DAS PERFEKTE PAAR

Einer von Jezals zahllosen Dienern hockte auf einer Trittleiter und gab sich mit angespanntem Gesicht alle Mühe, die Krone präzise auf sein Haupt sinken zu lassen. Der einzige, riesige Diamant darauf schimmerte unglaublich kostbar. Der Diener rückte die Krone ganz leicht hin und her, und der pelzbesetzte Rand drückte sich in Jezals Schädel. Dann kletterte der Diener herunter, klappte die Leiter zusammen und betrachtete das Ergebnis. Wie auch ein Dutzend seiner Kollegen. Einer von ihnen trat vor, um den genauen Sitz von Jezals goldbestickten Ärmeln zu überprüfen. Ein anderer schnippte mit gerunzelter Stirn ein kaum sichtbares Stäubchen von seinem strahlend weißen Kragen.

»Sehr gut«, sagte Bayaz, der gedankenverloren nickte. »Ich glaube, Sie sind bereit für Ihre Hochzeit.«

Nun, da Jezal einen seltenen Augenblick Zeit hatte, darüber nachzudenken, fand er eines wirklich komisch. Er hatte nie, jedenfalls nicht, soweit er sich erinnerte, dieser Hochzeit zugestimmt. Weder hatte er einen entsprechenden Antrag gemacht, noch hatte er einen solchen angenommen. Er hatte nie wirklich zu etwas Derartigem »ja« gesagt. Und dennoch stand er hier und bereitete sich darauf vor, in wenigen Stunden mit einer Frau vermählt zu werden, die er kaum kannte. Es war seiner Aufmerksamkeit nicht entgangen, dass die ersten Vorbereitungen offenbar schon in die Wege geleitet worden waren, bevor Bayaz je davon gesprochen hatte, denn sonst hätte all das nicht so schnell vonstatten gehen können. Vielleicht waren die ersten Schritte sogar noch vor Jezals Krönung getätigt worden ... aber vermutlich war das nicht einmal überraschend. Seit er den Thron bestiegen hatte, war er hilflos von einem unbegreiflichen Ereignis zum nächsten gestolpert, wie ein Schiffbrüchiger, der weit draußen vor der Küste versucht, den Kopf über Wasser zu halten, und der von unsichtbaren, unüberwindlichen Strömungen hin und her getrieben wird. Allerdings war er dabei wesentlich besser angezogen.

Allmählich begann er zu begreifen, dass ein Mann immer weniger Freiräume hatte, je mächtiger er wurde. Hauptmann Jezal dan Luthar hatte essen können, was er wollte, schlafen können, wann er wollte, treffen können, wen er wollte. Seine erhabene Majestät König Jezal den Ersten hingegen fesselten die unsichtbaren Ketten der Tradition, der Erwartungen und der Verantwortung, und sie legten jede Einzelheit seines Daseins fest, so klein sie auch sein mochte.

Bayaz trat mit kritischem Blick noch einmal vor. »Vielleicht sollte der oberste Knopf doch besser geöffnet ...«

Jezal fuhr verärgert zurück. Die Aufmerksamkeit, die der Magus jeder Kleinigkeit in seinem Leben zollte, wurde allmählich mehr als nur ein wenig lästig. Es schien, als könne er kaum noch die Latrine aufsuchen, ohne dass der alte Drecksack später in dem Ergebnis herumstocherte. »Ich weiß, wie man einen Mantel zuknöpft!«, blaffte er. »Werde ich Sie etwa auch heute Nacht hier vorfinden, wenn ich meine frisch vermählte Gattin ins Schlafgemach geleite, damit Sie mir Anweisungen geben können, wie ich meinen Schwanz am besten gebrauche?«

Die Diener hüstelten, sahen bemüht in andere Richtungen und zogen sich möglichst unauffällig in die Ecken des Zimmers zurück. Bayaz’ Gesicht zeigte weder Belustigung noch Verärgerung. »Ich stehe Eurer Majestät jederzeit mit meinem Rat zur Verfügung, aber ich hätte gern angenommen, dass es sich hier um einen Bereich handelt, in dem Sie auch allein zurechtkommen.«

 

»Ich hoffe, Sie sind für unseren kleinen Ausflug gut vorbereitet. Ich habe mich schon den ganzen Morgen ...« Ardee erstarrte, als sie aufblickte und Gloktas Gesicht sah. »Was ist denn mit Ihnen geschehen?«

»Was, Sie meinen das hier?« Er deutete mit der Hand auf die vielen schillernd blauen Flecken und Schwellungen. »Eine Kanteserin ist des nächtens in meine Wohnung eingebrochen, hat mich wiederholt geschlagen und beinahe in der Badewanne ertränkt.« Ein Erlebnis, das ich niemandem wirklich weiterempfehlen würde.

Offenbar glaubte sie ihm nicht. »Was ist wirklich passiert?«

»Ich bin die Treppe heruntergefallen.«

»Ah. Treppen. Die können richtig hässlich sein, wenn man nicht fest auf seinen Beinen steht.« Sie betrachtete ihr halbvolles Glas, und ihre Augen waren leicht verschleiert.

»Sind Sie betrunken?«

»Es ist doch schon Nachmittag, oder nicht? Ich versuche immer, um diese Zeit schon betrunken zu sein. Wenn man sich erst einmal einer Aufgabe verschrieben hat, dann sollte man dabei auch sein Bestes geben. Jedenfalls hat mein Vater mir immer so etwas gesagt.«

Glokta sah sie mit zusammengekniffenen Augen an, und sie begegnete seinem Blick ganz ruhig über den Rand ihres Glases hinweg. Keine zitternde Unterlippe, kein tragischer Gesichtsausdruck, keine Spuren bitterer Tränen auf ihren Wangen. Sie wirkte kaum weniger glücklich als sonst. Oder vielleicht sollte man sagen, auch nicht weniger unglücklich. Aber der Hochzeitstag Jezal dan Luthars kann für sie kein Freudentag sein. Niemand findet es angenehm, wenn er zurückgewiesen wird, egal unter welchen Umständen. Niemand wird gern verstoßen.

