Als Lucius Decumius zu Ohren kam, daß die gegenwärtigen Konsuln Lucius Caesar und Marcius Figulus beabsichtigten, die Kreuzwegevereine per Gesetz eliminieren zu lassen, wurde er von Furcht und Zorn ergriffen und lief auf der Stelle zu seinem Patron Caesar.

»Das ist einfach nicht gerecht!« rief er zornig erregt, »was haben wir falsch gemacht? Wir kümmern uns um unsere Dinge!«

Diese Bemerkung stürzte Caesar in ein Dilemma, denn er wußte natürlich um die Umstände, die zu dieser Gesetzesvorlage geführt hatten.

Das alles ging zurück auf das Konsulat des Gaius Piso (drei Jahre zuvor) sowie auf einen Volkstribunen in Pompeius’ Diensten, einen gewissen Gaius Manilius. Aulus Gabinius’ Aufgabe war es damals gewesen, Pompeius den Auftrag zur Ausrottung der Piraten zu sichern, und anschließend sollte Gaius Manilius dem großen Pompeius das Kommando gegen die beiden Könige sichern. Einerseits eine leichte Aufgabe, hatte doch Pompeius die Piraten auf eindrucksvolle Weise abgefertigt, andererseits aber auch eine schwierige, denn die Gegner der Sonderkommandos hatten längst erkannt, daß Pompeius ein Mann von außergewöhnlichen Fähigkeiten war, der diese neue Vollmacht dazu nutzen könnte, sich selbst nach einer siegreichen Rückkehr aus dem Osten zum Diktator zu machen. Und mit Gaius Piso als einzigem Konsul sah sich Manilius im Senat erbitterten und gereizten Feinden gegenüber.

Manilius’ erste Eingabe wirkte harmlos und schien mit Pompeius’ Angelegenheiten nichts zu tun zu haben: Er bat die Volksversammlung lediglich darum, die freigelassenen Römer auf sämtliche fünfunddreißig Tribus zu verteilen, statt sie auf die beiden städtischen Tribus Suburana und Esquilina zu beschränken. Aber damit konnte er niemanden täuschen. Manilius’ Eingabe betraf ganz direkt den Senat und die patrizischen Ritter, denn das waren die Leute mit den meisten Sklaven, die eine Vielzahl von Freigelassenen unter ihren Klienten hatten.

Jemandem, der mit der Funktionsweise des römischen Staates nicht so vertraut war, hätte man es vielleicht nachgesehen, wäre er der Auffassung gewesen, allein das Gesetz der Anzahl müsse doch verhindern, daß eine Neuregelung des Status der römischen Freigelassenen zu irgendwelchen Veränderungen führen könnte. Schließlich galt ein Mann in Rom erst dann als bitterarm, wenn er sich keinen einzigen Sklaven leisten konnte — und es gab in der Tat nicht viele, die nicht wenigstens einen Sklaven hatten. Auf den ersten Blick schien also ein Plebiszit, das die Freigelassenen auf alle fünfunddreißig Tribus verteilte, wenig Veränderungen an der Spitze der Gesellschaft bewirken zu können. Doch dem war nicht so.

Die große Mehrheit der römischen Sklavenhalter besaß nicht mehr als einen einzigen oder höchstens zwei Sklaven. Aber das waren keine männlichen Sklaven; es waren Frauen. Aus zwei Gründen: Erstens konnte sich der Herr von einer Sklavin sexuelle Gefälligkeiten erhoffen, zweitens hätte ein männlicher Sklave zu einer Versuchung für die Dame des Hauses werden können, und womöglich wäre dann noch die Vaterschaft des Hausherrn an seinen Kindern bezweifelt worden. Und außerdem: Was konnte ein armer Mann schon mit einem männlichen Sklaven anfangen? Meistens ging es um Hausarbeiten — Waschen, Wasser holen, Essen kochen, Kinder betreuen, Nachttöpfe leeren —, und dafür eigneten sich Männer eben nicht. Bestimmte Denkweisen änderten sich nicht einfach deshalb, weil ein Mann das Pech hatte, ein Sklave und kein freier Bürger zu sein; Männer beschäftigten sich mit männlichen Aufgaben und verschmähten die Arbeit der Frauen als stumpfsinnige Plackerei.

Theoretisch wurde jedem Sklaven ein peculium gezahlt, ein Sparpfennig, den er beiseite legte, bis er eine kleine Summe beisammen hatte, um sich freizukaufen. In der Praxis jedoch war die Freiheit ein Gut, das nur ein gutsituierter Patron seinen Sklaven gewähren konnte, zumal eine solche Freilassung mit fünf Prozent besteuert war. Das führte dazu, daß die meisten römischen Sklavinnen nicht freigelassen wurden, solange sie nützlich waren (und weil sie die Armut mehr fürchteten als unbezahlte Arbeit, versuchten sie bis ins hohe Alter hinein nützlich zu bleiben). Zudem konnten sie es sich nicht leisten, einem Bestattungsverein beizutreten und sich das Recht auf eine Totenfeier und ein anständiges Begräbnis zu erwerben. Sie endeten in großen Kalkgruben, nicht einmal ein kleines Schild deutete darauf hin, daß sie jemals gelebt hatten.

Nur die Römer mit relativ hohem Einkommen und mehreren Haushalten hielten sich viele Sklaven. Je höher der soziale und wirtschaftliche Status eines Römers war, desto mehr Diener beschäftigte er — und desto größer war die Wahrscheinlichkeit, daß auch männliche Sklaven darunter waren. In diesen Kreisen war Freilassung an der Tagesordnung, und die Dienstzeit eines Sklaven beschränkte sich im Durchschnitt auf zehn bis fünfzehn Jahre. Nach dieser Zeit wurde er (und in der Regel war es ein Er) zum Freigelassenen und schloß sich der Klientel seines bisherigen Herrn an. Er setzte die Mütze der Freiheit auf und wurde römischer Bürger; wenn er eine Frau und erwachsene Kinder hatte, wurden auch sie freigelassen.

Seine Stimme dagegen war nutzlos, es sei denn — und das kam hin und wieder vor —, er verdiente viel Geld, kaufte sich die Mitgliedschaft in einem der einunddreißig ländlichen Tribus und war wirtschaftlich so gutgestellt, daß ihm ein Platz in einer der Klassen der Zenturie zustand. Die große Mehrzahl jedoch blieb in den beiden städtischen Tribus Suburana und Esquilina, den größten aller römischen Tribus, die jedoch auch nicht mehr als je eine Stimme in den Komitien hatten. Die Stimmen der Freigelassenen hatten also wenig Einfluß auf die Abstimmungsergebnisse in den Komitien.

Deshalb kam Manilius’ Gesetzesvorlage kolossale Bedeutung zu. Wenn man die Freigelassenen Roms auf die fünfunddreißig Tribus verteilte, dann könnten sie einen großen Einfluß auf Tribuswahlen und Gesetzgebung erlangen, selbst wenn sie innerhalb der römischen Bürgerschaft keineswegs eine Mehrheit darstellten. Die potentielle Gefahr lag in der Tatsache, daß die Freigelassenen in der Stadt lebten. Wenn man sie nun in einen ländlichen Tribus steckte und sie dort ihre Stimmen abgaben, dann würden sie bei so mancher Wahl den in Rom anwesenden ursprünglichen Mitgliedern des Tribus zahlenmäßig überlegen sein. Kein großes Problem bei den Wahlen im Sommer, wenn sich ohnehin viele Leute vom Land in der Stadt aufhielten, aber eine ernstzunehmende Gefahr bei der Gesetzgebung. Über neue Gesetze wurde zu jeder Jahreszeit abgestimmt, vor allem aber im Dezember, Januar und Februar, wenn die neu gewählten Volkstribunen sich durch möglichst viele Ge setze svorlagen profilieren wollten — und wenn nur wenige Leute vom Land in der Stadt waren.

Manilius’ Eingabe wurde abgeschmettert. Die Freigelassenen blieben in den beiden riesigen städtischen Tribus. Für Männer wie Lucius Decumius jedoch verhieß es großes Unheil, daß Manilius ausgerechnet unter Roms Freigelassenen um Unterstützung für seine Ge setze svorlage geworben hatte. Und wo versammelten sich Roms Freigelassene? In den Kreuzwegevereinen, denn das waren gesellige Orte, an denen sich Sklaven und Freigelassene ebenso einfanden wie gewöhnliche Römer der unteren Volksschichten. Manilius war von einem Kreuzwegeverein zum anderen gezogen und hatte versucht, die Männer, denen sein Gesetz Vorteile bringen würde, dazu zu überreden, ihn auf dem Forum zu unterstützen. Da sie nur zu gut um die Wertlosigkeit ihrer Stimmen wußten, waren ihm viele gefolgt. Als jedoch die Senatoren und die vornehmen Ritter der Achtzehn die Massen von Freigelassenen zum Forum ziehen sahen, dachten sie nur noch an die Gefahren. Jeder Ort, an dem Freigelassene sich versammelten, sollte verboten werden.

So ein Kreuzwegeverein war ein Hort spiritueller Aktivitäten, der vor den Mächten des Bösen geschützt werden mußte. An solchen Orten versammelten sich die Laren — Myriaden von guten Geistern, die die Unterwelt bevölkerten und an den Kreuzwegen einen natürlichen Brennpunkt für ihre mystischen Kräfte fanden. Und so stand an jedem Kreuzweg ein Larenschrein, und einmal im Jahr, Anfang Januar, feierte man das Fest der Kompitalien, das die Laren der Kreuzwege günstig stimmen sollte. In der Nacht vor den Kompitalien mußte jeder freie Bewohner eines Viertels, das an einen Kreuzweg grenzte, am Larenschrein eine Wollpuppe aufhängen, und jeder Sklave einen wollenen Ball. In Rom wurden die Schreine so von Puppen und Bällen überschwemmt, daß es zu den Aufgaben der Kreuzwegler gehörte, Leinen zu spannen, um Platz für diese Flut zu schaffen. Puppen hatten Köpfe, und die Köpfe der Freien wurden von den Zensoren gezählt; Bälle hatten keine Köpfe, weil die Sklaven niemand zählte. Trotzdem waren die Sklaven ein wichtiger Bestandteil der Feierlichkeiten. Wie bei den Saturnalien feierten sie gleichberechtigt mit den freien Männern und Frauen von Rom, und es gehörte zu ihren Pflichten (dazu legten sie eigens ihre sklavischen Insignien ab), den Laren das Opfer darzubringen, ein gemästetes Schwein. Über das alles wachten die Kreuzwegler und ihre Aufseher, die beiden Stadtprätoren.

