Die Grenzen einer Königin
Mit sorgenvollem Blick schloss Dewayne die Tür hinter seiner Schwester und Keylam. Als er sie bat, sich zu setzen, wirkte er überaus ernst. Ratlos, wo und wie er beginnen sollte, lief er in dem für die Verhältnisse des Schlosses ziemlich kleinen Raum auf und ab. Dann wandte er sich ihnen zu.
„Sicher ist dies kein guter Zeitpunkt für politische Gespräche. Da ich aber aus eigener Erfahrung weiß, dass man eine wichtige Sache lieber heute als morgen klären sollte“, bei diesen Worten betrachtete er Arrow beschwörend, „kann das nicht warten.“
„Wenn du uns jetzt mitteilen möchtest, dass ihr demnächst Eltern werdet, muss ich dich leider enttäuschen. Wir haben es bereits selbst bemerkt.“ Wie es so Arrows Art war, versuchte sie die Situation mithilfe von Scherzen aufzulockern. Ein undankbarer Blick von Dewayne verriet allerdings, dass Witze dieser Art gegenwärtig völlig fehl am Platze waren.
„Sie hat dich bereits aufgesucht“, schlussfolgerte Keylam gesetzt.
Arrow musterte ihn fragend. „Wovon redest du?“
„Dann weißt du also, worauf ich hinaus will?“, entgegnete Dewayne, ohne der Verwirrung seiner Schwester Beachtung zu schenken.
Keylam nickte. „Schon vor zwölf Tagen.“
„Dewayne hat sie erst vor zwei Tagen einen Besuch abgestattet“, sagte Neve.
„Dann warst du nicht dabei?“, fragte Keylam skeptisch.
Die Elfe schüttelte den Kopf.
„Sie ist sehr vorsichtig geworden“, erklärte Dewayne. „Soweit ich weiß, zeigt sie sich seit jener Nacht nur noch selten. Und selbst dann nur solchen Personen, denen sie vertrauen kann. Dabei passt sie Momente ab, in denen sie gewiss sein kann, dass der Gesuchte völlig allein ist.“
„Von wem redet ihr?“, fragte Arrow ungeduldig.
Der Elf betrachtete sie argwöhnisch. „Von der Grünen Lady.“
Arrow zuckte zusammen und schaute völlig entgeistert abwechseln Keylam und ihren Bruder an.
„Dich hat sie noch nicht aufgesucht“, schlussfolgerte Dewayne.
Traurig schüttelte sie den Kopf. „Ich warte schon lange auf ein Zeichen von ihr. Zusammen mit den Zwergen bin ich sogar noch einmal in Nebulae Hall gewesen. Aber sie ist nicht aufgetaucht.“
„Das muss nichts heißen“, entgegnete Dewayne. „Zwischen dem Besuch bei Keylam und dem bei mir ist auch viel Zeit vergangen.“
„Vielleicht sollten wir mit diesem Gespräch dann lieber warten, bis sie auch bei Arrow war.“
„Nein, Keylam. Ich halte das für keine gute Idee. Bei unserem Treffen hat sie mich ausdrücklich auf die Dringlichkeit ihres Anliegens hingewiesen.“
„Will sie mich denn nicht sehen?“, fragte Arrow betrübt.
Keylam nahm ihre Hand. „Ich denke, dass es bisher für sie unmöglich war, dich allein anzutreffen.“
„Wo bist du ihr begegnet?“, fragte Arrow argwöhnisch.
„Unmittelbar vor meiner letzten Auferstehung“, antwortete er. „Du weißt, dass ich es vorziehe, in diesem Moment allein zu sein. Kaum, dass ich es war, ist sie aufgetaucht.“
„Ich hatte immer angenommen, dass sie nur unter Nebulae Hall lebt und sich von dort nicht entfernen kann“, bemerkte Arrow überrascht.
