Die Ereignisse der vergangenen Monate

Als Arrow gegen Mittag das kleine Turmzimmer verließ, war Keylam noch immer nicht aufgewacht. Sie beneidete ihn wirklich sehr darum, dass er scheinbar ständig mit allem im Einklang war. Doch so schön er auch in jeglicher Situation anzuschauen war, ergriff die unausweichliche Unruhe abermals Besitz von ihr. Dies machte es ihr unmöglich, noch länger neben Keylam verweilen zu können.

Winzige Blumenfeen umschwirrten Arrow, als sie Treppe hinunterging. Dass die Feen nicht wieder in den Winterschlaf gefallen waren, schrieb Arrow erleichtert der Tatsache zu, dass Dewayne über den Streit der letzten Nacht nicht abgereist war.

Inmitten von riesigen Blumenkübeln zwischen Narzissen und Krokussen fand Arrow den Elfen, der sie zu erwarten schien.

„Hallo Schwesterchen“, begrüßte er sie liebevoll.

Erfreut über den netten Gruß und doch verwirrt, antwortete Arrow zögerlich: „Hallo mein Bruder.“ Dem letzten Wort fügte sie eine besondere Betonung bei und strich ihm mit den Fingerkuppen zart über eines seiner spitzen Ohren.

Dewayne bot ihr seinen Arm an. „Wollen wir?“, fragte er.

Arrow runzelte die Stirn.

„Der Tag gehört uns“, erklärte er. „Nachdem wir uns so lange nicht gesehen haben, freue ich mich darauf, dich einmal ganz für mich allein zu haben.“

„Und was ist mit Row und deiner Frau?“

„Neve ist in bester Gesellschaft, und Row hat sich heute Morgen schon sehr früh wieder auf den Weg in das Elfenreich gemacht. Offenbar gibt es Probleme in seiner Familie, die seine Anwesenheit erfordern. Also was ist nun?“

Lächelnd nahm Arrow den ihr angebotenen Arm. „So wie früher?“, fragte sie.

Dewayne nickte. „So wie früher.“

Gerade, als sie sich aufmachen wollten, löste Dewayne sich noch einmal aus Arrows Griff und schnappte mit der Hand nach einem vorbei fliegenden Zitronenfalter. Sanft hielt er ihn in seinen Händen, die er zu einer Schale geformt hatte, und flüsterte ihm etwas zu. Dann entließ er ihn wieder und schaute ihm nach.

Einen Raum weiter saß Neve zwischen all der schönen Blumenpracht auf einer Gartenbank. Adam, der den Platz neben ihr eingenommen hatte, las der Elfe aus einem Buch vor, während Harold junge Kletterpflanzen an einem kleinen Gerüst hochband.

Mit strahlenden Augen hob Neve ihre Hand, auf deren Finger sich der Schmetterling niederließ. Während die Elfe ihn konzentriert anschaute, lächelte sie immer mehr, bis sie schließlich kichern musste. Als der Zitronenfalter davon flog, strich sie sich wieder mit beiden Händen liebevoll über ihren kugeligen Bauch, sah Dewayne glücklich an und formte mit ihren Lippen die Worte Ich liebe dich auch.

Arrow war ganz fasziniert von dieser zärtlichen Geste. Nie hätte sie gedacht, dass ihr so reichlich umschwärmter Bruder so schnell das ganz große Glück in einer einzigen Frau finden würde. Sie hatte ihn immer für einen Herzensbrecher gehalten – was wohl auch zutraf, wenngleich es von ihm nicht wirklich beabsichtigt war.

Gemütlich schlenderten sie durch das Schloss, während die funkelnden Strahlen der Sonne ein wunderbares Farbenspiel mit den Eiskristallen auf den Fensterscheiben veranstaltete. Wie gebannt beobachtete Dewayne dieses Schauspiel.

„Seltsam“, sagte er verträumt. „Vor gar nicht allzu langer Zeit habe ich den endlosen Winter regelrecht gehasst. Doch obwohl der Sommer nur wenige Monate angedauert hat, habe ich begonnen, die weiße Jahreszeit zu vermissen.“

Verwundert musterte Arrow ihren Bruder. „Du würdest mir nicht glauben, wie oft ich genau das in den letzten Wochen gehört habe.“

„Lass uns raus gehen“, bat Dewayne sie mit strahlenden Augen.

Verblüfft von seiner Begeisterung stimmte sie zu.

„Ich frage mich tatsächlich, ob es richtig war, mit dir vor die Tür zu gehen“, bemerkte Arrow skeptisch.

„Hey“, protestierte Dewayne, „nun mal nicht so diskriminierend. Schließlich bin ich nur der Frühling und nicht etwa die Pest oder so was ...“

Aufgelöst blieb Arrow stehen und deutete auf seine Spuren, aus denen ganz deutlich in Form seiner Fußabdrücke leuchtend blaue Traubenhyazinthen empor sprossen. „Die gehören aber nicht in die jetzige Jahreszeit. Und bestimmt erfrieren sie gleich wieder.“

„Erzähl mir, wie es dir in den letzten Monaten ergangen ist“, lenkte Dewayne seine Schwester vom Thema ab.

