DIE KISTE WIRD GEÖFFNET
Logen konnte den Zweifel der Männer um sich herum fühlen, er las die Besorgnis in ihren Gesichtern und in der Art, wie sie ihre Waffen hielten, und er konnte es ihnen nicht verübeln. Ein Mann kann wohl furchtlos sein, wenn er auf seiner eigenen Schwelle kämpft, gegen einen Feind, den er versteht, aber wenn man ihn lange Meilen über die salzige See in ein fremdes Land bringt, wie er es sich noch nicht einmal in seinen Träumen vorgestellt hat, dann wird er vor jeder leeren Türöffnung erschrecken. Und von denen gab es mittlerweile ziemlich viele.
Die Stadt der weißen Türme, in der Logen dem Ersten der Magi hinterhergeeilt war und über die Größe der Bauten, die seltsamen Menschen und die unglaubliche Menge von beidem gestaunt hatte, war ein Labyrinth geschwärzter Ruinen geworden. Die Nordmänner schlichen durch leere Straßen, die von den übergroßen Skeletten ausgebrannter Häuser gesäumt waren, aus denen verkohlte Balken in den Himmel ragten. Sie zogen über leere Plätze, übersät mit Trümmern und bedeckt mit Asche. Und von überall, von nah, von fern und aus allen Richtungen – drang geisterhaft der Schlachtenlärm zu ihnen herüber.
Es war, als gingen sie durch die Hölle.
»Wie kämpft man in so was?«, flüsterte der Hundsmann.
Logen wünschte, er hätte eine Antwort darauf gewusst. Für den Kampf in den Wäldern, in den Bergen, in den Tälern kannte er die Regeln, solche Schlachten hatte er schon hundert Mal geschlagen, aber hier? Seine Augen huschten nervös über die gähnenden Fenster und Türöffnungen, die Haufen herabgestürzter Steine. Es gab unzählige Verstecke, in denen Feinde lauern mochten.
Logen konnte nichts weiter tun, als auf das Haus des Schöpfers zuzuhalten und aufs Beste zu hoffen. Was dann passieren würde, wenn sie das Gebäude erreichten, wusste er nicht genau, aber er ging davon aus, dass Blut fließen würde. Vermutlich würde nichts geschehen, was irgendjemandem tatsächlich zu einem besseren Leben verhelfen würde, aber er hatte nun einmal den Abmarsch befohlen, und ein Anführer kann es sich nicht leisten, im Nachhinein seine Meinung zu ändern.
Der Kampfeslärm wurde nun lauter und immer lauter. Der Gestank von Rauch und Zorn biss in seine Nase und kratzte in seinem Hals. Das geriffelte Metall von Kanedias’ Schwert lag rutschig in seiner schwitzigen Hand. Er kroch geduckt über einen Schutthaufen und an einem zerstörten Haus entlang, und er streckte die Hand flach nach hinten, um den anderen anzuzeigen, sie sollten vorsichtig sein. Angespannt erreichte er das Ende der Mauer und spähte um die Ecke.
Direkt vor ihm ragte der Agriont auf, hohe Mauern und Türme, die sich schwarz gegen den weißen Himmel abhoben und sich im Burggraben zu ihren Füßen spiegelten. Vor dem Wasser hatten sich viele Männer versammelt und drängten sich auf dem gepflasterten Platz zusammen, so weit Logen sehen konnte. Man musste kein Blitzmerker sein, um zu erkennen, dass es sich dabei um Gurkhisen handelte. Pfeile schossen zu den Zinnen empor, Bolzen schwirrten als Antwort herunter, prallten vom Kopfsteinpflaster ab oder blieben zitternd in hölzernen Schildwänden stecken.
Keine dreißig Schritt entfernt hatten sie eine Reihe von Soldaten aufgestellt, deren Gesichter zur Stadt blickten. Es war eine saubere, ordentliche Reihe, mit Speeren gespickt und von beiden Seiten mit hohen Standarten begrenzt, auf denen goldene Buchstaben funkelten. Sie wirkten stark, diese harten Männer, gut bewaffnet und gut gerüstet, nicht so wie der Abschaum, den sie vor den Mauern angetroffen hatten. Logen vermutete, dass ein bisschen Gebrüll nicht reichen würde, um diese Jungs in Marsch zu setzen. Außer vielleicht direkt in seine Richtung.
»Au ha«, murmelte der Hundsmann, als er sich neben Logen schlich. Ein paar weitere Nordmänner folgten, liefen über die Einmündung der Straße und sahen sich mit dummen Gesichtern um.
Logen winkte mit dem Arm. »Es wäre vielleicht besser, wenn wir einstweilen außer Sicht ...«
Ein Offizier inmitten der gurkhisischen Aufstellung bellte etwas in seiner harten Sprache und deutete mit einem Krummsäbel in ihre Richtung. Rüstungen schepperten, als die Männer ihre Speere hoben.
