24. KAPITEL
Carol Girard
Die zwei Tage, die auf die künstliche Befruchtung folgten, waren die schlimmsten für Carol. Der Spezialist hatte ihr für achtundvierzig Stunden strenge Bettruhe verordnet. Schon nach kurzer Zeit zerrte das Stillliegen an ihren Nerven, aber mit jedem Atemzug, mit jedem Herzschlag zwang sie sich dazu, positiv zu denken und Kraft zu schöpfen.
Doug verhielt sich wundervoll. Er tat alles in seiner Macht Stehende, um es ihr so angenehm wie nur möglich zu machen. Trotzdem erkannte sie den Ausdruck in seinem Blick. Die Sehnsucht, die nicht ausgesprochen wurde, und die Angst, dass sie trotz allem kein Kind haben könnten, kein Kind haben würden. Es war auch nicht einfach für ihn, und obwohl er versuchte, diese Angst zu verbergen, wusste Carol, dass er sich große Sorgen machte. Genau wie sie.
Positiv zu denken fiel ihr am zweiten Tag nicht mehr ganz so leicht, besonders weil Doug immerzu um sie herum wuselte. Der Streit, der an diesem furchtbaren Abend zwischen ihnen ausbrach, war weder seine noch ihre Schuld. Sie beide fühlten sich einfach von der angespannten Situation überfordert. Er stürmte aus dem Haus und kam erst weit nach Mitternacht zurück. Carol war erleichtert, dass er nicht das Auto genommen hatte, denn sie konnte den Alkohol in seinem Atem deutlich riechen, als er zu ihr ins Bett schlüpfte.
Am nächsten Morgen schlossen sie wieder Frieden miteinander. Nun blieb ihnen nichts anderes übrig, als zu warten – drei Wochen, bis man feststellen konnte, ob sich ein befruchtetes Ei eingenistet hatte, und drei Monate, bis sicher war, dass die Schwangerschaft stabil verlief. Bis dahin würde ihre Geduld noch einige Zerreißproben überstehen müssen.
Zehn Tage nach dem Eingriff meldete sich Lydia bei ihr. Das war das erste Mal, dass sie Carol zu Hause anrief. Es tat gut, eine freundliche Stimme zu hören.
“Ich habe so lange nichts von dir gehört und habe mich gefragt, wie es dir geht”, sagte Lydia.
“Ganz gut”, erwiderte Carol fröhlich – doch die Begeisterung in ihrer Stimme täuschte.
“Ich meinte, wie geht es dir wirklich?“, beharrte Lydia.
“Nicht so gut”, gab Carol zu. “Oh Lydia. Es ist nicht so einfach. Im Moment kann ich nichts tun, als zu warten. Doug und ich stehen unter einem enormen Druck.”
“Ich lade dich zum Essen ein, dann können wir in Ruhe reden.”
Ein gemeinsames Mittagessen klang wunderbar, aber Carol wusste, dass Lydia Verpflichtungen hatte. “Was ist mit dem Laden?”
“Ich habe bereits mit meiner Mutter gesprochen. Sie kommt vorbei, um für einige Stunden im Geschäft zu sein. Wollen wir an der Strandpromenade essen gehen? Es ist so ein schöner Tag.”
Carol stimmte zu. Die Sonne schien, und Puget Sound erstrahlte in einem unglaublichen Saphirblau. Nichts würde ihr im Moment besser tun, als eine Zeit lang aus der Wohnung zu kommen.
Sie wählten ein kleines, unscheinbares Restaurant aus, das sich auf Fisch spezialisiert hatte. Als Carol ankam, saß Lydia bereits an einem Tisch im Hof. Die sanfte Brise, die vom Meer zu ihnen herüberwehte, trug den leichten frischen Duft von würziger Seeluft zu ihnen. Ein paar Möwen kreischten. Die weißen Bergspitzen der Olympics erstrahlten in der Ferne, und die Washington-State-Fähre hatte ganz in der Nähe im Hafen festgemacht. Das alles machte es so reizvoll, am Pazifik zu leben, und Carol liebte es.
