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Roland Blocker schob nun schon seit vier Jahren die Nachtschicht in dem Lagerhaus, aber es war noch nie etwas passiert. Überhaupt nichts. Nacht um Nacht folgte er dem immergleichen Trott, machte er die gleichen Runden, ließ sich von den gleichen spätabendlichen Schwarzweiß-Fernseh-Situationskomödien berieseln. Blocker liebte den Frieden und die Ruhe, die in dem riesigen Raum herrschten. Er hatte sich hier immer sicher gefühlt, geschützt vom Lagerhaus mit seinen schweren Metalltüren, der Alarmanlage und den unablässig wachsamen Kameras, alles sicher umschlossen von einem vier Meter hohen Maschendrahtzaun mit Stacheldraht obendrauf. Er war noch nie gestört worden, keine Einbruchsversuche, nichts. Aber es gab ja auch nichts zu stehlen, weder drinnen noch draußen – außer Schrottautos, Autos, die mit Toten darin aus Flüssen gezogen worden waren, Autos mit Leichen im Kofferraum, ausgebrannte Autos, Drogenkurier-Autos, zerschossene Autos. Was gab es da zu stehlen?
Aber jetzt, nach dem Zwischenfall, seit die Streifenpolizisten weggefahren waren, hatte er zum ersten Mal Schiss. So etwas Merkwürdiges hatte er noch nie erlebt, diese Stimme da draußen vor der Tür. Hatte er die Stimme wirklich gehört? Zwei von den Cops, die auf seinen Alarm reagiert hatten, hatten angedeutet, er habe womöglich geträumt. Das hatte Blocker genervt – er schlief nie am Arbeitsplatz. Die Überwachungskameras waren stets eingeschaltet, auch wenn Gott allein wusste, wer sich die Bänder später ansah.
I Love Lucy war zu Ende; als Nächstes kam The Beverly Hillbillies, Blockers Lieblingssendung im Nachtprogramm. Er versuchte sich gerade zu entspannen, als der Titelsong ertönte, dieses Gezupfe der Banjos und der übertriebene Hinterwäldlerakzent brachten ihn immer zum Lächeln. Er beugte sich vor, um die Klimaanlage aufzudrehen und die Lüftungsschlitze so einzustellen, dass die Luft direkt auf ihn blies.
Da hörte er ein Geräusch. Ein Klimpern – als sei ein Stückchen Metall auf den Zementboden gefallen. Er nahm die Beine vom Schreibtisch, tastete nach der Fernbedienung und stellte den Ton des Fernsehers aus, um zu lauschen.
Pling. Wieder das Geräusch, näher diesmal. Plötzlich klopfte ihm das Herz laut in der Brust. Erst die Stimme und dann das. Er überflog die untere Reihe der Überwachungsmonitore, die das Innere des Lagerhauses zeigten, aber auf den Bildern war nichts zu sehen.
Sollte er erneut den Alarm auslösen? Nein, die Cops würden ihn auslachen. Er überlegte, ob er etwas rufen sollte, aber das wäre töricht. Wenn sich ein Eindringling in dem Lagerhaus befand, würde ihm der ja nicht antworten.
Er erhob sich aus dem Stuhl, hakte die Stabtaschenlampe aus dem Gürtel und begab sich in die Richtung des zweiten Geräuschs, wobei er sich ganz vorsichtig bewegte und die freie Hand leicht auf den Griff seiner Dienstwaffe legte.
Als er zu dem Bereich gelangte, aus dem das Geräusch gekommen war, leuchtete er mit der Taschenlampe umher. In dieser Ecke des Lagerhauses standen gestapelte Paletten mit alten, in Folie eingewickelten Autoteilen, allesamt beschriftet – Beweismittel, die vor Jahren aus den Fahrzeugen herausgeschnitten worden waren, aber noch nicht entsorgt werden durften.
Nichts. Er war nur nervös, die Sache von vorhin hatte ihm Angst gemacht, das war alles. Vielleicht waren Ratten ins Lagerhaus eingedrungen. Blocker ging zu seinem kleinen Büro zurück, setzte sich auf den Stuhl und drehte den Ton des Fernsehers an, diesmal ein bisschen lauter als sonst. Das beruhigte ihn. Es handelte sich um die Folge, in der der Banker einen Angriff wilder Indianer auf das Herrenhaus der Clampetts vortäuscht, eine seiner Lieblingsepisoden. Er öffnete eine Dose Cola light und machte es sich gemütlich, um sie in aller Ruhe zu trinken.
Pling.
Er setzte sich wieder auf, stellte den Fernseher leise, lauschte angestrengt.
Pling.
Aus der gleichen verfluchten Ecke kam ein äußerst regelmäßiges Geräusch, unnatürlich, fast so, als würde es jemand absichtlich machen. Aber auf den Überwachungsmonitoren war wieder nichts zu sehen. Erneut wies er den Gedanken zurück, den Alarm auszulösen.
Er stand auf, zog die Taschenlampe aus der Halterung, legte sie in die linke Hand, löste mit der rechten Hand den Bügel am Holster und zog die Waffe. Dann ging er zu der Ecke zurück, aus der die Geräusche gekommen waren, und blieb stehen, in der Hoffnung, sie noch einmal zu hören. Nichts. Er rückte vor und wollte diesmal hinter dem Stapel mit den Paletten nachsehen, vielleicht versteckte sich ja dort irgendetwas zwischen den Paletten und der Wand.
Langsam ging er einen langen Gang zwischen den Paletten hinunter, blieb unmittelbar vor der letzten stehen und lauschte. Immer noch nichts. Unheimlich.
Jetzt näherte er sich vorsichtig dem letzten Stapel, spähte um die Ecke und leuchtete mit der Taschenlampe an der Wand entlang.
Da spürte er hinter sich eine Art Luftzug. Blitzartig wandte er sich um. Ein schwarzer Schatten stürmte aus dem Dunkel hervor, aber bevor Blocker schreien konnte, blitzte etwas Stählernes auf, und er verspürte ein heftiges Ziehen quer über den Hals, und dann überschlug sich alles und wurde wirr und rot – und dann war alles vorbei.