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54

In der plötzlichen Dunkelheit herrschte ein vollkommenes Durcheinander: Angst- und Schmerzensschreie, schlüpfrige, um sich schlagende Gliedmaßen, der kalte, stinkende Schlick, der sich ringsum immer höher auftürmte. Logan war nicht ganz sicher, warum er sich hatte zurückfallen lassen auf den Boden der Schleusenplattform, ganz unten im Umbilicus. Wie ein elektrisierender Impuls hatte ihn der Selbsterhaltungstrieb bewogen, vor der heranstürmenden fauligen Flut des Sudd zu flüchten, sie hinter sich zu lassen, koste es, was es wolle. Doch so schnell der Gedanke auch gekommen sein mochte, so verrückt war er. Sie befanden sich zwölf Meter unter der Oberfläche, und es waren weder Pressluftflaschen noch Tauchausrüstungen zur Hand. Der submarine Druck würde das Grab sehr schnell volllaufen lassen, eine Kammer nach der anderen, wie einen Kolostomiebeutel … Hastig schüttelte Logan die grausige Vorstellung ab, und ebenso das Bild, auf dem er sich zusammen mit einem halben Dutzend anderer panischer Personen tiefer und tiefer in Narmers Grab rennen sah wie in eine Sackgasse, bis in die dritte Kammer, während sich der verrottende Sumpf heranwälzte und höher und immer höher stieg …

Unter ihm war eine heftige Bewegung zu spüren, dann ertönte ein scharfer Schrei. Ihm wurde bewusst, dass er Christina immer noch festhielt und sie sich aus seinem Griff zu winden versuchte. Er ließ sie los und schirmte mit einer Hand die Augen vor der zähflüssig herabrauschenden Naturgewalt ab, während er mit der anderen in seinen Taschen nach der Taschenlampe suchte, sie herauszog und einschaltete. Er leuchtete umher und sah, dass mehrere der Stützbalken aus dem Umbilicus heruntergestürzt waren und ein labyrinthisches Gewirr bildeten, das sich bis zur Decke des Grabeingangs türmte.

Die schwarze Fäule des Sudd strömte auf ganzer Länge durch den Umbilicus und zerquetschte Balken und Kabel und Menschen. Logan sah, wie jemand – einer der Techniker – in einer wogenden, kochenden Masse aus Sumpf und Schlick und Balken und Metall verschwand. Für einen Moment war seine blutige Hand noch sichtbar, dann verschwand auch sie in dem schwarzen Mahlstrom. Der Umbilicus zitterte und bebte unter dem Anprall der vielen Tonnen Sumpf, die durch seine Länge rollten.

Logan wandte den Blick ab und brüllte nach Christina. Dabei wurde er von einem dicken Klumpen fliegenden Drecks mitten ins Gesicht getroffen – und in den Mund. Er spuckte das widerliche Zeug aus und würgte – er schmeckte viele tausend Jahre Fäulnis und Verwesung auf der Zunge –, dann packte er Christina Romero bei der Hand.

«Christina!», brüllte er und zerrte sie zu sich herum. Er deutete auf das Durcheinander von Balken direkt über ihnen. «Klettern Sie! Schnell!»


Der Maschinenspezialist Frank Kowinsky hatte Glück gehabt. Als der Umbilicus aufriss und der Sudd hereinströmte, war der Techniker direkt über ihm abgerutscht und gestürzt. Er hatte sich in den Kabeln verfangen, die überall herumhingen, und Kowinsky hatte seinen Rumpf teils als Brücke, teils als Federbrett benutzt, und es war ihm gelungen, sich auf diese Weise in die immer größer werdende Lücke im gelben Gewebe des Umbilicus zu werfen. Er wusste, dass er es niemals schaffen würde, durch den zerstörten Umbilicus bis nach oben zu klettern – ein Blick auf das Chaos aus Holzbalken und Kabeln und Leibern und herabtriefendem schwarzem Brei hatte ihm zumindest so viel verraten. Doch wenn es ihm gelang, sich nach draußen zu zwängen, in den Sumpf, dann konnte er sich mit den Händen einen Weg an die Oberfläche bahnen.

Er hatte schwer gegen den eindringenden Schlick und Schlamm ankämpfen müssen, doch indem er den Leichnam des Technikers als Ankerpunkt benutzt hatte, war es ihm gelungen, das zerfetzte Gewebe des Umbilicus zu packen und sich zappelnd und strampelnd nach draußen in den Sumpf zu ziehen.