Ein Kreuzwegeverein war also eine religiöse Bruderschaft. Jedes Kollegium hatte einen Verwalter, den vilicus, der sich darum kümmerte, daß die Männer seines Bezirks regelmäßig in einem mietfreien aus nahe des Schreins und des Kreuzwegs zusammenkamen; sie sorgten dafür, daß der Schrein und der Kreuzweg immer sauber und gepflegt waren und somit die Mächte des Bösen nicht anzogen. An vielen Straßenecken in Rom stand kein Schrein; man hatte sie nur an den wichtigsten Kreuzungen aufgestellt.

Der Kreuzwegeverein, dessen Vorsteher Lucius Decumius war, befand sich im Erdgeschoß von Aurelias Mietshaus. Bevor er von Aurelia nach ihrem Einzug in das Mietshaus kontrolliert und klein gehalten worden war, hatte Lucius Decumius ein äußerst einträgliches Nebengeschäft geführt — er hatte den Ladenbesitzern und Fabrikanten seines Bezirks gegen Bezahlung Sicherheit garantiert. Als Lucius Decumius Aurelias außergewöhnliche Macht zu spüren bekam, die keinerlei Widerspruch duldete, löste er das Dilemma, indem er sein Geschäft in die äußere Via Sacra und den Vicus Fabricii verlegte, wo es an derartigen Unternehmungen noch fehlte. Auch wenn er dem Zensus nach nur der Vierten Klasse und dem städtischen Tribus der Suburana angehörte, war Lucius Decumius zweifellos eine Macht, mit der man rechnen mußte. Zusammen mit den Vorstehern der anderen Kreuzwegevereine in Rom hatte er sich erfolgreich gegen Gaius Pisos Versuch wehren können, sämtliche Versammlungsorte der Kreuzwegler schließen zu lassen, weil Manilius es so wollte. Gaius Piso und die boni hatten sich daraufhin woanders nach einem Opfer umsehen müssen, und dabei waren sie auf Manilius selbst gekommen. Einen Prozeß wegen Zinswuchers hatte er noch überstanden, aber anschließend wurde er wegen Hochverrats verurteilt und lebenslang verbannt. Sein Vermögen wurde bis auf die letzte Sesterze konfisziert.

Leider war es mit der Bedrohung der Kreuzwegevereine nach dem Ende von Gaius Pisos Amtszeit noch lange nicht vorbei. Der Senat und die Ritter der Achtzehn hatten sich eingeredet, daß solche Kollegien mietfreie Behausungen unterhielten, in denen sich politische Dissidenten sammeln und unter religiöser Schirmherrschaft zusammenschließen konnten. Jetzt waren es Lucius Caesar und Marcius Figulus, die den Kollegien den Garaus machen wollten.

Und deshalb war es ein ziemlich verzweifelter Lucius Decumius, der Caesar in seinen Räumlichkeiten am Vicus Patricii aufgesucht hatte.

»Das ist nicht gerecht!« wiederholte er.

»Ich weiß, Papa«, seufzte Caesar.

»Und wirst du etwas dagegen tun?« wollte der alte Mann wissen.

»Ich werde es natürlich versuchen, Papa. Ich fürchte nur, es wird vergeblich sein. Ich wußte, daß du zu mir kommen würdest, deshalb habe ich bereits mit meinem Vetter Lucius geredet. Er und Marcius Figulus sind fest entschlossen. Mit ein paar Ausnahmen wollen sie alle Kollegien, Glaubensgemeinschaften und Vereine in Rom schließen lassen.« »Mit welchen Ausnahmen?« bellte Lucius Decumius.

»Religiöse Glaubensgemeinschaften wie die Juden. Legale Bestattungsvereine. Die Kollegien der öffentlichen Bediensteten. Zünfte. Das sind alle.«

»Aber wir sind doch religiös!«

»Nicht religiös genug, wenn es nach meinem Vetter Lucius Caesar geht. Die Juden trinken nicht und reden nicht in ihren Synagogen, die Salier, die Luperzier, die Arval-Brüder und andere kommen ohnehin kaum zusammen. Kreuzwegevereine unterhalten Räumlichkeiten, in denen jedermann willkommen ist, auch Sklaven und Freigelassene. Deshalb hält man sie für potentielle Unruheherde.«

»Und wer soll sich um die Laren und ihre Schreine kümmern?«

»Der Stadtprätor und die Ädilen.«

»Die haben doch ohnehin schon zuviel Arbeit.«

»Ich stimme dir zu, Papa, von ganzem Herzen sogar«, beteuerte Caesar. »Das habe ich auch zu meinem Vetter gesagt, aber er hat gar nicht hingehört.«

»Kannst du uns nicht helfen, Caesar? Bitte!«

»Ich werde dagegen stimmen, und ich werde versuchen, möglichst viele dazu zu bringen, es ebenfalls zu tun. Seltsamerweise sind auch einige boni gegen das Gesetz — die Kreuzwegevereine haben eine lange Tradition, deshalb verstößt es gegen den mos maiorum, sie einfach abzuschaffen. Cato bläst in dasselbe Horn. Aber durchkommen wird es trotzdem, Papa... «

»Wir müssen also unsere Tore schließen.«

»Nein, nicht unbedingt.« Caesar lächelte.

»Ich wußte, daß du mich nicht im Stich läßt! Was sollen wir tun?«

»Ihr werdet mit Sicherheit euren öffentlichen Status verlieren, aber das ist nur ein finanzieller Nachteil. Ihr baut euch einfach einen langen Tresen und nennt euch Taverne. Und du bist der Eigentümer.«

»Das geht nicht, Caesar. Der alte Roscius von nebenan würde sofort zum Stadtprätor laufen — wir kaufen unseren Wein bei ihm, seit ich ein Junge war.«

»Dann biete dem Alten die Schankkonzession an. Wenn ihr zumacht, Papa, dann ist er erst recht erledigt.«

»Könnten alle Vereine es so machen?«

»In ganz Rom, meinst du?«

»Ja.«

»Warum nicht? Aber dank einiger Aktivitäten, über die ich lieber Stillschweigen bewahre, seid ihr ein besonders wohlhabendes Kollegium. Die Konsuln sind davon überzeugt, daß die Vereine gezwungen sein werden, zu schließen, weil sie die hohen Erdgeschoßmieten nicht mehr bezahlen können. Die du übrigens auch zahlen mußt, Papa. Meine Mutter ist Geschäftsfrau. Vielleicht gewährt sie dir einen Nachlaß, aber die anderen?« Caesar zuckte die Achseln. »Ich bezweifle, daß der Weinkonsum die Kosten decken würde.«

Lucius Decumius dachte nach. »Wissen die Konsuln, womit wir unseren Unterhalt tatsächlich verdienen, Caesar?«

»Ich wüßte nicht, woher. Ich habe es ihnen jedenfalls nicht erzählt.«

»Dann gibt es kein Problem!« rief Lucius Decumius fröhlich aus. »Die meisten von uns sind im Schutzgeschäft.« Er schnaubte zufrieden. »Und wir werden uns auch weiter um die Kreuzwege kümmern. Sonst stiften die Laren womöglich noch Unruhe. Ich werde eine Versammlung der Verwalter einberufen, Pavo! Wir lassen uns nicht kleinkriegen!«

»Das ist der richtige Kampfgeist, Papa!«

Strahlend trottete Lucius Decumius davon.

Jener Herbst brachte im Apennin sintflutartige Regenfälle, und der Tiber trat auf einer Länge von zweihundert Meilen über die Ufer. Seit Generationen war Rom nicht mehr so schwer heimgesucht worden. Nur die sieben Hügel schauten noch aus dem Hochwasser heraus; das Forum Romanum, Velabrum, der Circus Maximus, die Foren Boarium und Holitorium, die gesamte Via Sacra bis zur Servianischen Mauer, die Manufakturen am Vicus Fabricii — alles stand unter Wasser. Die Abwasserkanäle liefen über, Gebäude mit brüchigen Fundamenten stürzten in sich zusammen, die spärlich besiedelten Hügel Quirinal, Viminal und Aventin wurden zu Lagerstätten für die aus ihren Häusern Vertriebenen, Atemwegserkrankungen grassierten. Wie durch ein Wunder war die alte Holzbrücke heil geblieben, vielleicht weil sie am weitesten flußabwärts lag, während der Pons Fabricius zwischen der Tiberinsel und dem Circus Flaminius weggerissen worden war. Es war zu spät im Jahr geschehen, um noch in die Amtszeit des Volkstribuns zu fallen; Lucius Fabricius, das vielversprechendste Mitglied seiner Familie, kündigte deshalb an, daß er im nächsten Jahr als Volkstribun kandidieren werde. Die Instandhaltung der Brücken und großen Straßen Roms lag in den Händen der Volkstribunen, und Fabricius würde niemand anderem erlauben, die Brücke wiederaufzubauen, die so etwas wie ein Familienbesitz war. Es war immer der Pons Fabricius gewesen, und der Pons Fabricius sollte es auch bleiben.

Caesar erhielt einen Brief von Gnaeus Pompeius Magnus, dem Eroberer des Ostens.

Ach, Caesar, was für ein Feldzug! Die Armeen beider Könige habe ich aufgerollt, und alles sieht gut aus. Ich verstehe nicht, warum Litcullus so lange gebraucht hat. Denk nur, er ist mit seinen eigenen Truppen nicht fertig geworden, dabei habe ich hier alle Männer, die unter ihm gedient haben, und keiner macht auch nur einen Mucks. Ich soll Dich von Marcus Silius grüßen. Ein guter Mann.

