9. KAPITEL

“Wir sind alle miteinander verstrickt. Das Stricken verbindet mich mit all den Frauen, die mein Leben so sehr bereichert haben.”

(Ann Norling, Designerin)

Lydia Hoffman

Obwohl ich schon seit Jahren Strickkurse gebe, habe ich nie zuvor mit einer derart bunten Gruppe gearbeitet wie in meinem kleinen Anfängerkurs. Diese Frauen hatten nichts gemeinsam. Alle drei saßen steif und verkrampft an ihren Tischen im hinteren Teil des Ladens und sagten kein Wort.

“Vielleicht sollten wir damit beginnen, uns einander vorzustellen. Erklärt doch bitte, warum ihr diesen Kurs machen wollt”, schlug ich vor und gab Jacqueline ein Zeichen, anzufangen. Sie war diejenige, um die ich mir am meisten Sorgen machte. Jacqueline gehörte offensichtlich zur gehobenen Schicht. Und ihre erste Reaktion auf Alix war ein schlecht versteckter Schock gewesen. Als ich ihren Blick auffing, fürchtete ich, sie würde sich entschuldigen und aus dem Laden stürzen. Ich weiß nicht genau, was sie bewog, zu bleiben. Aber ich war dankbar, dass sie es tat.

“Hallo”, begann Jacqueline mit ruhiger Stimme und nickte den anderen beiden Frauen, die ihr gegenübersaßen, zu. “Mein Name ist Jacqueline Donovan. Das Architekturbüro meines Mannes ist verantwortlich für die Umgestaltung und Sanierung der Blossom Street. Ich würde gern stricken lernen, weil ich bald zum ersten Mal Großmutter werde.”

Sofort hob Alix den Kopf und sah die Frau an. “Ihr Mann steckt hinter dem ganzen Chaos? Sagen Sie ihm, er soll die Finger von meinem Apartment lassen, hören Sie?”

“Wie können Sie es wagen, in einem derartigen Ton mit mir zu sprechen!”

Die beiden Frauen starrten sich an. Alix war aufgesprungen. Ich bewunderte Jacqueline, die nicht einmal zusammenzuckte. Schnell wandte ich mich an Carol. “Mögen Sie vielleicht fortfahren?”, fragte ich und war selbst überrascht, wie ruhig meine Stimme klang.

Ich hatte Carol schon ein bisschen kennengelernt. Sie war bereits zweimal im Laden gewesen, um Wolle zu kaufen. Ich wusste, warum sie den Kurs belegte, und hoffte, wir könnten vielleicht Freundinnen werden.

“Ja, hallo”, sagte sie und klang so verunsichert, wie ich mich fühlte.

Alix hörte nicht auf, Jacqueline anzustarren, aber die schaffte es, sie in bemerkenswerter Art und Weise zu ignorieren. Ich hätte wissen müssen, dass so etwas passieren würde. Aber ich hatte keine Ahnung, wie ich reagieren oder diese Auseinandersetzungen verhindern sollte. Alix und Jacqueline waren so unterschiedlich, wie zwei Menschen nur sein können.

“Mein Name ist Carol Girard, und mein Mann und ich hoffen, bald ein Kind zu bekommen. Im Augenblick unterziehe ich mich einer Hormonbehandlung. Im Juli wird eine künstliche Befruchtung, also eine IVF oder auch In-vitro-Fertilisation, vorgenommen. Der Grund, warum ich diesen Kurs belege, ist, dass ich eine Decke für mein noch ungeborenes Kind stricken möchte.”

Ich konnte an Alix’ Miene ablesen, dass sie nicht genau wusste, worum es ging.

“Künstliche Befruchtung oder IVF bedeutet, dass die Befruchtung der Eizelle in einem Reagenzglas stattfindet und die Eizelle dann später eingepflanzt wird.”

“Ich habe kürzlich in Newsweek einen wundervollen Artikel zu dem Thema gelesen”, erzählte Jacqueline. “Es ist wirklich faszinierend, was die Medizin heutzutage leisten kann.”

“Ja, es sind einige spannende Dinge auf dem Markt, aber bisher haben Doug und ich unser persönliches Wunder noch nicht erleben dürfen.”