»Ach, Scheiße«, zischte Logen. Sie rückten vor; schnell, aber organisiert. Eine seltsame Menge Männer, die vor hellem, scharfem, tödlichem Metall nur so strotzten.
Wenn man angegriffen wird, hat man drei Möglichkeiten zur Auswahl. Weglaufen, standhalten oder selbst angreifen. Weglaufen ist meist keine schlechte Idee, aber so, wie die übrigen Jungs ohnehin schon gestimmt waren, hätten sie mit dem Laufen vielleicht erst wieder aufgehört, wenn sie ins Meer stürzten. Hätten sie die Angreifer herankommen lassen, als verblüffter, unorganisierter Haufen, der sie nach dem Marsch durch die Stadt waren, mochte es gut sein, dass sie aufgerieben wurden und viele dabei umkamen, ohne dass etwas damit gewonnen wäre. Damit blieb nur eine Möglichkeit, und bei einer einzigen kann man kaum von Auswahl sprechen.
Zwei Angriffe an einem Tag. Verdammtes Pech, aber es nützte nichts, deswegen rumzuheulen. In solchen Dingen muss man realistisch sein.
Logen rannte los. Nicht in die Richtung, die er am liebsten eingeschlagen hätte, sondern nach vorn, aus dem Schutz der Gebäude und über das Pflaster auf den Burggraben zu. Er dachte nicht allzu viel darüber nach, ob ihm jemand folgen würde; er war vielmehr damit beschäftigt, wild zu schreien und sein Schwert zu schwenken. Der Erste, wenn’s ums Morden ging, so wie in alten Zeiten. Ein passendes Ende für den blutigen Neuner. Würde vielleicht auch ein gutes Lied abgeben, wenn jemand sich die Mühe machen würde, dazu eine Melodie zu erfinden. Er bleckte die Zähne und wartete auf den schrecklichen Aufprall.
In diesem Augenblick stürzte ein Grüppchen Unionssoldaten zwischen den Häusern zu seiner Linken hervor und brüllte ebenfalls aus Leibeskräften. Der Angriff der Gurkhisen kam ins Stocken, ihre Einheit brach auf, und die Speere schwenkten wild in alle Richtungen, als die Männer sich der plötzlich aufgetauchten neuen Bedrohung zuwandten. Ein unerwarteter Glücksfall, das stand mal fest.
Die Union krachte in das Ende der gurkhisischen Linie. Männer kreischten und brüllten, Metall schabte über Metall, Waffen blitzten, Männer stürzten, und Logen geriet in die Mitte des ganzen Durcheinanders. Er wich einem zitternden Speer aus und schlug nach einem gurkhisischen Soldaten, den er jedoch verfehlte, um einen anderen zu treffen, der aufschrie, als Blut über sein Kettenhemd strömte. Einem Dritten rammte Logen die Schulter entgegen und warf ihn um, trat ihm seitlich auf den Kiefer und fühlte, wie der Knochen unter seinem Stiefel brach.
Der gurkhisische Offizier, der den Angriff geführt hatte, war nur wenige Schritt entfernt, das Schwert kampfbereit gezogen. Logen hörte eine Bogensehne hinter sich, und ein Pfeil traf den Offizier am Schlüsselbein. Erschauernd holte er Luft, um zu schreien, und wirbelte halb herum. Logen schlug seinen Rückenpanzer entzwei, und Blutstropfen sprühten durch die Luft. Männer trampelten die Überreste der gurkhisischen Einheit um ihn herum nieder. Ein Speerschaft bog sich und knickte um, und Logen flogen die Holzsplitter ins Gesicht. Unmittelbar neben ihm brüllte jemand, dass ihm die Ohren klingelten. Er warf den Kopf herum und sah, wie ein Carl verzweifelt die Hand hochriss und ein Krummsäbel hineinfuhr, der ihm den Daumen abschlug. Logen versetzte dem Gurkhisen, der die Waffe geschwungen hatte, einen Schwertstreich ins Gesicht, und Kanedias’ schwere Klinge erwischte den Gegner an der Wange und spaltete ihm den Schädel.
Ein Speer flog auf ihn zu. Logen versuchte seitlich auszuweichen und keuchte, als die Spitze durch sein Hemd und in seine rechte Seite fuhr und ein kaltes Gefühl unterhalb seiner Rippen hinterließ. Der Mann, der die Waffe führte, stolperte auf ihn zu und bewegte sich zu schnell, um noch anhalten zu können. Logens Schwert durchbohrte ihn genau unterhalb seines Brustpanzers, und er sah dem anderen blinzelnd ins Gesicht. Ein Unionssoldat mit flaumig rötlichem Bart auf den Wangen.
Der Mann runzelte die Stirn und schien verwirrt, ein ebenfalls weißes Gesicht vor sich zu sehen. »Was ...«, krächzte er und krallte sich an ihm fest. Logen riss sich los, die Hand gegen die Seite gepresst. Dort war es feucht. Er fragte sich, ob der Speer ihn nur gestreift oder richtig getroffen hatte und ob er schon dem Tod geweiht war und nur noch ein paar Augenblicke zu leben hatte.