»Wir müssen nicht hingehen, wissen Sie.« Glokta zuckte gequält zusammen, als er erfolglos versuchte, durch Strecken wieder etwas Gefühl in sein taubes Bein zu bekommen, und das Zucken wiederum ließ neuerlichen Schmerz durch seine gespaltene Lippe und über sein zerstörtes Gesicht wandern. »Ich werde es mit Sicherheit nicht bedauern, wenn ich heute keinen Schritt mehr gehen muss. Wir können auch hier sitzen und uns über Politik oder irgendwelchen anderen Unsinn unterhalten.«

»Und die Hochzeit des Königs verpassen?«, rief Ardee aus und legte sich in gespieltem Entsetzen die Hand auf die Brust. »Aber ich muss doch sehen, was Prinzessin Terez trägt! Es heißt, sie sei die schönste Frau der Welt, und selbst Abschaum wie ich braucht jemanden, zu dem er aufsehen kann.« Sie legte den Kopf in den Nacken und stürzte den Rest ihres Weins hinunter. »Dass ich den Bräutigam gefickt habe, ist für mich keine Entschuldigung, um der Hochzeit fernzubleiben.«

 

Das Flaggschiff des Großherzogs Orso von Talins pflügte langsam, unaufhaltsam und majestätisch durch die Wellen. Nur ein Viertel der Segel waren gesetzt, und über ihm kreiste eine Schar schreiender Seevögel am strahlend blauen Himmel. Weder Jezal noch sonst jemand in der großen Menge, die sich am Kai zusammengefunden hatte und die Dächer und Fenster der umliegenden Häuser belagerte, hatte je ein Schiff von dieser Größe gesehen.

Es war aufs Beste herausgeputzt: Bunte Wimpel flatterten von der Takelung, und die drei hoch aufragenden Masten waren mit leuchtenden Flaggen geschmückt, die den gekreuzten Säbel von Talins und die goldene Sonne der Union zeigten, angesichts des freudigen Anlasses nebeneinander gesetzt. Aber dennoch wirkte es nicht weniger bedrohlich, sondern vielleicht ähnlich wie Neunfinger-Logen im Anzug eines Modegecken. Es war unübersehbar ein Kriegsschiff und sah mit dem grellen Putz, den es offensichtlich eher unwillig trug, eher mehr denn weniger kampfeslustig aus. Angesichts der Tatsache, dass dieses mächtige Schiff eine einzelne Frau, noch dazu Jezals zukünftige Braut, nach Adua bringen sollte, vermittelte es keine besonders beruhigende Botschaft. Es deutete an, dass er mit Großherzog Orso einen Schwiegervater bekam, der andere ohne Schwierigkeiten einzuschüchtern wusste.

Nun sah Jezal auch die Seeleute, die zwischen den unzähligen Seilen herumkletterten wie Ameisen auf einem Busch und dabei den halben Morgen Segeltuch in wohlgeübter Geschwindigkeit einholten. Dadurch pflügte das gewaltige Schiff nun mit eigenem Schwung weiter durchs Wasser, und sein großer Schatten fiel über den Kai und tauchte die Hälfte der Willkommensgesellschaft in Dunkelheit. Dann wurde es langsamer, und die Luft war erfüllt vom Knarren der Spanten und Taue, bis seine Bewegung endgültig gebremst wurde und es die winzig wirkenden Boote, die an seiner Seite lagen, so hoheitsvoll überragte wie ein Tiger einen Wurf junger Katzen. Die goldene Galionsfigur, eine Frau von doppelter Lebensgröße, die einen Speer gen Himmel schleuderte, schimmerte bedrohlich hoch über Jezals Kopf.

In der Mitte des Kais, wo der Hafen am tiefsten war, hatte man für diesen Anlass eine riesige Rampe gebaut, und über diese sanfte Neigung betraten nun die königlichen Besucher aus Talins den Boden von Adua, wie Besucher von einem weit entfernten Stern, wo jeder reich, schön und offensichtlich glücklich war.

Auf beiden Seiten begleitete sie eine Reihe bärtiger Wachleute, die gleich aussehende schwarze Uniformen trugen und ihre Helme derart poliert hatten, dass sie hart wie Spiegel strahlten. Zwischen ihnen ging in zwei Sechserreihen ein Dutzend Kammerfrauen, die in roter, blauer oder leuchtend purpurner Seide gekleidet waren und selbst schon so strahlend wie Königinnen aussahen.

Aber unter den ehrfürchtig staunenden Menschen am Kai hegte niemand den geringsten Zweifel daran, wem wirklich alle Aufmerksamkeit gebührte. An der Spitze glitt Prinzessin Terez dahin – groß, schlank, unvorstellbar königlich, so geschmeidig wie eine Zirkustänzerin und so stattlich wie eine Kaiserin aus den alten Legenden. Ihr rein weißes Gewand war mit funkelndem Gold bestickt, ihr schimmerndes Haar hatte die Farbe polierter Bronze, und eine Kette aus gewaltigen Diamanten leuchtete und blitzte auf ihrer bleichen Brust im hellen Sonnenlicht. Dass man sie das Juwel von Talins nannte, schien in diesem Augenblick vollkommen zu ihr zu passen. Terez wirkte so rein und überwältigend, so stolz und strahlend, so hart und schön wie ein makelloser Edelstein.