Ein seltsames Land, dieses Pontus. Jetzt begreife ich, warum Mithridates so viele .Söldner und Nordländer in seiner Armee hatte. Ein paar von seinen Pontiern sind so primitiv, daß sie noch auf Bäumen leben. Außerdem brauen die hier so einen übelriechenden Likör aus Halmen, und es ist mir ein Rätsel, wie sie das Zeug überleben. Ein paar meiner Männer sind im Osten von Pontus durch einen Wald gegangen, und da standen ein paar große Krüge von dem Gebräu herum. Du weißt ja, wie Soldaten sind! Sie haben es ausgesüffelt und waren davon herrlich betrunken. Bis sie tot umgefallen sind. Das Zeug hat sie umgebracht! Die Kriegsbeute ist sagenhaft. Ich habe alle diese sogenannten uneinnehmbaren Zitadellen erobert, die er überall in Armenia Parva und natürlich im Osten von Pontus errichten ließ. Wir hatten leichtes Spiel. Oh, vielleicht weißt Du nicht, wen ich mit »er« meine: Mithridates. Sämtliche Schätze, die er auf die Seite gebracht hat, steckten in diesen Zitadellen — ungefähr siebzig insgesamt. Es wird Jahre dauern, das alles nach Rom zu schaffen; ein Heer von Schreibern ist mit der Bestandsaufnahme beschäftigt. Ich schätze, ich werde den römischen Staatsschatz damit verdoppeln, und verdoppeln werden sich von nun an auch die Abgaben an Rom.

Bei einem Ort in Pontus, den ich Nicopolis getauft habe — ein Pompeiopolos gab es schon —, habe ich Mithridates in einer Schlacht gestellt — und ihm eine schreckliche Niederlage beigefügt. Er konnte nach Sinoria entkommen. Dort hat er sechstausend Talente in Gold an sich genommen und ist weitergezogen, den Euphrat entlang, um Tigranes zu suchen. Aber auch ihm erging es nicht sehr gut. Während ich Mithridates’ Heer aufrieb, war Phraates der Parther in Armenien einmarschiert und belagerte sogar Artaxata. Tigranes konnte ihn schlagen, und die Parther zogen wieder nach Hause. Aber Tigranes war am Ende. Er wäre nicht mehr in der Lage gewesen, mich aufzuhalten, das versichere ich Dir! Also bat er mich um einen separaten Frieden und ließ Mithridates nicht nach Armenien hinein. Mithridates ging statt dessen nach Norden, sein Ziel war Cimmeria. Er konnte nicht wissen, daß ich bereits fleißig mit seinem Sohn Machares korrespondiert hatte, der in Cimmeria als sein Statthalter eingesetzt war. Jedenfalls habe ich Tigranes Armenien gelassen — allerdings als tributpflichtigen Staat — und mir alles genommen, was westlich des Euphrat liegt, einschließlich Sophene und Corduene. Er mußte mir die sechstausend Talente ersetzen, die Mithridates hatte mitgehen lassen, und außerdem jedem einzelnen von meinen Männern zweihundertvierzig Talente zahlen.

Ob ich mir .Sorgen wegen Mithridates machte? Die Antwort ist: nein. Mithridates war weit über sechzig, jenseits von Gut und Böse. Fabianische Taktik: Ich habe den alten Mann laufenlassen, weil er keine Gefahr mehr für mich war. Und während Mithridates weglief, sind wir marschiert. Varros Schuld. Er konnte es gar nicht erwarten, seine Zehen ins Kaspische Meer zu stecken. Und ich sagte mir: Gut, warum nicht? Also sind wir nordostwärts gezogen.

Keine große Beute und viel zu viele Schlangen, Riesenspinnen und übergroße Skorpione. Seltsam, unsere Männer kämpfen gegen jede Art von menschlichen Feinden, ohne mit der Wimper zu zucken, aber bei Kriechtieren kreischen sie wie die Weiber. Sie haben mir eine Abordnung geschickt und mich gebeten, umzukehren. Wir waren nur noch ein paar Meilen vom Strand des Kaspischen Meeres entfernt. Und trotzdem bin ich umgekehrt. Da war nichts zu machen. Ich gerate ebenfalls in Panik, wenn ich Kriechtiere sehe. Und Varro auch. Unter diesen Umständen hat er gern auf sein Fußbad verzichtet.

Wahrscheinlich weißt Du schon, daß Mithridates tot ist, aber ich will Dir erzählen, wie es dazu kam. Er ist bis Panticapaeum am cimmerischen Bosporus gekommen und hat angefangen, Truppen für eine neue Armee auszugeben. Er war so weitsichtiggewesen, jede Menge Töchter von ihm mitzubringen, und die hat er als Köder genutzt, um skythische Soldaten an Land zu ziehen: Er hat sie den skythischen Königen und Prinzen als Bräute angeboten.

Man muß die Hartnäckigkeit des alten Mannes bewundern, Caesar. Weißt Du, was er vorgehabt hat? Er wollte eine halbe Million Leute um sich sammeln und den ganzen langen Weg nach Italien bis nach Rom ziehen! Oben um das Schwarze Meer herum, durch das Land der Roxolaner bis zur Mündung des Danubius. Dann wollte er am Danubius entlangziehen und alle Stämme entlang des Weges in seine Armee aufnehmen — Dazianer, Bessier, Dardaner. Wie ich hörte, soll der Dazianer Burebistas sehr interessiert gewesen sein. Anschließend wollte er hinüber zum Dravus und zum ,Savus und über die Karnischen Alpen hinein nach Italien ziehen!

Ich vergaß zu erwähnen, daß er Machares zum Selbstmord gezwungen hat, als er nach Panticapaeum kam. Dürstet nach dem Blut des eigenen Sohnes! Verstehe einer diese östlichen Könige.

Während der damit beschäftigt war, seine neue Armee zusammenzustellen, erhob sich Phanagoria (die Stadt auf der anderen Seite des Bosporus). Der Anführer war ein weiterer seiner Söhne, Pharnaces. Ihm hatte ich auch geschrieben. Natürlich schlug Mithridates die Rebellion nieder, aber er machte einen schlimmen Fehler: Er vergab Pharnaces. Wahrscheinlich waren ihm die Söhne ausgegangen. Pharnaces zahlte es ihm zurück, indem er mit einem Haufen ausgeruhter Revolutionäre die Festung Panticapaeum stürmte. Das war das Ende, und Mithridates wußte es. Also ermordete er alle Töchter, die ihm geblieben waren, dazu ein paar Ehefrauen und Konkubinen und sogar noch ein paar Söhne, die noch Kinder waren. Dann nahm er eine gewaltige Dosis Gift. Aber es wirkte nicht; er hatte sich im Laufe der Jahre so oft vergiftet, daß er immun geworden war. Ein Gallier in seiner Leibgarde erledigte die Sache. Er rammte dem alten Knaben das Schwert in die Brust. Ich begrub ihn in Sinope.

Inzwischen habe ich in Syrien aufgeräumt. Rom kann das Erbe antreten. Es gibt keine syrischen Könige mehr. Von östlichen Potentaten habe ich endgültig genug. Syrien wird römische Provinz, das ist sicherer. Zu gern würde ich römische Truppen entlang des Euphrat stationieren — damit die Parther Stoff zum Nachdenken haben. Den Streit zwischen den von Tigranes verschleppten Griechen und den von Tigranes verschleppten Arabern habe ich beigelegt. Ich denke, die Araber sind jetzt zahm, deshalb habe ich einige in die Wüste zurückgeschickt — nicht zu ihrem Schaden übrigens. Abgarus ist der König der Skeniten. (Er soll den jungen Publius Clodius in Antiochia so geärgert haben, daß Clodius das Weite gesucht hat, auch wenn ich nicht weiß, was er ihm angetan hat.) Danach habe ich jemanden mit dem erstaunlichen Namen Sampsiceramus zum Anführer eines anderen Haufens gemacht. Solche Dinge machen mir richtig Spaß, Caesar. Es verschafft einem Befriedigung. Hier draußen ist niemand besonders praktisch veranlagt, und sie streiten und zanken ständig untereinander. Blödsinnig. Es ist ein so reiches Land, man sollte glauben, daß sie miteinander auskommen. Das tun sie aber nicht. Trotzdem, ich kann mich nicht beklagen. Immerhin bedeutet es, daß Gnaeus Pompeius aus Picenum Könige in seiner Klientel hat! Ich habe mir das Magnus verdient, ohne Zweifel. Am schlimmsten sind die Juden — seltsame Menschen. Sie waren ganz vernünftig, bis vor ein paar Jahren die alte Königin Alexandra gestorben ist. Sie hat zwei Söhne hinterlassen, die um die Nachfolge kämpfen. Kompliziert wird das alles dadurch, daß ihre Religion ihnen genauso wichtig ist wie der Staat. Deshalb mußte einer der Söhne Hohepriester werden (wenn ich es richtig verstanden habe). Der andere wollte König der Juden werden, aber der Hohepriester, Hycranus, hatte das Ziel, beide Ämter zu vereinen. Also führten sie einen kurzen Krieg, und Hycranus wurde von dem jüngeren Bruder Aristobulus besiegt. Doch dann trat ein idumäischer Prinz namens Antipater auf den Plan und überredete Hycranus, sich mit König Aretas von den Nabatäern zusammenzutun. Dafür mußte Hycranus zwölf arabische Städte, die von den Juden regiert wurden, an Aretas abtreten. Anschließend belagerten sie Aristobulus in Jerusalem.