Dann schlug ihm etwas auf den Hinterkopf, und er kam ins Trudeln, brüllte und wusste nicht, was geschah. Seine Glieder fühlten sich an, als seien sie aus Schlamm. Die Welt drehte sich wackelnd und war voll von herumfliegendem Staub und zuckenden Klingen. Er schlug nach etwas und trat gegen etwas anderes. Dann rang er mit jemandem, fauchte ihm ins Gesicht, riss seine Hand los und zog mühsam ein Messer, stach in einen Hals, und schwarzes Blut sprudelte hervor. Der Kampfeslärm tönte und rauschte in seinen Ohren. Ein Mann stolperte an ihm vorüber, dem ein Teil des Gesichts herunterhing. Logen konnte von der Seite direkt in seinen zerstörten Mund mit den ausfallenden Zähnen sehen.
Der Stich an seiner Seite brannte und brannte und saugte ihm die Luft aus den Lungen. Der Schlag auf den Kopf ließ den Puls in seinem Kopf dröhnen und verlieh der Welt um ihn herum einen verschwommenen Anschein. Sein Mund war erfüllt von salzig-metallischem Blutgeschmack. Dann fühlte er eine Berührung auf der Schulter und warf den Kopf mit gebleckten Zähnen herum, die Finger fest um den Griff von Kanedias’ Schwert geschlossen.
Hundsmann ließ ihn los und hob die Hände. »Ich bin es! Ich bin es doch!«
Logen sah, wer es war. Aber es war nicht mehr seine Hand, die
das Schwert führte, und der Blutige Neuner sah vor sich nur Arbeit,
die getan werden musste.
Was hat sich dieser verkrüppelte Schafhirte bloß für eine seltsame Herde zugelegt. Zwei Dutzend falsche Praktikale folgten Glokta über die verlassenen Straßen des Agrionts, angeführt von Nicomo Cosca, dem berüchtigten Glücksritter. Meine Hoffnungen ruhen allesamt auf dem am wenigsten vertrauenswürdigen Mann der ganzen Welt. Einer der Söldner zog den gefesselten und geknebelten Superior Goyle stolpernd an einem Seil hinter sich her. Wie ein unwilliger Hund, der zum Gassigehen gezwungen wird. Inmitten der Männer schlurfte Ardee West dahin. Ihr weißes Kleid war vom Unrat der Kanäle und dem Blut verschiedener Männer besudelt, und ihr Gesicht war voller Schwellungen, die allmählich eine dunkle Farbe annahmen. Es trug einen geisterhaft leeren Ausdruck. Zweifelsohne aufgrund der zahlreichen schrecklichen Erlebnisse, deren Zeugin sie im Laufe dieses Tages wurde. Ein paar Kapriolen durch den Agriont an der Seite des einzigen verkrüppelten Superiors der Inquisition. Ein fröhlicher Reigen durch die Hölle, vom Klang entfernten Schlachtenlärms begleitet.
Ruckartig blieb er stehen. Ein Bogengang an der Seite führte geradewegs zum Marschallsplatz, und aus einem Grund, den er nicht begriff, war das Pflaster in seiner ganzen Breite mit Sägemehl bestreut worden. In der Mitte der weißgelben Fläche stand, auch auf diese Entfernung bestens zu erkennen, der Erste der Magi und wartete. Neben ihm war die dunkelhäutige Frau, die Glokta beinahe in seiner Badewanne ersäuft hatte. Die beiden Menschen, die mir auf der ganzen Welt derzeit die liebsten sind. Ist es denn die Möglichkeit.
»Bayaz«, zischte Glokta.
»Keine Zeit für solche Sachen.« Cosca packte ihn am Arm und zog ihn fort. Glokta humpelte weiter die enge Gasse entlang und fuhr zusammen, als er unvermittelt in das Gesicht seines alten Bekannten Jezal dan Luthar starrte. Oder, wie ich wohl eher sagen sollte, des Hochkönigs der Union. Das ist doch wirklich zu viel der Ehre.
»Euer Majestät«, sagte er, neigte den Kopf und spürte sofort ein besonders unangenehmes Stechen in seinem Nacken. Cosca, der gerade zu ihm aufschloss, vollführte eine übertriebene Verbeugung und hob die Hand, um sein Barett zu ziehen. Es war verschwunden. Entschuldigend zuckte er die Achseln und zupfte stattdessen an seiner fettigen Stirnlocke.
Luthar sah ihn und auch die anderen ihrer seltsamen Gruppe mit gefurchter Stirn an. In der hinteren Reihe des königlichen Gefolges schien sich jemand zu verbergen. Eine schwarzgoldene Robe zwischen all dem polierten Stahl. Sollte das etwa ... unser alter Freund, der Kronrichter, sein? Aber der ist doch in gefrorene Stücke ... Und dann schlurfte Ardee um die Ecke.