Und jetzt war er draußen. Draußen und frei. Frei vom Kreischen und den Schreien und dem Anblick der Sterbenden im Umbilicus. Doch er hatte nicht damit gerechnet, wie unglaublich schwarz und zäh die Tiefen des Sudd tatsächlich waren. Er hatte nicht innegehalten und darüber nachgedacht, wie sehr die grauenhafte Konsistenz – dick wie Teer und zugleich sandig wie feines Schleifpapier – ihm zusetzen würde. Wie sehr sie seine Haut zerkratzen und seine Augen verletzen würde. Hastig schloss er die Lider, doch der Sand war bereits hineingelangt, und es gab keine Möglichkeit, ihn auszuwaschen.

Er hatte keine Zeit, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Er musste nach oben, an die Oberfläche. Er orientierte sich kurz in der absoluten Finsternis, dann begann er sich nach oben zu kämpfen.


So schnell Logan konnte, kletterte er durch die zerstörten Balken und Träger, die bis unter die Decke des Grabeingangs reichten, nach oben. Das Holz war schwarz und glitschig vom Schlick, und er hatte das Gefühl, dass er für jeden Balken, den er erklomm, wenigstens zwei wieder zurückrutschte. Gelegentlich sah er nach unten, um sich zu überzeugen, dass Christina Romero ihm noch folgte.

Es gab ein weiteres unheilverkündendes Beben, und die gesamte ruinierte Röhre des Umbilicus schien sich mit einem protestierenden Stöhnen gequälten Metalls vom Übergang zum Grab wegzubiegen. Die Schreie, die Hilferufe, die Schmerzenslaute – all das hatte unterdessen aufgehört, und das erfüllte ihn mehr als alles andere mit Verzweiflung. Es gab nur noch das schmatzende, spritzende Geräusch des Sudd, der durch die Überreste der gelben Röhre herabfloss, das Grab füllte und rings um sie herum anstieg.

Mit der Taschenlampe zwischen den Zähnen zog er sich auf den obersten Balken. Sein Kopf war nur wenige Zentimeter unter dem Dach des Interface mit dem Grabeingang. Die Decke des Umbilicus – wo die tiefste Sektion des Schlauchs in die Luftschleuse überging – hing bedrohlich tief über ihm. Hier oben war der Wust aus Balken bestenfalls labil und gefährlich, doch der zähe Sumpf, der unablässig weiter stieg und bereits Logans Waden erreicht hatte, hielt das Holz an Ort und Stelle wie schwarzer Leim. Während sich Logan gegen die oberste Metallstrebe der Schleuse stemmte, griff er nach unten und half Christina Romero auf den Balken neben sich.

Im trüben Schein seiner Taschenlampe war sie kaum wiederzuerkennen. Ihr Gesicht, ihre Haare, ihre Kleidung, alles war dick besudelt mit Sumpf. Ihre Augen waren kleine weiße Punkte in einem ansonsten undurchbrochenen Panzer aus Schlamm.

«Was jetzt?», kreischte sie. «Warten, bis wir in diesem Dreck ertrinken?»

«Wir werden nicht ertrinken!», rief Logan zurück.

Während er redete, gab es ein drittes, noch heftigeres Beben, und die beiden klammerten sich aneinander, während die gesamte Konstruktion zitterte und wankte und dann zur Seite hinscherte.

Logan richtete seine Lampe nach oben, auf die Stelle, wo das Gewebe des Umbilicus mit der Schleuse verbunden war. «Das reißt jeden Moment!», sagte er. «Hören Sie mir zu. Hören Sie mir genau zu! Wenn es passiert – wenn es reißt, dürfen Sie nicht in Panik geraten. Der Sumpf wird von allen Seiten auf uns herunterstürzen. Was auch immer passiert, bleiben Sie bei mir, okay? Ich halte mich an diesem Pfeiler hier fest – er ist in Granit und Basalt verankert, und er wird sicher halten.»

Er riss sich das Hemd vom Leib, dann öffnete er den Gürtel und wand sich aus seiner Hose. Er streckte die Hand aus, packte Tinas Bluse und riss daran, dass die Knöpfe absprangen und ihr BH zum Vorschein kam.

«Hey! Was zur Hölle machen Sie da?», rief sie.