Als ihre Füße das Pflaster berührten, brach die Menge in laute Beifallsrufe aus, und aus den höher gelegenen Fenstern der umliegenden Gebäude wurden nun in wohl einstudierten Kaskaden Blütenblätter geworfen. Und so trat sie in all ihrer herrlichen Pracht auf einem weichen Teppich und durch einen süß duftenden rosaroten Blütenschauer vor Jezal hin, den Kopf befehlsgewohnt erhoben und die Hände stolz vor dem Körper ineinander geschlungen.

Es wäre eine Untertreibung größten Ausmaßes gewesen, hier von einem atemberaubenden Auftritt zu sprechen.

»Euer erhabene Majestät«, sagte sie leise, und irgendwie brachte sie es fertig, dass er sich wie derjenige fühlte, dem hier eine große Ehre erwiesen wurde, als sie vor ihm in den Hofknicks sank. Ihre Hofdamen machten es ihr nach, und auch die Wachleute verbeugten sich mit vollkommen übereinstimmenden Bewegungen. »Mein Vater, Großherzog Orso von Talins, lässt mit großem Bedauern ausrichten«, begann sie und nahm wieder eine makellos aufrechte Haltung an, als würde sie von unsichtbaren Schnüren in die Höhe gezogen, »dass dringende Geschäfte in Styrien leider verhindern, dass er unserer Eheschließung beiwohnt.«

»Sie sind alles, was wir brauchen«, krächzte Jezal und verfluchte sich sofort, als ihm klar wurde, dass er keine vernünftige Anrede verwendet hatte. Angesichts der Umstände fiel es ihm schwer, klar zu denken. Terez war sogar noch atemberaubender als damals, als er sie vor einem Jahr oder noch länger zum letzten Mal gesehen hatte und sie bei dem Fest, das man zu Ehren des Prinzen gegeben hatte, so heftig mit Ladisla gestritten hatte. Die Erinnerung an ihre schrillen Worte war nicht gerade dazu angetan, ihm Mut zu machen, aber andererseits wäre Jezal auch nicht glücklich gewesen, wenn er Ladisla hätte heiraten sollen. Der Kerl war schließlich ein echter Trottel gewesen. Jezal hingegen war ein völlig anderer Mensch und konnte daher auch eine andere Reaktion erwarten. Jedenfalls hoffte er das.

»Bitte, Euer Hoheit«, sagte er und hielt ihr seine Hand hin. Ganz leicht senkte sie ihre Finger auf die seinen; ihre Hand schien kaum mehr zu wiegen als eine Feder.

»Euer Majestät erweist mir zu viel der Ehre.«

Die Hufe der grauen Pferde klapperten über das Pflaster, die Wagenräder surrten gleichmäßig. Sie fuhren den Weg der Könige entlang, und vor, hinter und neben ihnen ritt eine Kompanie Ritter der Wacht in fester Formation mit glänzenden Waffen und Rüstungen. Jeder Schritt der breiten Straße war gesäumt von begeisterten Bürgern, und aus jeder Tür und aus jedem Fenster blickten lächelnde Untertanen. Sie alle waren versammelt, um ihren neuen König zu feiern und die Frau, die bald ihre Königin sein würde.

Jezal wusste, dass er neben ihr wie ein Idiot aussehen musste. Ein ungelenker Dummkopf von niedriger Geburt und mit schlechten Manieren, der nicht das geringste Recht hatte, mit ihr eine Kutsche zu teilen, außer wenn sie ihn vielleicht als Trittbrett benutzte. Noch nie in seinem Leben hatte er sich so wahrhaft minderwertig gefühlt. Er konnte kaum glauben, dass er diese Frau heiraten würde. Seine Hände zitterten. Und wie. Vielleicht konnten ein paar ehrlich gemeinte Worte dazu beitragen, dass sie beide sich ein wenig entspannten.

»Terez ...« Sie winkte weiterhin huldvoll den Menschen an der Straße zu. »Mir ist klar ... dass wir beide einander überhaupt nicht kennen, aber ... ich würde Sie gern kennen lernen.« Nur ein kleines Zucken ihres Mundwinkels ließ erkennen, dass sie ihn überhaupt gehört hatte. »Ich weiß, dass dies ein furchtbarer Schock für Sie gewesen sein muss, wie auch für mich. Ich hoffe ... wenn ich etwas tun kann, um ... es für Sie leichter zu machen, dann ...«

»Mein Vater ist der Meinung, dass den Interessen meines Landes mit dieser Ehe am besten gedient ist, und es ist die Aufgabe einer Tochter zu gehorchen. Wir, die wir in eine hohe Stellung hineingeboren wurden, sind darauf vorbereitet, Opfer zu bringen.«

Ihr perfekter Kopf wandte sich auf ihrem perfekten Hals leicht zur Seite, und sie lächelte. Es war vielleicht ein etwas gezwungenes Lächeln, aber dennoch nicht weniger strahlend. Es war kaum zu glauben, dass ein so glattes und makelloses Gesicht aus Fleisch und Blut bestehen konnte wie bei anderen Menschen auch. Es sah aus, als sei es aus Porzellan oder poliertem Stein. Es war eine wahre Freude, ein ständiger Quell der Faszination, dabei zuzusehen, wie es sich bewegte. Er fragte sich, ob ihre Lippen kühl oder warm sein mochten. Nur zu gern hätte er das herausgefunden. Sie beugte sich zu ihm und legte sanft eine Hand auf die seine. Warm, zweifelsohne warm, und ganz sicher auch aus Fleisch und Blut. »Sie sollten wirklich winken«, sagte sie mit ihrem styrischen Singsang in der Stimme.