Luthars Augen weiteten sich. »Ardee ...«
»Jezal ...« Sie sah ebenso überrascht aus wie er. »Ich meine ...«
Und in diesem Augenblick zerriss eine enorme Explosion die
Luft.
Der Mittenweg war nicht mehr das, was er einmal gewesen war.
West und sein Stab ritten fassungslos schweigend nach Norden. Die Hufe ihrer Pferde schlugen auf die gesprungene Straße. Ein elendiger Vogel zirpte von den nackten Dachbalken eines ausgebrannten Hauses. In einer Seitenstraße rief jemand um Hilfe. Von Westen war immer noch vager Kampfeslärm zu hören, wie von einem weit entfernten Sportereignis, bei dem es jedoch keine Gewinner gab. Feuer war durch das Herz der Stadt gerast und hatte ganze Straßenzüge in schwarze Ruinen verwandelt, die Bäume in graue Klauen und die Gärten in Flecken voller Dreck und Verfall. Und Leichen lagen überall. Leichen jeder Art und jeder Größe.
Die Vier Ecken waren ein Schlachthof, übersät mit dem hässlichen Abfall des Krieges, umsäumt von den Ruinen einiger der schönsten Gebäude, die es in Adua einst gegeben hatte. In der Nähe hatte man die Verwundeten in langen Reihen auf den staubigen Boden gelegt. Sie husteten, stöhnten, schrien nach Wasser, und blutverschmierte Feldscherer liefen hilflos zwischen ihnen umher.
Einige grimmige Soldaten schichteten bereits die gurkhisischen Toten zu formlosen Haufen aus verdrehten Armen, Beinen, Gesichtern auf. Sie wurden von einem hochgewachsenen Mann überwacht, der die Hände fest hinter dem Rücken hielt. General Kroy, immer sofort bemüht, wieder für Ordnung zu sorgen. Seine schwarze Uniform war mit grauer Asche besudelt, und ein aufgerissener Ärmel umspielte sein Handgelenk. Die Kämpfe mussten wirklich hart gewesen sein, dass sein sonst stets so makelloses Äußeres derart gelitten hatte, aber sein militärischer Gruß blieb davon unberührt – er hätte auf dem Übungsplatz nicht perfekter ausfallen können.
»Wie geht es voran, Herr General?«
»In der Mitte der Stadt wurde bitter gekämpft, Herr Marschall! Unsere Reiterei konnte diesen Morgen durchbrechen und den Feind überrumpeln. Dann setzte er jedoch zum Gegenangriff an, während wir noch auf die Fußtruppen warteten. Ich schwöre, dieser kleine Flecken Erde wechselte ein Dutzend Mal die Fronten. Aber jetzt halten wir die Vier Ecken! Die Gurkhisen kämpfen hart um jeden Schritt Boden, aber wir haben sie bis an den Arnaultwall zurückgedrängt. Nun sehen Sie sich das mal an!« Er deutete auf zwei gurkhisische Standarten, die gegen eine bröckelnde Mauer gelehnt waren. Die goldenen Zeichen schimmerten hell inmitten der düsteren Zerstörung, die sie umgab. »Die wären doch eine herrliche Zierde für jedes Wohnzimmer, oder?«
West konnte nicht anders, sein Blick wanderte tiefer und fiel auf ein paar Verwundete, die hingestreckt vor der Mauer lagen. »Ich wünsche Ihnen viel Freude daran. Der Agriont?«
»Von dort gibt es leider weniger gute Nachrichten. Wir bedrängen sie hart, aber die Gurkhisen sind uns zahlenmäßig überlegen. Sie haben die Zitadelle immer noch völlig umstellt.«
»Dann bedrängen Sie sie stärker, Herr General!«
Kroy antwortete mit einem neuerlichen präzisen Gruß. »Jawohl, Herr Marschall, wir werden die Belagerung aufbrechen, machen Sie sich keine Sorgen. Darf ich fragen, wie es General Poulder unten am Hafen ergangen ist?«
»Der Hafen ist wieder in unserer Hand, aber General Poulder ... ist tot.«
Es folgte eine Pause. »Tot?« Kroys Gesicht war todesbleich geworden. »Aber wie ist er ...«
Ein Grollen ertönte, wie weit entfernter Donner, und die Pferde
scheuten und stampften. West, Kroy und all die anderen Offiziere
wandten das Gesicht gleichzeitig nach Norden. Dort stieg über den
geschwärzten Ruinen der Gebäude an dem Platz eine große Staubwolke
über dem Agriont auf.
Die helle Welt drehte sich und pulsierte zum wunderschönen Lied der Schlacht, dem wundervollen Geschmack von Blut und dem köstlichen, fruchtbaren Gestank des Todes. Inmitten all dessen, nur eine Armeslänge entfernt, stand ein kleiner Mann und sah ihn an.
