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Porter Stones Büro war in genauso makellosem Zustand wie bei Logans erstem Besuch. Der einzige Unterschied, den er bemerkte, war das einzelne Kalenderblatt des aktuellen Monats beziehungsweise sein Fehlen. Die Wände waren nun vollkommen nackt.

Stone, der in ein Funkgerät gesprochen hatte, schaltete es aus, als Logan eintrat. «Jeremy. Bitte setzen Sie sich doch!»

«Danke sehr.»

Stone musterte Logan von oben bis unten mit seinem kühlen Blick. «So. Und warum wollten Sie mich sprechen?»

«Wenn ich recht informiert bin, gehen die Arbeiten sehr gut voran.»

«Ich bin außerordentlich zufrieden mit unseren Fortschritten. Das Interface zum Grab – die Luftschleuse – ist inzwischen permanent mit dem umgebenden Fels verbunden. Der Umbilicus führt vom Schlund zur Schleuse. Er ist mittlerweile vollständig mit Energie versorgt und steht unter Druck. Die Verbindung ist stabil – wir haben zahlreiche Tests und Diagnoseroutinen durchgeführt. Wir haben ein ferngesteuertes Fünfhundert-Megahertz-Bodenradar nach unten geschickt. Zusammen mit den Sonarbildern ergibt sich ein relativ klares Bild: Es scheint hinter dem ersten Tor drei Kammern zu geben, in einer Reihe, eine hinter der anderen.»

Obwohl es die bedeutsamste Entdeckung seiner Laufbahn war, blieb Stones Ausdrucksweise genauso ruhig und reserviert wie seine Körpersprache. Allein das harte Glitzern in seinen Augen ließ vermuten, was er tatsächlich empfand. «Alles ist bereit», fuhr er fort. «Es ist Zeit, das Siegel zu brechen und das Grab zu betreten.»

Logan strich sich mit der Hand durch die Haare. «Wer wird als Erster das Grab betreten?»

«Dr. Romero. Dr. March. Dr. Rush. Ein paar von Frank Valentinos Jungs für die schwereren Arbeiten. Und natürlich ich selbst.» Er lächelte. «Einer der Vorteile, wenn man diese kleine Expedition finanziert.»

«Ich würde noch eine weitere Person empfehlen», sagte Logan.

Stone hob die Augenbrauen. «Aha? Und an wen hätten Sie gedacht?»

«An mich.»

Langsam verblasste Stones Lächeln. «Ich fürchte, das wird nicht möglich sein, Dr. Logan. Warum sollte ich Sie bei dieser ersten Erkundung mitnehmen?»

«Es gibt gleich mehrere Gründe. Zum einen war es Teil meiner Arbeitsbeschreibung. Sie haben mich hergeholt, damit ich die verschiedensten ungewöhnlichen Phänomene untersuche. Wir haben beide den starken Verdacht, dass dieses Grab in gewisser Hinsicht für diese Phänomene verantwortlich ist. Abgesehen davon bin ich ganz außerordentlich qualifiziert, dieses Ereignis zu dokumentieren – und ich weiß, dass so eine Dokumentation für Sie sehr bedeutsam sein wird, in der Zukunft.»

«Schön und gut. Aber warum warten Sie nicht einfach, bis wir das Grab stabilisiert haben?»

«Nun, wenn es tatsächlich einen aktiven Fluch gibt – gleichgültig, in welcher Form er sich schließlich manifestieren mag –, sollte ich von Anfang an dabei sein. Erinnern Sie sich an Narmers einleitende Worte: ‹Ein jeder Mann, der es wagt, mein Grab zu betreten …› Noch hat niemand das Grab betreten, und doch gab es an Bord der Station bereits eine ganze Serie unerklärlicher Phänomene. Es besteht eine nicht geringe Chance, dass, was immer sonst noch passieren mag, genau in dem Moment passiert, in dem wir das Grab zum ersten Mal betreten.»

«Das ist richtig», sagte Stone. «Allerdings ist es ein Argument mehr dafür, dass Sie abwarten. Es gibt keinerlei Grund für Sie, sich unnötig irgendeiner Gefahr auszusetzen.»

«Ich habe sämtliche Verschwiegenheitserklärungen unterschrieben, genau wie die anderen – Ethan Rush hat dafür gesorgt.» Logan beugte sich in seinem Sessel vor. «Aber es gibt noch ein weiteres Argument dafür, mich mitzunehmen, Dr. Stone. Niemand weiß, was uns auf der anderen Seite des Tors erwartet. Doch von allen hier an Bord der Station bin ich am besten darauf vorbereitet, damit fertigzuwerden. Sie haben meinen Lebenslauf gelesen. Sie kennen die Sorten von – sagen wir, nicht natürlichen – Phänomenen, mit denen ich in der Vergangenheit zu tun hatte. Ich bin an diese Dinge so sehr gewöhnt, wie es nur irgendjemand sein kann. Offen gestanden, ich habe Dinge gesehen, an deren Anblick Personen mit geringeren Erfahrungen zerbrechen würden. Genau darum brauchen Sie mich – weil wir nicht wissen, was uns dort unten erwartet.»

Stone musterte ihn mit einem durchdringenden Blick. «Sie vergessen, dass ich selbst nicht gerade ein Novize auf diesem Gebiet bin. Ich habe mehr Gräber entsiegelt, als sich andere träumen lassen.»

«Nicht ein einziges davon war mit einem Fluch belegt wie dieses hier.» Logan atmete tief durch. «Lassen Sie mich meine Arbeit tun, Dr. Stone.»

Für einen langen Augenblick starrte Stone ihn wortlos an. Dann kehrte sein verschlagenes, beinahe heimliches Lächeln langsam zurück. «Punkt acht Uhr», sagte er schließlich. «Kommen Sie nicht zu spät.»

Hüter des Todes
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