„Ich weiß, Tessa. Aber in diesem Fall ist es von großer Wichtigkeit, dass ich zunächst allein mit dem Jungen rede. Sie werden zu gegebener Zeit den Grund erfahren.“
Tessa verließ nur widerwillig das Büro. Als sie die Tür von außen hinter sich zuschob, lehnte sich der Professor in seinem weißen Ohrensessel zurück.
„Wusstest du, dass dein Großvater auch zu den Ältesten gehörte?“
Denny schüttelte den Kopf.
„Der Ältestenrat bestand und besteht aus 120 Mitgliedern. Aus Frauen und Männern, die eine große Verantwortung für unsere Gemeinschaft auf der ganzen Erdkugel tragen. Geht oder stirbt jemand, rückt immer der zu diesem Zeitpunkt älteste Steinmagier nach. Als Ignatius Gideon starb, war Rüstems Großvater an der Reihe.“
„Das hat mir Rüstem schon erzählt, ich meine, dass sein Großvater zum Ältestenrat gehört“, unterbrach Denny schnell.
„Schön“, entgegnete der Schulleiter. „Wie jeder Rat auf der Welt haben auch wir einen Vorstand. Bei uns Steinmagiern nennen wir ihn das Kurat, das aus fünf Magiern besteht. Unter ihnen hatte sich dein Großvater befunden, Egidius Felten, Rose McWilkinsor, Fatma Hüste und ich.“
Denny wurde hellhörig.
„Der <Braune Baron> war auch dabei!“
„Richtig. Ich sehe schon, dieser Name wurde bereits an dich herangetragen. Die anderen Personen, mit Ausnahme meiner Wenigkeit, sind dir sicherlich unbekannt.“
Der Schuldirektor erhob sich und nahm zwei Zinkbecher aus einem Regal. Dann griff er nach der Karaffe, die auf dem Schreibtisch stand, goss beide Becher bis an den Rand voll und reichte einen davon Denny.
„Feinster Holundersaft aus dem Teutoburger Wald“, schwärmte er, nachdem er seinen Becher irgendwo zwischen seinem Bart angesetzt hatte. „Probiere ruhig einen Schluck.“
Denny hatte seit dem Mittagessen nichts mehr getrunken und nahm das Angebot gerne an. Der Professor hatte Recht. Dieser Saft war köstlich. Denny setzte erst wieder ab, nachdem er den Becher halb leer getrunken hatte.
Sauer zog plötzlich eine Schreibtischschublade auf, nahm ein mit weinrotem Samt umfasstes Kästchen heraus und stellte es in die Mitte des Tisches. Dann öffnete er es und drehte es so, dass Denny erkennen konnte, dass sich darin ein faustgroßer Stein befand. Dieser schien aus verschiedenfarbigen Kristallen zusammengewachsen zu sein. Fasziniert vom Farbenspiel, starrte Denny auf den Stein, der von einem Moment zum anderen aufleuchtete. Als der Professor mit einer kurzen Handbewegung das Fenster verdunkelte, nahm er an Helligkeit zu.
„Das ist ein Paraiba-Turmalin. Ein rares Exemplar, das deinem Großvater gehörte.“
Wie gebannt starrte Denny auf den Stein. So etwas Schönes hatte er noch nie gesehen. Dieser Stein übertraf alles bisher Gesehene.
„Nun gehört er dir!“
Denny riss seinen Kopf hoch und sah den Direktor ungläubig an. Bestimmt hatte er sich verhört. „Entschuldigung, Herr Professor, aber was haben Sie gesagt?“
Sauer lächelte. Er konnte die Gemütsbewegung des Jungen nachvollziehen. „Ich habe gesagt, dass er nun dir gehört.“
„Mir?“ Denny zweifelte immer noch daran, dass er richtig gehört hatte.
„Du hast ihn geerbt, könnte man sagen“, bestätigte Sauer ohne sein Lächeln abzulegen.
Denny war sprachlos.
Sein Schulleiter fuhr fort: „Ich weiß leider sehr wenig über diesen Stein. Es ist aber bekannt, dass er ein mächtiger Stein ist und nur wirken kann, wenn sein Besitzer Turmalinträger ist.“
Denny fasste mit der Hand an seine Halskette und holte kurz Luft, um dem Schulleiter über seine Hauptsteine zu erzählen. Doch dieser nahm es ihm vorweg:
„Tessa hat mir bereits berichtet, dass du einer bist und gleich vier davon trägst.“
„War mein Großvater auch Turmalinträger?“
„Ja, war er. Er trug sogar sechs Turmaline mit sich.“ Mit diesen Worten schob er die Holzschachtel näher zu Denny hinüber. „Sieh her. Allein die Gegenwart deiner Hauptsteine lässt ihn noch heller aufleuchten.“
Professor Sauer hatte Recht. Denny trennten
noch dreißig Zentimeter von dem Stein, der so grell leuchtete, dass
er befürchtete, der Paraiba-Turmalin würde gleich explodieren.
Denny war gezwungen, mit den Augen zu blinzeln.