»Oh ja«, krächzte er, und sein Mund war sehr trocken. »Ja, natürlich.«

 

Glokta stand neben Ardee und blickte finster auf die Tore des Fürstenrunds. Hinter diesen hohen Türen fand nun in der großen runden Halle die Hochzeit statt. Welch ein freudiger, freudiger Tag! Kronrichter Marovias weise Ermahnungen würden von der vergoldeten Kuppel hallen, das glückliche Paar würde leichten Herzens die feierlichen Gelübde sprechen. Nur wenige waren als Zuschauer zugelassen worden. Wir anderen müssen ihnen aus der Ferne huldigen. Und es hatte sich eine ziemlich große Menschenmenge versammelt, um genau das zu tun. Der große Marschallsplatz war voller dicht gedrängt stehender Menschen. Gloktas Ohren dröhnten vom aufgeregten Geplapper um ihn herum. Eine Horde Speichellecker, die danach giert, dass ihre göttlichen Majestäten wieder zum Vorschein kommen.

Er wippte ungeduldig vor und zurück, hin und her, verzog das Gesicht und zischte vor sich hin, versuchte, den Blutfluss in seinen schmerzenden Beinen wieder in Gang zu bringen und die Krämpfe auszuhalten. Aber so lange an einem Ort stehen zu müssen ist für mich schlichtweg die reine Folter.

»Wie lange dauert denn so eine Hochzeit?«

Ardee hob eine dunkle Augenbraue. »Vielleicht konnten sie gar nicht voneinander lassen und vollziehen die Ehe gleich auf dem Boden im Fürstenrund.«

»Wie lange kann denn so ein Vollzug dauern, verdammt noch mal?«

»Stützen Sie sich auf mich, wenn es nicht anders geht«, sagte sie und streckte ihm den Ellenbogen entgegen.

»Der Krüppel, der die Betrunkene als Stütze nutzt?« Glokta runzelte die Stirn. »Wir geben vielleicht ein schönes Paar ab.«

»Sie können ja auch umkippen, wenn Ihnen das lieber ist, und sich auch noch die letzten Zähne ausschlagen. Mir ist das so was von egal.«

Vielleicht sollte ich ihr Angebot annehmen, wenn auch nur kurz. Das kann doch nicht schaden. Aber dann ertönten die ersten schrillen Begeisterungsrufe, und es wurden schnell mehr, bis schließlich tosender Jubel die Luft erzittern ließ. Die Tore des Fürstenrunds wurden endlich aufgestemmt, und der Hochkönig und die Königin der Union traten in das helle Sonnenlicht, Hand in Hand.

Selbst Glokta musste zugeben, dass sie ein herrliches Paar abgaben. Wie die Herrscher aus alten Legenden standen sie da, in strahlendes Weiß gekleidet, das mit schimmernder Stickerei abgesetzt war. Aufeinander abgestimmte goldene Sonnen leuchteten auf dem Rücken ihres langen Gewands und seines langen Mantels und glitzerten, als sie sich der Menge zuwandten. Beide waren sie groß gewachsen, schlank und elegant, jeder mit glänzendem Gold und einem einzigen funkelnden Diamanten gekrönt. Beide noch so jung und so wunderschön, und das ganze Leben in Reichtum und Macht liegt noch vor ihnen. Hurra! Hurra für beide! Mein eingeschrumpelter Kackhaufen von einem Herzen geht richtig auf vor Freude!

Glokta stützte seine Hand auf Ardees Arm und lehnte sich ein wenig an sie, dann zeigte er sein verzerrtestes, zahnlosestes, abstoßendstes Grinsen. »Stimmt es wirklich, dass der König schöner ist als ich?«

»Welch ein geschmackloser Unsinn!« Sie hob den Busen und warf den Kopf herum, dann sah sie Glokta mit größter Verachtung von oben herab an. »Und ich strahle auch viel heller als das Juwel von Talins!«

»Oh, das tun Sie, meine Liebe, das tun Sie ganz ohne Zweifel. Neben uns sehen die beiden wie Bettler aus!« »Wie Abschaum.«

»Wie Krüppel.«

Sie kicherten miteinander, während das Königspaar majestätisch über den Platz rauschte, von zwanzig Rittern der Wacht begleitet. Der Geschlossene Rat folgte in respektvoller Entfernung, elf stattliche alte Männer, unter denen sich auch Bayaz in seinen geheimnisvollen Gewändern befand. Der Magus lächelte beinahe ebenso strahlend wie das gefeierte Paar selbst.

»Ich habe ihn nicht mal gemocht«, murmelte Ardee leise, »von Anfang an nicht. Jedenfalls nicht so richtig.« Da sind wir dann schon mal zwei.

»Kein Grund zur Trauer. Sie sind ohnehin viel zu gewitzt und klug, um auf Dauer mit einem Dummkopf wie ihm zufrieden zu sein.«

Sie zog scharf die Luft ein. »Da haben Sie sicher recht. Aber ich habe mich so gelangweilt, und ich war so einsam und müde.« Und zweifelsohne auch betrunken. Sie zuckte hoffnungslos die Schultern. »Er gab mir das Gefühl, dass ich nicht nur eine Last sei. Er gab mir das Gefühl ... dass mich jemand wollte.«

Und was bringt Sie zu der Überzeugung, dass ich das wissen möchte? »Dass Sie jemand wollte? Wie wunderbar. Und jetzt?«

Sie sah betreten zu Boden, und Glokta überkam nun doch der Hauch eines Schuldgefühls. Aber Schuld tut eigentlich nur dann weh, wenn man sich über nichts anderes Gedanken machen muss.

