Teil VI
Mai 60 v. Chr. bis März 58 v. Chr.
An Gaius Julius Caesar, Prokonsul in Hispania Ulterior, von Gnaeus Pompeius Magnus, Triumphator; geschrieben in Rom an den Iden des Mai unter dem Konsulat des Quintus Caecilius Metellus Celer und des Lucius Afranius:
Hiermit, Caesar, vertraue ich dieses Schreiben den Göttern und den Winden an; mögen erstere ihnen die nötige Geschwindigkeit verleihen, damit Du noch rechtzeitig handeln kannst. Auch andere schreiben Briefe, aber ich bin wohl der einzige, der es sich leisten kann und will, das schnellste verfügbare Schiff anzuheuern, nur um einen Brief zu befördern.
Die boni sind an der Macht, und unsere Stadt ist in Auflösung begriffen. Mit einer vor den boni dominierten Regierung könnte ich ja noch leben, wenn sie wenigstens handeln würde; eine boni- Regierung aber strebt nur ein einziges Ziel an: nichts zu tun und alle Faktionen zu blockieren, die diesen Zustand ändern wollen.
Sie haben meinen Triumphzug auf die letzten beiden Septembertage verschoben, und das auf durchaus elegante Weise. Verkündeten einfach, ich hätte so viel für Rom geleistet, daß ich es verdiene, meinen Triumph an meinem Geburtstag feiern zu können! Und so habe ich mir neun Monate lang auf dem Marsfeld die Beine in den Bauch gestanden. Der Grund für ihre Haltung ist mir ein Rätsel; aber eine Vermutung, worin ihre Bedenken mir gegenüber gründen könnten, hege ich schon: Man hat mir so viele Sonderkommandos in meinem Leben übertragen, daß ich nun endgültig als Gefahr für diesen Staat gesehen werde. Angeblich sei es mein Ziel, König von Rom zu werden! Was für ein Unsinn!
Sie wissen natürlich, daß es Unsinn ist, aber das hält sie nicht davon ab, ihn zu verbreiten.
Ich weiß nicht, Caesar, aber ich werde nicht schlau aus ihnen. Wenn es hier je eine Stütze der Gesellschaft gegeben hat, so war und ist es Marcus Crassus. Ich kann wohl verstehen, daß sie mich den picentischen Emporkömmling nennen, den Möchtegernkönig von Rom und so fort, aber Marcus Crassus? Warum ihn zur Zielscheibe machen? Er stellt nun wirklich keine Gefahr für die boni dar, ist er doch selbst fast einer. Von bester Herkunft, ungeheuer wohlhabend und mit Sicherheit kein Demagoge. Crassus ist harmlos! Und das sage ich als ein Mann, der ihn nicht schätzt, nie geschätzt hat und auch nie schätzen wird. Sich mit ihm ein Konsulat zu teilen, war etwa so, als lege man sich gemeinsam in ein Bett mit Hannibal, Jugurtha und Mithridates. Eigentlich war er nur damit beschäftigt, mein öffentliches Ansehen zu zerstören. Deshalb stellt er aber noch längst keine Bedrohnung für den Staat dar. Was haben die boni Marcus Crassus angetan, daß ausgerechnet ich mich veranlaßt sehe, für ihn in die Bresche zu springen? Ich will es Dir sagen: Sie haben eine regelrechte Krise heraufbeschworen. Es fing damit an, daß die Zensoren die Verträge für die Steuerpacht meiner vier Ostprovinzen herausgaben. Ein Gutteil der Schuld liegt freilich bei den publicani selbst! Sie prüften den Umfang der Kriegsbeute, die ich aus dem Osten mitgebracht habe, addierten Zahlen und kamen zu dem Schluß, der Osten sei ertragreicher als jede Goldmine. Sie unterbreiteten daher Angebote für diese Verträge, die bar jeder Vernunft waren. Versprachen dem Schatzamt unzählige Millionen und bildeten sich ein, sie könnten zusätzlich noch einen fetten Gewinn für sich selbst herausschlagen. Verständlicherweise akzeptierten die Zensoren die höchsten Angebote, dazu sind sie ja verpflichtet. Aber es dauerte nicht lange, bis Atticus und die anderen plutokratischen publicani einsahen, daß die Summen, die sie dem Schatzamt eigentlich hatten zahlen wollen, unrealistisch waren. Meine vier Ostprovinzen waren weit davon entfernt, derartige Zahlungen leisten zu können, mochten die publicani sie auch noch so unter Druck setzen.
Jedenfalls gingen Atticus, Oppius und ein paar andere zu Marcus Crassus und forderten ihn auf, einen Antrag auf Annullierung der Steuerverträge für den Osten beim Senat zu stellen; anschließend sollte er die Zensoren dazu veranlassen, neue Verträge über zwei Drittel der ursprünglich vereinbarten Summe vorzubereiten. So weit, so gut, Crassus stellte den Antrag. Nicht im Traum hätte ich daran gedacht, daß die boni den gesamten Senat zu einem einstimmigen Nein bewegen könnten. Aber genau das geschah. Der Senat lehnte den Antrag einstimmig ab.
An diesem Punkt, ich muß es Dir gestehen, konnte ich mir eine gewisse Schadenfreude nicht verkneifen; es war einfach zu schön, Marcus Crassus erniedrigt zu sehen — und wie er erniedrigt worden war! Man hatte ihm, dem Ochsen Marcus Crassus, die Hörner abgesägt, und er stand da, gedemütigt und wie gelähmt. Erst dann erkannte ich, wie dumm der Kunstgriff der boni gewesen war, und mir verging die Schadenfreude. Anscheinend hatte man sich entschlossen, den Rittern ein für allemal zu demonstrieren, daß der Senat den höchsten Rang einnimmt, daß der Senat die Stadt Rom regiert und daß die Ritter ihm keine Vorschriften machen können. Schön, soll sich der Senat doch selbst dazu beglückwünschen, daß er es ist, der Rom regiert; Du und ich, wir wissen beide, daß dem nicht so ist. Wenn man Roms Geschäftsleuten nicht erlaubt, profitable Geschäfte zu tätigen, dann ist Rom am Ende.
Nachdem die Senatoren Marcus Crassus auf diese Weise abgewiesen hatten, holten die publicani zum Vergeltungsschlag aus: Sie weigerten sich, dem Schatzamt auch nur einen Sesterz zu zahlen. Oh, was für eine Welle der Entrüstung das auslöste! Ich weiß wohl, was sich die Ritter von dieser Taktik versprachen. Sie glaubten, der Senat sei nun gezwungen, die Zensoren mit der Annullierung der Verträge zu beauftragen — und neue Angebote würden selbstverständlich erheblich niedrigere Summen beinhalten. Es ist nur leider so, daß die boni die Kontrolle über das Senatshaus haben; und daher wird das Haus auch die Verträge nicht annullieren. Wir befinden uns in einer Sackgasse. Dieser .Schlag gegen Crassus ’ Ansehen wirkte verheerend, sowohl im Hause selbst als auch unter den Rittern. Immerhin war er jahrelang ihr erfolgreichster Redner gewesen, und keinem wäre es in den Sinn gekommen, er könne nicht alles durchsetzen, was er wolle. Ganz besonders in diesem Fall, denn es war zweifellos ein sinnvoller Antrag, die Vertragssummen für die Provinz Asia zu reduzieren.
Und wen, meinst Du, hatten die boni in dieser Sache als Redner angeheuert? Niemand anderen als meinen Ex-Schwager Metellus Celer! Über viele Jahre gehörten Celer und sein kleiner Bruder Nepos zu meinen treuesten Anhängern. Aber seit meiner Scheidung von Mucia sind sie meine ärgsten Feinde. Im Ernst, Caesar, man könnte meinen, Mucia sei die einzige geschiedene Ehefrau in der Geschichte Roms! Es war mein gutes Recht, mich von ihr scheiden zu lassen, denn sie hat mich betrogen. Die ganze Zeit über, während ich im Ausland war, hatte sie eine Beziehung zu Titus Labienus, meinem eigenen Klienten! Was blieb mir anderes übrig? Hätte ich einfach die Augen schließen und so tun sollen, als wüßte ich von nichts, nur weil Mucias Mutter zufällig auch die Mutter Celers und Nepos’ ist? Das kam für mich nicht in Frage! Doch so, wie Celer und Nepos sich nach der Scheidung aufgeführt haben, hätte man meinen können, ich sei der Ehebrecher gewesen! Ihre teure Schwester geschieden? Welch unerträgliche Beleidigung!
Seit dieser Zeit bereiten sie mir Schwierigkeiten, wo und wann sie nur können. Ich weiß nicht, wie sie es geschafft haben, aber sie haben einen neuen Ehemann für Mucia aufgetrieben, und zwar einen von nobelster Herkunft; was erneut glauben macht, daß sie diejenige war, der Unrecht geschehen ist! Meinen Quästor Scaurus, man stelle sich das vor! Sie könnte seine Mutter sein. Nun, beinahe jedenfalls. Er ist vierunddreißig und sie siebenundvierzig. Was für eine Verbindung! Hinsichtlich ihrer Intelligenz passen sie allerdings glänzend zueinander, denn daran mangelt es ihnen beiden. Soweit ich weiß, wollte Fabenius Mucia heiraten, aber die Metellus-Brüder hatten die heftigsten Einwände dagegen. So ist es nun also Marcus Aemilius Scaurus, der mich in das ganze Theater mit den Juden verwickelt hat. Man munkelt ja, Mucia sei schwanger, noch so etwas, was meinem Ruf schadet. Ich hoffe, sie stirbt bei der Geburt dieses Balgs.
