Kapitel 22

»Ich wollte Sie schon seit einiger Zeit aufsuchen«, sagte der Imperator. »Die Verzögerung ist wirklich unverzeihlich. Ich schulde Ihnen und Ihrer Organisation sehr viel.«

Die alte Frau kicherte ihre Antwort: »Es ist unsere Pflicht (kicher) zu dienen, Euer (kicher) Eminenz. Schließlich geht es doch (kicher) beim Kult des Ewigen Imperators (kicher) gerade darum, oder nicht?«

»Trotzdem. Ihr habt mir ... in schwierigen Zeiten schon oft...

auf die Sprünge geholfen.«

»Wie können die Zeiten denn (kicher) jemals schwierig sein«, fragte Zoran, »wenn Ihr immer (kicher) mit uns seid?«

Der Imperator versuchte erst gar nicht zu antworten. Er ließ das Schweigen sich in dem dunklen Raum ausbreiten, in den er die alte Frau geführt hatte. Er hatte für seine Absichten eine bestimmte Atmosphäre schaffen wollen: eine düstere Erhabenheit. Doch Zorans Gekicher hellte das Zwielicht immer wieder auf. Das gefiel ihm nicht.

Ein ziemlich mieser Anfang. Sie war ein eigenartiger alter Vogel. Über hundertfünfzig Jahre alt, aber unter ihren orangefarbenen Gewändern steckte der wohlgeformte Körper einer jungen Frau. Von einer (gewählten) Hohepriesterin des Kults hätte er eigentlich erwartet, daß sie besonders wirr im Kopf wäre. Zu Anfang sah er sich durch ihr ständiges Gekicher in dieser Meinung auch bestätigt; bis er erkannte, daß sie sich mit dem Kichern unbequeme Frager vom Leib hielt. Und in ihren Augen blitzte eher Intelligenz als Ehrfurcht in seiner erhabenen Gegenwart.

»Ist es wahr«, fragte er schließlich, »daß Ihre, äh, Organisation mich für einen Gott hält?«

»Eine Repräsentation der (kicher) Heiligen Sphären wäre eine bessere Beschreibung unserer (kicher) Überzeugungen, Euer Majestät«, sagte Zoran.

»Dann ... betet ihr mich also nicht als einen Gott an?«

»Anbetung ist ein so (kicher) schwammiger Begriff, Euer (kicher) Eminenz. Wir opfern keine (kicher) fetten Lämmer, auch nicht unsere (kicher) Erstgeborenen. Aber wir (kicher) verehren Sie.«

»Als Gottheit?«

»Als ewiges (kicher) Wesen.«

»Verdammt, Frau! Bin ich ein Gott oder bin ich keiner?«

Das Kichern verebbte. Zoran sog vernehmlich den Atem ein. Der Imperator wurde ihr unheimlich. Als sie den Raum betreten hatte, hatte sie nicht gerade einen Heiligenschein um ihn herum erwartet; eigentlich eher einen ganz normal aussehenden Menschen. Das war er auch - obwohl er in Wirklichkeit besser aussah und größer war als in den Livies.

Was sie beunruhigte - abgesehen von der Dunkelheit des Raumes, die sie jedoch eher als zu ihren Gunsten gewählt auslegte -, waren die Augen des Imperators. Sie sahen sie nie direkt an, sondern wanderten ständig hin und her. Unablässig.

Es war beinahe ... pathologisch. Daß sie derartige Gedanken hegte, beunruhigte sie noch mehr.

»Entschuldigen Sie meine Heftigkeit«, sagte der Imperator.

»Schwierige Staatsprobleme und so.« Er beugte sich näher zu ihr heran und lächelte sein charmantestes Lächeln. Zoran bemerkte, daß seine Augen trotzdem nicht zur Ruhe kamen.

»Werden Sie mir meine Grobheit verzeihen?«

»Oh, Euer Majestät.« Zoran erwiderte seinen Charme mit ihrer schönsten Schwärmerei. »Ich bin diejenige, die Euch um Vergebung bitten muß. Ich bin eine dumme alte Frau. Und Ihr seid so nachsichtig mit mir.«

Der Ewige Imperator grunzte zufrieden. Das war schon besser. Jetzt fiel ihm auch auf, daß das Kichern aufgehört hat.

Noch besser.

»Wenn Sie also jetzt die Freundlichkeit besäßen und mir diese Gottgeschichte erklären würden?«

»Aber ja doch, Sir. Wenn meine Worte vielleicht unklar klangen, so geschah das allein aus Gewohnheit. Es gibt so viele unterschiedliche Arten von Lebewesen in unserem Orden. Der Ausdruck >Gott< läßt sich nicht für jedes von ihnen gleichwertig übersetzen.«

»Wie wahr«, sagte der Imperator. Er rühmte sich selbst der profunden Kenntnis obskurer Lehren und Quellen des Wissens.

»Ich nehme an«, fuhr Zoran fort, »daß in menschlichen Begriffen >Gott< eine zutreffende Beschreibung für Eure Heiligkeit sein dürfte.«

Der Imperator lachte. »Das muß man sich mal vorstellen.