„Das stimmt auch – mit Einschränkungen“, warf Neve ein. „Sie kann sich von dort entfernen, aber im Grunde ist es ihr nicht erlaubt. Vermutlich will sie deshalb auf Nummer sicher gehen und zeigt sich nur, wenn die, die sie aufsuchen will, allein sind. Wenn ihre Ausflüge bekannt werden, bekommt sie großen Ärger.“
„Aber ich bin doch auch hin und wieder allein ...“, murmelte Arrow.
„Das denkst du!“, entgegnete Dewayne. „Arrow, du hast nicht die geringste Ahnung, wie streng Anne dich beschatten lässt. Sie hält es noch immer für gefährlich, dass du dich dieser Welt zu erkennen gegeben hast. Mit dieser Entscheidung hast du dir nicht nur Freunde gemacht. Feinde hattest du auch vorher schon genug, doch jetzt sind sie gefährlicher denn je!“
Arrow erhob sich energisch aus ihrem Stuhl. „Willst du mir damit sagen dass du auf ihrer Seite stehst? Ich stehe zu meiner Entscheidung und habe sie auch nicht bereut.“ Entschlossen funkelte sie ihren Bruder an. Stille erfüllte den Raum und ließ die Anspannung nur noch größer werden.
„Das reicht!“, schritt Keylam ein. „Es ist jetzt, wie es ist. Sich gegenseitig Vorwürfe und Schuldzuweisungen zu machen, ändert rein gar nichts! Und nur so nebenbei – vielleicht solltet ihr beide euch darüber im Klaren sein, dass der Zeitpunkt für eine Auseinandersetzung schlecht gewählt ist!“
Keylam deutet auf Neve, die sich betroffen den Bauch streichelte.
Zerknirscht schauten Arrow und Dewayne sich in die Augen und legten die Streitigkeiten im stillen Einverständnis bei.
In den letzten Monaten war Arrow über sich hinausgewachsen. Sie hatte begonnen, Entscheidungen zu treffen – Entscheidungen, die nicht nur sie selbst, sondern ihr ganzes Volk betrafen. Noch nie hatte sie besonders viel auf Geheimnisse gegeben. Jemandem etwas Wichtiges vorzuenthalten, hatte sich aufgrund ihrer eigenen Erfahrung selten als nützlich erwiesen. Für sie machte es mehr Sinn, die Dinge direkt anzupacken.
Obwohl Arrow und Dewayne sich noch immer sehr nahe standen, hatte sie diese Vorgehensweise nicht unbedingt enger zusammengeschweißt.
Dafür verstanden sich Keylam und Dewayne mit jedem Gespräch besser. Nach Keylams Rückkehr bei Arrows Beinahe-Hochzeit mit Adam waren alle Zwistigkeiten wie weggeblasen. Noch bevor Arrow sich darüber freuen konnte, eine Sorge weniger zu haben, begannen die eigenen Meinungsverschiedenheiten mit ihrem Bruder. Eine Zeit lang hatte Keylam diese Entwicklung großes Kopfzerbrechen bereitet. Dabei war er völlig verwundert über Annes Desinteresse in dieser Angelegenheit. „Was hattest du erwartet?“, hatte sie ihn seinerzeit schulterzuckend gefragt. „Immerhin sind beide Melchiors Kinder – da wundert mich rein gar nichts. Gleicher Dickkopf, gleiche Uneinsichtigkeit ...“
Keylam und Melchior waren vor langer Zeit sehr eng befreundet gewesen. Natürlich wusste Keylam, wie entschlossen der Vater der beiden einst war. Was er sich einmal in den Kopf gesetzt hatte, hatte ihm niemand ausreden können. Solange er mit dieser Zielstrebigkeit allein war, konnte man damit auch recht gut umgehen. Doch nun hatten auch noch beide seiner Sprösslinge diese Eigenschaft übernommen. Es war ein regelrechtes Feuerwerk der Entschlossenheit – und oftmals alles andere als einfach mit ihnen.
