Kapitel 34
»Euer Hoheit, niemand hatte die Möglichkeit, vorherzusehen, was jetzt aus Iskra geworden ist«, sagte Venloe. Und dann fügte er seinem Tonfall eine winzige Spur von Betroffenheit hinzu. »Das gilt insbesondere für Sie. Als ich mich das letzte Mal mit Ihnen in Verbindung gesetzt habe, hatten Sie genug damit zu tun, sich um das gesamte Imperium zu kümmern.«
Zu Venloes heimlichem Erstaunen huschte ein
merkwürdiger Ausdruck über das Gesicht des Ewigen Imperators. Überraschung darüber, daß sich jemand Gedanken gemacht hatte? Venloe konnte -
und wollte -
nicht
interpretieren, was er gerade auf dem Bildschirm gesehen hatte.
Der Gesichtsausdruck des Imperators war jetzt wieder ganz gelassene Autorität.
»Ja«, erwiderte der Imperator. »Sie haben recht, Venloe. Sie verstehen einiges davon, wie hart es in Wirklichkeit ist, zu regieren. Jetzt verstehe ich besser, warum Mahoney Hochachtung vor Ihnen hatte, obwohl Sie auf der gegnerischen Seite standen.«
Jetzt war Venloe an der Reihe, ein undurchdringliches Gesicht aufzusetzen. Ian Mahoney hatte sich nicht nur geweigert, ihm die Hand zu schütteln, wie es sich für Ehrenleute gebührt, wenn das Spiel vorbei ist, sondern er hatte obendrein auch noch gesagt, er würde Venloe liebend gern umbringen. So langsam wie möglich. Venloe hatte ihm geglaubt. Jedes einzelne Wort.
Der Imperator schien Venloes betonten Verzicht auf jegliche Reaktion nicht bemerkt zu haben.
»Die letzten Aktionen von Dr. Iskra und seinem Regime, die mir durch Sie, Sten und ... andere Agenten mitgeteilt wurden, sind völlig psychopathisch«, fuhr der Imperator fort. »Wir müssen uns sofort gezielt mit diesem Problem beschäftigen.«
»Ja, Euer Majestät. Vielen Dank für diese Klarstellung der Situation. Ich fürchte, ich war etwas verwirrt und mir nicht mehr ganz sicher, welche Option wir wählen sollten.« Venloe log, wobei er absichtlich dick auftrug, um zu sehen, an welchem Punkt der Imperator sich eine seiner berühmten bissigen Bemerkungen nicht mehr verkneifen konnte.
Der Imperator sah jedoch zu einem anderen Bildschirm hinüber, der außerhalb von Venloes Blickwinkel lag. »Ich habe hier das Fiche vorliegen, das Sie über unsere sogenannte HintertürOption angefertigt haben. Gut durchdacht, Venloe.
Kompliment.«
»Danke, Sir.«
»Ich werde Ihnen sagen, welche Option in Kürze ausgeführt werden soll. Vorher jedoch noch eines: die Befehle werden sich von meinen anderen Anordnungen unterscheiden. Ich möchte, daß Sie sich direkt einschalten. Es genügt in diesem Fall nicht, die Ausführung nur zu kontrollieren. Und es darf keinen - auch nicht den geringsten - Fehler im Ablauf geben.«
Venloe sträubte sich kurz. »Euer Hoheit, meine Operationen waren durchgehend erfolgreich, und ich habe stets einer Sache vorrangige Beachtung geschenkt.«
»Und zwar der Tatsache, daß es für Sie einen sicheren Weg gibt, sich aus dem Staub zu machen, falls doch alles schiefläuft.«
»Man hat mir noch nie nachgesagt, ich sei ein Feigling, Sir.
Ich arbeite aus dem Grund gern mit Fernsteuerung, weil ich auf diese Weise meinen Klienten besser schützen kann. Wenn der Ausführende gefangen wird und dann geständig ist, spielt das keine Rolle, denn außer einem oder zwei Feldagenten, die absichtlich falsche Informationen erhalten haben, bleibt niemand in diesem Netz hängen.« Venloe dachte bei sich, natürlich ohne etwas davon verlauten zu lassen, daß seine Pläne gut genug funktionierten, um den allergrößten Fisch bis jetzt zu verschonen: nämlich den vermaledeiten Ewigen Imperator selbst. Aber er war schließlich kein Selbstmörder.
»Das spielt in diesem Fall keine Rolle«, sagte der Imperator.
»Außerdem handelt es sich um einen Befehl. Ich will, daß Sie direkt vor Ort sind und persönlich dafür einstehen, wenn etwas schiefgehen sollte.«
»Jawohl, Sir.«
»Sehr gut. Ich habe Ihnen bereits erzählt, daß Mahoney in den Altai-Cluster geschickt wurde - und in welcher Funktion.
Von diesem Plan hier weiß er übrigens nichts. Ich möchte, daß Sie den Cluster so schnell wie möglich verlassen - nachdem die Operation beendet ist. Also, wenn wir Mahoney jetzt noch mit in die Gleichung aufnehmen, müssen Sie mehrere Dinge tun.
Erstens: Dr. Iskra muß getötet werden. Sofort. Er darf aber keinesfalls Verdacht schöpfen, daß er aus dem Wege geräumt werden soll.«
»Versteht sich, Sir.«
»Zweitens: Unter Berücksichtigung von Mahoneys Anweisungen wird seine Aufgabe sehr viel einfacher werden, wenn einige der Fliegengewichte, die um Iskra herumschwirren, einige dieser ineffizienten Machtparasiten, von denen auch Sten in seinen Berichten gesprochen hat - nun, es wäre gut, wenn einige von diesen Existenzen ebenfalls ausgelöscht würden. Die Verwirrung über ihren Ersatz ist im Sinne des Imperiums durchaus erwünscht.«
»In diesem Fall wird sich Euer Hoheit vermutlich für Option C oder R aussprechen.«
»Richtig. Sobald ich Ihnen die letzten Bedingungen mitgeteilt habe, werden Sie auch wissen, welche der beiden in Frage kommt.
Das Imperium darf keinesfalls in diese Sache mit hineingezogen werden. Nicht einmal im Flüsterton, nicht einmal in den vagen, paranoiden Gerüchten. Die beste Möglichkeit, die ich für uns sehe, von jeglichem Verdacht frei zu bleiben, besteht darin, daß einer unserer meistrespektierten und geehrten Männer unglücklicherweise während der Vorgänge getötet wird.«
»Der - Botschafter, Sir?«
»Ja«, sagte der Ewige Imperator. »Wir alle leben, um zu dienen. Mit seinem Tod wird er mir seinen größten Dienst erweisen.
Sten muß sterben.«
Buch IV
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