In dem Wunsch, den Streitfall zu bereinigen, schickte ich den jungen Scaurus hin. Das war ein Fehler. Er gab Aristobulus recht und schickte Aretas zurück nach Nabatäa. Aristobulus lauerte ihm in der Nähe von Papyron auf, und Aretas unterlag. Als ich nach Antiochia kam, war Aristobulus König der Juden, und Scaurus wußte nicht mehr, was er tun sollte. Als nächstes bekam ich Geschenke von beiden Seiten. Du glaubst nicht, was Aristobulus mir geschickt hat bei meinem Triumphzug wirst Du es sehen. Es ist phantastisch, Caesar, ein Rebstock aus purem Gold, über und über behängt mit goldenen Trauben. Jedenfalls habe ich beide Parteien zu einer Konferenz nach Damaskus bestellt, die im nächsten Frühling stattfinden soll. Ich glaube, Damaskus hat ein wunderbares Klima, ich werde dort überwintern und dem Streit zwischen Tigranes und dem König der Parther ein Ende machen. Diesen Idumäer Antipater würde ich gern kennenlernen; er scheint ein ganz kluger Bursche zu sein. Wahrscheinlich ist er beschnitten. Das sind diese Semiten fast alle. Seltsame Praxis. Ich hänge an meiner Vorhaut, buchstäblich wie metaphorisch. Daß alles gut gelaufen ist, liegt wohl daran, daß ich Varro noch immer bei mir habe, und auch Lenaeus und Theophanes aus Mitylene. Ich habe gehört, daß Lucullus sich damit brüstet, diese wunderbare Frucht mit dem Namen Kirsche nach Italien mitgebracht zu haben, aber ich bringe alle möglichen Pflanzen mit, auch eine süße und besonders saftige Zitrone, die ich in Media gefunden habe — eine rotgelbe Zitrone, ist das nicht seltsam? Eigentlich müßte man sie in Italien anbauen können; sie mag trockene Sommer und trägt im Winter Früchte.

Doch ich sollte zur Sache kommen und Dir sagen, warum ich diesen Brief schreibe. Du bist ein feinsinniger und kluger Mann, Caesar, und es ist mir nicht entgangen, daß Du im Senat immer für mich das Wort ergriffen hast. Mit gutem Erfolgg: Die Piraten sind besiegt. Ich denke, ich bleibe noch zwei Jahre hier im Osten und lasse mich genau zu dem Zeitpunkt wieder zu Hause blicken, wo Deine Zeit als Prätor um ist — falls Du Sullas neues Gesetz ausnutzt, das es Patriziern erlaubt, sich zwei Jahre früher um das Amt zu bewerben.

Es gehört zu meiner politischen Taktik, bis zu meiner Rückkehr zumindest einen Volkstribun in meinem römischen Lager zu haben. Als nächster ist Titus Labienus an der Reihe, und ich weiß, daß Du ihn kennst, denn vor zehn, zwölf Jahren gehörtet Ihr beide zum Stab des Vatia Isauricus in Cilicia. Ein guter Mann, stammt aus Cingulum (wo auch ich herkomme). Und raffiniert obendrein. Er hat mir erzählt, daß Ihr Euch gut vertragen habt. Ich weiß, daß Du kein Magistrat hast, aber vielleicht kannst Du Titus Labienus hin und wieder unter die Arme greifen. Oder er Dir, je nachdem. Ich habe mit ihm über alles gesprochen. Und im Jahr danach — das müßte das Jahr sein, in dem Du Prätor bist — wird Mucias jüngerer Bruder Metellus Nepos mein Mann sein. Ich müßte kurz nach Ablauf seiner Amtszeit zurückkehren, aber das ist nicht sicher.

Ich möchte Dich bitten, Caesar, Dich ein bißchen um mich und die Meinen zu kümmern. Du wirst es weit bringen, auch wenn ich Dir nicht viel von der Welt übriggelassen habe! Ich habe nie vergessen, daß Du mir gezeigt hast, wie man Konsul werden kann. Den korrupten alten Philippus durfte ich ja nicht belästigen.

Dein Freund aus Mitylene, Aulus Gabinius, läßt Dich wärmstens grüßen.

Das Wichtigste zuletzt: Ich bitte Dich um Hilfe bei der Beschaffung von Land für meine Soldaten. Für Labienus kommt die Aufgabe zu früh, Nepos wird sich darum kümmern müssen. Ich schicke ihn rechtzeitig vor den nächsten Wahlen nach Hause. Schade, daß Du noch nicht Konsul sein kannst, wenn der Kampf um mein Land so richtig losgeht. Vielleicht zieht es sich so lange hin, bis Du designierter Konsul bist. Dann könntest Du mir eine große Hilfe sein. Es wird ein hartes Stück Arbeit werden.

Caesar legte den langen Brief zur Seite und stützte das Kinn auf die Hand. Er mußte nachdenken. Pompeius’ schlichte Prosa mit ihren beiläufigen Seitenhieben gefiel ihm, und wenn sie noch so naiv klang; sie ließ Magnus auf eine Weise plastisch vor ihm erstehen, wie die polierten Reden, die Varro einst für Pompeius’ Pflichtauftritte im Senat verfaßte, es nie vermocht hatten.

Als er Pompeius kennengelernt hatte, an jenem denkwürdigen Tag im Hause seiner Tante Julia, an dem Pompeius um die Hand von Mucia Tertia angehalten hatte, war Caesar ihm sehr ablehnend gegenübergestanden. Und wahrscheinlich würde er den Mann nie richtig gernhaben. Die Jahre hatten seine Gefühle jedoch ein wenig erwärmt, inzwischen überwog das Wohlwollen die Abneigung. Seine Eitelkeit und das polterige Auftreten waren natürlich ebenso unverzeihlich wie seine offenkundige Mißachtung der Gesetze. Trotzdem war er ein hochbegabter und fähiger Mann. Er hatte sich nicht viele Fehltritte geleistet, und je älter er wurde, desto sicherer wurde er in seinem Handeln. Crassus haßte ihn natürlich, und das brachte Schwierigkeiten mit sich. Caesar mußte versuchen, zwischen diesen beiden seinen Kurs zu steuern.

Titus Labienus. Ein grausamer, ungehobelter Kerl. Groß, muskulös, gelocktes Haar, Hakennase, blitzende schwarze Augen. Auf jedem Pferderücken zu Hause. Und was seine Herkunft betraf, so bereitete sie nicht nur Caesar Kopfzerbrechen; selbst Pompeius hatte einmal die Vermutung geäußert, Mormolyce habe das Neugeborene aus der Krippe genommen und der Mutter ihr eigenes Kind untergeschoben, um es als Erben des Titus Labienus aufwachsen zu lassen. Interessant, daß Labienus Pompeius mitgeteilt hatte, wie gut er damals mit Caesar ausgekommen sei. Und es stimmte ja auch. Als leidenschaftliche Reiter waren sie manches Mal gemeinsam über das Land um Tarsus galoppiert und hatten lange Diskussionen über die Rolle der Reiterei bei einer Schlacht geführt. Aber Caesar war nie richtig warm mit ihm geworden, trotz der unbestreitbaren Talente dieses Mannes. Labienus war jemand, dessen man sich bediente, ohne ihm wirklich zu trauen.

Caesar konnte gut verstehen, warum Pompeius die Rolle des Labienus als Volkstribun so viel Unbehagen verursachte, daß er ihn, Caesar, um Unterstützung gebeten hatte. Das neue Gremium war eine besonders eigentümliche Mischung aus unabhängigen Individuen; womöglich würden sie zehn verschiedene Strategien verfolgen und sich ständig gegenseitig mit Vetos blockieren. Aber einen Fehler hatte Pompeius gemacht: Wenn Caesar die ihm gefügigen Volkstribunen zusammengestellt hätte, dann hätte er Labienus für das Jahr aufgespart, in dem es um den Anspruch auf Ländereien für die Veteranen gehen sollte. Nach allem, was er von Metellus Nepos wußte, war dieser Mann ein echter Caecilianer — ihm fehlte es an der nötigen Härte. Für eine solche Aufgabe wäre ein temperamentvoller Picentiner ohne Herkunft und Ziel der geeignetere Mann.

Mucia Tertia. Witwe des jungen Marius, Ehefrau von Pompeius dem Großen. Mutter von Pompeius’ Kindern — einem Mädchen und zwei Jungen. Warum hatte er sich eigentlich noch nicht mit ihr befaßt? Vielleicht ging es ihm mit ihr genauso, wie es ihm mit Bibulus’ Frau Domitia gegangen war — die Aussicht darauf, Pompeius Hörner aufzusetzen, war so verlockend, daß er den Akt an sich immer wieder hinauszögerte. Bei Domitia (der Cousine von Catos Schwager Ahenobarbus) war er inzwischen zur Tat geschritten, auch wenn Bibulus noch nichts davon wußte. Er würde es erfahren! Was für ein Spaß! Aber wollte er Pompeius denn wirklich so sehr verletzen? Vielleicht würde er Pompeius noch brauchen, so wie Pompeius ihn jetzt brauchte. Wirklich jammerschade! Von allen Frauen auf seiner Liste gefiel ihm Mucia Tertia am besten. Und daß auch sie ein Auge auf ihn geworfen hatte, wußte er seit Jahren. Aber... war es den Einsatz wert? Nein. Wahrscheinlich nicht. Mit leisem Bedauern strich Caesar Mucia Tertia im Geiste von seiner Liste.

Und das sollte sich bald als klug erweisen. Als das Jahr zur Neige ging, kehrte Labienus von seinen Besitzungen in Picenum zurück und zog in ein bescheidenes Haus, das er kürzlich auf dem Palatium gekauft hatte, auf der spärlich besiedelten und wenig vornehmen Seite des Palatin. Gleich am nächsten Tag kam er zu Caesar herunter, gerade spät genug, um keinen der Männer, die sich noch in Aurelias Wohnung aufhielten, auf die Idee zu bringen, er sei auch einer von Caesars Klienten.

»Laß uns nicht hier reden, Titus Labienus«, sagte Caesar und zog ihn zur Tür. »Ich habe weiter oben in der Straße noch eine Wohnung.«

»Es ist hübsch hier«, sagte Labienus, nachdem er es sich in einem Sessel gemütlich gemacht hatte, ein Glas leicht verdünnten Wein neben sich.