»Es war ja nicht so, als ob es die große Liebe gewesen wäre.« Er beobachtete, wie sich die Sehnen an ihrem Hals bewegten, als sie schluckte. »Aber irgendwie dachte ich immer, ich sei es, die ihn zum Narren halten würde.«

»Hm.« Wie selten wir alle das bekommen, was wir erwarten.

»Hier stehen wir also«, murmelte Ardee. »Die Ausgeschlossenen.«

»Die elenden Überbleibsel.«

»Die verfaulenden Stängel.«

»Ich würde mir nicht allzu viele Sorgen machen.« Glokta stieß einen Seufzer aus. »Sie sind noch immer jung, klug und einigermaßen hübsch.«

»Welch großes Kompliment.«

»Sie haben immer noch alle Zähne und beide Beine. Ein deutlicher Vorteil gegenüber manchen anderen Leuten. Ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass Sie schon bald einen anderen hochwohlgeborenen Idioten finden werden, der Ihnen ins Netz geht, und dann ist Ihnen gar kein Schaden entstanden.«

Sie wandte sich von ihm ab, ließ die Schultern hängen, und er vermutete, dass sie sich auf die Lippe biss. Er verzog gequält das Gesicht und hob die Hand, um sie ihr auf die Schulter zu legen ... Dieselbe Hand, die Sepp dan Teufel die Finger in kleine Scheiben hackte, die Hand, die Inquisitor Harker die Brustwarzen abriss, die einen gurkhisischen Gesandten in Stücke schnitt und einen anderen verbrannte, die unschuldige Männer nach Angland schickte, wo sie dahinvegetieren, und so weiter, und so weiter ... Er fuhr zurück und ließ die Hand wieder sinken. Alle Tränen dieser Welt sind besser als eine Berührung dieser Hand. Trost kommt aus anderer Quelle und fließt in andere Richtungen. Er sah mit grimmigem Gesicht auf den Platz und überließ Ardee ihrem Elend.

Die Menge jubelte weiter.

 

Es war ein überwältigendes Ereignis. Natürlich. Man hatte keine Kosten und Mühen gescheut. Jezal hätte es nicht überrascht, wenn es fünfhundert Gäste gewesen wären, von denen er allenfalls ein Dutzend überhaupt ein bisschen besser kannte. Die Edelmänner und Edelfrauen der Union. Die großen Männer des Geschlossenen und Offenen Rates. Die Reichsten und Mächtigsten, in ihren besten Roben und in tadelloser Haltung.

Der Spiegelsaal war ein idealer Ort für diese Feier. Es war der beeindruckendste Raum des ganzen Palasts, groß wie ein Schlachtfeld, und die Spiegel, die alle Wände schmückten, ließen ihn sogar noch größer aussehen und beschworen den irritierenden Eindruck herauf, es gäbe noch ein Dutzend anderer großartiger Hochzeiten in einem Dutzend angrenzender Ballsäle. Eine Unzahl von Kerzen flackerte auf den Tischen, in den Wandleuchtern und den Kristalllüstern hoch über ihren Köpfen. Das sanfte Licht glänzte auf den silbernen Schüsseln und auf dem Schmuck der Gäste und wurde von den dunklen Wänden zurückgeworfen, um in weiter, verschwommener Entfernung zu funkeln – eine Million von Lichtpunkten, wie die Sterne am dunklen Nachthimmel. Ein Dutzend der besten Musiker der ganzen Union spielte feinsinnige, bezaubernde Musik, und sie vermischte sich mit dem Geräuschteppich aus zufriedener Unterhaltung, dem Klappern und Rasseln alten Geldes und neuen Bestecks.

Es war eine vergnügte Feier. Der schönste Tag im Leben. Für die Gäste.

Für Jezal war es etwas anderes, und was, da war er sich nicht sicher. Er hatte an einem vergoldeten Tisch Platz genommen, neben sich seine Königin, umgeben von einem Heer von Dienstboten, das ihnen zehn zu eins überlegen war, im Blickfeld der ganzen Gesellschaft, als seien sie die aufregendsten Tiere in einem Zoo. Jezal saß leicht benommen und unbeholfen da, in einem traumähnlichen Schweigen, und fuhr gelegentlich wie ein krankes Kaninchen zusammen, wenn ihn ein Lakai mit einem Teller Gemüse erschreckte. Terez saß zu seiner Rechten und spießte gelegentlich mit kritischem Blick einen winzigen Bissen mit der Gabel auf, hob ihn zum Mund, kaute und schluckte mit eleganter Präzision. Jezal hätte nicht geglaubt, das es möglich war, so elegant zu essen. Jetzt wurde ihm bewusst, welchen Fehler er gemacht hatte.

Er konnte sich kaum noch an die hallenden Worte des Kronrichters erinnern, die sie beide, wie er annahm, auf ewig aneinander gebunden hatten. Irgendwas über Liebe und die Sicherheit der Nation kam ihm vage in den Sinn. Aber er sah jetzt den Ring, den er Terez wie betäubt im Fürstenrund überreicht hatte und dessen blutroter Stein an ihrem langen Mittelfinger schimmerte. Er kaute auf einem Stück erlesensten Bratens herum, und es schmeckte wie Stroh. Sie waren Mann und Frau.