«Ziehen Sie die Hose aus!», antwortete er. «Beeilen Sie sich, schnell! Ihre Kleidung – sie hängt wie ein Mühlstein an Ihnen und zieht Sie runter. Damit schaffen Sie es niemals bis nach oben.»

Sie begriff sofort und zog hastig ihre Jeans aus.

«Sobald der Druck ausgeglichen ist, steigen wir nach oben. Halten Sie sich an mir fest. Was auch immer Sie tun, passen Sie auf, dass Sie nicht die Orientierung verlieren. Machen Sie die Augen zu, wenn wir uns an die Oberfläche kämpfen – das hilft Ihnen dabei, im Schlick die Orientierung zu behalten.» Er blickte nach unten auf die Holzkonstruktion unter ihnen und rechnete schnell nach. «Wir müssen etwas mehr als zehn Meter Sumpf überwinden, bis wir oben sind», sagte er. «Versuchen Sie ruhig zu bleiben! Achten Sie auf Ihre Luft. Haben Sie das verstanden?»

Christina sagte nichts. Sie starrte auf den Sumpf, der ihnen jetzt bis zur Taille reichte und erbarmungslos immer weiter stieg, dick wie ein fauliger, schwarzer Milchshake.

«Christina!», brüllte er Christina Romero an. «Haben Sie das verstanden?»

Die runden weißen Kreise in ihrem ansonsten schwarzen Gesicht richteten sich auf Logan, blinzelten und bewegten sich dann von oben nach unten – ein Nicken. Logan packte ihre Hand und drückte sie fest.

«Lassen Sie mich nicht los», sagte er.

Genau in diesem Moment gab es ein letztes kataklysmisches Erzittern – ein ansteigendes Kreischen von Metall, beansprucht über das Maß des Erträglichen hinaus –, dann riss die Decke über ihnen ab, und das schwarze Herz des Sudd kam auf sie herab und hüllte sie in seine widerliche Umarmung.


Frank Kowinsky kämpfte sich durch Schlick und Schlamm nach oben. Seine Augen brannten vom Sand, und seine Nase und die Ohren waren verstopft von Schlamm. Der Sumpf schien an ihm zu zerren, mit großen unsichtbaren Händen an seiner Kleidung zu reißen und ihn nach unten zu ziehen. Da war etwas in der trüben Schwärze, Stöcke und Wurzeln und Pflanzen und etwas anderes, Weicheres, Glitschiges, über das er lieber nicht nachdenken wollte. Einiges davon konnte er benutzen, um sich mit Händen und Füßen daran abzustützen, und so arbeitete er sich durch ein schlüpfrig-nasses Universum aus Schlamm voran.

Er war inzwischen vielleicht seit sechzig Sekunden in diesem Albtraum, und seine Lungen begannen bereits zu brennen. Er hätte tiefer einatmen sollen, bevor er sich aus dem Umbilicus in den Sudd gewagt hatte. Und er hatte schon viel kostbaren Sauerstoff benötigt, allein um sich durch den Riss nach draußen in den Sumpf zu kämpfen. War das ein Fehler gewesen? Hätte er versuchen sollen, sich durch den zerstörten Schlauch des Umbilicus nach oben zu kämpfen? Nein, nein – das hätte den sicheren Tod bedeutet.

Schlamm drang in seine Kleidung, rann über seinen Rücken, zwängte sich unter seine Achseln. Er schien überall zu sein, an seinem Bauch, zwischen seinen Beinen. Es war entsetzlich, diese Schwärze, nicht zu wissen, wo er war, nicht zu wissen, wie weit er noch musste, und die ganze Zeit über wurde die Luft immer knapper …

Plötzlich prallte er mit dem Kopf gegen etwas Hartes. Sterne tanzten vor seinen geschlossenen Augen – doch es riss ihn auch aus einer beginnenden Panik. Zuerst dachte – hoffte – er, es wäre einer der Schwimmpontons der Station. Doch als er die Hand ausstreckte und blind nach dem Hindernis tastete, erkannte er, dass es ein dicker Ast war oder ein Baumstamm, fest eingebettet in den treibsandartigen Schlick des Sudd. Er versuchte zu klarem Verstand zu kommen – schüttelte den Kopf, so gut es der umgebende schlammige Brei erlaubte –, dann stieß er sich ab, orientierte sich, so gut es ging, und setzte seinen Weg durch den schwarzen Albtraum fort.