„Es gab viel zu tun“, entgegnete sie nachdenklich. „Im Schloss haben wir neue Mitbewohner bekommen, die mir noch nicht so ganz geheuer sind. Aber vielleicht tue ich ihnen mit meinen Bedenken auch Unrecht und muss der Sache einfach nur etwas Zeit geben.“

„Ich hoffe doch sehr für dich, dass du mit der Sache deine Einstellung meinst“, entgegnete Dewayne mit hoch gezogenen Augenbrauen. „Gargoyles lassen sich nämlich nicht ändern. So wie du sie kennen gelernt hast, entspricht ihr Verhalten genau ihrer Natur.“

„Soll das etwa heißen, dass sie nie geselliger werden?“, fragte Arrow enttäuscht.

„Niemand hat gesagt, dass sie nicht gesellig sind. Das bezieht sich jedoch allein auf ihren Clan. Wenn du darauf hoffst, dass sie eines Tages von den Deckenbalken geklettert kommen und mit dir zusammen lustige Lieder singen, kannst du lange warten. Es grenzt ja sogar an ein Wunder, dass sie Keylam als eine Art Familienmitglied akzeptieren. Etwas Derartiges ist nie zuvor geschehen. Und wenn du mich fragst, wird es das so auch kein zweites Mal geben.“

Arrow rollte mit den Augen. „Das Gleiche sagt Keylam auch jedes Mal. Trotzdem verstehe ich es nicht. Sie sehen uns in Statur und Gesichtszügen so ähnlich. Das allein sollte uns doch schon einander näher bringen.“

„Sie sehen uns ähnlich“, ahmte Dewayne sie belustigt nach. „Das mag ganz im Auge des Betrachters liegen, wenn man mal von dem Schwanz, den Schwingen und der steinähnlichen Haut absieht – von ihren Krallen ganz zu schweigen.“

„Ich finde es unpassend, dass du dich über meine Argumente lustig machst.“

„Meine Schwester, die Weltverbesserin“, erwiderte Dewayne grinsend. „Arrow, du weißt doch, dass die Dinge hier anders laufen. Jeder, der dich kennt, ist sich darüber im Klaren, dass deine Absichten die besten und gütigsten sind. Doch in dieser Angelegenheit wird dir deine Logik nicht weiter helfen. Die Gargoyles sind nun mal, wie sie sind. Wenn du das nicht akzeptierst, wird es früher oder später eine Auseinandersetzung geben, deren Ergebnis beide Parteien unbefriedigt zurück lässt. Gargoyles haben ein Gespür für Ängste und Misstrauen, und wenn du weiterhin etwas zu erzwingen versuchst, das man nicht erzwingen kann, wird das die Anspannung nur noch weiter anwachsen lassen. In diesem Fall kannst du die Dinge nicht so ändern, wie du sie gerne hättest. Trotzdem liegt es in deiner Hand, eure Situation zu entschärfen, indem du aufhörst, wie ein Mensch zu denken, und es einfach nimmst wie es ist.“

Arrow ging in sich. Wie immer hatte ihr Bruder Recht. Bisher hatte ihr jeder gesagt, dass das Verhalten des Gargoyle-Clans ganz natürlich sei, und trotzdem hatte sie es persönlich genommen. Ziemlich oft schon hatte sie sich die Frage gestellt, wie es sich wohl anfühlen würde, wenn man den Spieß umdrehte. Allein die Vorstellung, dass von irgendwo irgendjemand herkommen und von ihr verlangen würde, sich entgegen ihrer Natur einer Gruppe anzupassen, deren Gewohnheiten ihr nicht im Geringsten ähnlich sahen, hatte ihr die Kehle zugeschnürt. Was würde es nützen, sich jemandem unterzuordnen, der vollkommen anders war und dessen Interessen und Meinungen sie zwar tolerieren, jedoch niemals teilen würde? Sie würde eine Lüge leben und diese Tatsache würde sie früher oder später krank machen.

Als sie an dem Haus vorbei gingen, welches Anne und Arrow vor ihrem Einzug ins Schloss bewohnt hatten, wurden sie von einer Frau und zwei Männern gegrüßt. Während sich die Männer anschließend weiterhin damit beschäftigten, die Fenster abzudichten, kam die junge Dame auf Arrow zugelaufen.

„Dewayne, das ist Torra“, stellte Arrow die bis dahin Unbekannte mit dem schwarz gelockten Haar vor. „Und das dort hinten sind ihre Brüder Connor und Braden.“

„Dewayne?“, fragte Torra schmunzelnd und stupste Arrow vorwurfsvoll in die Hüfte. „Du hast mir nie erzählt wie attraktiv dein Bruder ist.“

Der Elf grinste schelmisch. Jeder andere hätte auf eine solche Bemerkung wahrscheinlich verlegen reagiert, doch für Dewayne war es nur die Bestätigung einer Tatsache, die ihm ohnehin schon immer klar gewesen war. „Es ist mir ein Vergnügen“, erwiderte er und gab Torra einen Handkuss.

