PATRIOTISCHE PFLICHTEN

Glokta verzog gequält das Gesicht, als er sich auf den Stuhl sinken ließ. Es gab keinen Tusch, um den Augenblick zu bestimmen, an dem sein schmerzender Hintern das harte Holz berührte. Keine Runde Beifall. Nur ein scharfes Knacken in seinem brennenden Knie. Und dennoch ist es ein Augenblick von größter Bedeutung, und zwar nicht nur für mich.

Wer auch immer die Möbel des Weißen Saales entworfen hatte, er hatte nicht nur auf klare, strenge Linien gesetzt, sondern sich sogar in das Reich ausgesprochener Unbequemlichkeit begeben. Man sollte doch wohl annehmen, dass man sich für die mächtigsten Männer des Reiches zumindest ein paar Polster hätte leisten können. Vielleicht lag es aber auch in der Absicht, die hier Sitzenden ständig daran zu erinnern, dass man es sich an der Spitze der Macht nicht allzu gemütlich machen sollte. Er sah zur Seite und stellte fest, dass Bayaz ihn beobachtete. Nun, besser als ungemütlich fühle ich mich ohnehin nie. Habe ich das nicht oft gesagt? Wieder verzog er das Gesicht, während er versuchte, mittels schlangengleicher Windungen ein wenig weiter nach vorn zu rücken, und die Stuhlbeine schabten geräuschvoll über den Boden.

Vor langer Zeit, als ich noch ein gut aussehender, junger Mann mit besten Aussichten war, träumte ich davon, eines

Tages als edler Lord Marschall oder geachteter Kronrichter oder sogar als ehrbarer Schatzmeister an diesem Tisch zu sitzen. Wer hätte geahnt, selbst in den dunkelsten Stunden, dass der hübsche Sand dan Glokta seinen Sitz im Geschlossenen Rat eines Tages als gefürchteter, verabscheuter, allmächtiger Erzlektor der Inquisition einnehmen würde? Es fiel ihm schwer, das Lächeln zu unterdrücken, das sich über seinen zahnlosen Mund legen wollte, als er sich wieder auf das unnachgiebige Holz sinken ließ.

Doch nicht jeden schien sein plötzlicher Aufstieg zu amüsieren. Vor allem König Jezal betrachtete Glokta mit einem finsteren Blick ausgesprochener Abneigung. »Bemerkenswert, dass Sie bereits in Ihrem Amt bestätigt wurden«, blaffte er.

Bayaz ergriff sofort das Wort. »So etwas kann sehr schnell gehen, wenn der Wille dazu da ist, Euer Majestät.«

»Immerhin«, bemerkte Hoff, der sich für einen seltenen Augenblick von seinem Weinkelch losriss, um einen melancholischen Blick über den Tisch schweifen zu lassen, »hat sich unsere Zahl ohnehin höchst betrüblich verringert.«

Das ist wohl wahr. Mehrere leere Stühle kündeten bedeutungsvoll von Verlusten. Marschall Varuz fehlte; er wurde allgemein für tot gehalten. Und ist es auch mit Sicherheit, denn schließlich hat er die Verteidigung vom Kettenturm aus geleitet, ein Gebäude, das nun breit über die Straßen der Stadt verstreut liegt. Leb wohl, mein alter Fechtmeister, leb wohl. Auch Kronrichter Marovia hatte einen leeren Platz hinterlassen. Zweifelsohne versucht man noch, das gefrorene Fleisch von den Wänden seines Arbeitszimmers zu kratzen. Auch von meinem dritten Verehrer muss ich mich daher wohl

verabschieden. Lord Valdis, Befehlshaber der Heroldsritter, war ebenfalls nicht anwesend. Hielt wohl am Südtor Wache, als die Gurkhisen ihr Sprengpulver zündeten. Die Leiche wurde bisher nicht gefunden und wird es auch nie werden, sollte man annehmen. Admiral Reutzer fehlte ebenfalls. Auf See von einem Entermesser aufgeschlitzt. Man rechnet leider nicht damit, dass er überlebt.

Wahrlich, an der Spitze der Macht ist das Gedränge längst nicht mehr so groß wie früher.

»Marschall West konnte nicht bei uns sein?«, fragte Lordkanzler Halleck.

»Er bedauert, aber es ist ihm nicht möglich.« General Kroy schien jedes Wort mit seinen Zähnen abzukneifen. »Er hat mich gebeten, seinen Platz einzunehmen und für das Heer zu sprechen.«

»Und wie geht es dem Herrn Marschall?«

»Er ist verletzt.«

»Und zudem von der zehrenden Krankheit befallen, die sich kürzlich im Agriont ausgebreitet hat«, setzte der König hinzu, der dem Ersten der Magi über den langen Tisch einen grimmigen Blick zuwarf.

»Bedauerlich.« Bayaz’ Gesicht ließ allerdings keinerlei Bedauern oder irgendein anderes Gefühl erkennen.