Wie hatte er dem Blutigen Neuner so nahe kommen können? Damit bettelte man so sicher um den Tod, wie man brannte, wenn man ins Feuer trat. Man forderte ihn geradezu.
Die spitzen Zähne kamen ihm irgendwie bekannt vor. Eine Erinnerung regte sich, lange her, weit weg. Aber der Blutige Neuner schob sie von sich, schüttelte sie ab, versenkte sie im bodenlosen Meer. Ihm war nicht wichtig, wer die Männer waren oder was sie getan hatten. Er war der Große Gleichmacher, und vor ihm waren alle gleich.
An ihm war es nur, die Lebenden zu Toten zu machen, und es war längst an der Zeit, dass er mit der guten Arbeit begann. Er hob das Schwert.
Die Erde bebte.
Er stolperte, und großer Lärm brandete über ihn hinweg, riss eine Kluft zwischen die toten Männer und die Lebenden, spaltete die Welt. Er fühlte, dass der Knall etwas in seinem Schädel auslöste. Er richtete sich auf und verzog das Gesicht zu einer Fratze, dann hob er die Klinge ...
Aber sein Arm bewegte sich nicht.
»Bastard ...«, fauchte der Blutige Neuner, doch die Flammen waren schon erstickt. Es war Logen, der sich in die Richtung wandte, aus der der Krach gekommen war.
Eine große Wolke aus grauem Staub stieg ein paar hundert Schritt entfernt über der Mauer des Agrionts auf. Wirbelnde kleine Flecken flogen hoch in die Luft und zogen braune Staubspuren am Himmel, wie die Fangarme eines riesenhaften Seeungeheuers. Einer davon schien geradewegs über ihnen den Höhepunkt seiner Flugbahn erreicht zu haben. Logen sah, wie er wieder herabfiel. Erst hatte er wie ein Kiesel ausgesehen. Als er zur Erde herabstürzte, erkannte Logen allmählich, dass es sich um ein Stück Mauerwerk handelte, das so groß war wie ein Karren.
»Scheiße«, sagte Grimm. Es gab nichts anderes zu sagen. Das Geschoss krachte inmitten der Kämpfe in ein Gebäude. Das ganze Haus brach zusammen, und verdrehte Körper flogen in jede Richtung. Ein geborstener Balken zischte am Hundsmann vorüber und klatschte in den Burggraben. Kieselstücke prasselten auf Logens Hinterkopf, während er sich zu Boden warf.
Erstickender Staub quoll über die Straße. Logen würgte, die Hand über das Gesicht gelegt. Dann rappelte er sich mit weichen Knien auf, stützte sich mühsam auf sein Schwert, und die staubige Welt um ihn herum hörte nicht auf, sich zu drehen. Noch immer dröhnten seine Ohren von dem Knall, und er war sich nicht sicher, wer er war, und schon gar nicht, wo.
Alle Kraft und Entschlossenheit waren aus dem Kampf vor dem Burggraben gewichen. Männer husteten, starrten mit großen Augen in die Gegend, gingen im düsteren Licht umher. Viele Tote – Nordmänner, Gurkhisen, Unionisten – lagen durcheinander. Logen sah einen dunkelhäutigen Mann, dem das Blut aus einer Wunde oberhalb des Auges über das staubbedeckte Gesicht lief und der ihn anstarrte.
Er hob das Schwert, stieß ein kehliges Brüllen aus und versuchte
es mit einem Angriff. Es gelang ihm lediglich, ein wenig zur Seite
zu taumeln; beinahe wäre er gestürzt. Der Gurkhise ließ den Speer
fallen und rannte davon.
Es gab eine zweite ohrenbetäubende Explosion, dieses Mal sogar noch näher, im Westen. Ein plötzlicher Windstoß riss an Jezals Haar und brannte in seinen Augen. Schwerter fuhren aus den Scheiden. Männer starrten nach oben, die Gesichter vor Entsetzen schlaff.
»Wir müssen weiter«, piepste Gorst, der Jezal fest am Arm packte.
Glokta und seine Gefolgsleute bogen bereits in ein gepflastertes Gässchen und gingen so schnell, wie der hinkende Superior es vermochte. Ardee warf ihm mit geweiteten Augen einen Blick über die Schulter zu.
»Warte ...« Plötzlich wurde Jezal heftig von Sehnsucht übermannt, als er sie so sah. Dass sie sich in den Händen dieses ekelhaften Krüppels befand, war fast nicht zu ertragen. Aber Gorst wollte nichts davon wissen.
»Zum Palast, Euer Majestät.« Er schob Jezal in Richtung des Parks, ohne sich noch einmal umzusehen, und die übrigen königlichen Leibwächter kamen rasselnd hinter ihnen her. Bruchstücke von Stein und Mauerwerk prasselten auf die Dächer um sie herum, sprangen über die Straße, schlugen auf die Rüstungen der Ritter der Wacht.
