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«Nicht schlecht», sagte Signor Zulani und rülpste.

Ein wenig Fett tropfte von seinem Schnurrbart herab, lief über seine wulstige Unterlippe und vermischte sich, weiter herabtropfend, mit den Krümeln der Bratkartoffeln, die sich in seinem Bart verfangen hatten. So genau war dies allerdings nicht zu erkennen, denn anstelle der teuren Petroleumlampen gab es im Hause Zulani lediglich billige Rüböllampen. Eine davon hing an der niedrigen Decke, die andere stand auf dem Küchentisch, und beide warfen einen trüben Lichtschein auf den Herrn des Hauses, die abgedeckte Pfanne und die dampfende fegato alla veneziana auf dem Tisch.

«Nicht schlecht», wiederholte Signor Zulani, indem er eine weitere Gabel zum Mund führte und anerkennend grunzte.

Bella Zulani, die Gattin von Signor Zulani, deren Äußeres immer schon in krassem Kontrast zu ihrem Vornamen gestanden hatte, nickte zufrieden. Sie hatte sich, eine Magenverstimmung vortäuschend, darauf beschränkt, eine Scheibe Brot zum Abendessen zu verspeisen und hin und wieder einen Schluck Wasser zu trinken. Nicht dass sie - als Reaktion auf dieses spezielle Mahl — einen plötzlichen Zusammenbruch ihres Gatten erwartete, aber man konnte nie wissen.

Signora Zulani hatte die Haut der Leber sorgfältig abgezogen, das Fleisch geschnetzelt und in einer Pfanne mit Olivenöl scharf angebraten. Dann hatte sie die Leber aus der Pfanne genommen und feingeschnittene Zwiebeln, Rosmarin und Thymian braun geröstet. Schließlich hatte sie die Leber wieder dazugegeben, alles vermischt und sorgfältig mit Pfeffer und Salz abgeschmeckt. Als Beilage gab es einen Berg Bratkartoffeln.

Das Resultat war eine Portion, die eine fünfköpfige Familie satt gemacht hätte — also genau die richtige Menge für Signor Zulani, der tagsüber als Schmied im Arsenal arbeitete und immer schon einen gesunden Appetit gehabt hatte.

Signor Zulani wischte sich den Mund ab, wobei er den Ärmel seines Hemdes benutzte. Dann trank er einen Schluck Wein und rülpste abermals. «Woher?»

Das war so seine Art, Fragen an seine Frau zu richten. Früher, dachte sie resigniert, hätte er sich höflich danach erkundigt, bei wem sie die Leber gekauft hatte, und wäre sich auch nicht zu schade gewesen, mit ihr ein paar Worte über das Rezept zu wechseln. Früher — das war, bevor sie ein wenig zugenommen hatte — von hundertzwanzig auf zweihundert —, das meiste, seit Giovanni, ihr einziges Kind, aus dem Haus gegangen war. Jedenfalls wusste sie, was gemeint war, und konnte seine Frage beantworten.

«Die Leber stammt von Grassi», sagte sie schnell und merkte, dass sie rot wurde.

Signor Grassi war ein melancholischer Junggeselle, der eine Macelleria am Campo San Giobbe betrieb. Sie kaufte das sonntägliche Fleisch, das sie sich selten genug leisten konnten, entweder dort oder in einer Macelleria direkt neben dem Bahnhof — wo sie zusammen mit einem halben Dutzend anderer Signoras für die Reinigung der Coupés zuständig war, die nachts aus Verona ankamen.

Signor Zulani gönnte sich noch einen kräftigen Schluck Wein und atmete aus, wobei eine Wolke über den Tisch waberte, die so roch wie ein weichgekochtes Ei, das eine Woche in einem Schlammloch gelegen hatte. Er sah sie misstrauisch an. «Teuer?»

Signora Zulani schüttelte den Kopf. «Einen halben Lire», sagte sie.

Worauf der Gatte mürrisch den Kopf schüttelte. «Billig ist das nicht.»

Was definitiv nicht stimmte, denn die Leber war ziemlich groß gewesen und — soweit sie es beurteilen konnte — von durchaus zufriedenstellender Qualität, wenn auch von etwas fragwürdiger Herkunft. Tatsächlich hatte sie keinen einzigen Centesimo dafür bezahlt, und das war auch der Grund, aus dem ihr bereits der Anblick des Gerichts auf den Magen geschlagen war.

Signora Zulani hatte die Leber gestern Nacht im Rahmen ihrer Reinigungstätigkeit in einem der Coupes des Nachtzugs aus Verona gefunden. Jawohl, gefunden. Das Organ lag auf einem Giornale di Verona, das wiederum auf dem plüschigen Polster eines Erste-Klasse-Coupes gelegen hatte — nicht ganz der Artikel, den eine schlechtbezahlte Reinigungskraft mit Vergnügen nach Hause trägt, keine vergessene Geldbörse, kein teures Taschentuch, auch kein herabgefallenes Schmuckstück. Aber etwas Essbares, eine offensichtlich frische Leber, vielleicht bei einer renommierten Macelleria in Verona erstanden, die dem Reisenden dann wohl lästig geworden war und die er nicht aus dem Fenster entsorgt hatte, sondern aus einem sozialen Impuls heraus für die Reinigungskräfte zurückgelassen hatte. In der zutreffenden Erwartung, dass man das Organ einpacken und — guten Appetit — zum baldigen Verzehr mitnehmen würde.

Was sie dann auch tat, nachdem sie das Abteil gründlich gereinigt hatte. Das war nicht ganz so flott wie üblich gegangen, denn offenbar war mit dem Hantieren der Leber einiges Blut geflossen, sodass sie das Wasser im Eimer dreimal austauschen und kräftig scheuern und schrubben musste, bis das Coupé wieder proper aussah. Nein — dass sie die Leber ganz umsonst bekommen hatte, konnte man eigentlich nicht sagen, und ein hübscher Ring wäre ihr zweifellos lieber gewesen.

Aber war es wirklich so gewesen? Stammte diese Leber tatsächlich aus einer Veroneser Macelleria? Sie war sich an diesem Punkt nicht ganz sicher, obwohl es eigentlich keine andere Möglichkeit gab. Andererseits hatte etwas Böses in der Luft des Coupés gehangen. Signora Zulani hatte beim Schrubben des Bodens mehrmals das absurde Gefühl gehabt, als würde etwas ausgesprochen Ekelhaftes ihre Schultern und ihren Hals berühren. Sie hatte sich jedes Mal erschrocken umgedreht, aber da war nichts außer dem Putzeimer und der Leinentasche mit der Leber.

Signora Zulani senkte die Lider, denn es gab kaum etwas Ekelhafteres als den Anblick ihres mampfenden Gatten. Dann beschloss sie, die ganze Angelegenheit gründlich zu vergessen.