Der sehnsüchtige Ausdruck in Carols Augen war so intensiv, dass ich das Bedürfnis verspürte, meine Hand auf ihre Schulter zu legen.

“Der Versuch im Juli ist unsere letzte Chance”, fügte sie leise hinzu. Carol biss sich auf die Unterlippe. Ich fragte mich, ob ihr bewusst war, wie viel von ihrer Angst sie im Augenblick preisgab.

“Was genau machen sie mit Ihnen bei dieser künstlichen Befruchtung?”, fragte Alix und lehnte sich leicht nach vorn. Sie schien ehrlich interessiert zu sein.

“Es ist ein langer, schwieriger und kraftraubender Prozess”, antwortete Carol. “Ich bin nicht sicher, ob ich davon erzählen sollte – schließlich wollen wir stricken lernen.”

“Wäre es Ihnen recht?”, fragte Alix in die Runde und überraschte mich mit ihrer Neugierde.

“Auf jeden Fall”, ergriff Jacqueline das Wort. Ich bezweifelte, dass ihr Interesse so ernst gemeint war wie das von Alix.

“Also”, begann Carol und faltete die Hände, “alles begann mit Medikamenten. Ich musste ein Mittel nehmen, das meine Eierstöcke anregen sollte, Eizellen zu produzieren. Sobald sich Eizellen gebildet hatten, wurden sie entnommen.”

“Hat das wehgetan?”, fragte Jacqueline.

“Nur ein bisschen. Aber ich musste nur an das Baby denken, und jeder Schmerz wurde erträglich. Wir beide wären so gern Eltern.”

Das war deutlich zu spüren. Und soweit ich Carol bisher kennengelernt hatte, würde sie sicher eine wundervolle Mutter werden.

“Nachdem Doug eine Samenprobe abgegeben hatte, wurden die Eizellen befruchtet. Daraus entstanden Embryos, und diese wurden mir eingesetzt. Wir haben es bereits zweimal versucht, und bis jetzt hat es nicht geklappt. Die Versicherung bezahlt nur drei Versuche … Deshalb ist es so wichtig, dass ich diesmal schwanger werde.”

“Mir scheint es, als würden Sie sich sehr unter Druck setzen”, bemerkte Alix, und ich bewunderte sie für diese sensible Einschätzung.

“Wie nervenaufreibend für Sie beide”, murmelte Jacqueline teilnahmsvoll.

“Trotzdem bin ich im Moment davon überzeugt, dass es klappt”, sagte Carol und schien von innen heraus zu strahlen. “Ich weiß nicht, warum, aber zum ersten Mal seit Monaten fühlt sich alles richtig an. Wir hatten uns nach dem letzten Fehlversuch entschieden, eine Zeit lang zu warten. Vor allem, weil Doug und ich Abstand brauchten, um den zweiten Fehlschlag zu verkraften. Und ich habe geglaubt, die Zeit zu benötigen, um mich psychisch und körperlich auf den letzten Versuch vorzubereiten. Doch diesmal wird es funktionieren. Ich weiß einfach, dass wir diesmal ein Baby bekommen werden.”

“Ich hoffe es für Sie”, erklärte Alix. “Menschen, die sich so sehr Kinder wünschen, sollten auch welche bekommen.”

“Es gibt doch noch die Möglichkeit einer Adoption”, sagte Jacqueline. “Haben Sie darüber schon nachgedacht?”

“Das haben wir”, erwiderte Carol. “Das ist in der Tat eine Option. Aber wir wollen uns erst darum kümmern, wenn wir wirklich alles versucht haben, um ein eigenes Kind zu bekommen.”

“Soweit ich weiß, gibt es lange Wartezeiten bei Adoptionen”, warf Jacqueline ein. Sie schien im selben Moment zu bereuen, die Worte ausgesprochen zu haben.

“Ja, ich weiß … Doug und ich haben auch darüber geredet. Unter Umständen müssten wir ein Kind aus dem Ausland adoptieren, was allerdings nicht ganz einfach sein soll. Aber wie gesagt, darüber denken wir erst nach, wenn wir all unsere Hoffnungen auf ein eigenes Kind aufgeben müssen. Wenn die Zeit gekommen ist, werden wir eine Entscheidung treffen.”