»Eine schreckliche Geschichte«, lamentierte Hoff. »Die Ärzte stehen vor einem Rätsel.«

»Nur wenige überleben.« Luthars Blick hätte nun durchaus auch töten können.

»Lassen Sie uns daher unbedingt hoffen«, sprudelte Torlichorm hervor, »dass Marschall West zu den wenigen Glücklichen gehören wird.« Das wollen wir wirklich hoffen. Obwohl Hoffnung überhaupt nichts ändert.

»Nun also zum Geschäftlichen.« Wein floss gurgelnd aus dem Krug, als Hoff sich zum zweiten Mal seit seiner Ankunft den Kelch füllte. »Wie steht es um das Kriegsgeschehen, General Kroy?«

»Das gurkhisische Heer wurde komplett aufgerieben. Wir haben die Soldaten bis Keln zurückgedrängt, wo es einigen gelang, mit den letzten Überbleibseln ihrer Flotte zu flüchten. Großherzog Orso hat dem jedoch schnell einen Riegel vorgeschoben. Die gurkhisische Invasion ist abgewehrt. Der Sieg ist unser.« Und dennoch macht er ein so finsteres Gesicht, als müsse er eine Niederlage eingestehen.

»Hervorragend.«

»Die Nation schuldet den tapferen Soldaten ihren Dank.«

»Herzlichen Glückwunsch, Herr General.«

Kroy starrte auf die Tischplatte. »Die Glückwünsche gebühren Lord Marschall West, der die Befehle gab, und General Poulder und den anderen, die ihr Leben opferten, um sie auszuführen. Ich war nicht mehr als ein Beobachter.«

»Aber Sie haben Ihren Teil beigetragen, und das auf bewundernswerte Weise.« Hoff hob seinen Kelch. »Angesichts der bedauerlichen Abwesenheit von Marschall Varuz bin ich zuversichtlich, dass Seine Majestät Ihnen demnächst sicher eine Beförderung antragen wird.« Er sah zum König hinüber, und Jezal äußerte brummend und ohne besondere Begeisterung seine Zustimmung.

»Ich fühle mich natürlich geehrt, in jeder Funktion zu dienen, die Seine Majestät mir zuweist. Die Gefangenen sind jedoch ein dringlicheres Problem. Wir haben viele Tausende, aber keine Nahrungsmittel, um sie ...«

»Wir haben nicht genug zu essen für unsere eigenen Soldaten, unsere eigenen Bürger und unsere eigenen Verwundeten«, sagte Hoff und betupfte die feuchten Lippen.

»Sollten wir vielleicht beim Imperator für hochstehende Männer ein Lösegeld fordern?«

»Es gab verdammt wenig hochstehende Männer in der ganzen verdammten Truppe.«

Bayaz sah finster am Tisch entlang. »Wenn sie für den Imperator keinen Wert haben, dann für uns sicherlich auch nicht. Sollen sie doch verhungern.«

Einige Männer rutschten unbehaglich auf ihren Stühlen herum. »Wir sprechen hier von vielen Tausend Menschenleben ...«, begann Kroy.

Der Blick des Ersten der Magi fiel auf ihn wie ein großer Steinblock und walzte alle Widersprüche nieder. »Ich weiß, wovon wir sprechen, Herr General. Von Feinden, die in unser Land eingefallen sind.«

»Wir können aber doch sicher eine andere Lösung finden?«, warf der König ein. »Könnten wir sie nicht an die Küsten Kantas verschiffen? Es wäre ein beschämendes Nachspiel unseres Sieges, würden wir nun ...«

»Für jeden Gefangenen, der zu essen bekommt, muss ein Bürger unseres Landes hungern. Das sind die grausamen Mechanismen der Macht. Eine schwere Entscheidung, Euer Majestät, aber andere haben wir in diesem Saal nun einmal nicht zu fällen. Was meinen Sie, Herr Erzlektor?«

Die Augen des Königs und der alten Männer auf den hochlehnigen Stühlen wandten sich nun alle Glokta zu. Ah, wir wissen, was getan werden muss, wir scheuen nicht davor zurück und so weiter. Lasst das Ungeheuer das Urteil

sprechen, damit die anderen sich wie anständige Menschen fühlen können. »Ich war nie ein großer Bewunderer der Gurkhisen«, sagte Glokta und zuckte mit den schmerzenden Schultern. »Sollen sie verhungern.«

König Jezal lehnte sich mit einem noch finstereren Blick auf seinem Thron zurück. Könnte es sein, dass unser Herrscher ein kleines bisschen weniger gut abgerichtet ist, als der Erste der Magi gern glauben würde? Lordkanzler Halleck räusperte sich. »Nun, da der Sieg unser ist, muss unser Augenmerk ohne Frage darauf gerichtet sein, die Trümmer zu beseitigen und das wieder aufzubauen, was durch ...«, seine Augen glitten nervös kurz zu Bayaz hinüber,»... durch den gurkhisischen Überfall zerstört wurde.«