»Und wesentlich ruhiger«, sagte Caesar und nahm in einem anderen Sessel Platz, aber nicht hinter seinem Schreibtisch; der Mann sollte nicht den Eindruck haben, als stünden Geschäfte auf der Tagesordnung. »Es würde mich interessieren«, sagte er nach einem Schluck Wasser, »warum Pompeius dich nicht für das übernächste Jahr aufgespart hat.«

»Er hatte nicht vorgehabt, so lange im Osten zu bleiben«, antwortete Labienus. »Er wollte bis zum nächsten Frühling zurück sein, aber dann ist ihm das Judenproblem in Syrien dazwischengekommen. Stand das nicht in seinem Brief?«

Labienus wußte also von dem Brief. Caesar lächelte. »Du kennst ihn mindestens so gut wie ich, Labienus: Er hat mich gebeten, dir alle nur mögliche Hilfe zu geben, und er mir auch von seinen Schwierigkeiten mit den Juden erzählt. Aber er hat nichts davon gesagt, daß er eigentlich vorgehabt hatte, früher zurückzukommen.«

Die schwarzen Augen seines Gegenübers funkelten, aber durchaus nicht amüsiert; Labienus hatte nicht viel Sinn für Humor.

»Nun, das ist es, das ist der Grund. Statt eines glänzenden Tribunals erwartet mich allenfalls die Aufgabe, ein Gesetz durchzubringen, das es Pompeius erlaubt, bei den Spielen die Insignien des Triumphes zu tragen.«

»Mit oder ohne minium im Gesicht?«

Labienus lachte kurz auf. »Du kennst Magnus, Caesar. Minium würde er nicht einmal während seines Triumphzugs tragen.«

Caesar fing an, die Situation ein bißchen besser zu verstehen. »Bist du Magnus’ Klient?« wollte er wissen.

»Ja sicher. Welcher Mann aus Picenum wäre das nicht?«

»Und doch bist du nicht mit ihm nach Osten gegangen?«

»Als er die Seeräubernester ausgehoben hat, waren nicht einmal Afranius und Petreius dabei, auch wenn er sie später noch einschleusen konnte, als es gegen die beiden Könige ging. So wie auch Lollius Palicanus und Aulus Gabinius. Vergiß nicht, daß mein Zensus nicht für den Senat gereicht hat, deshalb konnte ich auch nicht als Quästor kandidieren. Ein armer Mann muß Volkstribun werden und vor dem nächsten Zensus genug Geld zusammengekratzt haben, um in den Senat zu kommen«, sagte Labienus verbittert.

»Ich dachte immer, Magnus wäre so großzügig. Hat er dir keine Hilfe angeboten?«

»Seine Großzügigkeit spart er sich für diejenigen auf, die wichtige Dinge für ihn tun können. In seinen Plänen war ich höchstens ein Versprechen.«

»Und nicht einmal ein besonders großes, wenn außer den Insignien des Triumphes nichts für den Tribun Labienus vorgesehen ist.«

»So ist es.«

Caesar seufzte und streckte die Beine aus. »Ich nehme an«, sagte er, »daß du dir in deinem Jahr im Kollegium gern einen Namen machen würdest.«

»Sehr gern.«

»Es ist lange her, daß wir als junge Militärtribunen unter Vatia Isauricus Dienst getan haben, und es tut mir leid, daß das Leben in all den Jahren nicht freundlicher zu dir gewesen ist. Leider gestattet es mir meine finanzielle Lage nicht, dir einen Kredit zu geben, und ich kann verstehen, daß du dich mir nicht als Klient anschließen willst. Aber in vier Jahren bin ich Konsul, Titus Labienus, also werde ich in fünf Jahren eine Provinz übernehmen. Ich habe nicht die Absicht, ein zahmer Statthalter in einer zahmen Provinz zu sein. Wo immer ich hingehen werde, wird es viel militärische Arbeit zu leisten geben, deshalb brauche ich ein paar erstklassige Männer, die mir als Legaten dienen. Und vor allem brauche ich einen Legaten mit dem Status eines Proprätors, der für mich auch einmal einen Feldzug auf eigene Faust durchführt. Was ich von dir im Gedächtnis behalten habe, Titus Labienus, ist dein strategischer Verstand. Deshalb möchte ich jetzt und hier ein Abkommen mit dir schließen. Paragraph eins: Ich werde während deiner Amtszeit als Volkstribun eine Aufgabe für dich finden, mit der du dir einen Namen machen kannst. Paragraph zwei: Wenn ich als Prokonsul in meine Provinz gehe, wirst du mich als Erster Legat mit proprätorialem Status begleiten«, sagte Caesar.

Labienus atmete tief durch. »Was ich von dir im Gedächtnis behalten habe, Caesar, ist dein strategischer Verstand. Seltsam! Mucia hat gesagt, man müsse dich beobachten. Ich hatte den Eindruck, daß sie von dir mit größerem Respekt spricht als von Magnus.«

»Mucia?«

Die schwarzen Augen blickten ruhig. »Ja.«

»Siehe da! Wie viele Leute wissen davon?« fragte Caesar.

»Niemand, will ich hoffen.«

»Hat er sie nicht in seiner Festung eingeschlossen, während er fort ist? Sonst hat er das immer getan.«

»Sie ist kein kleines Mädchen mehr, falls sie das je war«, sagte Titus Labienus, und jetzt funkelten seine Augen wieder. »Sie ist wie ich, sie hatte ein hartes Leben. Ein hartes Leben ist ein guter Lehrer. Wir sind gewohnt, Mittel und Wege zu finden.«

»Wenn du sie siehst, kannst du ihr bestellen, daß ihr Geheimnis bei mir gut aufgehoben ist«, erwiderte Caesar lächelnd. »Und sollte Magnus dahinterkommen, hast du von der Seite ohnehin keine Hilfe mehr zu erwarten. Also sag, interessiert dich mein Angebot?«

»Aber ja.«

Nachdem Labienus gegangen war, blieb Caesar noch eine Weile reglos sitzen. Mucia Tertia hatte also einen Liebhaber, und sie hatte Picenum nicht einmal verlassen müssen, um ihn zu finden. Was für eine ungewöhnliche Wahl! Er konnte sich keine drei unterschiedlicheren Männer vorstellen als den jungen Marius, Pompeius Magnus und Titus Labienus. Eine experimentierfreudige Dame. Ob Labienus ihr wohl besser gefiel als die beiden anderen? Oder war er nur eine Abwechslung im Einerlei des Alleinseins? Große Auswahl hatte sie ja nicht.

Mit Sicherheit würde Pompeius dahinterkommen. Liebende wähnten sich immer unbeobachtet, aber wenn sich ihr Verhältnis in Picenum abspielte, konnte es gar nicht unentdeckt bleiben. In Pompeius’ Brief gab es keinen Hinweis darauf, daß es ihm schon jemand hinterbracht hatte, aber es war nur eine Frage der Zeit. Und dann würde Titus Labienus auf all das verzichten müssen, was er vielleicht von Pompeius bekommen hätte, auch wenn er sich ohnehin keine allzu großen Hoffnungen mehr auf Pompeius’ Gunst zu machen schien. Vielleicht speiste sich der Reiz, den Mucia Tertia auf ihn ausübte, aus dieser Enttäuschung. Durchaus möglich.

Aber das alles war gar nicht so wichtig; es beschäftigte Caesar viel mehr, wie er Titus Labienus ein denkwürdiges Jahr als Volkstribun verschaffen sollte. Im gegenwärtigen Klima politischer Trägheit und mangelnder Inspiration der kurulischen Magistrate war das ein schwieriges, wenn nicht gar aussichtsloses Unterfangen. So ziemlich das einzige, was diese Schlafmützen auf Trab bringen würde, wäre eine radikale Reform des Bodenrechts, die es dem Staat erlauben würde, jeden Morgen römischen Bodens an die Armen zu verteilen — ein Gesetz, das mit Sicherheit nicht in Pompeius’ Sinne gewesen wäre, benötigte er doch jeden Quadratmeter öffentlichen Bodens als Abfindung für seine Soldaten.

Als die neuen Volkstribunen am zehnten Dezember ihr Amt aufnahmen, trat die Verschiedenheit der einzelnen Männer überdeutlich zutage. Caecilius Rufus besaß die Kühnheit, den Antrag zu stellen, man solle es den in Ungnade gefallenen designierten Konsuln Publius Sulla und Publius Autronius gestatten, sich in Zukunft wieder um das Konsulat zu bewerben; es war keine Überraschung, daß die übrigen neun ihr Veto gegen diesen Antrag einlegten. Ebensowenig überraschend war die Reaktion auf Labienus’ Gesetzesvorlage, die es Pompeius gestatten sollte, bei allen öffentlichen Spielen die Insignien des Triumphes zu tragen — sie wurde ohne Widerstand zum Gesetz.

Für das erste Aufsehen sorgte Publius Servilius Rullus, als er vorschlug, jeden einzelnen Morgen öffentlichen römischen Bodens, sei es in Italien oder in den Provinzen, unter den Bedürftigen zu verteilen. Der lange Schatten der Gracchen! Rullus hatte das Feuer entzündet, das träge Senatoren in reißende Wölfe verwandelte.

»Sollte Rullus damit durchkommen, so findet Magnus kein staatliches Land mehr für seine Veteranen, wenn er zurückkehrt«, sagte Labienus zu Caesar.

»Aber diesen Aspekt hat Rullus nicht erwähnt«, erwiderte Caesar gelassen. »Da er es vorzog, sein Gesetz gleich dem Senat vorzulegen, statt es zuerst in den Komitien debattieren zu lassen, hätte er Magnus’ Soldaten unbedingt erwähnen müssen.«

»Hätte er nicht. Es weiß ohnehin jeder.«

»Stimmt. Aber wenn es irgend etwas gibt, das ein begüterter Mann haßt, dann ist es ein neues Bodenrecht. Der ager publicus ist ihm heilig. Zu viele Familien von Senatoren haben welchen gepachtet und verdienen gutes Geld damit. Schon schlimm genug, wenn man den Truppen eines siegreichen Feldherrn etwas davon abgeben soll, aber die Forderung, das alles sollte unter eine zahllose Masse von Gesindel verteilt werden — ein Graus! Wenn Rullus sich hingestellt und unverblümt gesagt hätte: >Was Rom nicht mehr gehört, kann Pompeius’ Truppen nicht mehr geschenkt werden<, dann hätte er vielleicht aus irgendeiner obskuren Ecke Beifall dafür bekommen. Aber so hat die Vorlage überhaupt keine Chance.«

»Wirst du gegen sie das Wort ergreifen?« fragte Labienus.