Ich wartete einen Augenblick und gab dann Alix ein Zeichen. “Erzählen Sie uns ein wenig über sich.”

Alix zuckte die Achseln. “Mein Name ist Alix Townsend, und ich arbeite im Videoladen gegenüber.”

Ich hoffte, sie würde nicht erwähnen, dass sie nur an der Babydecke arbeitete, um ihre gemeinnützigen Stunden abzuleisten –, obwohl ich sie natürlich nicht davon abhalten konnte. Doch wenn Jacqueline das hörte, würde sie mit Sicherheit sofort aufstehen und den Laden verlassen. Es ging hier sicher nicht nur ums Geld, aber Jacqueline würde bestimmt mehr Wolle kaufen als Alix.

“Bisher habe ich immer gern in dieser Gegend gewohnt”, erklärte Alix, “und ich hoffe, ich kann hier auch weiterhin leben, wenn die Bauarbeiten endlich beendet sind.” Ihre Augen verengten sich, als sie einen Blick quer über den Tisch warf.

“Sehen Sie mich nicht so an”, sagte Jacqueline mit kühler Stimme. “Ich habe mit der ganzen Sache überhaupt nichts zu tun.”

“Ich habe mir überlegt”, begann ich, “dass wir in der ersten Stunde über die unterschiedlichen Garnstärken und -typen sprechen könnten.” Vielleicht würde das Alix abschrecken – was ich insgeheim irgendwie hoffte, obwohl ich das Linus-Projekt unterstützte. “Das Muster, das ich gewählt habe, gehört zu meinen Lieblingsmustern. Was ich daran so sehr mag, ist, dass es Herausforderung genug ist, um Ihren Ehrgeiz zu wecken, aber nicht zu schwierig, um Sie zu entmutigen. Man benötigt vierlagiges Kammgarn, und man kommt recht schnell voran.”

Vor mir stand ein Weidenkorb mit Beispielen von Kammgarnen, die sich in ihrem Gewicht und in ihrer Farbe unterschieden. “Ich weiß, dass es vielleicht eigennützig klingt, aber ich möchte an dieser Stelle eines betonen: Kaufen Sie immer hochwertige Wolle. Wenn Sie schon Ihre Zeit und Kraft in ein Projekt stecken, stellen Sie sich nicht selbst ein Bein, indem Sie die billige Wolle aus der Schnäppchenabteilung kaufen.”

“Das sehe ich ganz genauso!”, bekräftigte Jacqueline. Ich wusste, dass sie kein Problem damit haben würde.

“Und was ist, wenn sich einige Leute dieses teure Material nicht leisten können?”, fragte Alix.

“Tja, das könnte die Sache natürlich verkomplizieren.”

“Sie haben gesagt, jeder, der den Kurs besucht, bekommt zwanzig Prozent Rabatt beim Garnkauf – gilt das immer noch, oder haben Sie mittlerweile Ihre Meinung geändert?”

“Dazu stehe ich”, versicherte ich ihr.

“Gut, weil ich nämlich nicht das nötige Kleingeld für Luxuswolle zu Hause rumliegen habe.” Sie griff nach einem hübschen pink und weiß melierten Knäuel Mischwolle. “Wie teuer ist das?”

“Fünf Dollar der Strang.”

Jeder Strang?” Entsetzt riss sie die Augen auf.

Ich nickte.

“Wie viele würde ich davon benötigen, wenn ich die Babydecke damit stricken wollte?”

Ich blickte auf die Strickanleitung und rechnete. Mit dem Taschenrechner in der Hand sagte ich: “Sieht aus, als ob fünf Knäuel reichen würden. Wenn Sie nur vier benötigen, können Sie mir das fünfte zurückgeben und erhalten selbstverständlich den vollen Kaufpreis zurück.”

Alix erhob sich, schob die Hand in die Hosentasche und fischte einen zerknüllten Fünfdollarschein hervor. “Ich kann diese Woche nur einen Strang kaufen. Aber ich denke, nächste Woche habe ich das Geld, um einen weiteren zu nehmen. Ist das für Sie in Ordnung?”