Er erkannte nun, dass Bayaz recht gehabt hatte, wie immer. Die Menschen sehnten sich nach etwas Höherem und Größerem als sie selbst. Vielleicht hatten sie nicht alle den König, den sie sich gewünscht hatten, aber niemand konnte leugnen, dass Terez alles war, was eine Königin sein sollte, und mehr noch dazu. Die bloße Vorstellung, dass Ardee West auf jenem vergoldeten Stuhl sitzen sollte, war absurd. Und dennoch empfand Jezal Gewissensbisse, als ihm dieser Gedanke kam; dann überwältigte ihn ein Gefühl der Trauer. Es wäre ihm ein Trost gewesen, jemanden in der Nähe zu haben, mit dem er sich hätte unterhalten können. Er stieß einen gequälten Seufzer aus. Wenn er schon sein ganzes Leben mit dieser Frau verbringen sollte, dann würden sie miteinander reden müssen. Und je eher sie damit begannen, umso besser.

»Ich habe gehört, dass Talins ... eine sehr schöne Stadt sein soll.«

»So ist es«, antwortete sie in formellem Ton, »aber auch Adua hat beeindruckende Sehenswürdigkeiten.«

Dann hielt sie inne und sah ohne große Hoffnung auf ihren Teller.

Jezal räusperte sich. »An diese Situation ... muss man sich erst gewöhnen.« Er wagte den Hauch eines Lächelns.

Sie blinzelte und sah in die Weite des Saales. »Das stimmt.«

»Tanzen Sie?«

Sie wandte ihm ohne sichtbare Bewegung ihrer Schultern elegant den Kopf zu, um ihn anzusehen. »Ein wenig.«

Er schob seinen Stuhl zurück und stand auf. »Wollen wir dann, Euer Majestät?«

»Wie Sie wünschen, Euer Majestät.«

Als sie sich zur Mitte des großen Saales bewegten, verebbte das Geplauder. Der Spiegelsaal wurde tödlich still, sah man vom Klacken seiner polierten Stiefel und ihrer polierten Schuhe auf dem schimmernden Steinboden ab. Jezal schluckte, als sie ihre Positionen einnahmen, an drei Seiten von den langen Tischen umgeben und von den zahllosen großartigen Gästen, die ihnen alle zusahen. Er hatte beinahe dasselbe Gefühl atemloser Anspannung, Angst und Aufregung, das er früher empfunden hatte, wenn er in den Fechtring trat, um vor einer brüllenden Menge gegen einen unbekannten Gegner zu kämpfen.

Sie standen unbeweglich da wie Statuen und sahen einander in die Augen. Dann streckte er die Hand aus, die Innenfläche nach oben gewandt. Sie tat dasselbe, aber anstatt seine Hand zu nehmen, drückte sie ihren Handrücken gegen den seinen und schob ihn nach oben, so dass ihre Finger auf einer Höhe waren. Ganz leicht hob sie eine Augenbraue. Eine unhörbare Herausforderung, die niemand im Saal mitbekommen haben konnte.

Der erste langgezogene Ton entrang sich den Streichern und hallte durch den Saal. Sie begannen ihren Tanz, umkreisten einander übertrieben langsam, der goldene Saum von Terez’ Kleid wischte über den Boden, und ihre Füße waren nicht zu sehen, so dass sie mit entschlossen erhobenem Kinn eher zu gleiten schien, als dass sie Schritte tat. Sie bewegten sich erst in eine Richtung, dann in die andere, entschwanden in die schattenumlagerte Ferne, gekrönt und in makelloses Weiß und Gold gehüllt.

Als der zweite Satz des Stückes begann und weitere Instrumente einsetzten, merkte Jezal, dass er gerade mühelos in den Schatten gestellt wurde, schlimmer, als Bremer dan Gorst es je vermocht hatte. Terez bewegte sich mit derart überragender Haltung, dass er sicher war, sie hätte ein Weinglas auf ihrem Kopf balancieren können, ohne auch nur einen Tropfen zu verschütten. Die Musik wurde lauter, schneller, kühner, und Terez’ Bewegungen passten sich perfekt daran an. Es war, als kontrolliere sie die Musiker mit ihren ausgestreckten Händen, so vollendet schienen sie miteinander im Einklang. Er versuchte sie zu führen, und sie entglitt ihm mühelos. Dann deutete sie eine Bewegung in die eine Richtung an, wirbelte dann aber in die andere, und Jezal fiel beinahe auf den Hintern. Sie wich ihm aus, drehte sich mit meisterlicher Täuschung und ließ ihn ins Leere laufen.

Die Musik wurde immer schneller, die Musiker sägten und zupften mit wild entschlossener Hingabe. Jezal unternahm einen vergeblichen Versuch, sie wieder einzufangen, aber Terez entschlüpfte ihm erneut und verwirrte ihn mit einem Rauschen ihrer Röcke, dem er kaum folgen konnte. Beinahe hätte sie ihn zu Fall gebracht, indem sie den Bruchteil eines Augenblicks ein Bein stehen ließ und es wegzog, bevor er es überhaupt richtig gesehen hatte, dann warf sie den Kopf herum und stach ihn fast mit ihrer Krone ins Auge. Die Großen und Mächtigen der Union sahen ihnen in verzaubertem Schweigen zu. Jezal selbst stellte fest, dass er selbst nur ein sprachloser Beobachter war. Es schien, als könne er nichts weiter tun, als sich ständig ungefähr an den richtigen Ort zu begeben, um dann von ihr lächerlich gemacht zu werden.