Arrow wurde regelrecht schlecht. Ihr Bruder konnte so ein Schleimer sein. Die Frauenwelt beeindruckte es, und natürlich stand außer Frage, dass es für ihn keine Andere als Neve gab. Trotzdem konnte sie nicht fassen, wie er das Interesse, welches ihm entgegen gebracht wurde, noch immer derart erwiderte. Lag das vielleicht nur an ihm oder waren etwa alle Elfen so unfassbar arrogant?

Augenrollend packte sie Dewayne am Arm und zerrte ihn weg.

„Entschuldige, Torra. Wir haben noch so viel zu erledigen und das kann nicht warten. Ich komme euch in den nächsten Tagen mal besuchen.“

„Ich freue mich!“, entgegnete die junge Frau und fügte vielsagend hinzu: „Deinen Bruder kannst du dann gern mitbringen.“

„Der Einladung werde ich auf jeden Fall Folge leisten!“, rief Dewayne und erntete dafür einen verdeckten, aber nichtsdestotrotz handfesten Ellenbogenhieb von seiner Schwester.

„Bist du noch ganz bei Trost?“, fuhr sie ihn an. „Diese Leute haben alles verloren und das Letzte, was sie jetzt gebrauchen können, ist ein gebrochenes Herz!“

„Hör auf damit“, entgegnete Dewayne kühl. „Ich war nur nett zu ihr und du denkst schon wieder wie ein Mensch. Das nervt.“

Ständig diese Retourkutschen, dachte sie. Doch sie wollte sich nicht mit ihrem Bruder streiten und offenbar hatte er das ebenso wenig im Sinn.

„Sie sind Nyriden?“, fragte er aufmerksam.

Arrow grinste. „Du hast es schon gespürt, bevor du sie gesehen hast, oder?“

„Allerdings. Aber das war auch nicht schwer. Und wenn ich mich nicht irre, sind sie nur drei von vielen.“

„In den letzten Wochen haben wir viele Zuwanderer bekommen. Anfangs konnten wir sie noch bei Torra und ihren Brüdern unterbringen, doch nach einer Weile mussten wir andere Behausungen für sie finden. Mittlerweile ist das auch gar nicht mehr so problematisch, wie es am Anfang war, denn viele der ursprünglichen Dorfbewohner sind inzwischen weggezogen. Sie fürchten sich vor einem offenen Krieg und fühlen sich in der Gegenwart so vieler Nyriden nicht mehr sicher.“

„Das ist nur verständlich“, gab Dewayne nachdenklich zurück. „Immerhin weiß diese Welt nun, wem sie den endlosen Winter zu verdanken hat, und in den eigenen Reihen sind sich auch noch immer nicht alle grün.“

„Ich weiß“, entgegnete Arrow bedauernd. „Doch es ist schon seltsam, dass sich so viele Nyriden bei uns geborgen fühlen, während einzelne Vertreter anderer Völker dieses Dorf verlassen, als wäre es eine tickende Zeitbombe.“

„Mach dir nicht so viele Gedanken. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt. Immerhin haben wir eine große Welle von Veränderungen losgetreten und irgendetwas wird daraufhin passieren. Wir können uns noch genug Sorgen machen, wenn sich erste Reaktionen abzeichnen.“

Dewayne nahm eine Hand voll Schnee von einem kahlen Baum. Behutsam schüttelte er die weißen Flocken in den Händen hin und her, und ganz plötzlich entstand daraus ein kleiner Schneespatz, der sich über die Baumkronen erhob und ein Frühlingslied zwitscherte.

Arrow lachte. Ihr Bruder war oft so unbesorgt und zuversichtlich. Er ging die Dinge praktisch an und verschwendete keine Grübeleien an Dinge, die noch gar nicht eingetroffen waren. Das war ein ganz wundervoller Charakterzug, den sie nur allzu gern von ihm übernommen hätte.

„Hast du ihre Wächter schon einmal gesehen?“, fragte der Elf.

Arrow nickte. „Connors Perseide ist ein Falke, und zu Braden gehört ein Luchs. Torras Wächter ist eine Braunbärin. Als ich sie das erste Mal gesehen habe, ist mir sofort das Herz in die Hose gerutscht. Mittlerweile habe ich nicht mehr so große Angst vor ihr, aber ganz unbeschwert kann ich in ihrer Gegenwart auch nicht sein. Torra hat sie auf den Namen Caoimhe getauft. Gelegentlich wird sie auch von einem schwarz gefleckten Hausschwein begleitet. Aber es handelt sich dabei nicht um einen Wächter. Anfangs habe ich gedacht, dass sie die Leute mit dem Schwein verwirren will, doch offenbar ist es ein absolutes Liebhabertier.