“Es ist wichtig, dass Sie exakt dieselbe Farbe für Ihr Projekt bekommen. Und da sich die Wolle von Charge zu Charge farblich ein wenig unterscheiden kann, werde ich Ihnen die Knäuel aus dieser Lieferung zurücklegen. Sie können mir das Geld nach und nach geben.”

Alix sah mich zufrieden an. “Das ist okay für mich. Ich glaube, die Dame, die mit diesem einfallsreichen Architekten verheiratet ist, könnte sämtliche Wolle in diesem Laden sofort kaufen.”

“Mein Name ist Jacqueline. Und ich würde mir wünschen, dass Sie mich auch so nennen.”

“Ich würde vorschlagen, Sie alle suchen sich nun Ihre Wolle aus”, sagte ich schnell, um die beiden zu trennen. Und zwar, bevor Alix über den Tisch springen konnte, um Jacqueline an die Gurgel zu gehen. Ich gab es nicht gern zu, aber diese Frau zählte wirklich nicht zu den angenehmsten Menschen, die ich kennengelernt hatte. Ihre Einstellung war nicht besser als die von Alix.

Jacqueline saß allein an einem Tisch, den sie zur Hälfte in Beschlag genommen hatte. Als Carol ankam, war ihr nichts anderes übrig geblieben, als sich neben Alix zu setzen. Jacquelines Verhalten machte deutlich, dass sie es gewohnt war, dass sich alles um sie drehte – nicht nur in diesem Kurs, sondern in ihrem ganzen Leben.

Tief in meinem Inneren fragte ich mich, was ich mir mit diesem Kurs antat. Offen gesagt spürte ich ein wenig Angst. Ich hatte gehofft, mit meinen Schülerinnen Freundschaften aufbauen zu können. Doch hier lief eindeutig etwas total schief.

Der Unterricht dauerte zwei Stunden, und wir schafften es kaum, das Aufnehmen der Maschen zu lernen. Dabei hatte ich mich extra für eine besonders einfache Methode entschieden, weil ich sie in der ersten Stunde auf keinen Fall überfordern wollte.

Am Ende des Unterrichts überfielen mich echte Zweifel, ob ich überhaupt fähig war, Menschen das Stricken beizubringen. Carol hatte die Technik sofort begriffen, doch Alix besaß offenbar zwei linke Hände. Jacqueline hatte ebenfalls Probleme. Als die erste Stunde sich dem Ende näherte, pochte es in meinem Kopf. Ich spürte Kopfschmerzen aufziehen, und ich fühlte mich, als läge ein Marathon hinter mir.

Und dass Margaret anrief, gerade als ich dabei war, den Laden zu schließen, machte die ganze Situation nicht eben schöner.

A Good Yarn“, rief ich in den Hörer und bemühte mich, eifrig und betriebsam zu klingen.

“Ich bin’s”, erwiderte meine Schwester in knappem, geschäftsmäßigem Ton. Mit diesem Tonfall sollte sie beim Finanzamt arbeiten. “Ich dachte, wir sollten uns über den Muttertag unterhalten.”

Sie hatte recht. Das Geschäft beschäftigte mich so sehr, dass ich den Muttertag ganz vergessen hatte. “Sicher. Wir müssen etwas ganz Besonderes für Mom machen.” Es würde der erste Muttertag ohne Dad sein, und ich ahnte, wie schwierig es für uns alle werden würde. Trotz all unserer Unterschiede rauften Margaret und ich uns doch einmal im Jahr zusammen, um etwas Schönes für unsere Mutter auf die Beine zu stellen.

“Die Mädchen haben vorgeschlagen, wir könnten sie am Samstag zum Essen ausführen. Wir verbringen den Sonntag bei Matts Mutter.”

“Tolle Idee, aber ich muss am Samstag arbeiten.” Ich wusste, dass gerade der Samstag ein erstklassiger Verkaufstag war, und ich konnte es mir schlicht nicht leisten, den Laden nicht zu öffnen. Mein Ruhetag war stattdessen montags.

Meine Schwester zögerte einen Moment lang. Als sie schließlich weiterredete, klang sie beinahe schadenfroh. Und es dauerte nicht lange, bis ich herausfand, wieso.