„Worum ging es in eurer Unterhaltung?“, fragte Arrow ihren Bruder eingeschüchtert.
Überrascht horchte Dewayne, der gerade in seine Gedanken vertieft war, auf. „Unterhaltung?“, entgegnete er verwirrt.
„Das Gespräch mit der Lady“, sagte Arrow mit Nachdruck. „Was hat sie gewollt?“
Resigniert atmete Dewayne tief durch. „Im Grunde war sie nur eine Botschafterin. Aber eigentlich betrifft sie diese Angelegenheit genauso sehr wie uns alle in diesem Raum.“
Gespannt ruhte Arrows Blick auf Dewayne.
„Sie hatte eine Nachricht“, warf Keylam ein, der die Anspannung nicht länger ertragen konnte, „von Perchta.“
Arrow schreckte auf. „Das ist ein Scherz, oder?“, fragte sie fassungslos in die Runde.
Niemand antwortete ihr. Alle Angesprochenen senkten den Blick.
„Wie lautet die Nachricht?“, wollte Arrow wissen.
„Frau Perchta wünscht ein Treffen“, antwortete Dewayne, „… mit uns. Sie will Verhandlungen bezüglich der Freilassung unseres Volkes aufnehmen.“
„Sie will verhandeln?“ Arrow verstand nicht, was da gerade vor sich ging. Vor vielen hundert Jahren war das Volk der Nyriden, Geister, die über das Wetter geboten, aufgrund ihrer Unwissenheit in den dunklen Holunderwald verbannt worden. Zugegebenermaßen war diese strenge Bestrafung nicht ganz unbegründet gewesen, denn um ein Haar hätten sie diese wunderschöne Welt durch ihre Unerfahrenheit in Schutt und Asche gelegt. Monatelang hatten Arrow, Keylam, Neve und Dewayne nach einer Möglichkeit gesucht, die Nyriden aus dieser Verbannung und in ihre alte Welt zurück zu holen, doch plötzlich – nachdem die Situation aussichtsloser denn je erschienen war – bat Frau Perchta um Verhandlungen.
„Welchen Vorteil bringt ihr das?“, fragte Arrow verwirrt.
„Au!“, schrie Keylam plötzlich und fasste sich an den Hinterkopf.
Arrow musterte ihn besorgt. „Alles in Ordnung?“
„Ja ...“, antwortete er zögerlich. „Es ist nur ... Gerade eben hat es sich so angefühlt, als hätte mir jemand ein ganzes Büschel Haare ausgerissen.“
„Lass mal sehen.“ Aufmerksam tastete Arrow seinen Kopf ab, und als sie im nächsten Moment Keylams Blut an ihren Fingern betrachtete, runzelte sie ihre Stirn. „Wie eigenartig.“
„Halb so wild“, winkte Keylam ab. „Vielleicht hat mich irgendwas gestochen. Das wird schon wieder.“
Arrow nickte und wandte sich dann wieder an ihren Bruder. „Wo waren wir stehen geblieben?“
„Frau Perchta“, entgegnete Neve. „Du wolltest wissen, welchen Nutzen sie aus einer Verhandlung ziehen könnte.“
„Nun“, sagte Dewayne, bevor noch jemand die Gelegenheit bekam, ihm ins Wort zu fallen, „es bringt ihr genau den Vorteil, eine Verantwortung abzugeben, die für sie nie vorgesehen war.“
Arrow musterte ihn entgeistert.
„Die Nyriden gehören nicht in den Holunderwald“, warf Keylam ein. „Sie haben schlimme Dinge getan. Allerdings nur, weil sie es nicht besser wussten – weil sie nie die Chance hatten, den Umgang mit einer Seele zu erlernen. Frau Perchta hat sich ihnen nur vorübergehend angenommen. Sie hat sich einer Aufgabe gewidmet, der sie sich nicht hätte widmen müssen. Das Entscheidende dabei ist jedoch, dass ihr Entschluss uns allen das Leben gerettet hat.“
„Und wer sagt euch, dass es nicht eine Falle ist?“, fragte Arrow zweifelnd.