Insgesamt sind die drei aber immer sehr vorsichtig mit ihren Perseiden und zeigen sie nur selten. Was mich allerdings am meisten verblüfft hat, war die Tatsache, dass die Geschwister offenbar eine ganz außergewöhnliche Bindung zueinander haben. Ihre Perseiden scheinen nicht nur mit den dazugehörigen Schützlingen verbunden zu sein, sondern auch mit den jeweils anderen beiden.“

„Das ist allerdings etwas sehr Besonderes“, erwiderte Dewayne erstaunt.

„Aber insgesamt bin ich sehr froh, dass sie bei uns aufgetaucht sind. Sie geben einem das Gefühl, nicht allein zu sein. Vor ihnen kannte ich nur drei Nyriden, und das waren Dad, Keylam und du.

Außerdem sind sie uns im Hinblick auf Zuwanderer eine große Hilfe und kümmern sich um die Neuankömmlinge, wo sie nur können. Ebenso haben sie sich bei den Vorbereitungen für die Herbstgleiche eingebracht.“

Dewayne nickte. „Von diesem Ereignis habe ich bereits gehört. Immerhin wurde in allen Ecken der Welt von nichts Anderem mehr geredet.“

Bei diesen Worten strahlte Arrow über das ganze Gesicht. In den Monaten vor der Herbstgleiche hatte diese Welt einen prächtigen Sommer erlebt, wie er schon seit hunderten von Jahren nicht mehr vorgekommen war. Als es höchste Zeit für den Jahreszeitenwechsel wurde, hatte Anne alle Dorfbewohner zusammengetrommelt und mit ihnen, wie auch unter Zusammenarbeit unzähliger weiterer Geschöpfe, eine herbstähnliche Atmosphäre organisiert. Dieses Geschehen hatte nur einen einzigen Tag angedauert, bevor um Mitternacht abermals der Winter Einzug gehalten hatte. Damit mussten sie sich begnügen, denn einen Herbstträger hatte es nicht gegeben.

So oder so hatte sich die Herbstgleiche als eine regelrechte Herausforderung erwiesen. Schon Monate vor dem Wechsel musste alles genau durchdacht und besprochen werden. Kurz nach Mitternacht hatten die Bäume begonnen, den Blättern ihre Nährstoffe zu entziehen, so dass sie kurz nach Sonnenaufgang damit fertig waren und von einem Moment zum nächsten ihr Laub fallen gelassen hatten. Etliche Bäume hatten diesen starken Belastungen nicht standhalten können, so dass sie sich teilweise selbst entwurzelt hatten und einfach umgefallen waren.

Trotzdem, berichtete Arrow ihrem Bruder voller Stolz, hatte es eine reiche Ernte gegeben, die sie an jenem Tag eingefahren hatten und die so viele von ihnen über den Winter bringen würde.

Unvorstellbar riesige Korn- und Heuspeicher waren während des Sommers errichtet worden, in denen rund um die Uhr gewaltige Öfen betrieben wurden, um die Feuchtigkeit zu vertreiben. Teilweise hatten die Zwerge sogar einige ihrer Berghöhlen dafür zur Verfügung gestellt. Zudem hatte das Ganze unzähligen arbeitslosen Wichteln zu neuen Anstellungen verholfen.

Die Wichtel empfand Arrow als sehr putzige Geschöpfe. Sie waren um einiges kleiner als Zwerge und hatten eine furchtbar niedliche Art an sich. In Haushalten kümmerten sie sich um das Vieh, die Ernte, den Abwasch und genügend Feuerholz. Im Gegenzug forderten sie lediglich eine Mahlzeit als Lohn. Als jedoch irgendwann der endlose Winter über diese Welt hereingebrochen war, hatte man sie weder für das eine noch für das andere benötigt. Unter dem tiefen Schnee hatte es nicht mehr viel zu ernten gegeben. Das hatte viel Vieh verhungern lassen. Außerdem war ein jeder Hausherr froh gewesen, wenn er selbst genug Nahrung für sich und seine Familie hatte, sodass sich die meisten unter ihnen lieber selbst um Abwasch und Feuerholz gekümmert hatten.

Für die viele neue Arbeit waren die meisten Wichtel sogar bereit, sich ihren Herren in gewissem Maße anzupassen und damit am Familienleben teilzunehmen. Vor dem Winter wäre dies undenkbar gewesen, da Wichtel allein durch ihre Arbeit glücklich wurden. Doch der endlose Winter hatte viele, die ihn überlebt hatten, enger zusammengeschweißt. Nie war das Verständnis für Toleranz und Achtung größer gewesen.

Unmittelbar nach der Herbstgleiche wurde in den gewaltigen Speichern ein riesiges Erntedankfest gefeiert.

Männer wie Frauen hatten bei dieser Feierlichkeit Kronen aus goldenen Getreideähren getragen. Die lange Festtafel wurde mit allerhand Feldfrüchten geschmückt und die Heukarren mit Kornblumen und Mais verziert.

Für Anne war ein übergroßer Thron auf einer Empore aus leuchtend goldenen Strohballen errichtet worden. Strahlend rote Mohnblumen hatten ihre goldene Ährenkrone geziert und ihr wallendes weißes Haar war wie ein Wasserfall über die Ballen gefallen.