»Nein, ganz sicher nicht! Ich werde sie lautstark unterstützen«, antwortete Caesar lächelnd. »Wenn ich sie unterstütze, werden viele der ewig Unentschiedenen aufspringen und dagegen wettern, und sei es nur, weil ihnen nichts von dem paßt, was ich vertrete. Cicero ist ein ausgezeichnetes Beispiel. Er hat einen neuen Namen für Männer wie Rullus erfunden: Popularis — lieber für das Volk als für den Senat. Das gefällt mir. Ich werde alles daransetzen, daß man mich einen popularis nennt.«

»Du wirst Magnus verärgern, wenn du dafür sprichst.«

»Nicht wenn er den Brief liest, den ich ihm zusammen mit der Abschrift von meiner Rede schicke. Magnus kann ein Schaf von einem Bock unterscheiden.«

Labienus machte ein finsteres Gesicht. »Das alles wird schrecklich lange dauern, Caesar, und ich habe damit nichts zu tun. Wo bleibe ich?«

»Du hast das Gesetz durchgebracht, das Magnus bei den Spielen seine Insignien sichert, und jetzt drehst du Däumchen, bis der Rummel um Rullus sich gelegt hat. Alles nur eine Frage der Zeit. Hauptsache, du stehst als letzter auf beiden Beinen.«

»Hast du eine Idee?«

»Nein«, sagte Caesar.

»Laß dich doch nicht so bitten!«

Caesar lächelte. »Keine Sorge, Labienus. Mir wird schon etwas einfallen. Mir ist immer etwas eingefallen.«

Als er zu Hause war, suchte Caesar seine Mutter auf. Ihr winziges Büro war der einzige Raum, in den Pompeia nicht einzudringen wagte, wenn sie auch sonst keine Angst vor ihrer Schwiegermutter hatte; Aurelias Hang zum Addieren von Zahlen schreckte sie ab. Außerdem war es klug gewesen, Pompeia sein Arbeitszimmer zur Verfügung zu stellen (Caesar hatte ja noch seine Wohnung, in der er arbeiten konnte). Solange sie das Arbeitszimmer und das daran angrenzende Eheschlafzimmer benutzen durfte, hielt sie sich in den anderen Bereichen von Aurelias Wohnung nicht auf. Die Geräusche lachender und plappernder Frauen drangen aus dem Arbeitszimmer, aber niemand kam heraus, um Caesar in den Weg zu treten.

»Wer ist bei ihr?« fragte er und setzte sich in den Sessel gegenüber Aurelias Schreibtisch.

Der Platz war so schmal, daß ein fülligerer Mann als Caesar Probleme gehabt hätte, sich in den Sessel zu quetschen, aber in der Logik und Zweckmäßigkeit, mit der hier alles geordnet war, zeigte sich Aurelias Hand: Regale für Rollen und Papier, an denen sie ihren Kopf nicht stoßen würde, wenn sie sich aus ihrem eigenen Sessel erhob, aufeinander gestapelte Ablagekörbe auf den Teilen des Schreibtischs, die sie für die aktuelle Arbeit nicht benötigte; die ledernen Behälter für die Bücher hatte sie in die Ecken des Zimmers verbannt.

»Wer ist bei ihr?« wiederholte er seine Frage, als sie nicht antwortete.

Sie ließ die Feder sinken, sah ihn widerwillig an und seufzte. »Eine schrecklich alberne Gesellschaft«, sagte sie.

»Das mußt du mir nicht sagen. Albernheit zieht Albernheit an. Wer?«

»Beide Clodias. Und Fulvia.«

»Oje! Viel Rasse und wenig Geist. Treibt sich Pompeia auch mit Mannern herum, Mater?«

»Nein, nie. Hier in meinem Hause dulde ich es nicht, und wenn sie ausgeht, gebe ich ihr Polyxena mit. Polyxena ist absolut unbestechlich. Natürlich nimmt Pompeia ihr dümmliches Mädchen auch mit, aber mit Polyxena können die beiden es nicht aufnehmen, da kannst du sicher sein.«

Seine Mutter fand, daß Caesar müde aussah. Sein Jahr als Vorsitzender des Mordgerichts war äußerst anstrengend gewesen, und er hatte es mit der ihm eigenen Gründlichkeit und Tatkraft hinter sich gebracht.

Mochten andere Gerichtspräsidenten eine ruhige Kugel schieben und ausgedehnte Ferien machen, so etwas gab es bei Caesar nicht. Natürlich wußte Aurelia von seinen Schulden, aber das Thema Geld führte zwangsläufig zu Spannungen zwischen ihnen. Auch wenn sie darauf brannte, ihn danach zu fragen, sie verkniff es sich und sagte kein Wort. Er selbst gestattete es sich nicht, sich wegen einer Schuldensumme der Verzweiflung zu überlassen, die jetzt, wo er das Darlehen nicht zurückzahlen konnte, rapide anstieg; irgendwo in seinem Inneren schien er überzeugt davon zu sein, das Geld eines Tages aufbringen zu können, aber Aurelia wußte, daß Geldsorgen sich wie ein grauer Schatten selbst auf das heiterste und zuversichtlichste Gemüt legen konnten. Und sie zweifelte nicht daran, daß ein solcher Schatten auch auf seinem Gemüt lag.

Und sein Verhältnis mit Servilia dauerte noch immer an. Nichts schien dieser Beziehung etwas anhaben zu können. Julia dagegen, die einen Monat nach ihrem dreizehnten Geburtstag zu menstruieren begonnen hatte, zeigte immer weniger Begeisterung für Brutus. Natürlich ließ sich das Mädchen nicht zu Grobheiten oder auch nur zu unhöflichen Äußerungen hinreißen, aber statt sich jetzt, wo sie zur Frau heranreifte, stärker zu Brutus hingezogen zu fühlen, wurde sie merklich kühler; Zuneigung und Mitgefühl waren ersetzt worden durch — Langeweile? Ja, Langeweile. Ein Gefühl, das keine Ehe verkraftete.

All diese Probleme lagen Aurelia schwer auf der Seele, während andere vergleichsweise kleinere Ärgernisse darstellten: die Wohnung, zum Beispiel, die für einen Mann von Caesars Bedeutung viel zu klein geworden war. Schon längst nicht mehr konnten sich alle seine Klienten auf einmal hier versammeln, und es war auch keine gute Adresse für einen Mann, der in fünf Jahren Erster Konsul sein würde. Und daran hatte Aurelia nicht die geringsten Zweifel. Sein Name, seine Herkunft, sein Aussehen, sein Charme, die Gelassenheit seines Auftretens und seine intellektuellen Fähigkeiten waren eine Garantie dafür, daß Caesar bei jeder Wahl ganz oben stehen würde. Er hatte zwar eine Menge einflußreicher Feinde, aber keiner von ihnen würde seine Machtbasis innerhalb der ersten beiden Klassen, die so wichtig für seinen Erfolg in den Zenturien war, ernsthaft erschüttern können. Ganz abgesehen davon, daß er in den Klassen, die in den Zenturien nicht viel zählten, ein weitaus höheres Ansehen genoß als seinesgleichen. Caesar bewegte sich inmitten des Stimmviehs der unteren Klasse so ungezwungen wie unter den Konsularen. Aber wie sollte sie das Thema eines angemessenen Domizils anschneiden, ohne auf die unangenehmen Geldprobleme zu sprechen zu kommen?

Aurelia seufzte leise und faltete die Hände vor sich auf dem Tisch. »Caesar, nächstes Jahr wirst du als Prätor kandidieren«, sagte sie, »und ich sehe dabei große Schwierigkeiten.«

»Meine Adresse«, erwiderte er ohne zu zögern.

Ihr Lächeln wirkte gequält. »Dein Scharfsinn läßt nichts zu wünschen übrig.«

»Sind wir beim Vorspiel zu einem Streit über Geldangelegenheiten?«

»Nein, sind wir nicht. Das hoffe ich jedenfalls. Ich habe über die Jahre ein hübsches Sümmchen zusammengespart, und das Mietshaus ließe sich zu besten Konditionen beleihen. Ich könnte dir Geld geben, damit du dir ein schönes Haus auf dem Palatin oder dem Carinae kaufst.«

Seine Lippen wurden schmal. »Das ist sehr großzügig von dir, Mater, aber ich nehme kein Geld von dir. Ebensowenig wie von meinen Freunden. Verstehst du?«

Man sah ihr beim besten Willen nicht an, daß sie schon im zweiundsechzigsten Lebensjahr war. Nicht eine einzige Runzel auf der Stirn oder am Hals. Vielleicht lag es daran, daß sie ein wenig rundlicher geworden war; ihr wahres Alter zeigte sich allenfalls in ein paar winzigen Fältchen um die Mundwinkel herum.

»Ich dachte mir, daß du so reagieren würdest«, sagte sie ganz ruhig. Und dann bemerkte sie scheinbar ohne Zusammenhang: »Metellus Pius Pontifex Maximus soll es gar nicht gutgehen.«

Darüber erschrak er. »Wer sagt das?«

»Zum einen Clodia, und die weiß es von ihrem Mann. Celer sagt, daß die Familie sich große Sorgen macht. Und zum anderen von Aemilia Lepida. Metellus Scipio ist sehr niedergeschlagen über den Gesundheitszustand seines Vaters. Seit dem Tod seiner Frau geht es ihm schlecht.«

»Es stimmt, der Alte ist schon länger zu keiner Sitzung mehr gekommen«, stellte Caesar fest.

»Er wird auch zu keiner mehr kommen. Wenn ich sagte, daß es ihm nicht gutgeht, dann meinte ich damit, daß er im Sterben liegt.«

»Und?« Caesar wuffte nicht, worauf sie hinauswollte.