Logan war völlig unvorbereitet gewesen auf den gewaltigen, unerbittlichen Druck des Sudd. Er drückte aus allen Richtungen auf ihn wie ein eisiger Schraubstock, von oben, unten, vorne, hinten. Er drückte auf seine Brust, als wollte er ihm die Luft aus den Lungen pressen. Für einen Moment hing Logan nur reglos da wie ein in Harz gefangenes Insekt, überwältigt und gelähmt von dem schrecklichen, klaustrophobischen Gefühl. Dann riss er sich zusammen, und mit einer mächtigen Anstrengung trat er um sich und zerrte an Christinas Hand. Er spürte, wie sich ihre Hand bewegte, als auch sie anfing, sich einen Weg nach oben zu bahnen. Er packte fester zu, verschränkte die Finger mit ihren – irgendwie war er absolut sicher, dass sie beide den Tod finden würden, sollten sie getrennt werden.

Er hielt Mund und Augen fest geschlossen, versuchte nicht an den Schlick zu denken, der in seine Ohren drang, und gestattete seinem Körper, ein eigenes Gleichgewicht zu finden, während er sich der Oberfläche entgegenkämpfte. Er hielt seine Nase frei, indem er alle paar Sekunden behutsam Luft ausblies, was allerdings nicht nur den Schlamm aus der Nase hielt, sondern auch dafür sorgte, dass er nicht zu viel Luft in der Lunge behielt. Immer wieder ertastete er mit der Hand Äste und Wurzeln, gefangen im Schlick des Sudd; wann immer möglich, benutzte er sie als Handgriffe, um sich weiter nach oben zu ziehen, während er mit der anderen Hand Christina Romero fest gepackt hielt. Einmal hätte er sich fast in den verrottenden Zweigen und Wurzeln einer untergetauchten Pflanze verfangen. Er kämpfte seine Panik nieder und schob sie zur Seite, während er weiter darauf achtete, sein Gleichgewicht zu bewahren.

Der gemeinsame Kampf, das vereinte Momentum schienen den Aufstieg leichter zu machen, als es für eine Person allein der Fall gewesen wäre. Weil sie nackt waren, boten sie dem Schlick nicht so viele Angriffspunkte, um sie festzuhalten. Trotzdem dauerte es nicht lange, bis Logan spürte, wie Christinas Hand anfing zu zittern und zu beben. Ihr ging die Luft aus.

Wie weit waren sie gekommen? Fünf Meter? Sieben? Es war unmöglich zu sagen in diesem schwarzen Nichts. Seine freie Hand ertastete ein weiteres Hindernis, einen weiteren Ast, an dem er sich weiter hochziehen konnte. Er tastete mit dem Fuß danach und drückte sich ab. Inzwischen fingen auch seine Lungen an zu brennen. Das Zucken von Christinas Hand wurde drängender; er musste sie noch fester packen, um sie nicht zu verlieren. Nur noch ein paar Sekunden, und sie würde entweder das Bewusstsein verlieren oder einatmen. Er würde ihr totes Gewicht nicht weiter mitschleppen können. Er spürte bereits jetzt, wie seine Kraft nachließ. Sie würden beide in der endlosen Schwärze versinken, und ihre Leichen würden sich jenen von Narmers Gefolge anschließen, das vor so langer –

Plötzlich veränderte sich der Sudd. Seine freie Hand musste nicht mehr so angestrengt kämpfen, um sich einen Weg nach oben zu bahnen. Er packte Christina Romeros Hand noch fester, zog sie zu sich heran und schlängelte sich dann mit allerletzter Kraft mit zusammengepressten Beinen senkrecht nach oben. Dann spürte er am Kopf die gleiche Freiheit wie an der Hand – er konnte ihn bewegen, war nicht länger eingepfercht in eine Matrix aus Schlamm. Spuckend und hustend und Schlick ausspeiend zog er Christina zu sich hinauf, bis auch sie durch war. Sie waren über und über von klebrigem schwarzen Schlick umhüllt – mehr Kreaturen des Sumpfes als des trockenen Landes –, doch sie konnten endlich wieder atmen.

Sie hatten die Oberfläche erreicht.


