Kapitel 6

Die Atmosphäre im Imperialen Arbeitszimmer war sehr herbstlich. Nirgendwo war Alk oder Stregg zu sehen. Sten kam sich wie im Trockenkurs vor, als er zum Ende der Einsatzbesprechung hinsichtlich seiner Mission im Altai-Cluster kam und rasch die letzten Punkte abhakte.

»Kodierung ... SOI... Notvorkehrungen ... steht alles hier im Fiche. Wir sind bereit. Die Victory kann innerhalb von drei E-Tagen abheben, sobald Proviant und militärische Ausrüstung an Bord sind.«

Sten legte zwei Kopien seines Fiche auf den Schreibtisch des Imperators. Sie waren kodiert und mit einem Vermerk der höchsten Sicherheitsstufe versehen. Der Imperator ignorierte sie.

»Mir scheint auch, als hättest du bei der Wahl deines Personals für diesen Auftrag ganze Arbeit geleistet«, sagte er.

»Dein langjähriger Helfer, dieser Schwerweltler. Die Bhor. Ihr Kommandant. Sehr fotogen. Und ein hervorragendes Mittel, um ... fremder Einmischung aus dem Weg zu gehen.«

Wer auch immer vor Sten eine Unterredung mit dem Imperator gehabt hatte, mußte ihn wirklich ziemlich vergrätzt haben. Aber Sten war an üble Laune seitens seiner Vorgesetzten gewöhnt und ließ sich davon nicht einschüchtern.

»Eine Sache noch, Sir. Es dreht sich dabei auch um das Personal.«

»Was möchtest du noch?«

»Einen Skipper für die Victory. Ich glaube, Sie haben alles so arrangiert, daß ich auf Jochi ziemlich beschäftigt sein werde.«

»Hast du jemanden im Auge?«

»Flottenadmiral Rohber Mason. Er wartet zur Zeit hier auf der Erstwelt auf einen Einsatz.«

Zunächst war Sten die Idee fast wie ein Witz vorgekommen.

Als er jedoch näher darüber nachgedacht hatte, fand er sie immer besser. Mason würde zwar einen tyrannischen Kurs auf der Victory fahren, doch um die Moral auf dem Schiff machte sich Sten keine Sorgen; eher darum, am Leben zu bleiben, und vom Leuteschinder Mason wußte Sten, daß er dazu mehr als jeder andere in der Lage war. Außerdem wußte er, daß der Admiral Befehle befolgte. Er war auch einigermaßen gespannt darauf, ob es Mason etwas ausmachte, unter einem Mann zu dienen, den er nicht leiden konnte. Wahrscheinlich nicht -

Mason empfand allen empfindsamen Lebewesen gegenüber etwa das gleiche. Sten selbst hatte zunächst als Delinq und dann als Soldat gelernt, daß man nicht mit jedem gut Freund sein mußte, um mit ihm zusammenzuarbeiten.

»Hmm. Na schön. Du gewöhnst dir allmählich an, meine allerbesten Leute anzufordern.«

Der Imperator hatte also bereits von der Sache mit Stens Gurkha-Rekruten gehört. »Jawohl, Sir. Das bringt mich zu einem anderen Punkt. Bei mir haben sich siebenundzwanzig Gurkha-Freiwillige für diese Mission gemeldet.«

»Und was hast du ihnen gesagt?«

»Ich habe ihnen gesagt, wenn die ganze Geschichte mit Imperialer Gutheißung abläuft, seien sie mir höchst willkommen. Sie schienen den Eindruck zu haben, Ihre Zustimmung sei stillschweigend gewährt.«

Der Imperator drehte sich mitsamt dem Sessel um 180 Grad und blickte zum Fenster auf die ausgedehnten Gartenanlagen des Schlosses hinaus. Er sagte etwas, das Sten nicht verstand.

»Wie bitte, Sir?«

»Nichts.«

Schweigen. Dann kreiselte der Imperator wieder zurück. Er lächelte. Er lachte einmal kurz auf.