Er war sich nicht sicher, ob er erleichtert oder enttäuscht sein sollte, als die Musik wieder langsamer wurde und sie ihm ihre Hand darbot, als ob sie ein kostbarer Schatz sei. Er drückte seinen Handrücken dagegen, und sie umkreisten sich, einander dabei immer näher kommend. Als die Instrumente den letzten Refrain seufzten, drängte sie sich an ihn, den Rücken an seine Brust gelehnt. Langsam drehten sie sich, immer langsamer, und seine Nase atmete den Duft ihres Haares. Mit dem letzten lang gezogenen Ton bog sie sich zurück, und er hielt sie fest, den Hals lang ausgestreckt, den Kopf geneigt, so dass ihr zerbrechliches Krönchen beinahe den Boden berührte. Und dann herrschte Stille.

Der ganze Saal brach in rauschenden Beifall aus, aber Jezal hörte ihn kaum. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, seine Frau anzustarren. Ihre Wangen waren nun leicht gerötet, die Lippen waren leicht geteilt und zeigten die makellosen Vorderzähne, und die Linie ihres Kinns, der ausgestreckte Hals und das zarte Schlüsselbein waren von Schatten erfüllt und mit funkelnden Diamanten besetzt. Darunter hob und senkte sich ihr Busen unter ihren schnellen Atemzügen gebieterisch in ihrem Mieder, und ein ganz dünner, faszinierender Schweißfilm ruhte sanft auf ihrem Ausschnitt. Jezal hätte nur zu gern ebenfalls dort geruht. Er blinzelte, und sein eigener Atem fuhr ihm hart durch die Kehle.

»Wenn Euer Majestät so freundlich wäre«, hauchte sie.

»Wie? Oh ... natürlich.« Er hob sie wieder auf die Füße, während der Applaus kein Ende nahm. »Sie tanzen ... ausgezeichnet.«

»Euer Majestät ist zu gütig«, antwortete sie mit der leisesten Andeutung eines Lächelns. Aber auch ein kleines Lächeln war ein Lächeln. Er strahlte sie mit idiotischem Gesichtsausdruck an. Seine Angst und seine Verwirrung hatten sich während nur eines einzigen Tanzes in angenehmste Erregung verwandelt. Ihm war ein kleiner Blick hinter den Eispanzer gewährt worden, und ganz offensichtlich war seine neue Königin eine Frau von seltener, brennender Leidenschaft. Eine verborgene Seite, auf deren weitere Erforschung er sich ausgesprochen freute. So sehr sogar, dass er sich zwingen musste, seine Augen von ihr abzuwenden und in eine Ecke zu starren, um mit gerunzelter Stirn verzweifelt an andere Dinge zu denken, damit seine engen Hosen ihn nicht vor der versammelten Gesellschaft blamierten.

Der Anblick von Bayaz, der mit grinsendem Gesicht an einem der Tische saß, war dazu genau das Richtige. Das kalte Lächeln des Alten kühlte Jezals Lust so schnell wie ein Kübel Eiswasser.

 

Glokta hatte Ardee in ihrem übermöblierten Wohnzimmer zurückgelassen, wo sie sich alle Mühe gegeben hatte, sich noch mehr zu betrinken, und seitdem war er in einer äußerst finsteren Stimmung. Selbst für meine Verhältnisse. Es geht doch nichts über die Gesellschaft eines Menschen, der noch übler dran ist als man selbst, damit man sich besser fühlt. Das Problem ist nur, wenn man ihr Elend erleichtert, dann überfällt einen das eigene mit doppelter Kälte und Wucht.

Er schlürfte erneut einen halben Mundvoll klumpiger Suppe von seinem Löffel und verzog das Gesicht, als er sich zwang, die viel zu salzige Flüssigkeit die Kehle hinunterzuzwingen. Ich frage mich, wie gut es wohl König Jezal gerade geht? Von allen gefeiert und bewundert, genießt er vermutlich das beste Essen und die beste Gesellschaft. Er warf den Löffel in die Schüssel, sein linkes Auge zuckte, und er fuhr zusammen, als ein dünner Schmerz seinen Rücken und dann sein Bein hinunterlief. Acht Jahre, seit die Gurkhisen mich freiließen, und dennoch bin ich heute noch ihr Gefangener und werde es immer bleiben. Gefangen in einer Zelle, nicht größer als mein eigener verkrüppelter Körper.

Die Tür öffnete sich knarrend, und Barnam schlurfte ins Zimmer, um die Schüssel abzuräumen. Glokta sah von der halbtoten Suppe zu seinem halbtoten alten Diener. Das beste Essen und die beste Gesellschaft. Er hätte gelacht, hätte ihn seine gespaltene Lippe nicht daran gehindert.

»Sind Sie fertig, mein Herr?«, fragte der Bedienstete.

»Höchstwahrscheinlich.« Leider war ich nicht in der Lage, mir die Mittel zu Bayaz’ Zerstörung aus dem Arsch zu ziehen, und daher wird Seine Eminenz natürlich nicht begeistert sein. Wie unzufrieden muss er wohl werden, bevor er seine Geduld völlig verliert? Aber was kann ich tun?

Barnam trug die Schüssel hinaus, zog die Tür hinter sich zu und ließ Glokta mit seinem Schmerz allein. Was habe ich getan, um das zu verdienen? Und was hat Luthar getan? Ist er nicht genau so, wie ich damals war? Eingebildet, eitel und selbstsüchtig wie die Hölle? Ist er ein besserer Mensch? Wenn nicht, wieso hat das Leben mich so hart bestraft und ihn so reich belohnt?