“Wenn du arbeiten musst, treffen die Mädchen und ich uns am Samstag mit Mom, und du kannst sie dann am Sonntag besuchen.” Das bedeutete, dass Margaret Mom nicht mit mir teilen musste. Moms gesamte Aufmerksamkeit wäre auf Margaret gerichtet – und genau das war der Grund, warum sie alles so arrangiert hatte. Bis heute konnte ich nicht verstehen, warum sie in allem einen Wettkampf sah.

“Oh. Ich hatte gehofft, wir würden uns alle gemeinsam treffen.”

“Am Sonntag arbeitest du doch nicht, oder?”

Ich ließ meine Schultern sinken. “Nein, aber … also, wenn du es so möchtest.”

“Es geht nicht anders.” Margaret sprach in diesem bestimmenden harschen Ton, den ich so verabscheute. “Du bist doch diejenige, die Samstag nicht mitkommen kann. Ich glaube beinahe, du möchtest, dass ich meine Pläne an deinen Zeitplan anpasse. Doch das werde ich ganz bestimmt nicht tun.”

“Ich habe nicht gesagt, dass ich das möchte.”

“Nicht wörtlich, aber ich kann zwischen den Zeilen lesen. Ich bin verheiratet, weißt du, und er hat auch eine Mutter. Dieses eine Mal möchten wir den Muttertag mit ihr verbringen.”

Um keinen Streit zu provozieren, schlug ich mit möglichst ruhiger Stimme vor: “Wir könnten ja vielleicht einen Kompromiss finden.”

“Was meinst du?”

“Ich weiß, dass Mom gern auf der Strandpromenade essen gehen würde. Ich könnte den Laden für einige Stunden schließen und euch dort treffen. Dann wären wir alle zusammen, und ich kann sie am Sonntag trotzdem noch einmal besuchen.”

Schon an der langen Pause, die nun entstand, konnte ich erkennen, dass Margaret dieser Vorschlag überhaupt nicht gefiel. “Du schlägst ernsthaft vor, dass ich Mom abhole und mit ihr an einem Samstagnachmittag nach Seattle fahre – weil es für dich angenehmer ist? Wir beide wissen doch, wie furchtbar der Verkehr ist.”

“Es war nur eine Idee.”

“Ich möchte lieber, dass wir den Muttertag dieses Jahr getrennt feiern.”

“Gut. Vielleicht ist das auch besser.” Dabei beließ ich es und nahm mir vor, es Mom später zu erläutern.

“Gut. Dann haben wir das geklärt.” Mir fiel auf, dass Margaret nicht danach fragte, wie die ersten beiden Geschäftswochen gelaufen waren. Sie fragte aber auch sonst nichts oder gab mir irgendeine Möglichkeit zu erfahren, was in ihrem Leben so vor sich ging.

“Ich muss los”, sagte Margaret. “Julias Tanzunterricht beginnt in fünfzehn Minuten.”

“Drück sie von mir”, entgegnete ich.

Meine zwei Nichten sind meine ganze Freude. Ich liebe sie abgöttisch und fühle mich beiden, Julia und Hailey, sehr verbunden. Weil sie offenbar meine Empfindungen für die Mädchen kannte und nicht guthieß, tat Margaret alles, um die beiden von mir fernzuhalten. Aber mittlerweile waren sie alt genug, um ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Wir unterhielten uns oft, und ich ahnte, dass sie ihrer Mutter davon nichts erzählten.

Meine Schwester verabschiedete sich hastig und hängte ein. Das war typisch für Margaret.

Ich ging zur Ladentür und drehte das Schild auf “Geschlossen”. Gerade als ich das tat, sah ich Brad Goetz aus dem Apartmenthaus kommen, in dem Alix wohnte. Offenbar war er in Eile, denn er rannte beinahe zu seinem Wagen. Ich konnte nicht sehen, wo sein Auto stand, aber ich ahnte, warum er es so eilig hatte. Er war gut aussehend und im besten Alter. Und ohne Zweifel war er auf dem Weg zu einer Verabredung am Freitagabend.

Ich hätte diejenige sein können, mit der er sich zum Dinner traf. Doch ich war es nicht. Es war meine Entscheidung – eine Entscheidung, die ich zu bereuen begann …