst du mich für eine komplette Idiotin? Warum sonst hättest du mich gerade hierher auf ein Glas eingeladen? Du hast dir so viel Mühe gemacht, diesen besonderen Ort auszusuchen – das Lokal, in dem wir uns kennengelernt haben. Vor zwei Jahren, weißt du noch?« Sie drückte seine Hand, dann lachte sie. »Vino Veritas, in der Tat. Weißt du was? Tief drinnen, Lieutenant D’Agosta, bist du ein Softie. Ein Gefühlsmensch. Und das ist eines von den Dingen – eines von den vielen Dingen –, die ich an dir liebe.«

D’Agosta senkte den Kopf. Er war so gerührt, dass er keinen Ton herausbekam. »Ich kann’s nicht fassen, dass du es gewusst hat. Ich meine …«

»Also, wo ist der Ring?«

D’Agosta stammelte und versuchte zu erklären, es sei spontan gewesen, in letzter Minute, bis er von ihrem Lachen unterbrochen wurde. »Ich ziehe dich nur auf, Vinnie. Ich finde spontan gut. Ich kann auf den Ring warten – kein Problem.«

Verlegen griff er über den Tisch und nahm ihre Hand. »Danke.«

Immer noch lächelnd, legte sie den Kopf schief. »Komm, gehen wir woandershin. In irgendeine neue Bar, eine richtig nette. So nostalgisch der Laden hier ist, lass uns heute Abend etwas machen, woran wir uns noch lange erinnern werden. Wir müssen feiern – und nicht nur, weil Heiligabend ist. Wir müssen jede Menge planen.«

Sie gab dem Kellner ein Zeichen, die Rechnung zu bringen.

Pendergast 12 - Fear - Grab des Schreckens
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