»Wenn er stirbt, dann wird das Kollegium der Pontifices einen neuen Pontifex Maximus wählen müssen.« Die großen, leuchtenden Augen, Aurelias hervorstechendstes Merkmal, wurden schmaler. »Caesar, wenn man dich zum Pontifex Maximus machen würde, dann wären deine dringlichsten Probleme gelöst. Zuerst und vor allem hätten deine Gläubiger die Gewißheit, daß du auf jeden Fall Konsul wirst. Und dann würden sie dir — wenn nötig — auch über deine Zeit als Prätor hinaus Kredit gewähren. Nimm den Fall an, das Los beschert dir Sardinien oder Africa als prätoriale Provinz, dort bekommst du als Statthalter deine Verluste bestimmt nicht wieder herein, und ich könnte mir vorstellen, daß deine Gläubiger dann recht ungeduldig werden.«

Der Anflug eines Lächelns schimmerte in seinen Augen auf, aber sein Gesicht blieb regungslos. »Ein bewundernswertes Kalkül, Mater«, sagte er.

Sie fuhr fort, als hätte er nichts gesagt: »Zweitens würde das Amt des Pontifex Maximus dich mit einer Residenz auf Staatskosten ausstatten, und da es eine Lebensstellung ist, dürftest du das Domus Publica bis an dein Lebensende bewohnen. Es ist groß und repräsentativ und steht auf dem Forum. Ich habe mich bereits vorsichtig unter den Ehefrauen deiner Priesterkollegen umgehört«, schloß sie, so ruhig und gelassen wie immer.

Caesar seufzte. »Ein vortrefflicher Plan, Mater, aber du kannst ihn ebensowenig in die Tat umsetzen wie ich. Gegen Männer wie Catulus und Vatia Isauricus und mindestens die Hälfte der anderen im Kollegium komme ich nicht an. Erstens geht der Posten gewöhnlich an einen Mann, der schon einmal Konsul war, und zweitens wird das Kollegium von den konservativsten Elementen des Senats bevölkert. Und die mögen mich nun einmal nicht.«

»Ich mache mich trotzdem an die Arbeit«, sagte Aurelia.

In diesem Augenblick hatte Caesar einen Geistesblitz. Vielleicht war es doch zu schaffen. Er warf den Kopf in den Nacken und lachte laut. »O ja, Mater, mach du dich nur an die Arbeit!« sagte er und wischte sich eine Träne der Heiterkeit aus den Augen. »Ich weiß eine Lösung — meine Güte; wird das ein Eklat!«

»Und wie sieht deine Lösung aus?«

»Weißt du, eigentlich bin ich wegen Titus Labienus zu dir gekommen, du weißt schon, Pompeius’ Vertrauensmann unter den diesjährigen Volkstribunen. Ich wollte ein bißchen laut nachdenken. Du bist so gescheit, dir kann man so gut die Bälle zuwerfen.«

Sie hob eine ihrer schmalen Augenbrauen, ihre Mundwinkel zuckten. »Danke für die Blumen! Kann man mir die Bälle besser zuwerfen als Servilia?«

»Ich weiß, wie du über diese Beziehung denkst, Mater, aber halte mich bitte nicht für naiv. Servilia hat viel politisches Gespür. Und sie liebt mich. Aber sie gehört nicht zu meiner Familie, und man darf ihr nicht wirklich trauen. Bei ihr muß ich aufpassen, daß ich nicht den falschen Ball aus der Hand gebe.«

»Da bin ich aber froh«, sagte Aurelia erleichtert. »Und was hast du nun für eine brillante Inspiration?«

»Als Sulla die lex Domitia de sacerdotiis für null und nichtig erklärte, ist er noch einen Schritt weiter gegangen, als Sitte und Brauch es verlangten, und hat auch den Pontifex Maximus nicht mehr von den Tribus wählen lassen. Vor Sullas Zeiten war er gewählt und nicht durch Übereinkunft seiner Priesterkollegen bestimmt worden. Ich werde Labienus beauftragen, ein Gesetz einzubringen, das die Wahl der Priester und Auguren wieder in die Hände des Volkes und seiner Tribus legt. Auch die Wahl des Pontifex Maximus. Dem Volk wird diese Vorlage gefallen.«

»Dem gefällt alles, was ein Gesetz Sullas aufhebt.«

»Eben. Und dann muß ich mich nur noch zum Pontifex Maximus wählen lassen«, sagte Caesar und erhob sich.

»Titus Labienus soll das Gesetz unverzüglich einbringen, Caesar. Schieb es nicht auf die lange Bank! Man weiß nicht, wie lange Metellus Pius noch lebt. Er ist sehr einsam ohne seine Licinia.«

Caesar hob die Hand seiner Mutter an die Lippen. »Mater, ich danke dir. Ich werde die Sache sofort in Angriff nehmen. Auch Pompeius Magnus kommt ein solches Gesetz zugute. Er wäre für sein Leben gern Priester oder Augur, und das Kollegium würde ihn nie und nimmer dazu bestimmen. Aber eine Wahl würde er jederzeit gewinnen.«

Geschnatter und Gelächter im Arbeitszimmer waren lauter geworden, als Caesar in das Vestibül trat; eigentlich hatte er das Haus unverzüglich verlassen wollen, aber er entschloß sich spontan zu einem kurzen Besuch bei seiner Frau.

Was für eine Versammlung, dachte er, während er unbemerkt in der Tür zum Eßzimmer stand. Pompeia hatte das einst so schlichte Arbeitszimmer völlig umgestaltet. Überall standen jetzt Liegen mit Gänsedauenmatratzen und einer Unzahl von purpurroten Kissen und Decken und jede Menge teurer, aber gewöhnlicher Schnickschnack sowie Gemälde und Statuen herum. Und das Schlafzimmer, das einmal ebenso schlicht gewesen war, zeugte jetzt — wie er bei einem Blick durch die geöffnete Tür feststellen konnte — von derselben süßlichen Geschmacklosigkeit.

Pompeia hatte es sich auf der besten Liege bequem gemacht, aber nicht allein; Aurelia mochte ihr untersagen, sich mit Männern zu amüsieren, aber ihrem leiblichen Bruder Quintus Pompeius Rufus Junior konnte sie seine Besuche schlecht verbieten. Er war Anfang Zwanzig, ein wilder Bursche, dessen Ruf zunehmend übler wurde. Ohne Zweifel hatte sie die jungen Damen aus dem Clodius-Clan durch seine Vermittlung kennengelernt; Pompeius Rufus’ bester Freund war niemand anderer als Publius Clodius, der zwar drei Jahre älter, aber deshalb nicht weniger ungezügelt war.

Aurelias’ Verbot verwehrte Clodius selbst den Zutritt, aber nicht seinen beiden jüngeren Schwestern Clodia und Clodilla. Eigentlich bedauerlich, dachte Caesar kühl, daß die Lasterhaftigkeit dieser beiden verheirateten Frauen durch ihr gutes Aussehen noch begünstigt wird. Clodia, verheiratet mit Metellus Celer (dem älteren von Mucia Tertias zwei Halbbrüdern), war noch ein wenig schöner als ihre jüngere Schwester Clodilla, die unter großem Aufsehen von Lucullus geschieden worden war. Wie alle Claudii Pulchri waren sie sehr dunkel, mit großen und leuchtenden schwarzen Augen, langen, geschwungenen Wimpern, einer Überfülle schwarzen, gewellten Haars und leicht olivenfarbener, aber makelloser Haut. Obwohl die Schwestern nicht groß waren, hatten sie beide eine ausgezeichnete Figur, verstanden es, sich zu kleiden, und bewegten sich mit Anmut. Und sie waren sogar belesen, besonders Clodia, die durchaus einen Sinn für erstrangige Lyrik hatte. Die beiden saßen gegenüber von Pompeia und ihrem Bruder auf einem Liegebett, ihre Gewänder fielen ihnen auf eine Weise von den leuchtenden Schultern, daß man mehr als nur eine Ahnung von den wunderbar geformten, vollen Brüsten bekam.

Fulvia unterschied sich körperlich gar nicht so sehr von ihnen, auch wenn sie eine hellere Haut hatte und ihr hellbraunes Haar und die violetten Augen mit den dunklen Brauen und Wimpern Caesar an seine Mutter erinnerten. Sie war eine sehr entschiedene, kompromißlose junge Dame, der viele ziemlich törichte Ideen durch den Kopf geisterten, die ihrer romantischen Verehrung für die Gracchus-Brüder — ihren Großvater Gaius und ihren Großonkel Tiberius — entsprungen waren. Caesar wußte, daß die Eltern gegen die Ehe mit Publius Clodius gewesen waren. Aber das hatte Fulvia nicht daran gehindert, ihren Willen durchzusetzen. Seit der Heirat war sie mit Clodius’ Schwestern befreundet, eine Freundschaft, die keiner von den dreien guttat.

Aber keine dieser Frauen störte Caesar so sehr wie die beiden gereiften, etwas zwielichtigen Damen, die es sich zusammen auf der dritten Liege gemütlich gemacht hatten: Sempronia Tuditani, Gattin des einen Decimus Junius Brutus und Mutter des anderen (eigentlich seltsam, daß sie Fulvias Freundin war — die Sempronii Tuditani waren unerbittliche Feinde der beiden Gracchen gewesen, wie auch die Familie von Decimus Junius Brutus Callaicus, dem Großvater von Sempronia Tuditanis Ehemann) und Palla, die sowohl mit dem Zensor Philippus als auch dem Zensor Poplicola verheiratet gewesen war und beiden je einen Sohn geschenkt hatte. Sempronia Tuditani und Palla mußten um die Fünfzig sein, auch wenn sie alle kosmetischen Finessen anwandten, um das zu verbergen, vom stibium um die Augen bis hin zum Karminrot auf Wangen und Mund. Auch ihren Körpern hatten sie die Üppigkeit der mittleren Jahre nicht zugestehen wollen; sie hatten sich spindeldürr gehungert und trugen spärliche, wehende Kleider, wohl in der Hoffnung, sich damit die längst entschwundene Jugend zu erhalten. Das Ergebnis all dieser Kunstgriffe gegen das Altern ist ebenso dürftig wie lächerlich, dachte Caesar und mußte dabei innerlich grinsen. Seine eigene Mutter, entschied dieser gnadenlose Betrachter, war wesentlich attraktiver, obwohl sie mindestens zehn Jahre älter war. Aurelia suchte jedoch nicht die Gesellschaft von Männern, während Sempronia Tuditani und Palla aristokratische Huren waren, denen es an Aufmerksamkeit seitens der Männer nicht mangelte, waren sie doch berühmt dafür, die bei weitem beste Fellatio in ganz Rom zu verabreichen; auch von den Professionellen beiderlei Geschlechts bekam man nichts Besseres.