“Das ist eine willkommene Abwechslung”, sagte Carol, als sie sich am Tisch niederließ.
“Es ist so schön heute, dass ich es keine Minute länger im Haus ausgehalten hätte. Meine Mutter sagt mir immer, dass ich mir Zeit für mich selbst nehmen soll – und heute dachte ich, sie hat vollkommen recht damit.”
“Strickt sie auch?”
“Nur ein bisschen – für den Hausgebrauch sozusagen. Sie genießt es, mich vertreten zu können. Es macht sie stolz und glücklich, wenn sie denkt, sie kann mir helfen – und das tut sie tatsächlich.”
“Bestell ihr meinen persönlichen Dank.”
Lydia lächelte. “Ich bin genauso dankbar für die Pause, denn ich brauche eine Auszeit. Und ich bin froh, dass du zugesagt hast.”
Obwohl Carol die Stricklehrerin erst seit relativ kurzer Zeit kannte, hatte sie inzwischen das Gefühl, eine echte Freundin gefunden zu haben. Seit ihrer Collegezeit war ihr durch die Arbeit und die Bemühungen, schwanger zu werden, immer weniger Zeit und Muße geblieben, sich um Freundschaften zu kümmern. Lydia hatte ebenfalls den Wunsch geäußert, neue Freunde kennenzulernen. Die beiden Frauen waren in ihrem Leben an einem ähnlichen Punkt angekommen. Sie unterhielten sich ab und zu, und Lydia unterstützte Carols wachsende Leidenschaft fürs Stricken. Es war einfach, Lydia zu mögen. Sie war so nett, ruhig und bescheiden. Carol bekam nie mit, dass Lydia einmal die Stimme erhob oder die Geduld verlor. Aber wenn sie übers Stricken sprach, bemerkte man die Liebe und die Leidenschaft, mit der sie diese Kunst betrieb. Carol bewunderte Lydias Ruhe, mit der sie die Streitigkeiten zwischen Alix und Jacqueline schlichtete. Es war sicherlich nicht immer leicht, die beiden im selben Kurs zu haben. Mehr als einmal hatte sich Carol die Frage verkneifen müssen, ob die beiden ihr Verhalten nicht auch für albern und kindisch hielten.
An ihrem Tisch unter einem Sonnenschirm warf Carol einen Blick in die Speisekarte. Sie entschied sich für Fettuccine mit Meeresfrüchten, eines ihrer Lieblingsgerichte. Sie unterhielten sich übers Stricken, über Freundschaften, erzählten sich Erlebnisse aus ihrer Kindheit und redeten über Bücher, die sie beide mochten. Der Höhepunkt ihres Essens war die Geschichte, wie Alix Jacqueline in der Seitenstraße vor den Ganoven gerettet hatte.
Carol entschied sich, auf ihrem Rückweg noch einige Dinge im Supermarkt zu besorgen. Ihr Appetit hielt sich, seit der letzte IVF-Zyklus begonnen hatte, in Grenzen, und das Abendessen wurde oft in letzter Minute ohne große Planung oder viel Mühe aus verschiedenen Zutaten zusammengewürfelt. Wenn Doug nicht gewesen wäre, hätte sie das Essen manchmal komplett vergessen.
Als sie das Restaurant am Strand verließ, fühlte sie sich um einiges besser. Erstaunlich, was ein Gespräch mit einer Freundin so alles bewirken konnte. Im Supermarkt kaufte sie ein zartes Filetstück zum Braten und kehrte zurück in die Wohnung. Sie fühlte sich erfrischt und genoss den warmen Sonnenschein.
In dem Moment, als Doug an diesem Abend nach Hause kam, spürte er, dass sich etwas verändert hatte. Er lächelte seine Frau an und küsste sie. Dann verschwand er im Schlafzimmer, um kurze Zeit darauf in seiner Mariners-Baseballjacke und der passenden Kappe wieder zu erscheinen.
“Du hast es vergessen, hab ich recht?”, fragte er, als er ihren verwirrten Gesichtsausdruck bemerkte. “Bill und ich haben doch Karten für das Spiel.”