„Es ist keine Falle“, antwortete Dewayne überzeugt. „Jetzt, da sich die Verantwortlichen ihren Pflichten stellen, ist es nicht nur in unserem, sondern auch in ihrem eigenen Interesse, diese Aufgabe abzugeben. Dies ist der einzige Weg für unser Volk. Nur so können wir ein neues Leben beginnen. Es ist unsere Chance.“
„Du meinst mich, wenn du von den Verantwortlichen sprichst“, stellte Arrow spöttisch fest. „Falls es euch entgangen sein sollte – ich bin nicht Schuld an der Verbannung der Nyriden!“
„Das mag wohl sein“, entgegnete Dewayne. „Nichtsdestotrotz bist du eine Nyridin und du hast in dem Moment die Verantwortung übernommen, als du dich dieser Welt gestellt hast! Seit dem Augenblick, da du unser Schicksal öffentlich gemacht hast, liegt es an dir, weitere Entscheidungen zu treffen!“
Dewayne war wirklich zornig. Hätte Arrow nur den kleinsten Widerspruch in seinen Vorwürfen erkannt, hätte sie sich gegen ihn zur Wehr gesetzt. Doch wie ihr Bruder es so sagte, klang es plausibel – auch wenn es ihr überhaupt nicht gefiel.
Arrow erhob sich abermals von ihrem Stuhl und fuhr sich mit den Händen durchs Haar. Obwohl sie diese Aussichten als so gar nicht rosig empfand, fragte sie sich, ob sie andere Entscheidungen getroffen hätte, wenn ihr diese Verantwortung bekannt gewesen wäre. Resignierend stellte sie fest, dass es nichts geändert hätte – rein gar nichts.
Seufzend wandte sie sich wieder ihren Freunden zu. „Wie ist die Lady an diese Botschaft gekommen?“, fragte sie verwirrt.
„Ich nehme doch stark an, dass sie sie von Perchta selbst erhalten hat“, antwortete Dewayne. „Immerhin gehört es zu ihren Pflichten, die Interessen ihres Volkes zu vertreten.“ Verwirrt schüttelte Arrow den Kopf. „Du meinst die Interessen unseres Volkes?“, entgegnete sie, in dem Glauben sich verhört zu haben.
„Du hast sie nur als Grüne Lady kennen gelernt“, erwiderte Keylam. „Du kannst es nicht besser wissen. Niemand hat dir gesagt, dass sie vorher eine von uns war.“
Während das Elfenpaar abermals Arrows vorwurfsvollen Blicken auswich, da sie anscheinend einmal mehr vergessen hatten, ein überaus wichtiges Detail zu erwähnen, verstand Keylam Arrows Enttäuschung und stellte sich ihr.
„Bevor die Grüne Lady zu dem wurde, was sie jetzt ist, wurde sie Elaine genannt. Als die Perseiden uns damals von unseren Seelen getrennt haben, forderten sie eine Art … Sicherheit, so etwas wie ein Pfandstück. Allerdings stellten sie die Bedingung, dass allein das, was unserem Volk das Meiste bedeutete, diesen Platz einnehmen sollte. Das hat Elaines Schicksal besiegelt.“
„Eine Frau?“, fragte sie verständnislos. „Eine einzelne Frau, die vom Volk auserwählt wurde, um die Last Aller allein auf sich zu nehmen?“
„Arrow, Elaine ist nicht irgendeine Frau“, erklärte Keylam mit ruhiger Stimme. „Sie ist unsere Königin.“
Arrow zuckte zusammen. Außerstande, ihre Gedanken zu ordnen, wandte sie sich ab und schaute mit leerem Blick zum Fenster. So viele hatten also schon so teuer für die Unwissenheit ihrer Art bezahlen müssen. Und im Gegensatz zu dem, was es Elaine abverlangte, waren Arrows Qualen doch nur ein seichter Windhauch im unbarmherzigen Sturm der Unendlichkeit.