Aber Glokta kannte die Antwort bereits. Derselbe Grund, aus dem der unschuldige Sepp dan Teufel mit verkürzten Fingern in Angland schmort. Derselbe Grund, aus dem General Vissbruck in Dagoska starb, während die verräterische Magisterin Eider am Leben blieb. Derselbe Grund, aus dem Tulkis, der gurkhisische Gesandte, vor einer brüllenden Menge für ein

Verbrechen abgeschlachtet wurde, das er nicht begangen hatte. Er presste die wunde Zunge gegen einen der wenigen verbliebenen Zähne. Das Leben ist nicht gerecht.

 

Jezal tänzelte den Flur wie in einem Traum hinunter, aber es war nun nicht mehr der schreckerfüllte Albtraum des Morgens. Sein Kopf drehte sich von dem vielen Lob, dem Applaus, der Bestätigung. Sein Körper glühte noch vom Tanz, vom Wein und nun auch immer stärker vor Lust. Mit Terez an seiner Seite fühlte er sich zum ersten Mal in seiner kurzen Regierungszeit wirklich wie ein König. Edelsteine und Edelmetall, Seide und Stickerei und bleiche, weiche Haut leuchteten faszinierend im sanften Kerzenlicht. Der Abend war ein herrliches Erlebnis gewesen, und die Nacht versprach noch besser zu werden. Terez mochte aus der Entfernung hart wie ein Diamant gewirkt haben, aber Jezal hatte sie in seinen Armen gehalten, und er wusste es besser.

Die großen getäfelten Tore wurden von zwei erschauernden Dienern aufgehalten und dann geräuschlos geschlossen, nachdem der König und die Königin der Union an ihnen vorübergeschwebt waren. Das mächtige Himmelbett beherrschte die gegenüberliegende Seite des Zimmers, und Büschel langer Federn an den Ecken des Baldachins warfen lange Schatten an die vergoldete Decke. Die üppigen grünen Vorhänge waren einladend breit aufgezogen, und im seidenen Raum dazwischen lagerten weiche, aufreizende Schatten.

Terez betrat das Schlafzimmer einige Schritte vor ihm mit gesenktem Kopf, während Jezal den Schlüssel im Schloss drehte und hörte, wie sich sanft klickend der Riegel vorschob. Sein Atem wurde schneller, als er hinter seine Frau trat, seine Hand hob und sie sanft auf ihre bloße Schulter legte. Dann spürte er, wie sich die Muskeln unter ihrer glatten Haut versteiften, und er lächelte über ihre Anspannung, die seiner eigenen so sehr glich. Er fragte sich, ob er etwas sagen sollte, um sie zu beruhigen, aber was hätte das genützt? Sie wussten beide, was nun passieren würde, und Jezal zumindest brannte darauf, endlich damit anzufangen.

Er kam näher, schlang die freie Hand um ihre Taille und fühlte, wie seine Handfläche über raue Seide strich. Dann berührte er zärtlich ihren Nacken mit den Lippen, einmal, zweimal, dreimal. Sanft stupste er gegen ihr Haar, sog ihren Duft ein und atmete ihn zart gegen ihre Wange wieder aus. Er merkte, dass sie erschauerte, als sie seinen Atem auf der Haut fühlte, aber das ermutigte ihn nur. Seine Finger glitten nun über ihre Schulter und über ihren Busen, und ihre Diamanten rutschten über seine Hand, als er sie in ihr Mieder schob. Wieder kam er ein wenig näher, drückte sie gegen sich, stieß ein kehliges, zufriedenes Knurren aus, und sein Schwanz schob sich durch ihre Kleidung gegen ihren Hintern ...

Augenblicklich hatte sie sich mit einem Keuchen von ihm losgerissen, war herumgewirbelt und hatte ihm eine Ohrfeige verpasst, die ihm den Kopf dröhnen ließ. »Sie dreckiger Bastard!«, kreischte sie ihm ins Gesicht, und Spucke flog von ihrem verzerrten Mund. »Sie verdammter Hurensohn! Wie können Sie es wagen, mich anzufassen? Ladisla war ein Kretin, aber wenigstens hatte er reines Blut!«

Jezal stöhnte, eine Hand gegen das brennende Gesicht gelegt, und sein ganzer Körper war starr vor Schreck. Schwach streckte er die andere Hand nach ihr aus. »Aber ich – uff!«

Ihr Knie traf ihn mit gnadenloser Präzision zwischen den Beinen, presste ihm die Luft aus den Lungen und brachte ihn für einen atemlosen Augenblick ins Taumeln, dann knickte er zusammen wie ein Kartenhaus, auf das ein Schmiedehammer fällt. Als er sich erfüllt von jenem ganz besonderen Schmerz, wie ihn nur ein Tritt in die Nüsse hervorrufen kann, auf dem Teppich wand, war es ihm lediglich ein kleiner Trost, dass er recht gehabt hatte.

Seine Königin war ganz offensichtlich eine Frau von seltener, brennender Leidenschaft.

Die Tränen, die ihm so unwillkürlich aus den Augen quollen, zeugten nicht nur von Schmerz, schrecklicher Überraschung und kurzfristiger Enttäuschung, sondern immer stärker auch von wachsendem Entsetzen. Offenbar hatte er Terez’ Gefühle völlig falsch eingeschätzt. Sie hatte ihm für die Gäste zugelächelt, aber hier, hinter verschlossenen Türen, ließ sie erkennen, dass sie ihn und alles, wofür er stand, zutiefst verabscheute. Dass er als Bastard geboren worden war, würde er nie ändern können. Und nun sah es so aus, als müsste er seine Hochzeitsnacht auf dem königlichen Fußboden zubringen. Die Königin war eilig durch das Zimmer gehuscht, und nun waren die Vorhänge des Bettes fest zugezogen und sperrten ihn aus.