Ich habe übrigens eine Theorie, weshalb die boni plötzlich so hoffnungslos engstirnig und destruktiv geworden sind. Es hat wohl mit Catulus’ Tod zu tun. Kaum war er von uns gegangen, da fiel der kümmerliche Rest des Senats ganz und gar in Bibulus’ und Catos Klauen. Ganz schön exzentrisch, sich einfach hinzulegen und sein Leben auszuhauchen, nur weil man nicht aufgefordert worden ist, als erster oder zweiter Redner in einer Senatsdebatte aufzutreten! Aber genau das hat Catulus getan. Er hat seine Faktion Bibulus und Cato überlassen, die leider nicht — wie er — die Gabe haben, zu wissen, wo die Grenze zwischen reinem Negativismus und politischem Selbstmord angesiedelt ist.
Zu der Frage, warum sich Bibulus und Cato gegen Crassus gewandt haben, habe ich ebenfalls meine Theorie. Catulus hinterließ ein Priesteramt, und Catos Schwager Lucius Ahenobarbus wollte es für sich. Doch Crassus kam ihm zuvor und ergatterte das Amt für seinen Sohn Marcus. Eine tödliche Beleidigung für Ahenobarbus, da kein Domitius Ahenobarbus im Kollegium vertreten ist. Dieser Korinthenkacker! Ich selbst bin übrigens Augur geworden und fühle mich geschmeichelt, das sage ich ganz offen. Aber ich habe mich weder bei Cato noch bei Bibulus oder Ahenobarbus lieb Kind gemacht, um gewählt zu werden! Es war die zweite Wahl innerhalb sehr kurzer Zeit, die Ahenobarbus verloren hat.
Mit meinen Anliegen — Land für meine Veteranen, Genehmigung für meine Siedlungen im Osten und dergleichen — bin ich gescheitert. Es hat mich Millionen an Bestechungsgeldern gekostet, Afranius auf den Stuhl des Zweiten Konsuls zu hieven — die reine Geldverschwendung, soviel ist sicher! Afranius hat sich als guter Soldat, aber leider nicht als guter Politiker erwiesen. Cicero verbreitet überall, Afranius eigne sich besser als Tänzer als für das Amt eines Politikers, weil er sich bei dem Bankett zu seiner Amtseinführung an Neujahr so unsäglich betrunken hat, daß er quer durch den Tempel des Jupiter Optimus Maximus getanzt ist. Peinlich für mich, da jedermann weiß, daß ich ihm das Amt gekauft habe, weil ich Metellus Celer auf die Finger schauen wollte. Der setzt sich im übrigen als Erster Konsul über Afranius hinweg, als gäbe es ihn gar nicht.
Als es dann Afranius im Februar gelang, meine Belange im Senat zur Diskussion zu stellen, haben Celer, Cato und Bibulus die ganze Sache vereitelt. Sie zerrten Lucullus, der von seinem vielen Pilzgenuß schon halb schwachsinnig ist, aus seinem wohlverdienten Ruhestand und benutzten ihn dazu, mich kaltzustellen. Ich könnte die ganze Bande umbringen! Ich bereue täglich, daß ich so gehandelt habe, wie es mir richtig schien: daß ich meine Armee entlassen und meinen Truppen ihren Anteil an der Siegesbeute ausgezahlt habe, als wir uns noch in Asien befanden. Auch das wird mir natürlich angekreidet. Cato sagte, ich hätte nicht das Recht gehabt, die Kriegsbeute ohne Zustimmung des Schatzamts — und das heißt des Senats — zu verteilen. Und als ich ihn an mein imperium maius erinnerte, das mir uneingeschränkte Befehlsgewalt im Namen Roms erteilte, entgegnete er, ich hätte es auf rechtswidrige Weise in der Plebejischen Versammlung erhalten, es sei mir nicht vom Volk verliehen worden. Was für ein Unsinn, doch das ganze Haus hat applaudiert!
Im März dann wurde die Diskussion über meine Angelegenheiten abgebrochen. Cato stellte im Senat den Antrag, daß keines meiner Anliegen diskutiert werden dürfe, solange nicht das Thema Steuerpacht gelöst sei — und diese Idioten stimmten dafür, obwohl sie genau wußten, daß Cato gleichzeitig jeden Lösungsversuch zum Steuerproblem blockierte! Mit dem Ergebnis, daß bislang nichts, rein gar nichts debattiert wurde. Kaum bringt Crassus das Thema Steuerpacht zur Sprache, stellt Cato sich quer. Und die Senatoren finden Cato wunderbar!
Ich begreif’s nicht, Caesar, ich begreif es einfach nicht! Was hat Cato denn schon Großes geleistet? Er ist erst vierunddreißig, hat bisher kein Magistrat verwaltet, ist ein erbärmlicher Redner und von unsäglicher Selbstgefälligkeit. Aber die Senatoren sind offenbar zu der Überzeugung gelangt, daß er durch und durch unbestechlich ist; und das macht ihn so einzigartig. Sehen sie denn nicht, wie verhängnisvoll Unbestechlichkeit sein kann, wenn sie mit Catos Mentalität gepaart ist? Was Bibulus betrifft — nun, den halten sie für ebenso unbestechlich. Und beide werden nicht müde zu beteuern, daß sie jeden, der auch nur einen Deut über ihresgleichen steht, als ihren Feind betrachten. Wie lobenswert! Nur haben die zwei leider dabei übersehen, daß manche Männer einfach besser sind als andere. Hätten wir alle ununterscheidbar sein sollen, dann waren wir alle gleich geschaffen worden. Das sind wir aber nicht, und das ist eine Tatsache.
Ganz egal, was ich auch tue, Caesar, stets findet sich ein Rudel Feinde, das mich anheult. Verstehen diese Toren nicht, daß meine Armee zwar aufgelöst sein mag, ihre Angehörigen sich aber hier in Italia befinden? Ich muß nur mit einem Fuß aufstampfen, und meine Soldaten eilen schon herbei, erpicht darauf, meinen Befehlen zu gehorchen. Ich sage Dir, ich bin oft in Versuchung, es zu tun. Ich habe den Osten erobert, habe Roms Einkünfte verdoppelt und stets korrekt gehandelt. Warum also sind sie gegen mich?
Wie dem auch sei, genug von mir und meinen Schwierigkeiten. Denn eigentlich soll dieser Brief Dich warnen und Dir sagen, daß auch Du in Schwierigkeiten steckst.
Angefangen hat es mit den grandiosen Erfolgen, von denen Du dem Senat regelmäßig Berichte schickst — Deinem meisterhaften Feldzug gegen die Lusitani und die Callaici und den Bergen von Gold und anderen Schätzen; Deiner sinnvollen Verwaltung der Bodenschätze und Aufgaben der Provinz, deren Minen mehr Silber, Blei und Eisen produzieren als in den letzten fünfzig Jahren zusammen; der Entlastung der Städte, die Metellus Pius bestraft hatte. Die boni müssen ein Vermögen für Spione ausgegeben haben, die Dich in Hispania Ulterior überführen sollen, was ihnen nicht gelungen ist und — wie man sich erzählt — vermutlich nie gelingen wird. Nicht die gerinste Spur von Erpressung oder Veruntreuung in Deiner Umgebung, dafür massenhaft Briefe von dankbaren Einwohnern Hispania Ulteriors, die beweisen, daß die Schuldigen bestraft und die Unschuldigen entlastet werden.
Der alte Princeps Senatus Mamercus — dessen Kräfte übrigens bedenklich nachlassen — erhob sich im Senat und sagte, Dein vorbildliches Verhalten müsse als Grundlage eines Leitfadens für Statthalter dienen. Wie schmerzlich für die boni, daß sie auch nicht eines seiner Worte widerlegen konnten!
Ganz Rom weiß, daß Du bald Erster Konsul sein wirst. .Selbst wenn man außer acht läßt, daß Du ohnehin bei jeder Wahl an der Spitze liegst — Deine Popularität nimmt sprunghaft zu. Marcus Crassus läuft herum und erzählt schon jedem Ritter, daß das Thema Steuerpacht schnell abgehandelt sein wird, wenn Du Erster Konsul bist. Er scheint zu wissen, daß er Deine Hilfe brauchen — und auch erhalten wird. Aber auch ich brauche Deine Hilfe, Caesar. Weit dringender noch als Marcus Crassus! Ihm geht es lediglich um seinen schwindenden politischen Einfluß; ich brauche Land für meine Veteranen und Verträge, die meine Siedlungen im Osten genehmigen.
Es kann natürlich sein, daß Du schon auf dem Heimweg bist — Cicero ist davon überzeugt —, aber mein Gefühl sagt mir, daß Du so bist wie ich und bis zum allerletzten Augenblick aushältst, damit die rechten Fäden an der rechten Stelle gesponnen sind und jedes Knäuel entworren ist.
Die boni haben nämlich zum Schlag ausgeholt, Caesar, und zwar auf ziemlich schlaue Weise. Alle Kandidaten für die Konsulatswahlen müssen sich bis spätestens zu den Nonen des Juni aufstellen lassen, obwohl die Wahlen erst, wie üblich, fünf Tage vor den Iden des Quinctilis stattfinden. Angestachelt von Celer, Gaius Piso, Bibulus (selbst ein Kandidat, versteht sich, aber glücklicherweise innerhalb der römischen Stadtmauern, da er, wie Cicero auch, niemals eine Provinz regieren will) und den übrigen boni, ist es Cato gelungen, einen Senatsbeschluß zu erreichen, der den Stichtag auf die Nonen des Juni festsetzt. Mehr als fünf nundinae vor den Wahlen statt drei, wie Brauchtum und Tradition es verlangen.