»Wenn du eine Handvoll Nepalesen dabei hast, merken die Altai-Burschen bestimmt schneller, daß wir es mit deinem Auftrag sehr ernst meinen - und daß du Zugang zu den allerhöchsten Ebenen hast, was?«

Sten antwortete nicht.

»Nimm sie mit«, sagte der Ewige Imperator. »Es wird ihnen guttun. Vielleicht sollten wir ein Programm einrichten, bei dem die Gurkhas immer abwechselnd im Außendienst eingesetzt werden, ein bißchen Erfahrung sammeln. Damit sie nicht einrosten.«

»Jawohl, Sir.«

»Ich glaube, damit habe ich meine Aufgabe, dich und dein Team auf eure Aufgabe vorzubereiten, hervorragend erfüllt«, meinte der Imperator dann. »Ich wünsche dir viel Erfolg ... und viel Glück.«

Er erhob sich und streckte Sten eine Hand entgegen. Sten schüttelte sie und salutierte - obwohl er eigentlich in Zivilkleidung war. Dann machte er zackig und elegant kehrt und ging auf den Ausgang zu. >Kein Abschiedstrunk<, schoß es ihm durch den Kopf. Aber seine Gedanken kreisten mehr um das, was der Imperator womöglich gesagt hatte, als er ihm den Rücken zugekehrt hatte: »Also ändert sich doch alles ...«

Der Imperator behielt sein offizielles Lächeln auf den Lippen, bis die Türen wieder verschlossen waren. Dann ließ er es wegsacken. Er stand einen langen Augenblick da und blickte auf die Tür, durch die Sten gerade gegangen war, bevor er sich wieder hinsetzte und seinen Kämmerer per Tastendruck anwies, ihm die nächste Katastrophe hereinzuschicken.

Sten machte im Verwaltungszentrum von Arundel halt, um Masons Marschbefehl zur Victory sofort loszuwerden und dem befehlshabenden Offizier der Gurkhas mitzuteilen, daß der Anfrage der Freiwilligen stattgegeben worden war und sie sich marschbereit machen und am nächsten Tag an Bord melden sollten. Dann ging er in ziemlich säuerlicher Stimmung zu seinem A-Grav-Gleiter zurück. Zum Teufel noch mal. Er hätte Lalpahadur Thapa sagen sollen, er solle sich auf einen von Nepals Achttausendern setzen, bis ihm die Schamhaare abfroren, und seine sechsundzwanzig Freunde gleich mitnehmen.

Auch den Gedanken, daß jemand herumschlich und herausfand, daß er und Cind nicht solo schliefen, fand er nicht sehr berauschend, obwohl ihnen nicht besonders daran gelegen war, ihre junge Beziehung geheimzuhalten.

Sten wußte, daß der Imperator so lange überlebt hatte, weil er stets alles daran gesetzt hatte, den allerbesten Geheimdienst zu haben. Er wußte, daß jeder Gefolgsmann am Imperialen Hof zumindest eine geheimdienstliche Grundausbildung genossen hatte; die meisten waren sogar ehemalige Spezialisten. Und vermutlich war es sogar sinnvoll zu wissen, ob dein Bevollmächtigter Botschafter ungebunden oder in festen Händen war oder ausgiebig seiner Lust frönte.

Trotzdem gefiel es ihm nicht besonders.

Als er die breite Treppe zum Paradeplatz hinunterging, wanderte seine Hand automatisch zur Stirn und erwiderte den Gruß der dort aufgestellten Wachtposten. >Es gibt viel zu viele neugierige Menschen auf der Welt<, dachte er mit leichtem Bedauern. Dann mußte er plötzlich kichern. Vermutlich waren Geheimdienstler ganz besonders allergisch dagegen, wenn jemand seine Nase in ihre Angelegenheiten steckte.