»Hört, hört.«

»Wieder aufbauen. Da sind wir uns alle einig.«

»Die Kosten«, und bei diesem Wort verzog Halleck das Gesicht, als ob es ihm Schmerzen bereitete, »um überhaupt nur die Trümmer im Agriont beiseite zu räumen, könnten sich auf viele Zehntausend Mark belaufen. Die Kosten für den Wiederaufbau auf viele Millionen. Wenn wir die enorme Zerstörung der Stadt Adua außerhalb der Festung betrachten ... die Kosten ...« Wieder runzelte er die Stirn und rieb sich das schlecht rasierte Kinn. »Schwer, sie überhaupt abzuschätzen.«

»Wir können nur unser Bestes versuchen.« Hoff schüttelte betreten den Kopf. »Und eine Mark nach der anderen auftreiben.«

»Ich persönlich würde vorschlagen, dass wir uns in dieser Hinsicht an die Edelleute halten«, sagte Glokta. Zustimmendes Murmeln war die Antwort.

»Seine Eminenz macht da einen guten Vorschlag.«

»Eine scharfe Beschneidung der Macht des Offenen Rates«, sagte Halleck. »Hohe Steuern für all jene, die im gerade beendeten Krieg keinen entscheidenden Beitrag geleistet haben.«

»Hervorragend! Kürzen Sie die Segel, unter denen die Edelleute fahren. Verdammte Parasiten.«

»Umfassende Reformen. Land, das wieder an die Krone fällt. Abgaben auf Erbschaften.«

»Auf Erbschaften! Ein äußerst schlauer Gedanke!«

»Die Lord Statthalter müssen wieder an die Kandare genommen werden.«

»Skald und Meed. Ja. Sie haben schon lange viel zu große Freiheiten genossen.«

»Meed trifft wohl keine Schuld, seine Provinz ist völlig am Boden ...«

»Hier geht es nicht um Schuld«, sagte Bayaz. Nein, wirklich nicht, denn wir wissen ja, bei wem die liegt. »Hier geht es um Kontrolle. Der Sieg hat uns die Möglichkeit zu Reformen in die Hände gespielt.«

»Die Macht muss viel stärker auf Adua konzentriert sein!«

»Und auch Westport. Da hat man uns jetzt allmählich lange genug gegen die Gurkhisen ausgespielt.«

»Vielleicht sollten wir die Inquisition auch auf ihre Stadt ausdehnen?«, schlug Glokta vor.

»Ein Stützpunkt in Styrien!«

»Der Wiederaufbau muss vorangetrieben werden!« Der Erste der Magi schlug mit seiner schweren Faust auf den Tisch. »Besser und schöner als zuvor. Die Statuen auf dem Weg der Könige mögen gefallen sein, aber sie haben auch Platz für neue geschaffen.«

»Ein neues Zeitalter des Wohlstands«, sagte Halleck mit leuchtenden Augen.

»Ein neues Zeitalter der Macht«, sagte Hoff und hob seinen Kelch.

»Ein goldenes Zeitalter?« Bayaz sah zu Glokta hinüber. »Ein Zeitalter der Einheit und neuen Möglichkeiten für alle!«, sagte der König.

Sein Vorschlag kam nicht besonders gut an. Unbehaglich wandten sich die Augen der Anwesenden dem königlichen Ende des Tisches zu. Als hätte er laut gefurzt, anstatt etwas zu sagen. »Äh ... jawohl, Euer Majestät«, sagte Hoff. »Möglichkeiten.« Für jeden, der das Glück hat, im Geschlossenen Rat zu sitzen, soll das heißen.

»Vielleicht höhere Steuern für die Kaufmannsgilden?«, gab Halleck zu bedenken. »Wie sie unser ehemaliger Erzlektor plante. Und auch für die Banken. Ein solcher Schritt könnte großes Vermögen ...«

»Nein«, sagte Bayaz sofort. »Weder die Gilden noch die Banken. Die Handlungsfreiheit dieser edlen Institutionen bringt Reichtum und Sicherheit für alle. Die Zukunft unserer Nation liegt im Handel.«

Halleck beugte demütig den Kopf. Spüre ich da mehr als nur ein kleines bisschen Angst? »Natürlich, Lord Bayaz, Sie haben recht. Ich gebe zu, da habe ich einen Fehler gemacht.«

Der Magus fuhr gelassen fort: »Vielleicht wären die Banken jedoch bereit, der Krone einen Kredit zu gewähren.«

»Eine hervorragende Idee«, stimmte Glokta ohne Zögern zu. »Das Bankhaus Valint und Balk ist eine vertrauenswürdige und traditionsreiche Institution. Es war mir bei der Verteidigung Dagoskas bereits eine große Hilfe. Ich bin sicher, dass wir erneut auf seine Hilfe zählen können.« Bayaz’ Lächeln war fast kaum wahrzunehmen. »In der Zwischenzeit wurden die Ländereien, Vermögen und Titel des Verräters Lord Brock bereits von der Krone eingezogen. Ihr Verkauf wird eine beträchtliche Summe einbringen.«