Jemand muß ihnen eingeflüstert haben, daß Du stets schnell reist, denn wenig später haben sie sich ein neues Spiel ausgedacht, um Dich zu ärgern — nur für den Fall, daß Du vor den Nonen des Juni im Rom eintreffen solltest. Celer forderte den Senat auf, ein Datum für Deinen Triumphzug festzusetzen. Voller Wohlwollen lobte er Deine hervorragende Arbeit als Statthalter, um gleich darauf die Iden des Juni als Datum für Deinen Triumphzug vorzuschlagen! Man hielt das einstimmig für eine ausgezeichnete Idee, der Antrag wurde angenommen. Ja, acht Tage, nachdem die Wahlkabine der Konsulatskandidaten geschlossen wird, sollst Du Deinen Triumph feiern. Was sagst Du dazu? Wenn Du es also schaffen solltest, Caesar, vor den Nonen des Juni in Rom einzutreffen, dann wirst Du beim Senat den Antrag stellen müssen, als Konsul in absentia zu kandidieren. Denn Du kannst nicht das pomerium überqueren, um Deine Kandidatur persönlich einzureichen, ohne Deinen Oberbefehl und damit Dein Recht auf einen Triumphzug aufzugeben. Ich muß hinzufügen, daß Celer nicht versäumt hat, das Haus auf ein von Cicero verabschiedetes Gesetz hinzuweisen, das es den Kandidaten für das Konsulamt verbietet, in absentia zu kandidieren. Will sagen: Die boni haben vor, gegen Deinen Antrag Einspruch zu erheben. Jetzt haben sie Dich fest in ihrer Hand; hattest Du das nicht unlängst — und mit Recht — von mir behauptet?Ich werde mein Bestes tun, um unsere Senatsschäfchen — warum nur lassen sie sich von einer Handvoll Männer führen, die nicht einmal etwas Besonderes sind? — zu der Genehmigung zu überreden, Dich in absentia kandidieren zu lassen. Soweit ich weiß, werden auch Crassus, Mamercus Princeps Senatus und viele andere es versuchen.
Die Hauptsache ist, daß Du Rom vor den Nonen des Juni erreichst. Die Götter allein wissen, ob dies menschenmöglich ist, selbst wenn die Winde mein Schiff mit Höchstgeschwindigkeit nach Gades wehen sollten. Noch darf ich hoffen, daß Du längst auf der Via Domitia unterwegs bist. Vorsichtshalber, und für den Fall, daß Du Dir Zeit läßt, habe ich Dir einen Boten entgegengesandt.
Du mußt es einfach schaffen, Caesar! Ich brauche Dich und schäme mich auch nicht, es zu bekennen. Du hast mir schon einmal aus einer Notlage geholfen, ohne den Boden der Legalität zu verlassen. Ich kann nur eines sagen: Wenn Du diesmal nicht zur Stelle bist, um mir zu helfen, könnte ich mich gezwungen sehen, Gewalt anzuwenden. Das würde ich gern vermeiden, denn täte ich es, käme ich in den Geschichtsbüchern nicht besser davon als Sulla. Du weißt, wie sehr ihn alle hassen. Es ist nicht angenehm, gehaßt zu werden, auch wenn es Sulla niemals etwas auszumachen schien.
Pompeius’ Brief erreichte Gades nach erstaunlich kurzer Überfahrt am einundzwanzigsten Tag des Mai; zufällig hielt sich Caesar gerade dort auf und konnte den Brief persönlich in Empfang nehmen.
»Auf dem Landweg sind es fünzehnhundert Meilen von Gades nach Rom«, sagte Caesar zu Lucius Cornelius Balbus Major. »Und wenn ich hundert Meilen am Tag zurücklege, bis zu den Nonen des Juni kann ich Rom nicht erreichen. Diese verfluchten boni!«
»Niemand schafft hundert Meilen am Tag«, erwiderte der kleine Bankier aus Gades besorgt.
»Ich schon, vorausgesetzt, ich hätte einen schnellen Wagen mit vier guten Maultieren zur Verfügung und könnte das Gespann oft genug wechseln«, sagte Caesar ruhig. »Leider eignet sich die Straße von Gades nach Rom nicht für diesen Zweck. Wir werden auf dem Wasserweg reisen müssen.«
»Dafür ist die Jahreszeit nicht günstig. Magnus’ Brief beweist es doch! Fünf Tage mit einem Sturmwind aus Nordost im Rücken.«
»Ich bin ein Glückspilz, Balbus!«
Das war er in der Tat, dachte Balbus. Ganz gleich, wie schlecht die Dinge für ihn stehen mochten, stets kam ihm sein magisches Glück zur Hilfe. Dabei schien er es mit seiner eigenen Willenskraft zu schmieden; als könne er sich natürliche und übernatürliche Kräfte dienbar machen, wenn er sich zu etwas entschlossen hatte. In den vergangenen Jahren, als Balbus sich in Caesars Gefolge unter mühevollen Strapazen durch ganz Spanien gequält hatte, da waren ihm Dinge widerfahren, die aufregender gewesen waren als alles, was er bis dahin erlebt hatte. Wer hätte je gedacht, daß er einmal, per Schiff und angetrieben von atlantischen Winden, Feinde verfolgen würde, die sich außerhalb des römischen Machtbereichs glaubten? Doch da hatten sie sich getäuscht. Denn schon tauchten Schiffe aus Olisippo auf, wurde eine Legion mobilisiert. Danach erfolgten weitere Reisen in das entfernte Brigantium, unermeßliche Schätze hatten sie vorgefunden und ein Volk, das zum erstenmal einen Hauch von Veränderung spürte, einen mediterranen Einfluß, der für immer haftenbleiben würde. Und Caesar? Ihm ging es nicht um Gold, er wollte den römischen Machtbereich erweitern. Was hatte es nur an sich, dieses kleine Volk aus einer kleinen Stadt an der italienischen Salzstraße? Warum war gerade dieses Volk auf der ganzen Linie siegreich? Es spülte andere nicht hinweg wie eine gigantische Woge, es arbeitete wie ein Mühlstein, der geduldig, ganz geduldig alles zermalmt, was ihm an Mahlgut vorgeworfen wird. Sie gaben niemals auf, diese Römer.
»Und was benötigt Caesar diesmal zu seinem Glück?«
»Zunächst einmal ein leichtes Kaperschiff. Ferner zwei Mannschaften mit den besten Ruderern, die Gades zu bieten hat. Kein Gepäck, keine Tiere. Als Passagiere lediglich dich, mich und Burgundus. Und einen kräftigen Südwestwind«, antwortete Caesar grinsend.
»Ein Kinderspiel«, sagte Balbus, ohne sein Lächeln zu erwidern. Er lächelte nur selten; als Bankier aus Gades — von untadeliger phönizischer Herkunft — nahm er das Leben nicht auf die leichte Schulter. Balbus’ Äußeres entsprach seinem Charakter: Er war ein feinsinniger, ruhiger Mann von außergewöhnlicher Intelligenz und großen Fähigkeiten.
Caesar war schon halb an der Tür. »Ich sehe mich nach einem geeigneten Schiff um. Du wirst mir einen Lotsen finden, der in der Lage ist, auf offener See zu navigieren. Wir nehmen die kürzeste Route — quer durch die Säulen des Herkules. In Neu-Karthago versorgen wir uns mit Proviant und Wasser, dann geht’s weiter nach Balearis Minor. Von dort steuern wir direkt auf die Meerenge zwischen Sardinien und Korsika zu. Wir haben tausend Wassermeilen zurückzulegen und können unsere Hoffnung nicht auf die Winde setzen, die Magnus’ Brief in fünf Tagen hergeweht haben. Wir haben nur zwölf Tage.«
»Etwas über achtzig Meilen zwischen Sonnenaufgang und Sonnaufgang. Nicht gerade ein Kinderspiel«, sagte Balbus und erhob sich.
»Aber möglich, vorausgesetzt, es wehen keine ungünstige Winde. Vertraue auf mein Glück und auf die Götter, Balbus! Ich werde den Lares Permarini und der Göttin Fortuna prachtvolle Opfer bringen. Sie werden mich erhören.«
Und die Götter erhörten ihn. Wie es Caesar jedoch gelungen war, all das, was er noch zu erledigen hatte, in fünf kurzen Stunden zu vollbringen, ehe er von Gades auslief, blieb für Balbus ein Rätsel. Caesars Quästor war ein äußerst tüchtiger junger Mann, der sich mit Schwung und Enthusiasmus daranmachte, den Versand der Besitztümer des Statthalters über die Via Domitia — dem Landweg von Spanien nach Rom —zu organisieren; die Kriegsbeute war längst unterwegs, begleitet von der einzigen Legion, die mit Caesar in seinem Triumphzug marschieren sollte. Es hatte Caesar überrascht, daß der Senat seinem Wunsch nach einem Triumphzug ohne Murren der boni zugestimmt hatte, aber dieses Rätsel war ja nun dank Pompeius’ Brief aufgeklärt worden. Der Senat sah keinerlei Anlaß, etwas zu verweigern, woraus man ohnehin eine glanzlose Angelegenheit machen würde. Und glanzlos würde der Triumph ganz sicher werden. Denn Caesars Truppen sollten an den Iden des Juni auf dem Marsfeld eintreffen — welche Ironie des Schicksals, wenn man davon ausging, daß Celer Caesars Triumph genau auf diesen Tag gelegt hatte. Gestattete man Caesar, als Konsul in absentia zu kandidieren, und der Triumphzug fände statt, so würde er armselig ausfallen müssen. Erschöpfte Soldaten, keine Zeit für die Anfertigung prächtiger Festwagen, und die Kriegsbeute wie Kraut und Rüben auf irgendwelchen Karren verstreut. So hatte Caesar sich seinen Triumph nicht vorgestellt. Doch jetzt ging es erst einmal darum, vor den Nonen des Juni in Rom zu sein. Er betete um einen starken Südwestwind!