Das Erntedankfest selbst war Arrows Idee gewesen. Als sie noch klein war und mit ihrer Familie noch in der anderen Welt gelebt hatte, wurde so ein Fest jedes Jahr gefeiert.

Als Arrow alt genug war, durfte sie ihrem Vater beim Schmücken des Pferdewagens helfen. Vorne hatte sie beim Festumzug neben ihm Platz nehmen und unter seiner Aufsicht die Zügel halten dürfen. Das waren immer sehr schöne Tage gewesen, wenn sie mit ihren Wagen durch das Dorf gezogen waren und ihnen die Menschen vom Wegesrand aus glücklich zugewinkt hatten. Der Dorfplatz war zu diesem Anlass immer zu einem Tanzplatz umfunktioniert worden. An einem gemütlichen Lagerfeuer hatten sich die fleißigen Bauern zusammengefunden und für die getane Arbeit mit dem Whisky aus der eigenen Brennerei belohnt.

Dieser Punkt war es letzten Endes dann auch, der die Zwerge dazu angehalten hatte, einen Teil ihrer Höhlen als Speicher zur Verfügung zu stellen. Hatten sie vorher ausschließlich die Vorzüge von Wein genießen dürfen, so war dieser neben den großen Whiskeybrennereien zur Nebensache geworden. Arrow hatte es gar nicht gewundert, dass die Zwerge ihre größte Höhle nicht für die Ernte angeboten, sondern lieber zur Lagerung von Whiskeyfässern umfunktioniert hatten. Anfangs war es in der großen Lagerhalle auch nicht aufgefallen, dass gelegentlich ein Fass für einen gemütlichen Abend entnommen wurde. Immerhin war der Whiskey um einiges stärker als der so lange geliebte Wein. Doch schon bald hatten sich die Zwerge an den hochprozentigen Alkohol gewöhnt und man konnte praktisch zusehen, wie die Fässer-Kammer immer leerer wurde.

Das Erntedankfest war eine schöne Veranstaltung gewesen. Natürlich waren alle ihre Feste immer schön gewesen. Doch dieses war anders. Arrow hatte es einst von ihrem Vater kennen gelernt, und nun hatte sie jenen Brauch mit in diese Welt übernommen. Dadurch hatte sie es zwar nicht neu erfunden, doch immerhin geschafft, eine ganze Welt mit ihren unterschiedlichsten Bewohnern für etwas zu begeistern, das sie selbst seit ihrer Kindheit immer so sehr fasziniert hatte. Sie hatte etwas bewegt und dieses Gefühl ließ sich mit nichts vergleichen. Außerdem hatte diese Feierlichkeit den angenehmen Nebeneffekt gehabt, einige Vertreter der viel gerühmten Brownies kennen zu lernen. Mit ihrem zotteligen, braunen Fell sahen sie den Trollen verblüffend ähnlich. Doch während ein Troll in etwa so groß wurde, wie Bon es war, überboten die Brownies Arrow lediglich um einen Kopf.

Der Geruch des Whiskeys hatte sie angelockt. An jenem Abend hatten sie den Zwergen einige Geheimnisse über dessen Herstellung verraten.

Aber neben der Schnapsbrennerei verstanden sich diese gemütlichen Gesellen auch sehr gut auf das Erzählen von Geschichten. Bon hatte es ihnen am meisten angetan. Ohne ihn vorstellen zu müssen, hatten die Brownies das Zwergenoberhaupt auf den ersten Blick als solches erkannt. Sie hatten schon viel über ihn gehört und zählten seine Geschichte zu ihren Lieblingserzählungen.

Seit jenem Abend hatten sie das Dorf nicht mehr verlassen und wurden zu den Einwohnern gezählt. Auch hatten sie stets bei allerhand Arbeit geholfen und neuen Wind in diesen Teil der Welt gebracht. Wie viele andere fürchteten auch sie sich vor der Bedrohung eines heraufziehenden Krieges. Doch die Sympathie für ihre neu gewonnen Freunde war größer als die Angst vor der Gefahr. Deshalb waren sie geblieben.

Arrow hätte sich damals so sehr gewünscht, dass Neve und Dewayne bei dem Fest dabei gewesen wären und alles selbst miterlebt hätten. Kurz vor dem Ende der Herbstgleiche hatte sie ein paar Bläulinge ausgesandt, die ihrem Bruder und seiner Frau die Einladung zu der Feierlichkeit überbringen sollten. Dabei hatte sie allerdings nicht bedacht, dass die strahlend blauen Schmetterlinge mit dem Wintereinbruch in Kältestarre verfallen. Am Tage nach dem Erntedankfest hatte sie alle Bläulinge unweit des Schlosses im Schnee wieder gefunden. Zu Arrows Freude hatten alle die schlecht durchdachte Anweisung überlebt. Allerdings waren sie nach dem Auftauen ganz nervös gegen die Fenster geflattert – hatten sie doch noch immer einen Auftrag, den es zu erfüllen galt.