»Und was ist mit dem Mann selbst, Herr Erzlektor?«

»Offenbar floh er mit den letzten Gurkhisen außer Landes. Wir gehen davon aus, dass er noch immer ... ihr Gast ist.«

»Ihre Marionette, meinen Sie.« Bayaz saugte an seinen Zähnen. »Sehr unglücklich. Er könnte weiterhin eine Anlaufstelle für andere Unzufriedene darstellen.«

»Zwei seiner Kinder sitzen im Haus der Befragungen hinter Schloss und Riegel. Seine Tochter und einer seiner Söhne. Ein Austausch wäre vielleicht möglich ...«

»Für Brock? Ha!«, bellte Hoff. »Nicht für die ganze Welt und alles, was es auf ihr gibt, würde der sein eigenes Leben eintauschen.«

Glokta hob die Augenbrauen. »Dann vielleicht eine Demonstration unserer Entschlossenheit? Eine Botschaft, die deutlich macht, dass Verrat nie und nimmer hingenommen wird?«

»Eine solche Botschaft ist niemals verkehrt«, knurrte Bayaz zum bestätigenden Gemurmel der alten Männer.

»Also eine öffentliche Erklärung von Brocks Schuld unter deutlicher Betonung seiner Verantwortlichkeit für die Zerstörung von Adua. Begleitet von zwei Hinrichtungen.« Welch ein Pech für die beiden, als Kinder eines so ehrgeizigen Vaters geboren worden zu sein, aber öffentliche Hinrichtungen

sind beim Volk nun einmal äußerst beliebt. »Hat jemand einen Vorschlag, an welchem Tag das am besten ...«

»Es wird keine Hinrichtungen geben.« Der König sah Bayaz offen und entschlossen in die Augen.

Hoff blinzelte. »Aber Euer Majestät, Sie können nicht zulassen ...«

»Es hat genug Blutvergießen gegeben. Mehr als genug. Lassen Sie Lord Brocks Kinder frei.« Rund um den Tisch wurde verschiedentlich scharf die Luft eingezogen. »Lassen Sie sie zu ihrem Vater reisen oder als freie Bürger in der Union verbleiben, falls sie das wünschen.« Bayaz starrte ihn von der anderen Seite des Saales finster an, aber der König wirkte nicht eingeschüchtert. »Der Krieg ist vorbei. Wir haben gewonnen.« Der Krieg ist nie vorbei, und Sieg ist immer nur von kurzer Dauer. »Ich möchte eher versuchen, die Wunden zu heilen, statt sie zu vertiefen.« Ein verwundeter Feind ist der beste, denn er ist am leichtesten zu töten. »Manchmal kann Gnade mehr bewirken als Schonungslosigkeit.«

Glokta räusperte sich. »Manchmal.« Obwohl ich persönlich noch keinen Fall erlebt habe, der das beweist.

»Gut«, sagte der König in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. »Dann ist das erledigt. Haben wir noch andere dringende Angelegenheiten zu besprechen? Ich muss die Hospitäler besuchen und dann noch einmal sehen, wie es mit der Beseitigung der Trümmer vorangeht.«

»Natürlich, Euer Majestät.« Hoff vollführte eine speichelleckerische Verbeugung. »Die Anteilnahme, die Sie für Ihre Untertanen zeigen, ehrt Sie.«

Jezal starrte ihn einen Augenblick an, dann schnaubte er und stand auf. Er hatte den Raum schon verlassen, noch bevor die meisten alten Männer sich mühsam erhoben hatten. Und ich brauche sogar noch länger als sie. Nachdem sich Glokta endlich aus dem Stuhl herausgearbeitet hatte und mit verzerrtem Gesicht auf beiden Beinen stand, stellte er fest, dass Hoff neben ihm wartete. Sein rotes Gesicht trug einen besorgten Ausdruck. »Wir haben ein kleines Problem«, raunte er.

»Tatsächlich? Eins, das wir nicht vor dem übrigen Rat erörtern können?«

»Ich fürchte, ja. Eines, das wir vor allem nicht offen vor Seiner Majestät erörtern sollten.« Hoff sah schnell über seine Schulter und wartete, bis die letzten alten Herren die schwere Tür hinter sich schlossen und die beiden unbeobachtet zurückließen. Geheimnisse also? Wie unglaublich aufregend. »Die Schwester unseres abwesenden Herrn Marschalls.«

Glokta runzelte die Stirn. O je. »Ardee West? Was ist mit ihr?«

»Ich weiß es aus verlässlicher Quelle, dass sie sich in ... etwas prekären Umständen befindet.«

Das vertraute Zucken lief über Gloktas linke Gesichtsseite. »Tatsächlich?« Wie bedauerlich. »Sie sind ja erstaunlich gut informiert, was die Privatangelegenheiten der fraglichen Dame betrifft.«

»Das ist meine Pflicht.« Hoff beugte sich vor und blies Glokta seinen nach Wein stinkenden Atem ins Gesicht, als er flüsterte: »Wenn Sie bedenken, wer unter Umständen der Vater sein könnte.«

»Und zwar wer?« Obwohl ich vermute, dass wir uns beide die Antwort schon denken können.