Und wirklich — die Winde wehten aus südwestlicher Richtung, wenn auch eher sanft als stark. Eine schwache nachlaufende See und eine leichte Brise im Segel halfen den Ruderern, und dennoch war beinahe die ganze Fahrt anstrengend und zermürbend. Caesar und Burgundus ruderten innerhalb von vierundzwanzig Stunden jeweils vier volle Schichten zu je drei Stunden, was bei den Ruderern genauso großen Anklang fand wie Caesars heitere Gelassenheit. Die Prämie würde die Strapazen wert sein, und so legten sie sich tüchtig ins Zeug, während Balbus und der Lotse damit beschäftigt waren, denjenigen, die danach verlangten, Amphoren mit Wasser zu reichen, das mit einem guten spanischen Dessertwein gewürzt war.
Als der Lotse das Kaperschiff in Sichtweite der italischen Küste manövriert hatte und sie die Tibermündung direkt vor sich liegen sahen, jubelten alle, bis sie heiser waren; dann setzte sich die Mannschaft paarweise an jedes Ruder und legte mit der schmucken kleinen Monoreme einen Endspurt bis in den Hafen von Ostia hin; nach zwölf Tagen Überfahrt hatten sie den Hafen am dritten Tag des Juni zwei Stunden nach der Morgendämmerung erreicht.
Caesar ließ Balbus und Burgundus zurück, um den Lotsen und die Rudermannschaft zu entlohnen; er selbst schwang sich auf ein gutes Mietpferd und galoppierte in Richtung Rom. Seine Reise würde auf dem Marsfeld beendet sein, nicht aber seine Arbeit, seine Mühen; erst mußte er jemanden finden, der für ihn in die Stadt eilte, um Pompeius ausfindig zu machen. Eine ganz bewußte Entscheidung, die Crassus zwar nicht behagen würde, aber nichtsdestotrotz richtig war. Pompeius hatte recht. Er brauchte Caesar mehr als Crassus. Außerdem war Crassus ein alter Freund von ihm; er würde sich schon beruhigen, wenn man ihm die Dinge erklärte.
Die Nachricht, daß Caesar am Stadtrand von Rom eingetroffen war, erreichte Cato und Bibulus fast zur gleichen Zeit wie Pompeius; denn alle drei befanden sich im Senat und ließen eben eine weitere Sitzung zum Schicksal der asiatischen Steuerpächter über sich ergehen. Als er die Botschaft erhielt, stieß Pompeius einen so lauten Freudenschrei aus, daß die dösenden Hinterbänkler fast von ihren Schemeln fielen; dann sprang er auf.
»Bitte um Verzeihung, Lucius Aframus«, rief er, schon halb zur Tür hinaus. »Gaius Caesar ist soeben auf dem Marsfeld eingetroffen, und ich will der erste sein, der ihn willkommen heißt!«
Seine Worte hinterließen bei den spärlichen Sitzungsteilnehmern ein Gefühl der Leere. Afranius, der im Monat Juni die Geschäfte führte, löste die Versammlung auf.
»Die Sitzung ist vertagt auf morgen früh, eine Stunde nach Tagesanbruch«, sagte er, wohl wissend, daß er an diesem Tag den Antrag Caesars auf eine Kandidatur in absentia würde anhören müssen; außerdem war es der letzte Tag vor den Nonen des Juni, der Tag, an dem der Wahlbeamte Celer die Wahlkabine schließen würde.
»Ich habe euch ja prophezeit, daß er es schaffen würde«, sagte Metellus Scipio. »Caesar gleicht einem Korken; wie sehr man sich auch bemühen mag, ihn unter Wasser zu halten, er kommt doch immer wieder an die Oberfläche und wird nicht einmal naß dabei.«
»Wir mußten damit rechnen, daß er auftauchen würde«, entgegnete Bibulus finster. »Wann Caesar Spanien verlassen hat, war niemandem bekannt. Uns wurde lediglich das Gerücht zugetragen, daß er sich bis Ende Mai in Gades aufhalten wolle. Er konnte jedenfalls nicht wissen, was ihn hier erwartet.«
»Das wird sich sofort ändern, wenn Pompeius auf dem Marsfeld eintrifft«, sagte Cato scharf. »Warum sonst, glaubst du, hat der Tänzer ein erneutes Treffen für den morgigen Tag einberufen? Caesar wird den Antrag stellen, als Konsul in absentia zu kandidieren, soviel ist sicher.«
»Dies ist eine von jenen Situationen, in denen Catulus uns fehlt«, sagte Bibulus. »Sein Einfluß wäre jetzt mehr als hilfreich für uns. Caesar hat seine Sache in Spanien besser gemacht als vermutet, und unsere Senatsschäfchen werden durchaus geneigt sein, ihn in absentia kandidieren zu lassen. Pompeius wird sich für ihn einsetzen, ebenso Crassus — und natürlich Mamercus! Ich wünschte, er würde endlich das Zeitliche segnen!«
Cato lächelte nur vielsagend.
Als Pompeius Caesar auf dem Marsfeld traf, stand dieser an die Marmorwand von Sullas Grabmal gelehnt, die Zügel seines Pferdes locker über einem Arm, oberhalb seines Kopfes die berühmte Grabinschrift: KEIN BESSERER FREUND — KEIN SCHLIMMERER FEIND. Sie hätte ebensogut für Caesar wie für Sulla verfaßt sein können, dachte Pompeius. Oder für ihn selber.
»Was, in aller Welt, tust du hier?« wollte Pompeius wissen.
»Hier wartet man nicht schlechter als an irgendeinem anderen Ort.«
»Kennst du das Landhaus auf dem Pincio nicht?«
»Ich hatte eigentlich nicht vor, so lange hierzubleiben.«
»Nicht weit von hier, auf der Via Lata, gibt es ein Gasthaus; laß uns doch dorthin gehen. Minicius ist ein zuverlässiger Bursche, und du brauchst ein Dach über dem Kopf, Caesar, selbst wenn es nur für ein paar Tage ist.«
»Es war mir wichtiger, dich zu finden, als eine Unterkunft zu suchen.«
Bei diesen letzten Worten Caesars wurde es Pompeius warm ums Herz. Auch er war vom Pferd abgestiegen (er war einer der wenigen, die sich innerhalb Roms einen kleinen Stall hielten), und gemeinsam schlenderten sie nun die schnurgerade, breite Straße hinab, die eigentlich der Anfang der Via Flaminia war.
»Vermutlich hattest du in den neun Monaten, während denen du dir hier die Beine in den Bauch gestanden hast, ausreichend Gelegenheit, die Gasthäuser der Umgebung zu erkunden.«
»Die kenne ich schon aus der Zeit, bevor ich Konsul wurde.«
Der Gasthof war ein recht geräumiges, ansehnliches Haus und sein Besitzer an den Anblick berühmter römischer Militärangehörigen gewöhnt; er begrüßte Pompeius wie einen lange nicht gesehenen Freund und ließ diskret durchblicken, daß er wußte, um wen es sich bei Caesar handelte. Man führte sie in einen behaglichen separaten Raum, in dem zwei flache Kohlepfannen die rauchige Luft erwärmten, und servierte ihnen gleich darauf Wasser und Wein, aber auch Köstlichkeiten wie Lammbraten, Würste, frisches knuspriges Brot und einen mit Öl angerichteten Salat.
»Ich habe einen Bärenhunger!« rief Caesar, von diesem Anblick überwältigt.
»Dann greif zu. Ich muß gestehen, ich habe nichts dagegen, dir dabei zu helfen. Minicius ist stolz auf seine Küche.«
Zwischen zwei Bissen setzte Caesar immer wieder an, Pompeius einen knappen Abriß seiner Reise zu gehen.
»Ein Südwestwind zu dieser Jahreszeit!« sagte der Große.
»Nein, als so edel würde ich den Wind, der unser Schiff vorangetrieben hat, nicht bezeichnen. Aber er hatte genügend Stärke, uns an unser Ziel zu bringen. Ich nehme an, die boni haben nicht damit gerechnet, mich so schnell hier zu sehen.«
»Cato und Bibulus waren schockiert, soviel ist sicher. Andere dagegen, wie Cicero, sind offenbar ganz selbstverständlich davon ausgegangen, daß du dich auf dem Heimweg befindest — allerdings hatten sie keine Spione in Hispania Ulterior, die sie über deine Pläne hätten informieren können.« Pompeius’ Blick verfinsterte sich. »Cicero! Was für ein Blender dieser Mensch doch ist! Weißt du, daß er die Frechheit besessen hat, sich im Senat hinzustellen und seine Verbannung Catilinas als >unsterbliche Ruhmestat zu preisen? Jede seiner Reden ist eine einzige Lobeshymne auf seine persönlichen Verdienste um das Vaterland.«
»Ich hörte, du seist eng mit ihm befreundet«, sagte Caesar und tunkte das Salatöl auf seinem Teller mit einem Stückchen Brot auf.