Es war an der Zeit, diesem Unsinn ein Ende zu bereiten. Mit einem tiefen Atemzug versuchte Arrow, klare Gedanken zu fassen. Als sie sich wieder gesammelt hatte, wandte sie sich ihrer Familie zu.
„Es ist notwenig, mich in den nächsten Tagen unbeaufsichtigt zu lassen. Ab sofort sollten wir dem Warten ein Ende bereiten und unser Schicksal wieder in unsere eigenen Hände nehmen!“
Spöttisch lachte Dewayne auf. „Und wie willst du das Anne erklären? Solange sie nicht weiß, was hier vor sich geht, wird sie dich unter gar keinen Umständen aus den Augen lassen.“
Entschlossen funkelte Arrow ihn an. „Nun, dann ist dies wohl der richtige Moment, sie einzuweihen.“
Erschrocken sprang Neve von ihrem Sessel auf. „Warte Arrow! Wir dürfen es ihr nicht sagen! Die Lady hat uns das Versprechen der Verschwiegenheit abgenommen!“
Euch vielleicht, dache Arrow selbstgefällig. Und während die Elfe ihr noch immer verzweifelt hinterher rief, war Arrow schon auf dem Weg zu Anne.
Zu allem Überfluss hatte Arrow auch noch Bon mit in die Sache hineingezogen. Nach einigen Schwierigkeiten, die für den Riesen recht niedrige Tür zu passieren, trug sie ihm und Anne das Anliegen der Grünen Lady vor.
Vor Wut brodelnd schaute Dewayne zum Fenster. Wer ihn nicht kannte, hätte seine Miene niemals deuten können, denn äußerlich wirkte er sehr ruhig, doch innerlich explodierte er fast vor Zorn.
„Aber wer sagt denn, dass sie dich auch noch aufsuchen will?“, fragte Anne forsch. „Vielleicht war diese Botschaft ja tatsächlich nur für Dewayne und Keylam gedacht. Ich denke, es wäre das Klügste, die beiden diese Angelegenheit regeln zu lassen.“
Bevor Arrow sich verteidigen konnte, schritt Bon ein. „Wir werden nicht herausfinden, ob Perchta Arrow zu sehen wünscht, wenn wir Elaine nicht die Gelegenheit geben, sie allein anzutreffen.“
„Und wer sagt dir, dass das keine Falle ist?“ Anne klang aufgebracht. Zwar hatte sie mehr als einmal bekannt gegeben, sich inzwischen mit Arrows Berufung abgefunden zu haben, doch ein jeder, der sie auch nur flüchtig kannte, wusste, dass es anders war. Arrow schätzte das. Sie liebte Anne sehr und wusste genau, dass sie sie nur beschützen wollte. Allerdings hatte sich lange schon herausgestellt, dass Arrow diese Vorsicht nicht weitergebracht hatte. Vielmehr behinderte sie das auf ihrem Weg. Dabei wollte sie es einfach nur hinter sich bringen – lieber heute als morgen. Als Belohnung erhoffte sie sich die Freiheit. Nichts wünschte sie sich sehnlicher, als endlich einen Weg beschreiten zu können, der ihr nicht vorherbestimmt war.
Ruhelos lief Anne auf und ab. „Was machen wir, wenn es schiefgeht?“, fragte sie Bon aufgewühlt.