»Wer außer dem König?«, zischte Hoff unterdrückt und mit einem Hauch Panik in der Stimme. »Sie müssen doch auch gewusst haben, dass die beiden vor seiner Krönung eine ... nun, um es vorsichtig auszudrücken, eine Affäre miteinander hatten. Das ist ja kaum ein Geheimnis. Und nun das? Ein uneheliches Kind! Wo doch der eigene Anspruch unseres Königs auf den Thron nicht ganz sauber ist? Und wo er noch so viele Feinde im Offenen Rat hat? So ein Kind könnte man gegen uns verwenden, wenn seine Existenz bekannt würde, und das wird natürlich geschehen!« Er kam noch näher. »So eine Sache könnte eine Bedrohung für den Staat darstellen.«

»In der Tat«, erklärte Glokta eisig. Das ist unglücklicherweise wahr. Wie fürchterlich bedauerlich.

Hoff fummelte nervös mit seinen dicken Fingern. »Soweit ich weiß, sind Sie mit der Dame und ihrer Familie verbunden. Ich würde durchaus verstehen, wenn es sich hier um eine Verantwortung handelte, die Sie gern abgeben würden. Ich kann ohne Probleme etwas arrangieren, um ...«

Glokta zeigte ihm sein verrücktestes Grinsen. »Wollen Sie andeuten, dass ich nicht gewissenlos genug wäre, um eine schwangere Frau ermorden zu lassen, Lord Schatzmeister?« Gnadenlos wie ein Dolchstoß hallte seine Stimme von den harten weißen Wänden wider.

Hoff zuckte zusammen, und seine Augen glitten zur Tür. »Ich bin sicher, dass Sie sich Ihrer patriotischen Pflicht auf keinen Fall entziehen würden ...«

»Gut. Dann können Sie ganz beruhigt sein. Unser gemeinsamer Freund hat mich für diese Rolle nicht aufgrund meines mitfühlenden Herzens ausgewählt.« Ganz im Gegenteil. »Ich werde mich um die Angelegenheit kümmern.«

 

Es war dasselbe kleine, aus Ziegeln gemauerte Haus in der vertrauten unauffälligen Straße, das Glokta schon so oft aufgesucht hatte. Das Haus, in dem ich so viele angenehme Nachmittage verbracht habe. Wo ich mich so wohl gefühlt habe, wie ich überhaupt nur an Wohlgefühl herankam, seit man mich sabbernd aus den Gefängnissen des Imperators schleppte. Er ließ die rechte Hand in seine Tasche gleiten und fühlte das kalte Metall gegen seine Finger streifen. Wieso tue ich das? Wieso? Damit dieses besoffene Arschloch Hoff sich den Schweiß von der Stirn wischen kann, weil ein Unglück abgewendet wurde? Damit Jezal dan Luthar ein wenig sicherer auf seinem Marionettenthron sitzen kann? Er drehte die Hüften erst zur einen, dann zur anderen Seite, bis er das Knacken in seinem Rücken fühlte. Sie verdient etwas so viel Besseres. Aber so sind die Mechanismen der Macht nun einmal.

Er stieß das Tor auf, humpelte zur Haustür und klopfte einmal fest dagegen. Es dauerte eine Weile, bevor das Dienstmädchen ihm zurückweichend öffnete. Vielleicht dasjenige, das unseren Haus-und-Hof-Säufer Lord Hoff auf die unglückliche Situation aufmerksam gemacht hat? Das Mädchen führte ihn, lediglich leise etwas murmelnd, durch den übermöblierten Salon und ließ ihn vor dem Feuer stehen, das in dem kleinen Kamin brannte. Er erhaschte einen Blick auf sich selbst im Spiegel, der darüber hing, und verzog das Gesicht.

Wer ist dieser Mann? Diese Ruine? Dieser humpelnde Leichnam? Kann man überhaupt von einem Gesicht sprechen? So verzerrt und zerfurcht und vom Schmerz gezeichnet. Was ist das für eine verabscheuungswürdige, bemitleidenswerte Kreatur? Oh, wenn es einen Gott gibt, dann schütze er mich vor diesem Wesen!

Er versuchte zu lächeln. Wilde Furchen schnitten in seine leichenblasse Haut, und die hässliche Lücke zwischen seinen Vorderzähnen gähnte weit. Die Mundwinkel bebten, sein linkes Auge, schmaler als das andere, zuckte und war rot unterlaufen. Das Lächeln scheint noch mehr Entsetzen zu verbreiten als eine finstere Miene.