Caesar zog aus ihrer Anwesenheit den Schluß, daß Decimus Brutus und der junge Poplicola ebenfalls Pompeias Nähe suchten. Von Decimus Brutus ließ sich nicht viel mehr sagen, als daß er ein junger, temperamentvoller Mann war, der sich langweilte und für die üblichen Torheiten von zuviel Wein und zu vielen Frauen bis hin zu Würfelbechern und Spieltischen zu haben war. Der junge Poplicola aber hatte seine Stiefmutter verführt und versucht, seinen Vater, den Zensor, zu ermorden; er war dafür in aller Form verstoßen und zu Armut und Vergessenheit verurteilt worden. Aber nach Publius Clodius’ Heirat mit Fulvia, die ihm Zugang zu nahezu unbegrenzten Geldmitteln verschafft hatte, war auch Poplicola wieder in höheren Kreisen gesehen worden.

Clodia bemerkte Caesar als erste. Sie saß auf einmal kerzengerade auf ihrer Liege, streckte den Busen vor und schenkte ihm ein verführerisches Lächeln.

»Caesar, wie göttlich, dich zu sehen!« gurrte sie.

»Das Kompliment muß ich dir zurückgeben.«

»Möchtest du dich nicht zu uns setzen?« fragte Clodia und klopfte auf die Liege.

»Liebend gern, aber ich fürchte, ich muß gehen.«

Ein ganzes Zimmer voller Scherereien, dachte Caesar, als er das Haus verließ.

Labienus rief, aber zuerst wollte er Servilia besuchen, die ein paar Häuser weiter in seiner Wohnung wohl schon seit einer ganzen Weile auf ihn wartete. Frauen! Das war heute ein Tag der Frauen, Frauen der eher lästigen Sorte zumeist. Mit Ausnahme von Aurelia, natürlich. Was für eine Frau! Nur schade, dachte Caesar, als er die Treppe hinaufstieg, daß keine andere sich mit ihr messen konnte.

Servilia hatte gewartet, aber sie war viel zu klug, um Caesar Vorwürfe zu machen, und zu realistisch, um eine Entschuldigung zu erwarten. Die Welt gehörte den Männern, und einem wie Caesar lag sie zu Füßen.

Für eine Weile kamen sie ohne Worte aus. Zuerst tauschten sie ein paar verschwenderische und verträumte Küsse, dann sanken sie einander seufzend in die Arme und landeten schließlich, von lästiger Kleidung befreit, auf dem Bett. Sie war wunderbar, so intelligent und erfinderisch in ihren Liebesdiensten. Und er war einfach perfekt, so zielstrebig und beharrlich in seinen Aufmerksamkeiten. Und so vergaßen Caesar und Servilia die Welt um sich herum, beglückt und fasziniert von der Tatsache, daß die Vertrautheit zwischen ihnen ihre Begierde nicht etwa minderte, sondern das Vergnügen noch steigerte, bis vom Wasserstand im Chronometer bereits eine beträchtliche Menge Zeit abgetropft war.

Von Labienus wollte er mit ihr nicht sprechen, wohl aber von Pompeia, also sagte er, während sie noch fest umschlungen auf dem Bett lagen: »Meine Frau verkehrt mit seltsamen Leuten.«

Servilia hatte die verzweifelten Monate schrecklicher Eifersucht noch nicht vergessen, deshalb freute sie sich über jedes Wort der Unzufriedenheit aus Caesars Mund. Sicher, als sie nach Junia Tertias Geburt wieder vereint waren, hatte Servilia bereits nach wenigen Augenblicken gespürt, daß Caesars Ehe nur auf dem Papier bestand. Und trotzdem, dieses kleine Biest sah reizend aus, und die Nähe zu Caesar war ihr Vorteil; keine Frau in Servilias Alter konnte gelassen bleiben, wenn ihre Rivalin fast zwanzig Jahre jünger war.

»Seltsame Leute?« fragte sie und streichelte ihn liebevoll.

»Die Clodias und Fulvia.«

»Das war zu erwarten, wenn man bedenkt, in welchen Kreisen Bruder Pompeius sich bewegt.«

»Ja, aber heute hatte die Menagerie Zuwachs bekommen.«

»Wen?«

»Sempronia Tuditani und Palla.«

»Oh!« Servilia setzte sich auf, das Vergnügen an Caesars Berührung war verflogen. Mit nachdenklichem Gesicht sagte sie: »Eigentlich überrascht mich das nicht.«

»Mich auch nicht, wenn ich mir Publius Clodius’ Freunde so ansehe.«

»Nein, ich dachte nicht an diese Verbindung, Caesar. Ich nehme an, du weißt, daß Drusus Nero meine jüngere Schwester Servililla wegen Untreue verstoßen hat.«

»Ich habe davon gehört.«

»Aber du weißt nicht, daß sie Lucullus heiraten wird.«

Jetzt saß auch Caesar aufrecht im Bett. »Da hat sie einen Poltergeist gegen einen Schwachkopf eingetauscht! Lucullus experimentiert seit Jahren mit Substanzen herum, die das Bewußtsein verändern. Einer seiner Freigelassenen soll mit nichts anderem beschäftigt sein, als ihm alle nur erdenklichen Schlaf- und Aufputschmittel zu beschaffen — den Saft von Mohn, Pilze und die eigenartigsten Mixturen aus Blättern, Beeren und Wurzeln.«

»Servililla sagt, daß er die Wirkung des Weines wohl mag, dessen Nachwirkungen jedoch gar nicht schätzt. Offensichtlich haben die anderen Substanzen nicht solche unangenehmen Folgen.« Servilia zuckte die Achseln. »Jedenfalls scheint Servililla sich nicht zu beklagen. Sie freut sich auf die Aussicht, viel Geld zu haben und einen Mann, der seine Nase nicht ständig in ihre Angelegenheiten steckt.«

»Er hat sich wegen Ehebruchs von Clodilla scheiden lassen — und wegen Blutschande.«

»Das war Clodius’ Werk.«

»Nun ja, ich wünsche deiner Schwester nur das Beste«, sagte Caesar. »Lucullus sitzt noch immer auf dem Marsfeld fest und wartet auf den Triumphzug, den der Senat ihm nach wie vor verweigert. So schnell wird er sich nicht innerhalb der Mauern Roms blicken lassen.«

»Er wird seinen Triumphzug bald bekommen«, meinte Servilia zuversichtlich. »Meine Spione haben mir berichtet, daß Pompeius Magnus keinen Wert darauf legt, das Marsfeld mit seinem Erzrivalen zu teilen, wenn er mit Ruhm bedeckt aus dem Osten zurückkehrt.« Sie schnaubte verächtlich. »Pompeius ist ein Blender. Jeder, der auch nur einen Funken Verstand im Kopf hat, weiß, daß Lucullus die Drecksarbeit gemacht hat! Magnus mußte nur noch die Früchte einsammeln.«

»Das ist wahr, aber von Lucullus halte ich trotzdem nichts.« Caesar bedeckte eine ihrer Brüste mit der Hand. »Wozu diese Abschweifung, meine Liebe? Was hat das alles mit Pompeias Freunden zu tun?«

»Sie nennen sich Clodius-Club.« Servilia streckte sich. »Servililla hat mir alles erzählt. Natürlich ist Publius Clodius der Vorsitzende. Das wichtigste und wohl auch einzige Ziel dieses Clubs scheint es zu sein, unsere Welt zu schockieren. Und daran haben die Mitglieder ihren Spaß. Es sind samt und sonders gelangweilte, träge, arbeitsscheue Individuen, die viel zuviel Geld haben. Wein, Weibern und Glücksspiel können sie nichts mehr abgewinnen. Eklats und Skandale sind das einzige Ziel dieses Clubs. Deshalb laden sie diese verkommenen Weiber wie Sempronia Tuditani und Palla ein, deshalb reden sie von Blutschande und hätscheln solche beispiellosen Gestalten wie den jungen Poplicola. Unter den männlichen Mitgliedern des Clubs sind ein paar sehr junge Männer, die es eigentlich besser wissen sollten, Curio Junior zum Beispiel und dein Vetter Marcus Antonius. Anscheinend machen die beiden sich einen Spaß daraus, sich als Liebespaar zu präsentieren.«

Jetzt war es an Caesar, verächtlich zu schnauben. »Ich würde Marcus Antonius alles zutrauen, aber nicht das! Wie alt mag er sein, neunzehn oder zwanzig? Und trotzdem hat er mehr Bastarde in sämtliche Schichten der römischen Gesellschaft gestreut als irgendein anderer.«

»Zugegeben. Aber Rom mit unehelichen Kindern zu übersäen, ist längst nicht mehr schockierend genug. Eine homosexuelle Affäre dagegen, zumal zwischen zwei Abkömmlingen der konservativen Führungsschicht Roms, setzt ein gewisses Glanzlicht.«

»Das ist also die Gesellschaft, der meine Frau angehört!« seufzte Caesar. »Ich frage mich, wie ich ihr das abgewöhnen kann.«

Der Gedanke gefiel Servilia ganz und gar nicht. Sie sprang aus dem Bett. »Ich wüßte nicht, wie du das schaffen solltest, Caesar, ohne genau die Art Skandal vom Zaun zu brechen, die dem Clodius-Club soviel Vergnügen bereitet. Du könntest dich höchstens von ihr scheiden lassen.«

Dieser Vorschlag verletzte seinen Gerechtigkeitssinn. Er schüttelte entschieden den Kopf. »Nur, weil sie ein paar Müßiggänger als Freunde hat? Nein, damit kann sie keinen großen Schaden anrichten. Meine Mutter ist viel zu wachsam. Das arme Mädchen tut mir leid. Sie hat nicht einen Funken Verstand im Kopf.«

Das Bad lockte. (Caesar hatte nachgegeben und einen kleinen Ofen für warmes Wasser installieren lassen.) Servilia beschloß, das Thema Pompeia friedlich beizulegen.