»Das sähe er wohl gern. Er hat Angst.«
»Wovor denn?« Caesar lehnte sich mit einem zufriedenen Seufzer zurück.
»Vor Publius Clodius’ neuem Rechtsstatus. Der Volkstribun Herennius hat die Volksversammlung dazu veranlaßt, Clodius von den Patriziern zu den Plebejern übertreten zu lassen. Nun behauptet Clodius, er wolle für das Volkstribunat kandidieren und Cicero auf immer ins Exil schicken, weil er römische Bürger ohne Gerichtsverfahren hinrichten ließ. Clodius sieht seinen neuen Lebenssinn in diesem Plan, und Cicero schlottern die Knie vor Angst.«
»Ich kann verstehen, warum ein Mann wie Cicero sich vor unserem Clodius zu Tode ängstigt. Clodius ist eine Naturgewalt, nicht wirklich verrückt, doch auch nicht ganz normal. Trotzdem ist Herennius im Unrecht, wenn er die Volksversammlung für seine Zwecke nutzt. Ein Patrizier kann nur durch Adoption Plebejer werden.«
Minicius betrat geschäftig den Raum, um das Geschirr abzutragen, und es entstand eine Gesprächspause, die Caesar nicht ganz unwillkommen war, weil er auf diese Weise zum eigentlichen Thema überwechseln konnte.
»Zögert denn der Senat die Sache mit den Steuerpächtern immer noch hinaus?« fragte er.
»Dank Cato wohl endgültig. Aber sobald Celer seine Wahlkabine schließt, werde ich meinen Volkstribun Flavius mit dem Gesetzentwurf zur Landversorgung meiner Veteranen zur Plebejischen Versammlung schicken. Mit einem verwässerten Gesetzentwurf allerdings, was ich diesem Narr Cicero zu verdanken habe! Nicht nur, daß es ihm gelungen ist, jeden ager publicus, der älter ist als das Tribunal des Tiberius Gracchus, daraus zu streichen, nein, er verlangt auch noch, daß Sullas Veteranen — genau dieselben, die sich mit Catilina verbündet haben! — in ihrer Landzuweisung bestätigt werden und daß man Volaterrae und Arretium gestattet, ihr Gemeinland zu behalten. Der größte Teil des Landes für meine Veteranen wird deshalb gekauft werden müssen, und das Geld dafür soll aus den erhöhten Abgaben der östlichen Provinzen kommen — was meinen Ex-Schwager Nepos auf eine glänzende Idee brachte! Er schlug vor, ganz Italien von allen Hafenzöllen sowie Steuern zu befreien, und der Senat war begeistert. Nepos brachte einen Senatsbeschluß durch und verabschiedete sein Gesetz in der Volksversammlung.«
»Schlau!« sagte Caesar anerkennend. »Das heißt, die Staatseinkünfte aus Italia beschränken sich nunmehr auf lediglich zwei Posten: auf fünf Prozent Steuern, die auf die Freilassung aus der Sklaverei gezahlt werden, und auf die Pachtgelder aus dem Gemeinland.«
»Verschafft mir ein glänzendes Ansehen, nicht wahr? Zieht man den Verlust der Hafeneinnahmen und des an meine Veteranen überschriebenen Gemeinbesitzes sowie die Ausgaben für den Erwerb zusätzlichen Landes in Betracht, so wird das Schatzamt letztendlich keinen Sesterz aus meiner Arbeit zu Gesicht bekommen.«
»Weißt du, Magnus«, sagte Caesar bitter, »ich gebe die Hoffnung nicht auf, daß diesen trefflichen Männern irgendwann einmal das Vaterland wichtiger sein wird als die Rachegelüste gegenüber Feinden. Jeder politische Kunstgriff richtet sich zur Zeit gegen ein Individuum oder dient dem Schutz der Privilegien einzelner, anstatt dem Wohle Roms und seiner Gebiete. Du hast dich nach Kräften bemüht, Roms Machtbereich zu erweitern und seinen Staatssäckel aufzufüllen. Und sie bemühen sich nach Kräften, dich in deine Schranken zu weisen — auf Kosten des armen Rom. In deinem Brief hast du geschrieben, daß du mich brauchst. Hier bin ich — und stehe zu deiner Verfügung.«
»Minicius!« brüllte Pompeius.
»Ja, Gnaeus Pompeius?« fragte der Gastwirt, der beflissen herbeigeeilt kam.
»Bring uns Schreibzeug.«
»Ich halte es für sinnvoller«, meinte Caesar beiläufig, nachdem er seinen kurzen Brief geschrieben hatte, »daß Marcus Crassus meinen Antrag, in absentia für das Amt des Konsuls zu kandidieren, übergibt. Ich werde ihm das Schreiben durch einen Boten zukommen lassen.«
»Weshalb soll ich den Antrag denn nicht einreichen?« fragte Pompeius verärgert, weil Caesar Crassus den Vorzug gab.
»Ich möchte bei den boni nicht den Eindruck erwecken, daß es zwischen uns beiden irgendeine Form der Übereinkunft gibt«, entgegnete Caesar geduldig. »Du hast sie bereits dadurch verblüfft, daß du den Senat blitzartig verlassen und verkündet hast, du werdest mich auf dem Marsfeld willkommen heißen. Unterschätz sie nicht, Magnus. Sie können sehr wohl ein Radieschen von einem Rubin unterscheiden. Unser Bündnis sollten wir tunlichst eine Zeitlang für uns behalten.«
»Nun gut, das sehe ich ein«, sagte Pompeius besänftigt. »Ich will nur nicht, daß du dich Crassus gegenüber mehr verpflichtet fühlst als mir. Es ist mir einerlei, wenn du ihn bei den Steuerpächtern oder den Bestechungsgesetzen gegen die Ritter unterstützen willst; doch weitaus wichtiger sind das Land für meine Soldaten und die Genehmigung für meine Besiedlung des Ostens.«
»Das sehe ich genau wie du«, sagte Caesar gelassen. »Schick Flavius zur Plebs, Magnus. Das wird ein wenig Sand in viele Augen streuen.«
In diesem Augenblick betraten Balbus und Burgundus das Gastzimmer. Pompeius begrüßte den Bankier aus Gades voller Freude, während Caesar sich dem erschöpft wirkenden Burgundus zuwandte. Seine Mutter hätte ihm Rücksichtslosigkeit vorgeworfen, weil er von einem Mann in Burgundus’ Alter gefordert hatte, sich zwölf Tage lang je zwölf Stunden am Ruder abzuplagen.
»Ich muß jetzt gehen«, sagte Pompeius schließlich.
Caesar begleitete ihn zur Tür des Gasthofes. »Verhalte dich unauffällig und tu so, als kämpftest du noch immer an einsamer Front.«
»Crassus wird es nicht gefallen, daß du nach mir geschickt hast.«
»Wahrscheinlich weiß er nicht einmal davon. War er auch im Senat?«
»Nein«, antwortete Pompeius grinsend. »Er sagt, es sei seiner Gesundheit nicht zuträglich. Wenn er Cato anhören muß, bekommt er Kopfschmerzen.«
Als der Senat am vierten Tag des Juni eine Stunde nach Sonnenaufgang zusammenkam, bat Marcus Crassus um das Wort. Lucius Afranius nahm Caesars Antrag, in absentia für das Amt des Konsuls zu kandidieren, wohlwollend entgegen.
»Es handelt sich um ein durchaus sinnvolles Anliegen Caesars«, sagte Crassus am Ende seiner wortgewandten Rede, »dem dieses Haus stattgeben sollte. Jeder einzelne von euch weiß nur zu gut, daß es auf Unregelmäßigkeiten bei der Verwaltung seiner Provinz keinerlei Hinweis gibt; Unregelmäßigkeiten aber waren der Anlaß für Marcus Ciceros Gesetzgebung. Ich spreche hier von einem Mann, der stets und in jeder Hinsicht korrekt gehandelt hat. Er hat sogar ein heftig umstrittenes Problem, unter dem Hispania Ulterior seit Jahren litt, gelöst: Gaius Caesar hat die beste und gerechteste Schuldengesetzgebung eingeführt, die mir bekannt ist, und nicht ein einziger — weder Schuldner noch Gläubiger — hat sich bislang beklagt.«
»Wie sonderbar, daß dich das überrascht, Marcus Crassus«, sagte Bibulus gedehnt. »Wenn jemand weiß, wie man mit Schulden umzugehen hat, dann Gaius Caesar. Vermutlich hat er selbst in Spanien Schulden gemacht.«
»Das solltest du ihn einmal selber fragen, Marcus Bibulus«, entgegnete Crassus in seiner gleichmütigen Art. »Sollte es dir je gelingen, zum Konsul gewählt zu werden, wärest du aufgrund all der Bestechungsgelder, die du den Wählern zahlen müßtest, bis über beide Ohren verschuldet.« Er räusperte sich und wartete auf eine Gegenbemerkung; da diese ausblieb, fuhr er fort: »Ich wiederhole noch einmal, es handelt sich um ein durchaus sinnvolles Anliegen, das dieses Haus Caesar gewähren sollte.«
Afranius erkundigte sich, ob weitere Redner das Wort ergreifen wollten, doch alle gaben zu erkennen, daß sie mit Crassus einer Meinung waren. Schließlich erhob sich Metellus Nepos.