Hat je ein Mann mehr wie ein Schurke ausgesehen? War je ein Mann ein größeres Ungeheuer? Wie ist der gut aussehende Sand dan Glokta ... zu dem hier geworden? Spiegel. Sind sogar noch schlimmer als Treppen. Er kräuselte die Lippen vor Abscheu und wandte sich ab.

Ardee stand in der Tür und sah ihm schweigend zu. Sie sah gut aus, wie er fand, nachdem er sich von der peinlichen Überraschung erholt hatte, beobachtet worden zu sein. Sehr gut sieht sie aus, und rundet sich ihr Bauch vielleicht sogar schon ein wenig? Ist sie jetzt im dritten Monat? Oder vielleicht im vierten? Schon bald wird es sich nicht mehr verbergen lassen.

»Euer Eminenz.« Sie warf ihm einen abschätzenden Blick zu, als sie über die Schwelle trat. »Weiß steht Ihnen.«

»Wirklich? Meinen Sie nicht, dass die schädelgleichen Ringe um meine fiebrigen Augen so noch dunkler aussehen?«

»Aber ganz und gar nicht. Die Farbe passt gut zu Ihrer leichenhaften Blässe.«

Glokta schenkte ihr ein zahnloses Grinsen. »Genau der Effekt, auf den ich gehofft habe.«

»Sind Sie gekommen, um mich zu einem weiteren Tod-und-Folter-Ausflug in die Kanäle abzuholen?«

»Diese Vorstellung wird wohl nie zu wiederholen sein, fürchte ich. Ich glaube, mit diesem einen Wurf habe ich sämtliche Freunde und Feinde auf einmal verbraucht.«

»Und bedauerlicherweise konnten die gurkhisischen Streitkräfte auch nicht länger bleiben.«

»Sie sind anderweitig beschäftigt, habe ich gehört.« Er sah ihr zu, wie sie zum Tisch hinüberging und aus dem Fenster die Straße hinabsah, während das Licht auf ihr dunkles Haar und ein wenig auf ihre Wange fiel.

»Ich hoffe, es geht Ihnen gut?«, fragte sie.

»Ich bin sogar noch beschäftigter als die Gurkhisen. Es ist so viel zu tun. Wie geht es Ihrem Bruder? Ich wollte ihn besuchen, aber ...« Aber ich glaube, selbst ich könnte den Gestank meiner eigenen Heuchelei nicht aushalten, wenn ich es wirklich täte. Ich verursache Schmerz. Ihn zu lindern ist für mich wie eine fremde Sprache.

Ardee sah auf ihre Füße. »Ihm ist jetzt ständig übel. Jedes Mal, wenn ich ihn sehe, ist er dünner. Einer seiner Zähne ist ihm ausgefallen, als ich das letzte Mal bei ihm war.« Sie zuckte die Achseln. »Er hat ihn einfach verloren, als er etwas zu essen versuchte. Fast ist er daran erstickt. Aber was kann ich tun? Was kann überhaupt jemand tun?«

»Es tut mir wirklich leid, das zu hören.« Aber das ändert nichts. »Ich bin sicher, dass Sie ihm eine große Hilfe sind.« Ich bin sicher, dass es für ihn überhaupt keine Hilfe mehr gibt. »Und wie geht es Ihnen?«

»Besser als den meisten, nehme ich an.« Sie stieß einen tiefen Seufzer aus, dann richtete sie sich mit einem Ruck auf und versuchte zu lächeln. »Möchten Sie einen Schluck Wein?«

»Nein, aber halten Sie sich meinetwegen nicht zurück.« Das haben Sie ja auch sonst noch nie getan.

Aber sie nahm die Flasche nur kurz zur Hand und setzte sie dann wieder ab. »Ich habe in letzter Zeit versucht, weniger zu trinken.«

»Ich war immer schon der Meinung, dass Sie das tun sollten.« Er machte einen langsamen Schritt auf sie zu. »Dann ist Ihnen morgens manchmal übel?«

Sie sah ihn scharf von der Seite an, dann schluckte sie, und die dünnen Muskeln an ihrem Hals traten hervor. »Sie wissen es?«

»Ich bin der Erzlektor«, sagte er und kam noch näher. »Es ist meine Pflicht, alles zu wissen.«

Sie ließ erst die Schultern hängen, dann den Kopf und beugte sich vor, beide Hände auf die Tischkante gestützt. Glokta sah von der Seite, wie ihre Augenlider flatterten. Versucht, die Tränen wegzublinzeln. Trotz all ihrer Wut, trotz all ihrer Schläue braucht sie doch ebenso sehr jemanden, der sie rettet, wie jeder andere Mensch auch. Aber es ist niemand da, der das tun wollte. Außer mir.