Neben seinem A-Grav-Gleiter stand ein zweiter, fast eine exakte Kopie. Das war eigenartig ... Stens Fahrzeug war ein glänzendes, langgezogenes, strahlend weißes Luxusgefährt, das von vorne bis hinten nach Dienstwagen roch, angefangen von dem ihm zugewiesenen Fahrer und dem Leibwächter - einem von Cinds Bhor - bis hin zu den kleinen Botschafterfähnchen an jeder Ecke des Fahrzeugs und dem phototropischen Haubendach. Nicht ungewöhnlich für die Erstwelt. Doch auf Stens Diplomaten-Yacht prangte links und rechts auf den Türen auf einem kräftigen roten Untergrund das Imperiale Wappen.

Dem anderen Gleiter fehlten nur die Zeichen des Botschafters, um als Klon von Stens Fahrzeug durchzugehen.

Die Tür öffnete sich ... und Ian Mahoney trat heraus.

Mahoney war der ehemalige Chef des Mercury Corps, der ehemalige Chef der Sektion Mantis, der Mann, der Sten aus seiner Fabrikwelt namens Vulcan mitgenommen und zum Dienst in der Imperialen Armee rekrutiert hatte. Mahoney war später Kommandant der elitären 1. Imperialen Gardedivision geworden und schließlich Oberster Kommandeur des letzten Angriffs auf die Tahn. Als der Imperator kurz darauf ermordet worden war, hatte Mahoney die Gegenkräfte zur Vernichtung der Attentäter, des Privatkabinetts, organisiert.

Nachdem das Imperium wieder zurückgewonnen war, hatte Mahoney einen ähnlichen Job wie Sten aufgenommen: Er war einer derjenigen, die überall, mit den höchsten Vollmachten ausgestattet, für den Imperator die Kastanien aus dem Feuer holten.

Die Aufgabe, das zerrüttete Imperium wieder

zusammenzusetzen, war gewaltig. Nicht zuletzt deshalb hatten Sten und Mahoney sich während der vergangenen Jahre nur zweimal gesehen, und auch diese beiden Gelegenheiten waren nur ganz kurze Momente gewesen.

Mahoney bedachte Stens Schultern mit einem gespielt spöttischen Blick. »Wo sind denn deine Epauletten?« fragte er.

»Diesmal weiß ich gar nicht, ob du im Rang über mir stehst, oder ob du meinen Ring küssen mußt.«

Sten lachte und wunderte sich sogleich darüber, weshalb er plötzlich so gut gelaunt war. Er wußte, daß es nur wenige Leute gab, mit denen er sich ungeschminkt unterhalten konnte, geschweige denn solche, die er als Mentor für sich gellen ließ, obwohl er Mahoney mindestens genausooft den Arsch gerettet hatte wie Mahoney ihm.

»Wunderbar«, sagte Sten. »Ich weiß aber selbst noch nicht, in welcher Gehaltsstufe ich diesmal gehandelt werde. Bleiben wir doch dabei, daß ich dich >Sir< nenne - da muß ich mich wenigstens nicht der alten Gewohnheiten wegen entschuldigen.

Hast du Zeit für einen Drink?«

Mahoney schüttelte den Kopf. »Leider nein, die Pflicht ruft, und sie ruft mit unangenehmer Stimme. Ich soll schon bald eine noch sinnlosere Rede als sonst vor dem Parlament halten.

Und so liebend gerne ich auch zum Podium stapfen, einen ordentlichen Streggrülpser loslassen und die nichtexistenten Seelen sämtlicher Politiker in die finsterste Hölle verwünschen wurde - ich glaube, der Boß will vorher mit mir noch ein Wörtchen reden.« Mahoney zeigte mit dem Daumen zur Wohnung des Imperators hinauf.

»Verdammt«, sagte Sten. »Du und ich haben den Krieg ausgefochten, der alle Kriege beenden sollte, und immer noch wollen sie uns nicht die kleinste Verschnaufpause gönnen!«

Mahoney runzelte die Stirn, anscheinend tief in Gedanken.

