Scheint wichtiger Stein und mächtig zu sein.“
„Ja, ich weiß!“, gab Denny zu und griff in seine Anzugtasche, „Willst du ihn sehen?“
„Nein, nicht jetzt und nicht hier. Müssen jetzt los.“
„Super Einfall! Und wo soll`s lang gehen? Vielleicht heut mal durch die Wand?“ Denny reagierte ausgesprochen ironisch, nachdem er sich kurz umgeblickt hatte.
„Genau!“, erwiderte der Venediger nur, während er auf die Wand am Ende des Korridors zuging und mit einem Bein kräftig auf eine anscheinend ganz bestimmte Stelle im Boden stampfte.
Vor ihnen entstand ein Riss, der die Wand in zwei Hälften teilte. Langsam und knirschend schoben sie sich wie zwei Flügeltüren nach innen auf. Denny trat mit aufgerissenem Mund einen Schritt zurück. Ein dunkler Raum kam zum Vorschein, der sich nach und nach erhellte.
„Ey, Alter, was zum …“
Eine große Lore, ganz in Kupfer und Blattgold verarbeitet, erstrahlte vor Dennys Augen. Sie war vollkommen nach oben abgeschlossen und glich einem Zugabteil der ersten Klasse aus frühen Zeiten. Davor befand sich ein Hebelzug. Die Schienen, auf denen die Wagen standen, verschwanden in ein dunkles rundes Loch in der Hallenwand. Wahnsinn diese Transportloren.
„Glaubst etwa, dass ich durch die Wälder ausschließlich gehe, um nach Steinen zu suchen?“
„Ja, dachte ich …“ Denny war tief beeindruckt.
„Sind heute ganz andere Umstände. Sollte dir unter normalen Bedingungen Praktikum bieten. Viel durch die Wälder gehen und so. Oben geht ja nun leider nicht mehr!“
„Ne, lass mal, schon ok!“, hauchte Denny und starrte auf Waldemars kleinen Privatbahnhof.
Der Venediger zog Denny mit in den Wagen, der sich automatisch in Bewegung setzte, sobald die Türen geschlossen waren. Zahlreiche Links- und Rechtskurven begleiteten die einstündige Fahrt, bevor der Zug in einer weiteren, mäßig beleuchteten Halle zum Stillstand kam.
„Wäre schön, sich mal wieder nützlich zu machen!“, fuhr ihn Waldemar barsch an.
„Was? Wieso?“ Denny sah sich um.
Sein Anleiter wurde ungeduldig.
„Sind alles Rosenquarze. Krieg sie allein nicht heller.“
Jetzt erst hatte Denny verstanden und wies schleunigst mit der Hand auf die Wände, die sofort hell aufleuchteten. Am Ende der Halle befand sich eine aus schwerem Eisen geschmiedete Tür. Sie ließ sich von Waldemar mit Leichtigkeit öffnen. Eine Treppe führte hinauf bis ans Tageslicht, das wie ein winziger, heller Punkt schon auf der untersten Stufe zu sehen war. Als beide endlich ins Freie traten, stach die Herbstsonne in Dennys Augen. Blinzelnd hielt er sich die Hände vor das Gesicht. „Wo sind wir hier?“
„Sind jetzt da, wo wir hin wollten.“
Denny blickte an einem riesigen Steinbruch hoch, in der sich eine lange Felsspalte befand. Er sah in Waldemars Augen ein seltsames Aufblitzen. Wie aus dem Nichts hielt er einen Rutenzweig aus Weiden in den Händen und richtete ihn zur Felsspalte.
„Hältst jetzt mal die Umgebung im Auge, und ich erledige den Rest. Sage Bescheid, wenn ich soweit bin und ich ihn habe, verstanden?“
Denny nickte und drehte sich mit dem Rücken zu ihm.Er hatte einen hervorragenden Ausblick auf das Tal, das sie eigentlich hätten durchwandern sollen.
„Habe zwei!“, schallte es nach einer Weile von oben herab. „Dachte, es wäre nur einer. Junge, nu zeig mal, was du kannst.“
Denny schaute nach oben. „Was is`?“
Schon sah er von oben herab zwei Gesteinsbrocken auf sich zuschießen. Denny blieb ein Bruchteil von Sekunden, um die ausgestreckten Finger hochzureißen … <Fleischachat>! Ein hellroter Blitz erfasste die beiden Steine, die augenblicklich in der Luft hängen blieben. Denny brauchte sich nur zu strecken, um sie herunterzupflücken. Er beäugte die Brocken jetzt genauer. Sie waren ihm unbekannt. Der Venediger kletterte in der Zwischenzeit die Felswand wieder herunter.
„Und? Hast sie?“
„Auf jeden!“, rief Denny zurück.
„Was?“, kam es schrill von oben.
„Ich meinte, dass ich sie auf jeden Fall habe!“ Denny verstaute die beiden Fundstücke in seinem Rucksack.
Ein Poltern ließ Dennys Beine erzittern und Gesteinsbrocken schlugen dicht neben ihm ein. Er riss seinen Blick ruckartig nach oben und sah, wie Waldemar sich an einem vertrockneten Zweig festhielt und an einer steilen und brüchigen Stelle langsam den Halt verlor. Verzweifelt versuchte der Venediger gegen die nachgebenden Steinmassen anzustrampeln.
„Hilfe!“, schrie er nach unten. „Tu was!“
Denny warf schnell den Rucksack zur Seite und suchte in der Felsspalte eine passende Aufstiegsmöglichkeit.
„Halt dich fest, Waldemar! Warte, ich komme hoch!“
„Bist du des Hagels?“, giftete ihn der Venediger an. „Kommst du hoch, zieh ich zweihundert Punkte ab. Kannst du besser und anders.“
Noch mehr Geröll und Steine sausten nach unten. Waldemar trat auf einen Brocken und löste damit eine ganze Lawine aus. Denny musste schnell in Deckung gehen und hechtete unter einen Felsvorsprung.
Er wusste, dass er nicht viel Zeit hatte, eine passende Wirkung herbeizuführen. Angestrengt dachte er nach und schaute sich um. Dann sah er wieder nach oben zu Waldemar, der zunehmend in Not geriet und sich nur noch mit einer Hand an dem Ast festhielt. Denny konnte jetzt gut abschätzen, wo genau der Venediger aufkommen würde, wenn er fiele. Genau in diesem Augenblick ließ sein Praxisanleiter los und fiel rücklings aus ungefähr dreißig Metern Höhe hinunter. Reaktionsschnell stieß Denny eine Wirkung mit schwarz-rotem Strahl auf den Punkt, den er als Waldemars Landestelle vermutete. In sekundenschnelle verwandelte er sich in hohes, dicht wachsendes Moos. Mit einem dumpfen Geräusch tauchte Waldemar mit seinem ganzen Körper darin ein, ohne dass ein Schmerzensschrei von ihm zu hören war. Benommen krabbelte er aus dem weichen Grün.
„Gerade noch!“, meinte Waldemar nur knapp. „Mit welchem Stein?“
„Tigereisen!“ Denny war erleichtert. Er hatte überhaupt das erste Mal mit Hilfe der Steine jemand das Leben gerettet.
„Respekt, Junge!“ Der Venediger wankte noch. „Könnte dich wirklich gut gebrauchen. Hab wohl jetzt richtig was bei dir gut. Sage das nicht nur so, verstehst du?“
„Ja, nee, is` schon klar, Waldemar!“, erwiderte Denny und holte seinen Rucksack und gab ihm die neuen Steine. „Hab ich gern gemacht.“