»Ich habe wohl ein ziemliches Durcheinander angerichtet, genau, wie mein Bruder immer befürchtet hat. Und Sie auch. Sie sind sicher sehr enttäuscht.«

Glokta fühlte ein Zucken in seinem Gesicht. Eine Art Lächeln. Aber es liegt nicht besonders viel Freude darin. »Ich habe den Großteil meines Lebens mit Enttäuschungen verbracht. Aber nicht, was Sie betrifft. Es ist eine harte Welt. Niemand bekommt, was er verdient.« Wie lange müssen wir das jetzt noch in die Länge ziehen, bevor wir den

Mut zur Tat finden? Es wird nicht leichter werden. Es muss jetzt sein.

»Ardee ...« Seine Stimme klang rau in seinen eigenen Ohren. Er machte einen weiteren hinkenden Schritt, und seine Hand lag schwitzig um den Griff seines Stocks. Sie sah zu ihm auf, die feuchten Augen schimmerten, und eine Hand hatte sie auf ihren Bauch gelegt. Sie bewegte sich, als wollte sie zurückweichen. Ein Hauch von Angst vielleicht? Wer könnte es ihr verübeln? Ahnt sie vielleicht schon, was nun kommt?

»Sie wissen, dass ich Ihrem Bruder stets sehr viel Zuneigung und Respekt entgegengebracht habe.« Sein Mund war trocken, und seine Zunge schleckte ungelenk über sein Zahnfleisch. Jetzt ist der Augenblick gekommen. »In den vergangenen Monaten habe ich sehr viel Zuneigung und Respekt für Sie entwickelt.« Ein Schwall von Zuckungen lief über eine Seite seines Gesichts und ließ eine Träne von seinem flatternden Auge rinnen. Jetzt, jetzt. »Oder ... zumindest kam ich diesen Gefühlen so nah, wie es einem Mann wie mir möglich ist.« Glokta ließ die Hand in die Tasche gleiten, ganz sachte, damit sie nichts merkte. Er fühlte das kalte Metall, die harten, gnadenlosen Kanten, die gegen seine Finger fuhren. Es muss jetzt sein. Sein Herz schlug, seine Kehle war so zugeschnürt, dass er kaum einen Ton herausbrachte. »Das ist sehr schwierig für mich ... es tut mir leid.«

»Was denn?«, fragte sie und sah ihn verwundert an. Jetzt.

Mit einem Ruck kam er auf sie zu und riss die Hand aus der Tasche. Sie stolperte rückwärts gegen den Tisch, die Augen weit geöffnet ... und dann erstarrten sie beide.

Zwischen ihnen funkelte ein Ring. Ein riesenhafter, blitzender Diamant von einer Größe, dass er selbst den dicken goldenen Reif, auf dem er saß, dünn erscheinen ließ. So groß, dass er schon fast wie ein Witz erscheint. Eine Fälschung. Eine absurde Unmöglichkeit. Der größte Stein, den Valint und Balk im Angebot hatten.

»Ich muss Sie fragen, ob Sie mich heiraten wollen«, krächzte er. Die Hand, die den Ring hochhielt, zitterte wie dürres Laub. Wenn ein Hackmesser darin liegt, dann ist sie ruhig und sicher wie ein Fels, aber wenn ich einen Ring präsentieren soll, dann mache ich mir beinahe in die Hosen. Nur Mut, Sand, nur Mut.

Sie starrte auf den funkelnden Stein, den Mund sprachlos geöffnet. Vor Überraschung? Vor Entsetzen? Dieses ... Ding heiraten? Ich würde lieber sterben! »Äh«, murmelte sie, »ich ...«

»Ich weiß! Ich weiß, ich finde es genauso ekelhaft wie Sie, aber ... lassen Sie es mich erklären. Bitte.« Er sah zu Boden, und sein Mund zuckte, während er weitersprach. »Ich bin nicht so dumm zu glauben, dass Sie jemals einen ... einen Mann wie mich lieben oder überhaupt auch nur ein anderes Gefühl als Mitleid entwickeln könnten. Das hier ist eine Frage der Notwendigkeit. Sie sollten nicht davor zurückscheuen, weil ... ich so bin, wie ich bin. Die anderen wissen, dass Sie das Kind des Königs tragen.«

»Die anderen?«, fragte sie leise.

»Ja. Die anderen. Das Kind ist eine Bedrohung für sie. Ebenso wie Sie selbst, Ardee. Auf diese Weise kann ich Sie beschützen. Ich kann Ihrem Kind eine legitime Abstammung verschaffen. Es muss unser Kind sein, jetzt und für alle Zeit.« Dennoch starrte sie immer noch schweigend auf den Ring. Wie ein Gefangener den entsetzten Blick nicht von den Instrumenten abwenden kann und überlegt, ob er gestehen soll. Zwei schreckliche Wahlmöglichkeiten, aber welche ist die schlimmere?