»Laß uns ein paar Minuten vor meiner Sitzung abknapsen.

Immerhin haben wir eine Chance zum Reden und ein wenig Übung, was wir beide gut gebrauchen können. Laß uns doch ein bißchen dort hinübergehen - falls du ein wenig Zeit hast.«

»Ich habe ein wenig Zeit.«

»Hatte der Imperator nicht hier irgendwo seine Werkstatt?«

sagte Mahoney. »Wo er immer diese ... was bastelte er damals?«

»Gitarren«, antwortete Sten.

»Ich habe mich schon gefragt, warum er die Werkstatt nicht wieder aufgebaut hat. Nach ... seiner Rückkehr.«

Sten zuckte mit den Achseln. Er hatte eigentlich vorgehabt, etwas Dampf abzulassen, doch bislang hatte Mahoney die Unterhaltung erbarmungslos trivial gehalten.

»Das waren schon tolle Tage damals, was ... ?« Plötzlich veränderte sich Mahoneys Ton. »Aber es dauert verdammt lange, bis man sich an sie zurückerinnert, mein Junge. Hör jetzt nicht auf zu lächeln. Wir sind hier zwar außer Reichweite der parabolischen Mikros, aber dort oben auf dem Mauerkranz ist ein Teleauge, das von den Lippen lesen kann.«

Stens Ausrutscher dauerte nur eine Mikrosekunde. Dann war er wieder der absolute Profi. »Woher weißt du, daß es hier sauber ist?«

»Ich habe Kopien sämtlicher Sicherheitspläne von Arundel und ihrer Änderungen. Eine Frau in der Tech-Abteilung schuldet mir noch einen kleinen Gefallen.«

»Was geht hier vor sich?«

»Verdammt noch mal, Sten, wenn ich dir das nur so einfach beantworten könnte. Oder wenn wir mehr als zwei Minuten hätten, bevor wir im Bereich der nächsten

Überwachungseinrichtung sind. Ich bin mir nämlich nicht ganz sicher. Aber gewisse Dinge ... laufen schief. Und das, soweit ich das beurteilen kann, schon seit er zurückgekehrt ist.«

Mahoney grunzte. »Vielleicht verwandle ich mich ja auch nur in einen senilen paranoiden alten Mann. Meiner Meinung nach ist die faule Stelle jedoch - der Imperator selbst.«

Sten wäre vor Erleichterung fast zusammengeklappt. Da war es also: Es gab noch jemanden, dem etwas aufgefallen war.

»Wenn ich dir Details liefern soll, denkst du sicherlich, ich hab' sie nicht mehr alle«, fuhr Mahoney fort. »Weil... Es sind lauter Kleinigkeiten. Kleinigkeiten, die zu großen Dingen führen.«

»Zum Beispiel diese neuen Kerle in Grau«, überlegte Sten laut. »Diese interne Sicherheit?«

»Das ist schon eine größere Sache. Noch größer ist, daß sie weder Mercury noch Mantis unterstehen. Außerdem ist es seltsam, daß sie, je näher sie dem Imperator selbst kommen, um so mehr aussehen, als wären sie seine verdammten Söhne, oder was weiß ich. Zeit!«

»Du hast recht. Ich werde auch schon müde. In letzter Zeit erscheint mir der Gedanke, mich nach Smallbridge zurückzuziehen, immer verlockender.« Sten hatte die Bemerkung sofort verstanden. »Dort kann man die Welt einfach vorüberziehen lassen und all so was.«

»Ich habe schon immer gesagt: Dir fehlt der rechte Ehrgeiz«, sagte Mahoney

»Und das immer mehr, je älter ich werde.«

»Verstehe. Hast du dich länger hier am Hof aufgehalten?«

»Eigentlich nicht.«

»In letzter Zeit wird da sehr viel Wert drauf gelegt«, sagte Ian. »Früher mußte der Imperator sein Schloß mit reichen und einflußreichen Leuten vollstopfen. Verpaß ihnen einen Titel, bring sie hier auf der Erstwelt unter, und schon richten sie zu Hause keinen Schaden mehr an. Die meisten von ihnen sind heute immer noch angeberische Pfauen. Es sieht jedoch ganz so aus, als verbrächte der Imperator immer mehr Zeit in ihrer Gesellschaft. Außerdem laufen hier immer mehr Leute herum, die keineswegs nur eitle Gecken sind.«