»Sie kommen«, raunte Marovia und starrte grimmig zum
Marschallsplatz.
Ferro hatte sich auf den Boden gehockt und die Hände über den Kopf gelegt, als das dröhnende Echo von den hohen weißen Wänden widerhallte. Ein Stein von der Größe eines Männerkopfes war vom Himmel gefallen und ein paar Schritt entfernt auf dem Boden in Stücke geborsten. Schwarze Kiesel rollten über das blasse Sägemehl. Ein zehnmal größerer Steinblock schlug durch das Dach eines Hauses, und die Fenster zerbarsten in kleine Splitter. Staub stieg in grauen Wolken von den Straßen auf und wehte über den Platz. Allmählich ließ der Lärm nach. Der von Menschen gemachte Hagelsturm verebbte, und es folgte gewichtiges Schweigen.
»Und nun?«, grollte sie Bayaz entgegen.
»Nun werden sie kommen.« In den Straßen ertönte irgendwo ein Krachen, Männer schrien, und dann folgte ein langer Schrei, der plötzlich abbrach. Er wandte sich ihr zu, und seine Kiefermuskeln mahlten nervös. »Sobald wir angefangen haben, bewegst du dich nicht vom Fleck. Nicht um Haaresbreite. Die Kreise wurden ganz sorgsam ...«
»Denk lieber an deine eigenen Aufgaben, Magus.«
»Dann werde ich das tun. Öffne die Kiste, Ferro.«
Sie stand da, verzog das Gesicht und rieb mit den Fingerspitzen über ihre Daumen. Sobald die Kiste geöffnet worden war, würde es kein Zurück mehr geben, das spürte sie.
»Jetzt!«, fuhr Bayaz sie an. »Jetzt, wenn du deine Rache willst!«
»Sssss.« Aber die Zeit, da sie hätte umkehren können, lag schon lange hinter ihr. Sie hockte sich auf den Boden und legte die Hand auf das kühle Metall des Deckels. Ein dunkler Pfad war der einzige Weg. So war es immer gewesen. Sie fühlte den versteckten Haken und drückte ihn nach innen. Der Deckel schwang geräuschlos auf, und die seltsame Erregung rann wie ein kleiner Bach hervor, dann wie ein Fluss, spülte über ihren Körper wie eine Welle, dass ihr der Atem stockte.
Der Samen lag in der Kiste, ruhte auf den Metallspiralen, ein matter, grauer, unauffälliger Klumpen Stein. Sie schloss ihre Finger darum. Bleischwer und eiskalt hob sie ihn heraus.
»Gut.« Aber Bayaz verzog das Gesicht, als er sie ansah, und Angst und Ekel standen darin geschrieben. Sie streckte ihm den Samen hin, und er wich zurück. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. »Komm nicht näher!«
Ferro schlug den Deckel der Kiste zu. Zwei unionistische Wächter in voller Rüstung suchten Deckung auf dem Platz, schwere Schwerter in der Faust. Angst lag in ihren Bewegungen, als wichen sie vor einem ganzen Heer zurück. Aber lediglich ein Mann bog um die Ecke. Ein Mann in weißer Rüstung, die mit schimmerndem Metall verziert war. Sein dunkles Gesicht war jung und glatt und schön, aber seine Augen wirkten alt. Ferro hatte ein solches Gesicht schon einmal gesehen, in den Wüsten Landen in der Nähe von Dagoska.
Ein Verzehrer.
Die zwei Wachleute griffen ihn gemeinsam an, einer stieß einen schrillen Schlachtruf aus. Der Verzehrer wischte ihre Schwerter mühelos beiseite, sprang plötzlich so schnell vor, dass die Bewegung kaum zu sehen war, und erwischte einen der Unionisten mit einem nachlässigen Hieb seiner offenen Hand. Ein hohles Geräusch ertönte, als er Schild und Brustpanzer durchschlug und den Mann in die Luft schleuderte. Er fiel etwa zwanzig Schritt von dort, wo er gestanden hatte, wieder auf den Boden, überschlug sich und hinterließ dunkle Flecken auf dem blassen Sägemehl. Schließlich blieb er nicht weit von Ferro entfernt liegen, hustete einen dicken Schwall Blut hervor und lag still.
Der andere Wachmann wich zurück. Der Verzehrer sah ihn an, und Traurigkeit lag auf seinem vollkommenen Gesicht. Die Luft um ihn begann zu flimmern, das Schwert des Unionisten fiel zu Boden, dann stieß er einen krächzenden Schrei aus und hielt sich den Kopf. Er platzte, und Knochen und Fleisch spritzten gegen die Wände der weißen Gebäude hinter ihm. Der kopflose Körper stürzte zu Boden. Dann folgte eine Pause.
»Willkommen im Agriont!«, rief Bayaz.
