28
Als Logan zur gewohnten Zeit die Cafeteria betrat, um sein Frühstück aus pochiertem Ei und einem halben Toastbrötchen einzunehmen, fiel sein Blick auf Christina Romero, die allein an einem Tisch in einer Ecke saß. Sie brütete konzentriert über einem iPad.
«Darf ich mich dazusetzen?», fragte er.
Sie antwortete mit einem Grunzen, das Ja oder Nein bedeuten konnte. Logan setzte sich und schielte auf das Display ihres iPads. Christina war in ein Kreuzworträtsel der New York Times vertieft.
«Wie nennt man einen kleinen Behälter für Scheren, vier Buchstaben?», fragte sie Logan, ohne den Blick vom Bildschirm zu nehmen.
«Etui.»
Sie trug das Wort ein, dann blickte sie auf. «Erstaunlich, was Sie alles wissen.»
«Das Kreuzworträtsel der Times ist eines meiner heimlichen Laster», antwortete er. «Und nach ‹Etui› fragen sie irgendwie ständig.»
«Werde ich mir merken.» Sie legte das iPad beiseite. «So. Wie ich höre, haben Sie gestern den Hamlet gegeben?»
«Was? Oh, Sie meinen den Schädel.»
Christina Romero nickte. «Ich habe mitbekommen, wie sich March deswegen bei einem seiner Lakaien beschwert hat. Und? Haben Sie böse Schwingungen von dem Ding empfangen?»
«Keine Schwingungen, überhaupt nichts.» Logan nahm einen Löffel von seinem Ei. «Allerdings war ich überrascht, wie gut der Schädel erhalten ist. Nur ein paar Kratzer am Schädeldach und in einer Augenhöhle, wahrscheinlich von Kieselsteinen.»
«In einer Augenhöhle?», fragte Christina.
«Ja.»
«Welcher?»
Logan überlegte. «In der linken. Warum?»
Christina Romero zuckte die Schultern.
Logan dachte an Ethan Rushs Bitte vom Abend zuvor. «Was halten Sie von Jennifer Rushs Darbietung vor ein paar Tagen in der Lounge?»
«Ich habe darüber nachgedacht. Können diese Karten gezinkt sein?»
«Man bräuchte einen Partner, der sie richtig hält.»
«In diesem Fall – bemerkenswert.»
Logan nickte. «Sie scheint generell eine recht bemerkenswerte Frau zu sein.»
Christina trank einen Schluck Kaffee. «Sie tut mir leid.»
Logan runzelte die Stirn. «Wieso?»
«Weil es einfach nicht richtig ist, sie in diese Wildnis zu zerren nach allem, was sie durchgemacht hat.»
«Sie glauben, Mrs. Rush ist nicht freiwillig hier?»
Sie zuckte erneut die Schultern. «Ich glaube, sie ist zu liebenswürdig, um ihm irgendetwas abzuschlagen.»
Ihm?, dachte Logan. War damit Porter Stone gemeint – oder Jennifer Rushs Ehemann?
Christina trank einen weiteren Schluck. «Ein Job wie dieser kann das Schlimmste in jedem zum Vorschein bringen. Ich habe bei derartigen Grabungen schon Leute mit den miesesten Hintergedanken kennengelernt.» Sie senkte die Stimme. «Ich weiß nicht. Vielleicht leistet Ethan Rush die großartigste Forschung, die die Menschheit je gesehen hat. Aber er benutzt seine Frau Jennifer meiner Meinung nach als Versuchskaninchen.»
Logan starrte sie überrascht an. Wollte sie tatsächlich andeuten, dass Rush seine Frau ausnutzte – dass er ihre schreckliche Erfahrung zu seinem eigenen Vorteil ausschlachtete? Die Wahrheit war, Logan wusste nur sehr wenig über das Center für Transmortale Studien. Auf der anderen Seite hatte Logan den Eindruck, dass Rush seine Frau sehr liebte. Ich mache gute Miene zum bösen Spiel, hatte er am Abend zuvor zu Logan gesagt. Aber Tatsache ist, ich mache mir Sorgen. Machte er sich Sorgen um ihre Person – oder um ihre Bedeutung für sein Center?
Ein Funkgerät piepte, und Christina Romero griff in ihre Tasche. Sie zog das Gerät hervor, hielt es vor das Gesicht und drückte die Sprechtaste. «Romero hier. Was gibt’s?»
Sie lauschte eine Minute, während sich ihre Augen immer mehr weiteten. «Verfluchter Mist! Ich bin sofort da!»
Sie warf das Funkgerät in ihre Tasche und sprang so heftig auf, dass sie beinahe ihren Stuhl umgeworfen hätte. «Das war Stone», sagte sie, während sie ihr iPad vom Tisch nahm und in die Tasche warf. «Sie haben die Hauptader gefunden!»
«Die Ansammlung von Skeletten?», fragte Logan.
«Jep. Und wissen Sie auch, was das bedeutet? Wir sitzen praktisch auf dem Eingang zum Grab! Stone hat sämtliche Tauchteams im Einsatz. Ich wette um eine Runde in der Bar, dass wir das Grab innerhalb der nächsten anderthalb Stunden finden!» Und mit diesen Worten sprang sie so schnell aus der Cafeteria, dass Logan rennen musste, um mit ihrem Schritt mitzuhalten.