»Was soll das heißen?«

»Keine Ahnung«, sagte Mahoney

»Ist dir aufgefallen, daß der Imperator in der letzten Zeit ziemlich gereizt ist?« fragte Sten.

»Siehst du«, antwortete Mahoney und wollte schon hilflos die Hände spreizen, überlegte es sich aber doch anders, »derlei Dinge, ob er schlecht gelaunt ist oder nicht - ich weiß nicht einmal, ob das eine Rolle spielt. Vielleicht war er schon immer so. Vielleicht hat er sich nur zuviel auf einmal vorgenommen, wenn er dieses zerfallene Imperium wieder zusammensetzen will. Ich ... ich habe wirklich keine Ahnung«, sagte Mahoney erneut.

»Das ist die andere Frage«, entgegnete Sten. »Vielleicht die richtige Frage. Jedenfalls das, was mich beschäftigt. Kann dieses verfluchte Imperium überhaupt gerettet werden? Oder ist es durch die Kombination Tahn-Krieg plus Privatkabinett zu sehr erschüttert worden?«

»Das alles ins Lot zu kriegen ... drei, zwo, jetzt... Noch einmal, Sten, die einzige Antwort die ich habe, ist unzureichende Daten.«

Sie spazierten weiter. Der Weg schlängelte sich auf den künstlichen Berg zu, den der Imperator angeblich hatte aufschütten lassen, damit er die Dummköpfe im Parlament nicht ständig sehen mußte. Sten und Mahoney unterhielten sich über Belanglosigkeiten, bis Mahoney wieder grünes Licht gab und sich nach Stens neuem Auftrag erkundigte.

»Wir haben jetzt zehn Minuten, du kannst es mir also genauer erzählen.«

Was Sten auch tat. Bis auf ein gelegentliches Kopfschütteln oder Brummen äußerte sich Mahoney nicht dazu.

»Das ist wieder ein herrliches Beispiel für das, was mir soviel Kopfzerbrechen bereitet«, sagte er dann. »Der Altai-Cluster. Gute Analyse vom Boß. Trotzdem fragt man sich, warum er es erst soweit kommen ließ. Er entschuldigt sich damit, daß er mit größeren Katastrophen beschäftigt war.

Ganz schlecht dabei ist, daß er dich damit beauftragt hat, dem Khaqan seinen Segen zu erteilen und seine Schweinereien gutzuheißen. Er hätte dich ebensogut - was wahrscheinlich klüger wäre - hinschicken können, um erst einmal ein Gespür für die Lage zu bekommen und dann zu entscheiden, ob er den alten Häuptling unterstützen oder doch lieber gleich Mantis losschicken soll, um ihm die Kehle durchzuschneiden.

Das ist natürlich ein Punkt, den ich mir eben erst überlegt habe, wenn ich schon mal laut denken darf. Mir kommt es vor, als verfüge er nicht mehr über die Geduld und auch nicht mehr über den Scharfsinn von früher.

»Oje«, sagte er. »Oje.«

»Das Problem dabei ist«, meinte Sten, »daß der Imperator, soweit ich es sehe, unsere einzige Option ist.«

Mahoney antwortete nichts darauf. »Ich bin sicher, daß sich alles aufklären wird«, sagte er schließlich ohne rechte Überzeugung. »Aber jetzt kommen wir wieder in die Reichweite der großen Ohren. Ich muß mich um meine Probleme kümmern. Ich habe doch diesen ganzen Mist nicht durchgemacht, um mich mit deinen verfahrenen persönlichen Problemen herumzuärgern. Für derartigen Kram gibt es schließlich Priester.«

Sten lachte und fühlte sich sogleich wesentlich besser.