“Natürlich.” Sie schüttelte ihre Enttäuschung ab. Ihr Nachmittag mit Lydia hatte ihr so gutgetan, und sie würde ihrem Ehemann den Abend mit seinem langjährigen Collegefreund selbstverständlich nicht missgönnen.
Ein wenig später war Doug verschwunden. Zum ersten Mal seit einer Woche kochte sie ein richtiges Essen, und nun war Doug nicht zu Hause, um es zu kosten. Das Leben steckte voller Ironie.
Sie fühlte sich dennoch gut, auch wenn ihre Laune nach einem Telefonat mit ihrem Bruder ein bisschen nachließ. Seit seinem Besuch, der mittlerweile einen Monat zurücklag, hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen.
“Kann ich vorbeikommen?”, fragte er. Carol konnte hören, wie niedergeschlagen er klang.
“Sicher. Aber ich bin heute allein. Doug ist mit Bill bei einem Spiel der Mariners.”
Rick seufzte hörbar. “Vielleicht ist das sogar besser.”
Diese Worte ließen Carol aufhorchen. “Was ist los?”
“Ich erzähle es dir, wenn ich da bin.”
Keine halbe Stunde später stand ihr Bruder in der Tür. Carol hatte ihn nie zuvor in einem solchen Zustand erlebt – er war unrasiert, und unter seinen Augen lagen dunkle Ringe. Sichtlich erschöpft sank er auf einen Stuhl. Als sie ihn fragte, ob er ein Bier wolle, entgegnete er: “Hast du auch etwas Stärkeres?”
“Tut mir leid”, entgegnete sie. “Nur Wein.”
“Dann nehme ich gern ein Bier.” Er beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf seine Knie.
“Erzählst du mir, was los ist, oder soll ich raten?”, fragte sie, als sie ihm das Bier reichte.
Er nahm einen tiefen Schluck. “Bin ich schon so dumm auf die Welt gekommen, oder habe ich diese Gabe erst vor Kurzem erlangt?”
“Die Antwort hängt von deinem Problem ab”, erwiderte Carol und setzte sich. Sosehr Rick seine Mitmenschen auch aufregen konnte, so schwierig war es auch, ihm lange böse zu sein. Sie glaubte, seine lässige Art war sowohl ein Glücksfall als auch eine schwere Bürde für ihn. Vielleicht war ihm alles zu leicht zugeflogen.
“Lisa ist schwanger”, sagte er.
Carol starrte ihn an. “Lisa? Was für eine Lisa?”
Er fuhr sich über die Augen. “Sie ist eine Flugbegleiterin. Ich habe mich ein paarmal mit ihr getroffen.”
“Offensichtlich hast du mehr mit ihr getan, als sie nur zu treffen”, stieß Carol hervor. Es gelang ihr nicht, ihren Ärger zu unterdrücken. Das war unglaublich. Einen Moment lang hoffte sie, er habe nur einen schlechten Scherz gemacht. Aber ein Blick in sein Gesicht genügte, um diese Hoffnung platzen zu lassen. Und erst einige Wochen zuvor hatte er noch von seiner unsterblichen Liebe zu seiner Exfrau gesprochen.
“Was ist mit Ellie?”, fragte sie. “Als wir uns das letzte Mal unterhalten haben, wolltest du sie noch zurückgewinnen.” Mit einer anderen Frau zu schlafen zeugte nicht gerade davon, dass er aus tiefstem Herzen und mit allen Mitteln versuchte, seine Exfrau zurückzubekommen.
“Ich weiß … ich liebe Ellie und will sie zurück.”
“Warum hast du dann was mit Lisa angefangen?”
“Es ist einfach so passiert”, murmelte er völlig niedergeschlagen.
Sie schüttelte den Kopf. Sie konnte kaum glauben, was ihr Bruder ihr gerade erzählte. “Ihr seid einfach so zusammen ins Bett gefallen?” Ihre Stimme wurde mit jedem Wort lauter. Das also war der wahre Grund dafür, warum Ellie ihm nicht mehr vertraute. Sie hatte Carol einen Wink gegeben, einen Hinweis, warum sie sich trennen musste, aber Carol wollte nicht genau hinhören. Sie weigerte sich, zu glauben, dass ihr großer, starker, wundervoller Bruder Schwächen hatte.