»Weshalb«, fragte er, »sollte dieses Haus einem allseits bekannten Homosexuellen einen Gefallen erweisen? Habt ihr denn alle hier vergessen, auf welche Weise unser glänzender Gaius Caesar seine Unschuld verloren hat? Mit dem Gesicht nach unten auf einer Couch in dem Palast des Königs Nicomedes, den königlichen Penis bis zum Ansatz zwischen seinen Hinterbacken! Tut, was ihr wollt, versammelte Väter, doch wenn ihr einem Schwulen wie Gaius Caesar das Privileg gewähren wollt, Konsul zu werden, ohne sein hübsches Gesicht in Rom zu präsentieren, dann mache ich nicht mit! Ich denke nicht daran, einem Mann mit erweitertem Anus besondere Gefälligkeiten zu erweisen!«
Vollständige Stille erfüllte den Raum, niemand wagte einen Atemzug zu tun.
»Nimm das sofort zurück, Quintus Nepos!« herrschte Afranius ihn an.
»Schieb’s dir den eigenen Arsch hinauf, Sohn des Aulus!« rief Nepos und verließ mit großen Schritten die Curia Hostilia.
»Schreiber, ihr werdet Quintus Nepos’ Äußerungen streichen«, gab Afranius Anweisung, rot vor Zorn über die Beleidigungen, die Nepos ihm ins Gesicht geschleudert hatte. »Es ist mir nicht entgangen, daß sich die Umgangsformen der römischen Senatsmitglieder merklich verschlechtert haben im Laufe all der Jahre, die ich nun einer einst ehrwürdigen und angesehenen Institution angehöre. Hiermit erteile ich Quintus Nepos das Verbot, an den Senatsversammlungen teilzunehmen, solange ich die Geschäfte führe. Möchte noch jemand das Wort ergreifen?«
»Ja, ich, Lucius Afranius«, sagte Cato.
»Dann sprich, Marcus Porcius Cato.«
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis Cato die notwendigen Vorkehrungen für seine Rede getroffen hatte; er trat von einem Fuß auf den anderen, räusperte sich frei, glättete sein Haar und richtete seine Toga. Dann endlich begann er, in barschem Tonfall zu sprechen.
»Versammelte Väter, Roms moralische Verfassung ist ein Trauerspiel. Wir, die wir als Mitglieder der ranghöchsten Regierungsinstitution Roms über allen anderen stehen, sind leider weit davon entfernt, unsere Pflicht als römische Sittenwächter zu erfüllen. Wie viele der anwesenden Männer hier haben sich des Ehebruchs schuldig gemacht? Wie viele Frauen der anwesenden Männer haben sich des Ehebruchs schuldig gemacht? Und wie viele Kinder der anwesenden Männer haben sich des Ehebruchs schuldig gemacht? Ja, wie viele Eltern der anwesenden Männer haben sich des Ehebruchs schuldig gemacht? Mein Urgroßvater, der Zensor — der beste Mann, den Rom jemals hervorgebracht hat —, nahm eine klare Haltung zu Moral und Sittlichkeit wie auch zu allen anderen Fragen des Lebens ein. Für einen Sklaven hat er niemals mehr als fünftausend Sesterzen gezahlt. Nie stahl er sich die Gunst einer römischen Frau, noch teilte er je sein Lager mit einer. Nach dem Tod seiner Frau Licinia gab er sich mit den Diensten einer Sklavin zufrieden, wie es für einen Mann von über siebzig Jahren schicklich ist. Als dann sein eigener Sohn und seine Schwiegertochter klagten, daß jene Sklavin sich zur Hausherrin aufspielen wolle, schickte er das Mädchen fort und heiratete wieder. Aber er wählte seine Braut nicht etwa aus seinen eigenen gesellschaftlichen Kreisen, da er sich selbst für zu bejahrt erachtete, um ein angemessener Ehemann für eine römische Adlige zu sein. Nein, er heiratete vielmehr die Tochter seines freigelassenen Sklaven Salonius. Aus dieser Linie stamme ich, und ich bin stolz darauf! Cato der Zensor war ein sittenstrenger Mann, ein rechtschaffener Mann, eine Zierde dieses Staates. Er liebte es, wenn ein Gewitter aufzog, weil seine Frau sich dann voll Angst an ihn zu klammern pflegte und er es sich erlauben durfte, sie vor den Sklaven und freien Mitgliedern seines Haushalts zu umarmen. Denn wir alle wissen ja, daß ein achtbarer und sittenstrenger römischer Ehemann seinen Gefühlen nicht an Orten und zu Zeiten nachgeben sollte, die sich für private Handlungen nicht eignen. Mein eigenes Leben und Verhalten suche ich nach dem Vorbild meines Urgroßvaters zu gestalten, dem es in seiner Sterbestunde noch ein Anliegen war, daß nicht zuviel Geld für die Trauerfeierlichkeiten aufgewendet würde. Er kam auf einen bescheidenen Scheiterhaufen, und seine Asche in eine schlichte gläserne Urne. Sein Grabmal ist sogar noch schlichter, aber es liegt auf jener Seite der Via Appia, die stets von irgendeinem treuen Bürger mit Blumen geschmückt wird. Doch was wäre, wenn Cato der Zensor durch die Straßen des heutigen Rom gehen müßte? Was würden seine scharfen Augen sehen? Was würden seine hellhörigen Ohren wahrnehmen? Was würde sein gewaltiger und glasklarer Intellekt denken? Mich schaudert schon bei dem Gedanken, es aussprechen zu müssen, Senatoren, doch fürchte ich, ich komme nicht umhin. Ich glaube nicht, daß er es ertragen könnte, in dieser Jauchegrube, die wir Rom nennen, zu leben. Hier sitzen betrunkene Frauen in der Gosse und speien vor sich hin. Männer lauern in engen Gassen ihren Opfern auf, rauben sie aus und ermorden sie. Kinder beiderlei Geschlechts prostituieren sich vor dem Tempel der Venus Erucina. Ich habe sogar sogenannte angesehene Männer sich auf offener Straße hinhocken und ihre Tunikas lüften sehen, um ihren Darm zu entleeren, obwohl sich eine öffentliche Latrine in unmittelbarer Nähe befand! Intimität hinsichtlich unserer Körperfunktionen und ein gewisses Schamgefühl werden als altmodisch und lächerlich erachtet. Cato der Zensor würde weinen. Dann würde er nach Hause gehen und sich mit einem Strick aufknüpfen. Oh, wie oft habe ich der Versuchung widerstehen müssen, das gleiche zu tun! «
»Keinen Moment länger solltest du ihr widerstehen, Cato!« rief Crassus.
Aber Cato ließ sich nicht beirren. »Rom ist ein Hurenhaus. Doch was ist schon zu erwarten, wenn die Männer, die hier in diesem Hause sitzen, anderen Männern ihre Frauen wegnehmen, oder wenn die Heiligkeit ihres Fleisches für sie darin besteht, Körperöffnungen — über die man nicht spricht — Handlungen zu überlassen, über die man ebenfalls nicht spricht. Cato der Zensor würde weinen. Seht mich an, Senatoren, seht ihr nicht, wie auch ich weine? Wie kann ein Staat erstarken, wie kann er die Welt beherrschen wollen, wenn die Männer, die ihn regieren, degeneriert und dekadent sind? Laßt uns nicht länger unsere Kraft an Äußerlichkeiten verschwenden! Wollen wir uns statt dessen die asiatischen publicani zum Vorbild nehmen und ein volles Jahr lang das Unkraut in Roms Sittengarten jäten! Vordringliches Ziel muß sein, Sitte und Anstand wieder einzuführen und neue Gesetze zu erlassen, die es verhindern, daß ein Mann dem anderen Gewalt antut, daß patrizische Übeltäter in aller Offenheit mit ihren inzestuösen Beziehungen prahlen, daß die Statthalter unserer Provinzen Kinder sexuell mißbrauchen! Frauen, die Ehebruch begehen, sollten hingerichtet werden, wie das schon früher üblich war. Frauen, die Wein trinken, sollten hingerichtet werden, wie das schon früher üblich war. Frauen, die bei öffentlichen Veranstaltungen im Forum erscheinen, um Schmährufe und grobe Beleidigungen von sich zu geben, sollten hingerichtet werden — auch wenn dies früher noch nicht üblich war, weil früher keine Frau gewagt hätte, sich derart zu gebärden! Frauen gebären und erziehen Kinder, zu etwas anderem sind sie nicht da! Doch wo sind die Gesetze, die ein angemessenes sittliches Verhalten durchsetzen könnten? Es gibt sie nicht, versammelte Väter! Doch wenn Rom überleben soll, dann müssen sie geschaffen werden!«
»Man könnte meinen«, flüsterte Cicero Pompeius zu, »er spräche zu den Einwohnern von Platons idealem Staat und nicht zu Männern, die sich in Romulus’ Kot wälzen müssen.«
»Er wird bis Sonnenuntergang versuchen, die Abstimmung zu boykottieren«, sagte Pompeius aufgebracht. »Welch unerträglichen Blödsinn er daherfaselt! Männer sind Männer, und Frauen sind Frauen. Sie haben unter den ersten Konsuln schon die gleichen Spiele getrieben wie heute unter Celer und Afranius.«