Ferros Augen wurden von einer blitzartigen Bewegung angezogen. Hoch über ihnen glitt eine Gestalt in weißer Rüstung über ein Dach. Mit einem unmöglichen Sprung überwand sie die Kluft bis zum nächsten Haus und verschwand dann außer Sichtweite. Auf der Straße floss eine Frau aus den Schatten und erreichte den Platz, in einen schimmernden Kettenpanzer gekleidet. Sie schwang die Hüften, als sie sich näherte, ein glückliches Lächeln auf dem makellosen Gesicht und einen langen Speer locker in der Hand. Ferro schluckte, verlagerte ihren Griff um den Samen und umklammerte ihn fest.
Hinter ihr stürzte ein Teil einer Mauer ein, und Steinblöcke krachten auf den Platz. Ein riesenhafter Mann trat durch die gähnende Lücke, ein großes Stück Holz in Händen, das mit schwarzem Eisen beschlagen war. Seine Rüstung und sein langer Bart waren staubbedeckt. Zwei weitere folgten, ein Mann und eine Frau, ebenfalls mit glatten, jungen Gesichtern und alten, schwarzen Augen. Ferro warf ihnen einen finsteren Blick zu, als sie ihren Säbel zog. Das kalte Metall glitzerte. Vielleicht war es sinnlos, aber es war ein beruhigendes Gefühl, ihn der Hand zu halten.
»Seid mir alle willkommen!«, brüllte Bayaz. »Ich habe dich erwartet, Mamun!«
Der vorderste der Verzehrer runzelte die Stirn, während er sorgsam über den kopflosen Leichnam hinwegstieg. »Und wir dich.« Weiße Gestalten glitten von den Dächern der umliegenden Gebäude, sprangen geduckt aufs Pflaster des Platzes und richteten sich auf. Es waren vier, einer in jeder Ecke. »Wo ist dieser kriechende Schatten, Yulwei?«
»Er konnte leider nicht hier sein.«
»Zacharus?«
»Blieb in den Ruinen des Westens hängen und versucht dort, eine Leiche durch einen Verband zu heilen.«
»Cawneil?«
»Klammert zu sehr an dem, was sie einmal war, um an das zu denken, was kommt.«
»Dann bist du hier, am Ende, ganz allein, von der da mal abgesehen.« Mamun richtete seinen leeren Blick auf Ferro. »Sie ist ein seltsames Geschöpf.«
»Das ist sie, und ausgesprochen schwierig, aber nicht ohne Fähigkeiten.« Ferro verzog grimmig das Gesicht, schwieg aber. Wenn etwas gesagt werden musste, konnte sie das mit ihrem Säbel tun. »Nun gut.« Bayaz zuckte die Achseln. »Ich war immer schon der Meinung, dass ich mir selbst der beste Ratgeber bin.«
»Welche andere Wahl hättest du sonst auch? Deinen eigenen Orden hast du zerstört, mit deinem Stolz, deinem Hochmut und deinem Verlangen nach Macht.« Weitere Gestalten traten aus den Türen der umliegenden Gebäude und spazierten ohne Eile von den Straßen auf den Platz. Die Haltung einiger von ihnen erinnerte an die selbstbewusste Lässigkeit eines Edelmanns. Andere hielten sich an den Händen wie Liebespaare. »Macht ist alles, was dir je wichtig war, und jetzt ist dir nicht einmal mehr das geblieben. Der Erste der Magi, und der Letzte.«
»So sieht es aus. Gefällt dir das nicht?«
»Ich habe keinen Gefallen an all dem, Bayaz. Es ist nur das, was getan werden muss.«
»Ah. Eine gerechte Schlacht? Eine heilige Pflicht? Ein Kreuzzug vielleicht? Wird Gott wohlgefällig über die von euch gewählten Mittel lächeln, was glaubst du?«
Mamun zuckte die Achseln. »Gott lächelt wohlgefällig über die Ergebnisse.« Weitere Gestalten in weißen Rüstungen erschienen und nahmen am Rand des Platzes Aufstellung. Sie bewegten sich mit nachlässiger Anmut, mit müheloser Kraft, mit bodenlosem Hochmut. Ferro warf ihnen finstere Blicke zu, den Samen fest umklammert gegen ihre Hüfte gedrückt und den Säbel in der anderen Hand.
»Wenn du einen Plan hast«, zischte sie ihm zu, »dann wäre es jetzt vielleicht die richtige Zeit, damit anzufangen.«
Aber der Erste der Magi beobachtete nur, wie sie allmählich umringt wurden. Die Muskeln seines Gesichts zuckten, und die Hände ballten sich und lockerten sich wieder. »Eine Schande, dass Khalul selbst nicht vorbeischauen konnte, aber du hast andere Freunde mitgebracht, wie ich sehe.«
»Einhundert, wie ich versprochen habe. Einige wenige haben in der Stadt andere Aufgaben zu erledigen. Sie lassen sich entschuldigen. Aber die meisten von uns sind deinetwegen hier. Mehr als genug.« Die Verzehrer waren still. Sie standen da, die Gesichter zur Mitte des Platzes gewandt, in einem großen Kreis, deren Mitte der Erste der Magi bildete. Ferro Maljinn spürte natürlich keine Angst.