“Sag doch etwas”, bat Rick.
Abermals schüttelte sie den Kopf. Plötzlich sah sie ihren Bruder in einem ganz anderen Licht. All die Jahre war er ihr Held gewesen, und nun, mit einem Schlag, sah sie ihn als den charakterlosen Egoisten, der er wirklich war. “Dieses Mal bist du zu weit gegangen.”
“Glaub mir, Schwesterchen, du kannst mir keine Vorwürfe machen, die ich mir nicht schon selbst gemacht hätte. Alles ist plötzlich so kompliziert.”
“Und wessen Schuld ist das?”, fragte sie. Nicht fähig, noch länger ruhig auf ihrem Stuhl zu sitzen, sprang sie auf und ging rastlos im Zimmer auf und ab. “Du solltest eigentlich viel zu schlau sein, um ungeschützt mit einer Frau zu schlafen!”
Er schloss die Augen.
“Weiß Ellie davon?”
“Nein!”, sagte er eine Spur zu heftig. “Ich werde es ihr auch nicht erzählen, so viel steht fest.”
“Was ist mit Lisa?”
“Wie? Was soll mit ihr sein? Sie ist geschockt – offenbar hat ihr Verhütungsmittel versagt.”
“Tatsächlich.” Carol war wütend auf ihren Bruder, und es interessierte sie nicht wirklich, was er über die ganze Angelegenheit dachte. Sie war gerade viel zu beschäftigt mit ihrem Zorn auf ihn.
Es dauerte ein paar Minuten, bis sie die Neuigkeiten verdaut hatte. Sie setzte sich wieder und legte die Hand vor den Mund. Ihr Bruder war sicher nicht zu ihr gekommen, um sich eine Standpauke anzuhören. Er brauchte ihre Hilfe, auch wenn sie nicht wusste, was sie ihm raten sollte.
“Bist du sicher, dass das Kind von dir ist?”
Er nickte und betrachtete gedankenverloren seine Hände. “Wir waren in letzter Zeit ziemlich oft zusammen.”
Carol schluckte eine passende Erwiderung herunter. “Wie weit ist sie?”, wollte sie wissen. Ihre Stimme klang kühl.
“Sie hat es gerade erst herausgefunden. Im zweiten Monat, schätze ich.”
Carol strich sich das Haar aus dem Gesicht und versuchte sich zu konzentrieren. “Wann hat sie es dir gesagt?”
“Gestern. Völlig aufgelöst hat sie mich angerufen. Verdammt, ich wusste nicht, was ich zu all dem sagen sollte. Was hätte ich denn sagen sollen?”
“Liebst du sie?”
Einen Augenblick lang dachte Rick über die Frage nach. Schließlich schüttelte er langsam den Kopf. “Ich mag sie, und sie ist mir wichtig. Aber lieben, nein, lieben tue ich sie nicht. Ich würde sie nicht heiraten wollen. Warum sollte ich das auch tun? Nur weil sie vergessen hat, irgendeine Pille zu schlucken?” Er sah furchtbar mitgenommen aus. “Ich liebe Ellie”, murmelte er. “Und ich will mit ihr zusammen sein. Ich brauche sie.”
“Dann hättest du dich ein bisschen besser im Zaum halten sollen”, zischte Carol. Eigentlich wollte sie nicht gemein sein, doch ihr Bruder machte sie so wütend. Wenn er Ellie wirklich lieben würde, dann hätte er Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um sie zurückzugewinnen. Mit einer Stewardess zu schlafen, passte definitiv nicht zu diesem Plan.
“Wenn du Lisa nicht heiraten willst, wie soll es dann weitergehen?”, fragte Carol.
“Ich weiß es nicht.”
Eindringlich blickte Carol ihren Bruder an. Sie wollte, dass er ihr die Wahrheit sagte. “Das ist nicht das erste Mal, hab ich recht?”