»Wohlgemerkt«, fuhr Cato grollend fort, »die gegenwärtigen skandalösen Verhältnisse sind darauf zurückzuführen, daß wir uns zu sehr dem Einfluß östlicher Laxheit ausgesetzt haben! Seitdem wir unsere Machtsphäre auf Gebiete wie Anatolien und Syrien erweitert haben, haben wir Römer abscheuliche Gewohnheiten aus diesen Sündenpfuhlen übernommen. Mit jeder Kirsche, jeder Orange, die wir mit nach Hause brachten, um die Fruchtbarkeit unseres geliebten Vaterlandes zu bereichern, haben wir uns gleichzeitig zehntausend Übel eingehandelt. Es ist ein grober Fehler, die Welt erobern zu wollen, und ich habe keine Skrupel, das hier offen zu sagen. Laßt Rom doch weiter das sein, was es früher einmal war: ein sittenstrenger Ort mit disziplinierten, hart arbeitenden Bürgern, die sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmerten und die auch keinen Pfifferling darauf gaben, was in Campania oder Etruria zur gleichen Zeit geschah, von Anatolien oder Syrien ganz zu schweigen! Damals war jeder Römer glücklich und zufrieden. Erst als sich machthungrige und ehrgeizige Männer über allgemeingültige Maßstäbe hinwegsetzten — >wir müssen Campania unter unsere Herrschaft stellen, müssen Gewalt über Etruria haben, jeder Italiener muß Römer werden, und alle Straßen müssen nach Rom führen!< —, erst da begann sich alles zu verändern. Der Wurm begann zu nagen; genügend Geld war jetzt nicht mehr genug, und Macht berauschte die Sinne nachhaltiger als Wein. Bedenkt nur, wie viele Staatsbegräbnisse wir heutzutage miterleben müssen, und erinnert euch, wie selten der Staat früher sein kostbares Geld für Begräbnisse von Männern ausgab, die sehr wohl selbst dafür aufkommen konnten. Manchmal scheint mir, wir haben ein Staatsbegräbnis pro nundinis! Ich war Stadtquästor, und mir ist bekannt, wieviel öffentliche Gelder für Nebensächlichkeiten wie Begräbnisse und Feste vergeudet werden! Warum sollte der Staat zu öffentlichen Banketten beitragen, nur damit die unterste Bürgerklasse sich mit Aalen und Austern vollstopfen und die Reste mit nach Hause tragen kann? Ich will euch sagen, warum! Damit sich irgendein ehrgeiziger Kerl auf diese Weise das Amt des Konsuls kaufen kann. >Aber<, so wird der Betreffende einwenden, >aber die Unterschicht kann mir doch gar keine Stimmen geben! Ich bin römischer Patriot, ich bereite lediglich denjenigen gern eine Freude, die sich Vergnügungen selbst nicht leisten können!< Nein, die Unterschicht kann diesem Mann keine Stimmen geben! Aber all die Händler, die für die Speisen und Getränke bei Banketten sorgen, können es, und sie tun es auch! Erinnert euch an Gaius Caesars Blumen, als er kurulischer Ädil war! Ganz zu schweigen von der Masse der Erfrischungen, die zweihunderttausend Mägen füllten. Addiert doch mal die Zahl der Blumen- und der Fischverkäufer, die Gaius Caesar ihre Erststimme schulden, wenn ihr könnt! Doch all das ist legal, unsere Bestechungsgesetze können ihn nicht belangen... «
An dieser Stelle erhob Pompeius sich und verließ den Raum, was einen reihenweisen Aufbruch der Senatoren zur Folge hatte. Bei Sonnenuntergang lauschten schließlich nur noch vier Männer einer der erfolgreichsten Dauerreden Catos zur Verhinderung einer Abstimmung: Bibulus, Gaius Piso, Ahenobarbus und der glücklose geschäftsführende Konsul, Lucius Afranius.
Sowohl Pompeius als auch Crassus sandten Briefe an Caesar, der auf dem Marsfeld in Minicius’ Gasthof Quartier bezogen hatte. Der erschöpfte Burgundus, trotz seiner enormen Größe und Stärke nicht mehr jung genug, um ungestraft Tag und Nacht rudern zu können, saß ruhig in einer Ecke von Caesars Privatgemach und beobachtete seinen geliebten Meister. Der unterhielt sich leise mit Balbus, welcher es vorgezogen hatte, Caesar Gesellschaft zu leisten, als Rom ohne ihn zu betreten. Die Briefe wurden wiederum von demselben Boten überbracht und waren schnell gelesen. Caesar blickte zu Balbus auf.
»Nun, es sieht ganz so aus, als würde ich nicht in absentia für das Amt des Konsuls kandidieren«, sagte er ruhig. »Der Senat schien zwar bereit, mir den Gefallen zu gewähren, doch Cato verhinderte auch nur die Möglichkeit einer Abstimmung, indem er ohne Punkt und Komma redete. Crassus befindet sich bereits auf dem Weg hierher, aber Pompeius wird nicht kommen. Er glaubt, er wird beschattet; wahrscheinlich hat er recht.«
»O Caesar!« Balbus’ Augen füllten sich mit Tränen, doch was ihm auf dem Herzen lag, kam nicht zur Sprache, denn plötzlich stürzte Crassus, bebend vor Wut, ins Zimmer.
»Dieser scheinheilige, aufgeblasene Tugendbold! Ich verabscheue Pompeius Magnus, und Dummköpfe wie Cicero verachte ich, aber Cato könnte ich umbringen! Welch einen Führer haben die boni nur mit ihm geerbt! Catulus würde es seinem Vater gleichtun und an frischen Mörteldämpfen ersticken, wenn er das wüßte! Wer war es doch, der sagte, daß Unbestechlichkeit und Ehrenhaftigkeit die höchsten Tugenden seien? Lieber hätte ich mit dem verschlagensten und schmierigsten Wucherer der Welt zu tun, als gemeinsam mit Cato in eine Richtung pissen zu müssen! Er ist ein schlimmerer Emporkömmling als jeder neue Mann, der, sich ein Liedchen pfeifend, auf der Via Flaminia daherflaniert! Mentula! Verpa! Cunnus!Pah!«
Caesar hörte all dem fasziniert zu und grinste vergnügt von einem Ohr zum andern. »Mein lieber Marcus, nie hätte ich gedacht, daß ich Derartiges einmal zu dir sagen müßte, aber bitte, so beruhige dich doch! Cato ist es nicht wert, daß dich um seinetwillen der Schlag trifft. Er wird ganz sicher nicht als Gewinner hervorgehen, trotz seiner vielgepriesenen Integrität!«
»Caesar, er hat bereits gewonnen! Um dein Konsulat im neuen Jahr ist es geschehen, und was wird dann aus Rom? Bekommt Rom keinen Konsul, der stark genug ist, um Schnecken wie Cato und Bibulus zu zerquetschen, dann verzweifle ich! Dann wird es gar kein Rom mehr geben! Und wie soll ich mein Ansehen retten bei den Achtzehn, wenn du nicht Erster Konsul wirst?«
»Es wird sich alles schon zum Guten wenden, Marcus, vertrau mir nur. Ich werde im neuen Jahr Erster Konsul sein, und wenn man mir Bibulus als Mitkonsul aufhalst.«
Crassus starrte Caesar ungläubig an. »Du willst doch nicht sagen, du verzichtest auf deinen Triumphzug?« brach es aus ihm hervor.
»Genau das habe ich vor.« Caesar wandte sich um. »Burgundus, es ist Zeit, daß du endlich Cardixa und deine Söhne siehst. Geh ins Domus Publica und bleibe fürs erste dort. Meiner Mutter überbringe folgende Botschaften: Ich käme am morgigen Abend nach Hause; sie möge meine toga candida einpacken und mir noch heute abend hierher bringen lassen. Morgen bei Tagesanbruch werde ich das pomerium nach Rom überqueren.«
»Das Opfer ist zu groß, Caesar!« jammerte Crassus weinerlich.
»Unsinn! Was für ein Opfer? Ich werde mehr Triumphe als nur diesen einen feiern — ich habe nicht vor, nach meiner Zeit als Konsul in eine friedliche Provinz zu gehen, das kann ich dir versichern. Du solltest mich doch langsam kennen, Marcus. Wenn ich wirklich an den Iden meinen Triumph halten würde, was gäbe das für eine Vorstellung ab? Ganz sicher keine, die meiner würdig wäre. Ich gebe zu, ich sehe eine gewisse Konkurrenz in Magnus: Seine Paraden erstreckten sich über einen Zeitraum von zwei Tagen. Nein, wenn ich triumphiere, dann ohne jede Hast und in unübertroffener Weise. Ich bin Gaius Julius Caesar und nicht Metellus das Zicklein. Noch unsere Enkel und Urenkel werden einst über meine Parade sprechen! Nie würde ich es zulassen, daß man mich unter ferner liefen< aufführt.«
»Ich glaube, ich traue meinen Ohren nicht! Du willst deinen Triumph aufgeben? Gaius, Gaius, es ist der Höhepunkt an Ruhm und Ehre im Leben eines Mannes. Sieh mich an! Mein ganzes Leben lang hat man mir meinen Triumphzug vorenthalten, dabei ist es das einzige, was ich vor meinem Tod wirklich erreichen will.«
»Dann wollen wir dafür sorgen, daß du ihn auch erhältst. Kopf hoch, Marcus. Setz dich und trinke einen Becher von Minicius’ bestem Wein, danach laß uns zu Abend essen. Ich habe festgestellt, daß man unglaublich hungrig wird, wenn man zwölf Tage lang je zwölf Stunden rudert.«
»Ich könnte Cato umbringen!« sagte Crassus, als er sich setzte.