Mahoney bewies das alte rauhbeinige Mitgefühl von Mantis, so in der Art: »Tut mir leid, daß du gerade verblutest, aber könntest du es nicht in einer anderen Farbe tun, du weißt doch, daß ich Rot hasse.«

»Zunächst das hier.« Mahoneys Hand strich über die von Sten, und ein kleines rechteckiges Stückchen Kunststoff wechselte den Besitzer. »Es reagiert auf Körpertemperatur.

Bewahre es nah an deinem Körper auf. Wenn du es fallen läßt, löst es sich auf.«

»Was ist darauf?«

»Ein sehr ausgeklügeltes, höchst kompliziertes Computerprogramm und seine beiden Brüder. Geh damit zu irgendeinem Terminal, das für alle Einheiten zugelassen ist, und gib die Codes ein. Der erste löscht sämtliche Referenzen in allen Imperialen Verzeichnissen bezüglich eines gewissen Ian Mahoney, inklusive der Mantis-Akten und der >Nur für den Imperator<-Berichte. Der zweite tut das gleiche mit Sten, kein Vorname; der dritte für einen Knaben namens Kilgour. Nach dem Löschen mutieren sie in alle Richtungen und zerstören unterwegs alles andere.«

»Wozu soll denn das gut sein?« fragte Sten schockiert.

Mahoney antwortete nicht. »Noch etwas. Und hör genau zu, denn ich werde es nur einmal sagen, und ich will, daß du es ganz hinten in deinem Hirn verstaust.

Wenn die Scheiße über uns zusammenschwappt - ich meine wirklich zusammenschwappt, und du wirst genau wissen, was ich damit meine, wenn es soweit ist -, dann geh als erstes nach Hause. Dort wartet etwas auf dich.«

»Small-«

»Denk nach, verdammt«, knurrte Mahoney. »Du trägst den Kopf hoch, als wärst du ein steifbeiniger Rekrut. Das ist alles.

Vier Hinweise, wenn überhaupt. Oder nur vier Anzeichen für den Abstieg eines alten Mannes in die Senilität?«

Mahoney kicherte plötzlich auf. »... wie schon gesagt, du Schwachkopf, es heißt: >Hoffnung liegt in ihrer Seele.<«

Mahoney lachte. Sten, dem Situationen, in denen Frohsinn angesagt war, auch wenn es nichts zu lachen gab, mehr als vertraut waren, stimmte in Mahoneys Lachen ein. »Na schön, Ian. Wenn wir hier schon alte Kracher loslassen, dann habe ich noch einen von Kilgour auf Lager, bei dem ich mich aber nicht erst an seinem scheußlichen Redestil versuchen werde.«

Während sein Mund anfing, die Worte eines

halbvergessenen Witzes zu formulieren, untersagte sich Sten einen schuldbewußten Blick zurück auf Schloß Arundel... und dann konzentrierte er sich auf Scherze, Flüche, Schotten und anderes dummes Zeug.

Einige Tage später stand Ian Mahoney in der Dunkelheit verborgen in der Nähe eines Raumhafenhangars. In weiter Entfernung bauschte sich am Nachthimmel eine violette Flamme über dem Landefeld.

Die Victory stieg langsam mit Hilfe ihrer Yukawa-Triebwerke, bis sie eine Höhe von eintausend Metern über der Erstwelt erreicht hatte, und plötzlich erfüllte den dunklen Himmel nichts mehr außer einer großen Stille.

Mahoney stand noch lange da und starrte in das Nichts hinauf.

Viel Glück, mein Junge. Hoffentlich hast du mehr als ich.

Denn so langsam glaube ich, daß mich das meine im Stich läßt.

Und hoffentlich merkst du recht bald, daß womöglich die Zeit gekommen ist, sich nach einer anderen Option umzusehen

- und daß du herausfinden mußt, welche Option das sein könnte.