Aber die Aussichten waren nicht besonders gut.
»Eines musst du mir noch beantworten«, rief Mamun, »da wir nun am Ende angekommen sind. Wieso hast du Juvens getötet?«
»Juvens? Ha! Er dachte, er könnte die Welt mit Lächeln und guten Absichten verbessern. Gute Absichten erreichen gar nichts, und die Welt wird ohne Kämpfe nicht besser. Ich sage, ich habe niemanden getötet.« Bayaz warf Ferro einen Seitenblick zu. »Aber was spielt es für eine Rolle, wer vor tausend Jahren wen getötet hat? Wichtig ist, wer heute stirbt.«
»Das ist wahr. Nun wirst du endlich gerichtet werden.«
Langsam, ganz langsam zog sich der Kreis der Verzehrer zusammen, die nun vereint vortraten.
Der Erste der Magi lächelte grimmig. »Oh, es wird hier heute Gericht gehalten werden, Mamun, darauf kannst du dich verlassen. Die Magie sickert aus der Welt. Meine Künste sind nur noch ein Schatten dessen, worüber ich einst verfügte. Aber während du dich mit Menschenfleisch vollgestopft hast, hast du eines vergessen, dass nämlich Wissen die Wurzel der Macht ist. Die Hohen Künste lernte ich von Juvens. Das Schöpfertum nahm ich mir von Kanedias.«
»Du wirst mehr als das brauchen, um uns zu besiegen.«
»Natürlich. Dafür brauche ich eine dunklere Medizin.«
Die Luft um Bayaz’ Schultern begann zu flimmern. Die Verzehrer blieben stehen, und einige hoben die Hände vor die Gesichter. Ferro kniff die Augen zusammen, aber es kam nur ein leichter Windhauch auf. Eine sanfte Brise, die wie eine Welle vom Ersten der Magi ausging und das Sägemehl von den Steinen wehte, das als weiße Wolke an den Rand des Marschallsplatzes geweht wurde.
Mamun sah zu Boden und runzelte die Stirn. Eingearbeitet in den Stein leuchtete Metall matt im dünnen Sonnenlicht. Kreise und Linien und Zeichen und wieder Kreise in anderen Kreisen bedeckten den ganzen weiten Platz in sorgfältiger Anordnung.
»Elf Siegel, und noch einmal elf Siegel rückwärts«, sagte Bayaz. »Eisen. Gelöscht in Salzwasser. Eine Verbesserung, die sich aus Kanedias’ Forschung ergab. Glustrod verwendete reines Salz. Das war sein Fehler.«
Mamun sah auf, und die eisige Ruhe war aus seinem Gesicht gewichen. »Du willst doch wohl nicht sagen ...« Seine schwarzen Augen huschten zu Ferro, dann zu ihrer Hand, die den Samen umklammert hielt. »Nein! Das Erste Gebot ...«
»Das Erste Gebot?« Der Magus zeigte seine Zähne. »Regeln sind für Kinder. Wir sind im Krieg, und im Krieg gibt es nur ein Verbrechen: zu verlieren. Das Wort von Euz?« Bayaz’ Lippen kräuselten sich. »Ha! Soll er doch vortreten und mich aufhalten!«
»Das reicht!« Einer der Verzehrer sprang vor und glitt über die Metallkreise auf ihre Mitte zu. Ferro keuchte, als der Stein in ihrer Hand plötzlich schrecklich kalt wurde. Die Luft um Bayaz zuckte, tanzte, als spiegele er sich in einem kleinen See voller Wellen.
Der Verzehrer sprang auf, den Mund geöffnet, und die helle Klinge seines Schwerts leuchtete. Dann war er verschwunden. So wie auch zwei weitere hinter ihm. Eine lange Blutspur zog sich dort über den Boden, wo einer der beiden gestanden hatte. Ferros Augen folgten ihr und wurden dabei größer und größer. Ihre Kinnlade klappte ihr herunter.
In dem Haus hinter ihnen klaffte ein riesiges, gähnendes Loch vom Fundament bis zum hohen Dach. Ein riesiger Spalt, eingefasst von geborstenem Stein und gebrochenem Putz, zersplitterten Dachsparren und hin und her schwingendem Glas. Staub rieselte von den gezackten Kanten in das gähnende Loch darunter. Ein paar Papierstücke schwebten durch die leere Luft. Aus diesem Bild der Zerstörung ertönte dünnes, gequältes Geschrei. Schluchzen. Schmerzgeheul. Viele Stimmen. Die Stimmen all jener, die in diesem Haus Zuflucht gesucht hatten.
Sie hatten Pech gehabt.
Bayaz’ Mund verzog sich allmählich zu einem Lächeln. »Es funktioniert«, hauchte er.