“Das erste Mal in welcher Hinsicht? Wenn du glaubst, dass ich Vater von anderen Kindern bin, liegst du falsch. Ich war immer vorsichtig. Aber Lisa sagte …” Er verschluckte den Rest des Satzes.
“Ich meinte, dies war nicht das erste Mal, dass du Ellie betrogen hast, stimmt’s?” Zwar waren die beiden geschieden, also handelte es sich nicht wirklich um Ehebruch – und dennoch. “Das ist der Grund für eure Scheidung, nicht wahr?”
Ihr Bruder sah kurz auf und nickte.
Rick blieb eine Stunde lang bei Carol. Sie unterhielten sich, während das Essen langsam kalt wurde. Er stand immer noch unter Schock, und Carol ging es ebenso. Ihr Bruder war immer ein Vorbild für sie gewesen. An diesem Abend war er innerhalb von wenigen Augenblicken von seinem Podest gestürzt. Sie fühlte sich enttäuscht.
Irgendwann machte Carol einige Sandwiches und Kaffee, und bald darauf ging Rick in sein Hotel zurück. Er brauchte Schlaf, aber Carol und er verabredeten sich für den nächsten Tag, um weiterzureden.
Eine Stunde später kam Doug nach Hause, noch ganz aufgekratzt, weil die Mariners die Yankees besiegt hatten. Carol erzählte ihm trotzdem von Ricks Besuch und den Neuigkeiten aus dessen Leben.
“Das überrascht mich nicht”, sagte ihr Ehemann, als Carol endete. Sie saßen Seite an Seite auf dem Sofa, und Doug hatte seinen Arm um seine Frau gelegt. “Rick war schon immer ein Frauenheld.”
Carol konnte noch immer nicht fassen, dass ihr Bruder nach einem so dehnbaren Moralbegriff lebte. Plötzlich schien es ihr, als sei der Mensch, mit dem sie aufgewachsen war, ein Fremder. “Du wusstest es und hast mir nichts gesagt?”
“Ich konnte es nicht. Du hast immer geglaubt, er würde nie etwas Falsches tun.”
Übelkeit überfiel Carol.
“Er ist schon so, seit ich ihn kenne. Ständig hatte er mehrere Eisen im Feuer, hat sich mit den unterschiedlichsten Frauen getroffen – egal ob er eine Beziehung hatte oder nicht.” Doug zog sie an sich und hielt sie einen Moment lang ganz fest. “Die Wahrheit ist, dass ich Rick nicht besonders mag.”
“Doug! Wie kannst du so etwas sagen?” Ihr Bruder war damals derjenige, der sie beide einander vorgestellt hatte. Rick und Doug waren Collegefreunde und Zimmergenossen gewesen. Nun, da sie sich die vergangenen Monate und Jahre ins Gedächtnis rief, fiel ihr auf, dass Doug sich nie genauso begeistert auf Ricks Besuche gefreut hatte wie sie.
“Es ist aber wahr, Liebling. Das einzig Gute an der Freundschaft mit Rick war, dass ich dich kennengelernt habe. Seine Moralvorstellungen habe ich nie geteilt.”
Diese Worte musste Carol erst einmal verdauen. Zum ersten Mal betrachtete sie ihren Bruder ganz realistisch. Er war ein selbstsüchtiger kleiner Junge, der sich weigerte, erwachsen zu werden. Sie fragte sich, wie vielen Leuten das längst klar war – im Gegensatz zu ihr.
Später, als sie sich im Bett ganz eng an ihren Mann kuschelte, konnte sie nicht damit aufhören, über die Ungerechtigkeiten des Lebens nachzudenken.
“Warum ist es so”, flüsterte sie, “dass Frauen, die eigentlich gar kein Kind wollen, so leicht schwanger werden?”
Sie spürte, dass Doug nickte. “Ich wünschte, ich hätte eine Antwort darauf, mein Schatz. Manchmal ist das Leben einfach unfair.”
“Tatsächlich”, murmelte sie zum zweiten Mal an diesem Abend.