»Es gibt viele Dinge, die ich Ihnen bieten kann. Schutz. Sicherheit. Respekt. Sie werden von allem nur das Beste haben. Eine hohe Stellung in der Gesellschaft, wie viel das auch immer wert sein mag. Niemand wird es wagen, auch nur einen Finger an Sie zu legen. Niemand wird mehr von oben herab mit Ihnen sprechen. Hinter Ihrem Rücken werden die Leute reden, natürlich. Aber sie werden über Ihre Schönheit reden, über Ihre Klugheit und über Ihre alles übertreffende Tugend.« Glokta kniff die Augen zusammen. »Dafür werde ich sorgen.«

Sie sah ihn an und schluckte. Und jetzt kommt die Ablehnung. Vielen Dank, aber ich sterbe lieber. »Ich sollte ehrlich zu Ihnen sein. Als ich jünger war ... habe ich ein paar dumme Dinge gemacht.« Ihr Mund verzog sich. »Das ist nicht einmal der erste Bastard, den ich in mir trage. Mein Vater hat mich die Treppe hinuntergeworfen, und ich verlor das Kind. Beinahe hätte er mich umgebracht. Ich hatte nicht gedacht, dass es noch einmal passieren könnte.«

»Wir alle haben Dinge getan, auf die wir nicht stolz sind.« Sie sollten die Geständnisse hören, die ich von Zeit zu Zeit mir selbst mache. Geständnisse, die vielleicht besser niemals jemand hören sollte. »Das ändert gar nichts. Ich habe versprochen, dass ich mich um Ihr Wohlergehen kümmern würde. Ich sehe keine andere Möglichkeit.«

»Dann sage ich ja.« Sie nahm ihm den Ring unzeremoniell aus den Händen und schob ihn sich auf den Finger.

»Dann gibt es doch gar nichts darüber nachzudenken, oder?« Nicht unbedingt das übersprudelnde Ja, die tränenerfüllte Zustimmung, die freudige Hingabe, wovon man in den Büchern liest. Vielmehr eine zögerlich geschlossene Geschäftsvereinbarung. Eine Gelegenheit, um noch einmal traurig auf all das zurückzublicken, was hätte sein können, aber nie geschehen ist.

»Wer hätte das gedacht«, murmelte sie, während sie den Edelstein an ihrem Finger betrachtete, »als ich vor all den Jahren zusah, wie Sie mit meinem Bruder fochten, dass ich eines Tages Ihren Ring tragen würde? Sie waren immer der Mann meiner Träume.«

Und jetzt der Ihrer Albträume. »Das Leben nimmt seltsame Wendungen. Die Umstände sind nicht so, wie man hätte erwarten mögen.« Und so rette ich zwei Leben. Wie viel Böses kann das vielleicht aufwiegen? Zumindest ist es einmal etwas, das auf der richtigen Seite der Waage angerechnet werden wird. Davon braucht jeder Mann etwas.

Ihre dunklen Augen glitten zu den seinen. »Hätten Sie sich keinen größeren Stein leisten können?«

»Nur wenn ich den Staatsschatz geplündert hätte«, brachte er krächzend hervor. Ein Kuss wäre jetzt üblich, aber unter diesen Umständen ...

Sie trat auf ihn zu und hob einen Arm. Er zuckte zurück und verzog gequält das Gesicht, als ein Stich durch seine Hüfte fuhr. »Entschuldigen Sie. Ich bin etwas aus der Übung.«

»Wenn ich das hier tun soll, dann aber richtig.« »Um das Beste daraus zu machen, meinen Sie?« »Um überhaupt irgendwas daraus zu machen.« Sie kam noch näher. Er musste sich zwingen, dort stehen zu bleiben, wo er stand. Sie sah ihm in die Augen. Dann hob sie die Hand, ganz langsam, und berührte seine Wange, so dass seine Augenlider flatterten. Wie närrisch. Wie viele Frauen haben mich zuvor schon berührt? Und dennoch, das war in einem anderen Leben. In einem anderen ...

Ihre Hand streichelte sein Gesicht, und ihre Fingerspitzen griffen fest um sein Kinn. Sein Hals knackte, als sie ihn zu sich heranzog. Er spürte ihren Atem warm auf seiner Haut. Ihre Lippen strichen sanft über seine, erst in die eine, dann in die andere Richtung. Er hörte, dass sie ein leises, kehliges Knurren ausstieß, und er hielt unwillkürlich den Atem an. Schauspielerei natürlich. Wie könnte eine Frau diesen verrotteten Körper begehren? Dieses zerstörte Gesicht küssen? Selbst ich finde den Gedanken widerlich. Reine Schauspielerei, aber schon allein dafür, dass sie sich diese Mühe macht, muss ich ihr Beifall zollen.

Sein linkes Bein zitterte, und er stützte sich auf seinen Stock. Der Atem fuhr schnell durch seine Nase. Ihr Gesicht war schräg vor seinem, und ihre Münder trafen sich und saugten feucht aneinander. Ihre Zungenspitze leckte über sein leeres Zahnfleisch. Reine Schauspielerei, wie könnte es anders sein? Aber sie macht das so überaus gut ...