„Übrigens wäre es nett, wenn du mich nachher an die armen Schmetterlinge erinnern könntest“, bat Arrow den Elfen. „Ich würde sie gern noch einmal für einen Moment aus der Kältestarre holen, damit sie dir die Botschaft überbringen können. Dann können sie endlich in Ruhe schlafen und im nächsten Jahr erholt in den Frühling starten.“

„Das wird nicht nötig sein“, bemerkte Dewayne verärgert. „Seit gestern sind sie wach und haben mich die ganze Nacht zugequasselt. Ich musste mich auf den Fußboden legen, damit Neve endlich etwas Schlaf finden konnte.“

„Die ganze Nacht?“, fragte Arrow überrascht. „Aber es waren allerhöchstens zwei Dutzend Schmetterlinge. Wenn dir jeder von ihnen einmal die Nachricht überbringt, müsstest du mit dem nächsten Augenaufschlag wieder deine Ruhe haben.“

„Das ist richtig“, bemerkte der Elf und kräuselte seine Lippen. Dann fügte er vorwurfsvoll hinzu: „Allerdings sind sie hyperaktiv, wenn du sie mit einer Aufgabe überwintern lässt. Sobald sie dann erwachen, quatschen sie dich zu, bis sie vor Erschöpfung zusammenbrechen.“

„Oh ...“, bemerkte Arrow peinlich berührt.

„Ich war kurz davor, die kleinen Biester aus dem Fenster zu werfen“, fuhr Dewayne verärgert fort. „Einer fleißigen Wichteldame namens Agnes haben sie es zu verdanken, dass ihnen dieses Schicksal erspart geblieben ist. Plötzlich tauchte Agnes unverhofft auf und überreichte mir – woher auch immer – einen winzig kleinen Beutel mühsam zusammengesuchtes Schlafpulver. Das allein hat den kleinen Quälgeistern das Leben gerettet.“

Tief atmete der Elf ein, um die Fassung wiederzugewinnen. Dann packte er Arrow ängstlichen Blickes bei den Schultern und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen. „Arrow, was ist mit dir los?“

Verlegen versuchte sie, seinen Blicken auszuweichen, schaffte es jedoch nicht. „Ich weiß gar nicht, was du meinst“, antwortete sie.

Wieder fixierte Dewayne ihre Augen ganz genau. „Ich bin dein Bruder“, sagte er. „Mir kannst du nichts vormachen. Du strahlst so viel Rastlosigkeit aus, dass du eine ganze Herde Faultiere im Umkreis von drei Tagesreisen aufscheuchen und verjagen könntest.“

Arrow runzelte die Stirn. „Ich dachte, Faultiere wären nicht aus der Ruhe zu bringende Einzelgänger?“

Dewayne rollte mit den Augen. „Das ist doch die Ironie daran ...“

„Das verstehe ich nicht“, entgegnete sie verwirrt.

Der Elf wandte sich von ihr ab und fuhr sich mit der Hand durch sein unbezähmbares Haar. „Es ist noch immer wegen Melchior, richtig?“

Erschrocken senkte Arrow den Blick. Während jedes Glück aus ihren Augen schwand, suchte sie in ihrem Kopf nach einer Ausrede oder vielmehr Notlüge. Denn sie wollte ihrem Bruder auf keinen Fall die Wahrheit sagen.

Arrow ging es schlecht. Viele Nächte schon hatte sie nicht mehr richtig schlafen können. Sobald sich das Gefühl der Entspannung bei ihr einschlich, tauchten die Bilder erneut in ihrem Kopf auf. Auch nach all den Monaten und glücklichen Ereignissen wurde sie noch immer von grauenvollen Schuldgefühlen gequält. Eine Besserung war nicht in Sicht. Stattdessen wurden sie zunehmend stärker. So oft schon hatte sie dieses eine schreckliche Erlebnis durchlebt. Inzwischen wurde sie von den Erinnerungen sogar mehrmals täglich heimgesucht.

Anfangs hatte sie probiert, den quälenden Träumen mit Schlafpulver zu entgehen. Mit Unmengen davon hatte sie sich damals den unbarmherzigen Erinnerungen entziehen wollen. Allerdings hatte das dazu geführt, dass Arrow nach dem Aufwachen eine immer größer werdende Leere in sich gespürt hatte, denn das Schlafpulver hatte nach einer gewissen Zeit die unerfreuliche Nebenwirkung, einen traumlosen Schlaf herbeizuführen. Erlebtes konnte Arrow während des Schlafens nicht mehr verarbeiten und diese Wirkung hatte sie verändert. Nach einer Weile war sie nicht viel mehr als ein Schatten ihrer selbst gewesen. Sie hatte nur noch geschlafen, um nicht mit den quälenden Erinnerungen konfrontiert werden zu müssen. Und wenn sie doch mal wach gewesen war, hatte man sie kaum ansprechen können.

Anne hatte danach die Herstellung von Schlafpulver im Dorf verboten und die Wichtel hatten dafür Sorge zu tragen gehabt, jedes noch so kleine Körnchen, das sich im Umkreis von zwei Tagesreisen befunden hatte, zusammenzukratzen und weit weg zu schaffen. Dadurch konnte Arrow zwar nicht besser schlafen, doch sie hatte sich mit der Zeit erholt.