Ich - ein Gott.«

»Oh, wir stellen es uns oft vor, Euer Eminenz«, sagte Zoran.

»Allen Mitgliedern des Kults des Ewigen Imperators ist sogar aufgetragen, es sich zweimal pro Tag vorzustellen. In unseren Gebeten. An Euch.«

»Wie überaus interessant«, wunderte sich der Imperator, dessen Augen sich aufgrund seines breiten Lächelns zu schmalen Schlitzen zusammenzogen ... und immerfort hin und her wanderten. Ohne sich auf einen festen Punkt zu konzentrieren. »Das ist wirklich eine der interessantesten Unterhaltungen, die ich in der letzten Zeit geführt habe.«

»Es ist mir eine Genugtuung, wenn ich Euch damit erfreuen kann«, sagte Zoran.

»Sagen Sie mir doch, wie viele Wesen glauben eigentlich an

... ha-ha ... mich?«

»Tausende und Abertausende, Euer Hoheit. Wahrscheinlich sogar Millionen.«

»Millionen, hmm?«

»Genaue Zahlen lassen sich momentan nur schwer feststellen, Euer Majestät. Ich kann jedoch sagen, daß unsere Mitgliederzahlen während Eurer, äh, Abwesenheit Rekordhöhen erreichten. Und sie sind noch einmal in die Höhe geschossen, als Ihr zurückgekehrt seid. Über eine gewisse Zeit jedenfalls.«

Die Lippen des Imperators strafften sich. »Das heißt... sie sind wieder rückläufig?«

»Ja, Euer Hoheit. Tut mir leid, daß ich das so berichten muß. Andererseits war es zu erwarten. Lebewesen sind so schwach. Sie gewöhnen sich daran, daß Ihr wieder da seid.«

»So schnell?« zischte der Imperator.

»Das ist ganz normal, Euer Majestät. Auch unsere Schatzkammer ist nicht mehr das, was sie einmal war.«

Dem Imperator war ihre letzte Spendenquelle bekannt. Das Geld war heimlich von Kyes gekommen, dem einzigen intelligenten Mitglied des Fünferkabinetts. Zoran hatte nichts von Kyes' wirklichen Beweggründen erfahren. Der Imperator wollte, daß es auch so blieb.

»Was müßte denn geschehen, um neuen Enthusiasmus in Ihrem Kreis hervorzurufen?«

»Nicht viel, Euer Hoheit. Ich erzähle allen potentiellen Spendern, daß die Mitglieder des Kults die ergebensten Wesen des Imperiums sind. Es sind ganz normale Bürger, die tagsüber ein nützliches und produktives Leben führen. In ihrer Freizeit tauschen sie ihre weltlichen Kostüme gegen unsere Gewänder aus und verbreiten das Wort Eurer Herrlichkeit all jenen, die gewillt sind zuzuhören.«

»Mit anderen Worten: Es gibt keine Mittler, die die Spenden abschöpfen«, sagte der Imperator.

»Genauso ist es, Euer Hoheit. Neunzig Prozent von jedem gespendeten Credit fließen direkt der Sache zu. Nur zehn Prozent müssen für Verwaltung, Transport, Post und dergleichen ausgegeben werden.«

»Bemerkenswert«, sagte der Imperator. Er meinte es auch so. Im Rahmen einer intensiven Beobachtung des Kults hatten auch seine Agenten nichts anderes berichtet.

Er zog ein Fiche aus seinem Schreibtisch und reichte es Zoran. »Meine Leute haben auf meine Veranlassung hin einige

... Erkundigungen eingezogen. Das Ergebnis ist hierauf vermerkt. Alles ist genau aufgeschlüsselt, nach jeder einzelnen Region meines Imperiums. Ebenso ein Profil meiner, sagen wir

... am meisten geschätzten Untertanen.«

Zoran merkte, daß ihre Hände zitterten, als sie das Fiche entgegennahm. Rasch überspielte sie ihre Reaktion. »Wie können wir Euch jemals dafür danken, Euer Majestät?«

»Ach, keine Ursache. Es ist lediglich eine kleine Unterstützung bei Ihrer guten Arbeit. Doch jetzt... noch einmal zur Finanzierung. Zwischen uns darf keinerlei Beziehung bestehen, verstehen Sie das?«

»Ja, Euer Majestät. Das wäre ... ungebührlich.«

»Ziemlich. Man wird sich in Kürze mit Ihnen in Verbindung setzen. Eine große Spende steht in Aussicht. Setzen Sie sie gut ein. Später wird noch mehr kommen. Wenn es gebraucht wird.«

»Jawohl, Euer Hoheit.«

»Ich freue mich, daß wir uns verstehen«, sagte der Ewige Imperator.

Zoran war nicht ganz so froh. >Das ist der Beweis dafür<, dachte sie, >daß es nicht immer weise ist, zu sehr für eine Sache zu beten. Denn es besteht die große Gefahr, daß deine Gebete erhört werden.«

Und jetzt wagte sie nicht, diese Erfüllung zurückzuweisen.