Kowinsky war über das Stadium der Verzweiflung hinaus. Inzwischen war er bestimmt über neunzig Sekunden unterwegs, vielleicht bereits zwei Minuten. Er war ziemlich gut in Form, er trainierte regelmäßig, und trotzdem schrie inzwischen jedes Molekül seines Körpers nach Sauerstoff. Er kämpfte sich noch verbissener durch Schlamm und Schlick. Er musste schon ganz dicht an der Oberfläche sein – er musste einfach. Er hatte die Augen weit offen, achtete gar nicht mehr auf den Schmerz. Irgendwann musste doch endlich ein wenig Licht durch diese gottverdammte Hölle fallen. Jeden Moment, ganz bestimmt, würde die unerträgliche Schwärze ringsum ein wenig heller werden, dann noch ein wenig heller, und dann … Luft.

Er musste seine ganze Willenskraft aufbieten, um den Mund geschlossen zu halten. Luft. Er brauchte Luft. Jeder weitere Moment sandte kleine brennende Lanzen aus reinem Schmerz durch seine Lungen. Er spürte den Schlick nicht länger, den Gestank, die Art und Weise, wie der Sumpf in jede Körperöffnung eindrang, jede Falte ausfüllte, selbst jene, von deren Existenz er bisher nichts gewusst hatte. Luft war das, was er brauchte. Luft.

O Gott, es war nicht auszuhalten. Wo war er? Warum war alles so schwarz? Warum war er immer noch unter der Oberfläche?

In seinem hektischen, panischen Zappeln ertastete er etwas. Er tastete daran entlang, mit weit aufgerissenen, nichts sehenden Augen, während winzige ölige Bläschen aus seinen Nasenlöchern stiegen. Eine Hand – ein Arm – ein Kopf. Es war ein Leichnam, noch warm, gerade erst gestorben. In seiner Verzweiflung dachte Kowinsky nicht eine Sekunde darüber nach. Er stieß sich von dem Körper ab und kämpfte sich weiter.

Seine Hände trafen erneut auf etwas Hartes, Metallisches, Glattes. Metall. Das war es. Endlich. Er hatte die Station erreicht! Hoffnung, beinahe gestorben, erfüllte ihn aufs Neue. Noch fünf Sekunden, vielleicht zehn, und er wäre erledigt gewesen. Es war haarscharf gewesen. Er streckte die andere Hand aus, versuchte sich in der Schwärze zu orientieren, um sich nach oben und draußen zu ziehen …

Und dann bemerkte er etwas anderes. Das harte, glatte Stück Metall ging in ein weiteres Metallstück über, gerundet und mit schweren Nieten überzogen. Welcher Teil der Station war das? Die Pontons waren allesamt glatt, und die Kriechräume unter den zahlreichen Quartieren hatten lediglich –

Dann ertastete er etwas anderes, etwas, das an einer der Nieten befestigt war. Ein schweres Stück gummiertes Gewebe, rau an den Enden, als wäre es gewaltsam abgerissen worden.

Die Wahrheit traf ihn mit niederschmetternder Wucht. Er war nicht an der Station angekommen. Er war unten, an der Schleuse. Irgendwie hatte er, vielleicht beim Zusammenprall mit dem Stück Holz, in der Finsternis die Orientierung verloren. Er hatte um einhundertachtzig Grad gewendet – und war zum Grund zurückgestrampelt. Zum Grab.

Nein. Nein! Nein, das konnte nicht sein! Er musste halluzinieren. Es war Panik. Panik und Sauerstoffmangel. Er würde die Illusion ignorieren, würde sich hochziehen, und dann endlich einatmen, die süße, süße Luft einatmen.

Er packte die Runge, zog sich daran nach oben, bis sie seine Brust berührte. Seine Bewegungen waren immer noch langsam, wie eine Fliege in Honig, und seine Augen waren blind, doch es spielte keine Rolle. Er war oben, war an der Oberfläche angekommen. Es musste so sein.

Er öffnete den Mund …

Und in einem einzigen Augenblick strömten Schlick, Wasser, Steinchen und verrottete Materie, so alt wie das älteste Grab, in seine Mundhöhle, füllten sie aus bis in den letzten Winkel. Es war die widerlichste, ekelhafteste, abscheulichste aller Empfindungen, doch Kowinsky ignorierte sie. Es war der letzte Akt der Verzweiflung, und in seiner allerhöchsten Not öffnete er den Mund noch weiter und atmete ein.

Hüter des Todes
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