„Erspar dir die Arbeit, mir etwas vormachen zu wollen!“, ermahnte er Arrow. „Agnes hat mir alles erzählt.“

Betrübt senkte Arrow den Blick. „Dann bist du in der letzten Nacht wohl so oder so nicht zum Schlafen gekommen?“, fragte sie, obwohl sie die Antwort bereits kannte.

Dewayne nickte. „Ich habe viel nachgedacht“, entgegnete er.

Stille erfüllte den Moment. Arrow wusste nicht, was sie sagen sollte, und Dewayne schien so viel sagen zu wollen, dass er nicht wusste, wo er anfangen sollte.

„Arrow“, begann er zögerlich, „ich weiß, wie schmerzlich das alles für dich ist, denn auch mir hat er die Welt bedeutet. Aber es ist an der Zeit, ihn loszulassen.“

„Ein guter Tipp“, bemerkte Arrow sarkastisch. „Und vielleicht kannst du mir auch gleich noch sagen, wie ich das anstellen soll.“

Sie war verärgert. Gute Ratschläge hatte sie in den letzten Monaten genug bekommen. Dabei hatten die meisten Leute nicht die geringste Ahnung, wovon sie redeten.

„Arrow, bitte! Du machst dich kaputt, wenn du weiter an ihm festhältst!“

Arrow bebte vor Zorn. Sie hatte große Mühe, die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken. „Glaubst du denn, dass ich das nicht weiß? Ich weiß selbst am besten, was es mit mir anrichtet, doch ich habe es nicht unter Kontrolle. Wie Schatten verfolgen mich die Ereignisse jenen Tages, und sobald auch nur der geringste Sonnenstrahl in mein Gemüt schleicht, tauchen sie wie Aasgeier auf, um das Glück zu verschlingen.“

Gequält musterte Dewayne seine Schwester. Die Verzweiflung war Arrow durchaus anzusehen, doch der Elf hatte nicht die geringste Ahnung, wie er ihr helfen konnte.

„Arrow“, redete er auf sie ein, „du führst hier ein wundervolles Leben. Zusammen mit Freunden und einem Mann, der dich über alles liebt, hast du es geschafft, aus diesem heruntergekommenen Schloss einen verzauberten Ort zu machen. Durch deinen Mut sind wir nach all den Jahren an einem Punkt angelangt, an dem wir Verhandlungen über die Befreiung unseres Volkes führen. Durch die Erschaffung der Herbstgleiche wurden die verschiedenen Völker dieser Welt zusammengebracht. Das hat noch nicht einmal vor dem endlosen Winter funktioniert. Bedeutet dir das denn gar nichts? Gibt es nichts auf dieser Welt, das dich von deinem Leid erlösen und glücklich machen kann?“

Verständnisvoll schaute Arrow ihrem besorgten Bruder in die Augen. Mit einem müden Lächeln auf den Lippen strich sie ihm die Haarsträhnen aus dem Gesicht.

„Natürlich macht mich das alles glücklich – viel mehr noch, als es ein Betrachter wahrzunehmen vermag. Tatsache ist, dass es das Einzige ist, was mich noch am Leben hält.“

Erschrocken zuckte Dewayne zurück. „Weißt du, was du da redest?“, fuhr er sie entgeistert an. „Du bist meine Schwester und ich will, dass du glücklich bist, ohne dabei ans Überleben zu denken!“

„Glaubst du denn, dass ich das nicht auch will?“, entgegnete sie barsch.

„Warum lässt du es dann nicht einfach zu?“

Heftig schüttelte Arrow den Kopf. „Dewayne, ich habe es dir gerade eben erklärt – ich habe keine Kontrolle darüber. Obwohl er tot ist, gibt es noch immer etwas, das mich nicht loslassen will … Als wäre es noch nicht vorbei.“

Wieder packte Dewayne sie bei den Schultern. Tränen stiegen in seine Augen und er hatte Mühe, sich zu beherrschen.

„Arrow … ER IST TOT! Nichts wird daran etwas ändern können. Es ist vorbei und es liegt in deiner Hand, endlich damit abzuschließen!“

Er verstand es nicht und Arrow hatte keine Ahnung, ob er es nicht verstehen wollte oder nicht konnte. Es war egal, was sie in diesem Moment sagen würde. Von dem Punkt, an dem sie sich gerade befanden, würden sie sich nicht wegbewegen können. Es machte also keinen Sinn, jemandem etwas erklären zu wollen, das nicht zu erklären war und das er nicht kannte. Warum also sollte sie ihn weiter in diese Sache mit reinziehen? Es gab wichtigere Dinge, um die er sich kümmern musste. Schließlich war seine Frau hochschwanger und der erste offizielle Frühling unter seiner Ur-Herrschaft war nicht mehr weit entfernt. Dewayne hatte seinen Platz in der Welt gefunden. Es sollte nicht sein Problem sein, dass es bei Arrow anders war.