„Anne, bitte – ich kenne die Antworten auf deine Fragen nicht. Aber vielleicht kannst du mir sagen, was wir machen, wenn dies unsere einzige Chance ist? Was wird geschehen, wenn Perchta uns ein Angebot unterbreitet, welches nur im Zusammenhang mit Verhandlungen aller drei Beseelter erfüllt werden kann?“
Dewayne rollte mit den Augen. „Und wenn ich es euch noch drei Millionen Mal sagen muss – ich bin nicht beseelt! Ich war es nie und ich werde es nie sein. Und im Gegensatz zu den meisten Anwesenden hier bin ich dafür sehr dankbar!“
„Seele hin oder her – von dir muss jedenfalls kein Teil deiner Selbst in der Verbannung nach dem Unauffindbaren suchen!“, fuhr Bon ihn an. „Du bist vollständig – darauf kommt es an!“
Die Situation wurde immer angespannter und mit jedem Wort kochte die Wut bei allen Beteiligten weiter hoch.
Arrow bekam Kopfschmerzen, während Anne und Bon ständig lauter wurden.
Der schwangeren Neve wurde vor Aufregung ganz schwindelig, und als Smitt, der sich verbotenerweise hereingeschlichen hatte, ihr etwas Riechsalz unter die Nase hielt, übergab die Elfe sich auf seine Hand. Dies führte dazu, dass Dewayne eine Prügelei mit Smitt begann und Neve zwangsweise von der Diskussion ausgeschlossen wurde, da diese ihrem Wohlbefinden ganz offensichtlich nicht förderlich war.
Zum ersten Mal überhaupt bekam Arrow hautnah mit, dass auch ein Zwerg über ganz außergewöhnliche Zauberkräfte verfügte.
Völlig überrascht schaute sie Bon an. „Ihr habt nie erwähnt, dass ihr zaubern könnt.“
„Für uns ist das auch nicht unbedingt von Bedeutung“, winkte der Riese ab. „Zaubern ist nicht mit einem schönen Faustkampf – Mann gegen Mann – zu vergleichen. Es ist, als würde man seine Arbeit von anderen erledigen lassen …“
Einen Moment später wandte Bon sich an Dewayne und Smitt. „Hey!“, herrschte er die beiden an. „Das reicht jetzt! Ein neuer Tag wird bald beginnen. Es wird Zeit, dass wir uns in den Untergrund zurückziehen.“
Sichtlich verärgert über die Anweisung des Zwergenoberhauptes, brach Smitt die Prügelei ab. Dewayne funkelte ihn belustigt an. Zwar war auch er über dieses unbefriedigende Ende nicht gerade glücklich, doch er wusste, dass sich der Zwerg über seinen hochnäsigen Blick ärgern würde. Damit wurde seinem Elfenstolz Genüge getan – vorerst.
Während Arrow die Ereignisse und die Unterhaltungen der Nacht immer wieder in ihren Gedanken durchging, war Keylam sofort eingeschlafen. Sie bewunderte ihn für seine Ausgeglichenheit und die Ruhe, die er unentwegt ausstrahlte. Arrow selbst fühlte sich hingegen ständig rastlos. Schon allein deshalb war es eine Wohltat, Keylam beim Schlafen zuzusehen.
Dewaynes Worte wollten ihr einfach nicht aus dem Sinn. Als er gesagt hatte, dass er nie zu den Beseelten gehört habe, es nie sei würde und glücklich darüber sei, hatte es Arrow einen Schlag versetzt. Es war, als würde er sich von ihr abgrenzen. Nach allem, was sie zusammen durchgestanden hatten, war es ein schmerzlicher Gedanke, dass sie ihn am Ende vielleicht doch verlieren würde. Dabei bedeutete er ihr noch immer so viel wie seinerzeit in jener Welt, als Arrow von dieser Welt noch nicht die geringste Ahnung gehabt hatte.
Soweit sie wusste, war Dewayne der einzige noch lebende Elf, der zur Hälfte auch Nyride war. Und obwohl diese eine Hälfte Nyride ausreichte, um ihm den Ur-Frühling anzuvertrauen, war er doch zu viel Elf, um ihm eine Seele zuzugestehen. Trotzdem musste auch er von einem Perseiden bewacht werden, der annähernd genauso mächtig war wie der von Keylam.
Über all diese Gedanken schlief Arrow dann doch endlich ein.