„Vielleicht brauche ich einfach eine Aufgabe, um mich abzulenken“, log sie.

Die Gesichtszüge des Elfen glätteten sich. Heftige Schuldgefühle überkamen Arrow, als sie aufgrund ihrer Lüge eine Last von Dewaynes Schultern abfallen sah.

„Als ich mit der Planung der Herbstgleiche beschäftigt war, haben mich die Erinnerungen nicht so sehr belastet wie danach.“

Während sie die zweite Lüge aussprach, hatte sie hinter ihrem Rücken die Finger gekreuzt. Normalerweise hatten Elfen ein sehr feines Gespür für Lügen und derlei Arten, sich herauszuwinden, doch Dewayne bemerkte es offenbar nicht.

„Spielst du auf etwas Bestimmtes an?“, fragte er hoffnungsvollen Blickes.

„Nun, ich denke, dass es ein guter Anfang wäre, mir die Möglichkeit für ein Treffen mit Elaine zu geben.“

„Du möchtest sie unbedingt sehen, nicht wahr?“

Arrow nickte. „Ich hoffe nicht erst seit gestern auf ein Wiedersehen mit der Grünen Lady. Viele Male schon habe ich versucht, sie zu finden. Als ich zusammen mit den Zwergen das letzte Mal in Nebulae Hall war, hatte ich die Hoffnung schon aufgegeben, dass sie sich überhaupt noch in dieser Welt befindet.“

„Aber sie ist hier“, entgegnete Dewayne. „Sie ist immer unter uns und sieht alles, was wir tun.“

„Wie kannst du dir da so sicher sein? Wenn sie hier wäre, müsste sie meine Verzweiflung gesehen haben. Sie müsste genau wissen, wie es mir ergangen ist, und hätte sich längst zeigen können.“

Verständnisvoll nahm Dewayne Arrows Hand und fixierte ihren Blick. „Selbst der höchsten Gottheit sind gewisse Bürden auferlegt. Wir vergessen es allzu oft, doch auch sie leiden nicht selten genauso sehr, wie wir es tun.“

Arrow musterte ihn verwirrt. „Was hat das mit der Grünen Lady zu tun? Sie ist eine von uns. Eine Königin sollte man nicht mit einer Gottheit vergleichen.“

„In ihrem und unseren Herzen gehört sie noch immer den Nyriden an, doch als sie zum Pfandstück der Perseiden wurde, ist Elaine zur Göttin geworden. Deshalb ist sie Tag für Tag um uns.“

„Aber Götter sind allmächtig“, entgegnete Arrow verständnislos. „Wenn sie wirklich zu einer von ihnen geworden ist, hätte sie lange vor meiner Geburt etwas unternehmen müssen!“

„Arrow“, erwiderte Dewayne barsch, „es ist, wie ich es dir gesagt habe. Göttern sind gewisse Bürden auferlegt. Dass Elaine eine von ihnen geworden ist, hat ihr zugegebenermaßen große Kräfte verliehen. Dennoch gibt es keine Gaben ohne Opfer. Sonst wäre es für jeden Spatz nur allzu leicht, sich in himmlische Höhen zu erheben.

Das Opfer der Grünen Lady ist ,die Ewigkeit einsam zu verbringen. Bei allem, was wir tun, wird sie immer nur ein Zuschauer und niemals ein Akteur in der Handlung sein. Es ist, als würde man sich für alle Zeit in einer großen Bibliothek einschließen und nie wieder etwas anderes tun, als Bücher zu lesen. Dem Leser wird die Macht verliehen, gewisse Dinge vor den Protagonisten zu wissen, doch eingreifen kann er nicht.“

Arrow senkte den Blick. Dewayne hatte schon immer die wundervolle Begabung, ihr die Dinge dieser Welt auf seine ganz fantastische Art und Weise zu erklären. Im letzten Jahr hatte sie die Erfahrung machen dürfen, dass scheinbar alle Elfen über diese Fähigkeit verfügten, aber die Wenigsten sich die Mühe machten, dieses Geschick zu nutzen. Viele waren der Meinung, dass Mutter Natur auch anderen Völkern derlei Erkenntnisse überlassen hätte, so es denn von Nutzen gewesen wäre. Andere Geschöpfe waren wenig um die Geheimnisse der Welt bemüht, sondern beschäftigten sich lieber mit den Nichtigkeiten ihrer eigenen Person. Wenn sie doch auch nur dieses Talent besäße, um ihrem Bruder ihre eigene Situation erklären zu können, dachte Arrow.

„Hey“, sagte Dewayne und hob mit seinen Fingern ihr Kinn an, „wir werden eine Möglichkeit finden. Das verspreche ich dir.“

Verlegen lächelte Arrow ihren Bruder an und schloss ihn dann ganz fest in ihre Arme.

„Es tut so gut, dich endlich wieder bei mir zu haben“, flüsterte sie.

„Ich weiß“, entgegnete Dewayne gerührt. „Und jetzt bringen wir dir das Schlittschuhfahren bei.“

Frühlingserwachen
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