»Wie ich schon immer tauben Ohren zu predigen pflegte: Der Tod ist keine sinnvolle Bestrafung, nicht einmal für Cato. Der Tod bringt einen um den besten aller Siege, weil er dem Feind die Schmach der Niederlage erspart. Ich messe liebend gern meine Kräfte mit Männern wie Cato oder Bibulus. Sie gewinnen ohnehin nicht.«
»Wie kannst du nur so sicher sein?«
»Ganz einfach«, sagte Caesar überrascht. »Es liegt ihnen nicht halb soviel am Sieg wie mir.«
Crassus’ Zorn war zwar verraucht, doch seine Miene zeigte noch nicht die gewohnte Gleichmütigkeit, als er ein wenig unbehaglich sagte: »Es gibt da noch etwas, das du wissen solltest, etwas, das nicht so wichtig ist, obwohl du sehr wohl anderer Meinung sein magst.«
»Und?«
Crassus’ Mut sank. »Eigentlich hat es auch Zeit bis später. Wir haben hier gesessen und geredet, als wäre dein Freund da drüben Luft.«
»Du meine Güte! Balbus, verzeih mir!« rief Caesar. »Komm zu uns und laß dich einem Plutokraten vorstellen, der noch weit aufgeblasener ist als du. Lucius Cornelius Balbus Major, das ist Marcus Licinius Crassus.«
Und das ist in der Tat, dachte Caesar, ein Händedruck zwischen zwei Gleichgesinnten. Ich weiß zwar nicht, was den beiden am Geldverdienen so ungemein gefällt, aber gemeinsam wären sie vermutlich dazu fähig, die gesamte Iberische Halbinsel zu kaufen und wieder zu verkaufen. Und wie erfreut sie sind, einander endlich kennenzulernen. Bislang war das nie möglich gewesen, denn Crassus’ Zeit in Spanien war bereits abgelaufen, als man Balbus dort noch nicht zu Gesicht bekommen hatte. Und dies ist Balbus’ erster Aufenthalt in Rom, wo er sich hoffentlich niederlassen wird.
Die drei Männer speisten vergnügt miteinander; erst als das Geschirr abgetragen und die Dochte der Lampen beschnitten worden waren, griff Crassus das heikle Thema wieder auf.
»Ich muß es dir jetzt sagen, Gaius, auch wenn du es nicht gern hören wirst«, wandte er sich an Caesar.
»Um was geht es?«
»Nepos hielt eine kurze Rede im Senat bezüglich deines Antrags.«
»Die ungünstig für mich ausfiel.«
»Ungünstig ist gar kein Ausdruck!« Crassus machte eine Pause.
»Was hat er denn gesagt? Komm, Marcus, so schlimm kann es doch nicht sein!«
»Viel schlimmer.«
»Dann solltest du es mir erst recht erzählen.«
»Er sagte, er würde einem allseits bekannten Homosexuellen wie dir keinen Gefallen erweisen. Das war der höfliche Teil seiner Rede. Du kennst ja Nepos und weißt, wie bissig er bisweilen sein kann. Der Rest war außerordentlich anschaulich geschildert und bezog sich auf den König Nicomedes von Bithynien.« Crassus unterbrach sich abermals; als Caesar jedoch schwieg, fuhr er eilends fort: »Afranius befahl den Schreibern, Nepos’ Äußerungen aus den Protokollen zu streichen, und untersagte ihm die Teilnahme an zukünftigen Senatssitzungen, solange er, Afranius, die Geschäfte führe. Er hat die Situation wirklich sehr gut gehandhabt, das muß man sagen.«
Caesar sah weder Crassus noch Balbus an, außerdem war das Licht im Raum trübe. Gestik und Mimik gaben keinerlei Anlaß zur Besorgnis, und trotzdem schien die Luft plötzlich um einige Grad kühler geworden zu sein.
Nach kurzem Schweigen sagte Caesar mit normaler Stimme: »Das war töricht von Nepos. Er wäre für die boni innerhalb des Hauses weitaus nützlicher gewesen als außerhalb. Schließlich nimmt er an allen ihren Versammlungen teil — und ist eng mit Bibulus befreundet. Ich habe jahrelang darauf gewartet, daß jemand diese Falschmeldung wieder ausgräbt. Bibulus machte vor langer Zeit viel Aufhebens darum, dann schien das Interesse abzuflauen.« Ein Lächeln blitzte in seinem Gesicht auf, aber es lag keine Heiterkeit darin. »Freunde, ich kann euch jetzt schon sagen, daß dies eine äußerst schmutzige Wahl werden wird.«
»Die Senatssitzung war beklemmend«, sagte Crassus. »Man hätte eine Nadel fallen hören können. Nepos muß begriffen haben, daß er sich selbst mehr Schaden zugefügt hat als dir, denn als Afranius die Strafe verkündete, beschimpfte er ihn ähnlich rüde wie dich und verließ wutentbrannt den Raum.«
»Ich bin enttäuscht von Nepos. Ich dachte, er sei klüger.«
»Vielleicht kaschiert er ja auf diese Weise gewisse eigene Neigungen«, polterte Crassus. »Es war äußerst komisch damals, wenn er — als er noch Tribun war — bei Plebejischen Versammlungen mit seinen Wimpern klapperte oder ungeschlachten Klötzen wie Thermus Kußhändchen zuwarf.«
»All das«, erwiderte Caesar und erhob sich gleichzeitig mit Crassus, »gehört nicht zur Sache. Nepos hat meine dignitas angegriffen. Das bedeutet, daß ich Nepos angreifen muß.«
Als Caesar das Zimmer wieder betrat, nachdem er Crassus hinausbegleitet hatte, sah er, wie Balbus sich die Augen wischte.
»Kummer wegen eines nichtswürdigen Kerls wie Nepos?« fragte er.
»Ich kenne deinen Stolz und weiß, wie es dich trifft.«
»Ja«, seufzte Caesar, »ja, es tut weh, Balbus, auch wenn ich das nie gegenüber einem Römer meiner eigenen Klasse zugeben würde. Es wäre etwas anderes, wenn es die Wahrheit wäre, aber das ist es nicht. Der Vorwurf, homosexuell zu sein, ist in Rom eine Schmach. Die dignitas leidet darunter.«
»Ich finde, Rom ist da im Unrecht«, sagte Balbus liebenswürdig.
»Der Meinung bin ich auch. Doch die ist hier nicht von Belang. Maßgeblich ist nur das mos maiorum — unsere jahrhundertealten Traditionen und Gebräuche. Aus irgendeinem, mir unbekannten Grund ist Homosexualität bis heute nie gebilligt worden. Warum, glaubst du, hat sich vor zweihundert Jahren ein derartiger Widerstand gegen alles Griechische entwickelt?«
»Aber es gibt doch Homosexuelle auch in Rom.«
»Scharenweise, Balbus, und nicht nur in den Kreisen außerhalb des Senats. Cato der Zensor unterstellte Scipio Africanus, homosexuell zu sein, und Sulla war es ohne Zweifel ebenfalls. Wie dem auch sei, wäre das Leben ohne Schwierigkeiten, wie würden wir uns langweilen!«
Der Erste Konsul und Wahlbeamte Quintus Caecilius Metellus Celer hatte seine Wahlkabine im unteren Teil des Forums nahe dem Tribunal des Stadtprätors errichtet, und dort saß er nun, um die zahlreichen Bewerbungen für das Amt der Prätoren oder Konsuln zu prüfen. Sein Aufgabenbereich umfaßte ferner die anderen beiden Wahlen, die erst im Quinctilis stattfinden würden und Cato daher als Vorwand dienen konnten, den Bewerbungsschluß für die kurulischen Ämter vorzuverlegen. Auf diese Weise, meinte Cato, sei der Wahlbeamte in der Lage, seine kurulischen Kandidaten die angemessene Aufmerksamkeit angedeihen zu lassen, ehe er sich mit der Volks- und der Plebejischen Versammlung abzugeben habe.
Die Magistratskandidaten trugen die toga candida, ein Gewand von strahlendem Weiß, dessen Intensität dadurch erreicht wurde, daß man es tagelang in der Sonne bleichen und anschließend mit Kreide einreiben ließ. Im Gefolge der Kandidaten befanden sich all ihre Klienten und Freunde, je angesehener, desto besser. Wer kein gutes Gedächtnis besaß, der pflegte einen nomenclator anzustellen; seine Aufgabe war es, den Namen aller Männer, die ihnen auf ihrem Weg begegneten, in die unablässig gespitzten Ohren des Kandidaten zu wispern — was neuerdings ein wenig heikel war, da die nomenclatores offiziell für ungesetzlich erklärt worden waren.
War ein Kandidat schlau, faßte er sich in Geduld, und lieh jedem, der ihn sprechen wollte, sein Ohr, egal, wie weitschweifig sich dieser auch auslassen mochte. Traf er auf eine Mutter mit ihrem Säugling, schenkte er der Mutter ein Lächeln, den Säugling küßte er — hier waren selbstverständlich keine Stimmen zu erwarten, doch es war durchaus denkbar, daß die Frau den Ehemann dazu bewegen würde, ihn zu wählen. Ein Kandidat lachte stets laut, wenn es die Situation verlangte, weinte mitfühlend über Leidensgeschichten und trug eine feierliche und ernste Miene zur Schau, wenn hehre und ernste Themen angeschnitten wurden; doch niemals wirkte er gelangweilt oder desinteressiert, sondern war immer darauf bedacht, der falschen Person nur ja nie das Falsche zu sagen. Er schüttelte so viele Hände, daß er seine eigene Rechte jeden Abend in kaltem Wasser kühlen mußte.
Diejenigen seiner Freunde, die bekannt für ihre rhetorischen Fähigkeiten waren, überredete er dazu, die Rostra oder Castors Rednertribüne zu besteigen; sie hatten die Besucher des Forums darüber aufzuklären, welch ein Wunderknabe, was für eine Stütze der Gesellschaft ihr Kandidat sei, und wie viele Generationen von imagines aus seinem Atrium hervorgegangen waren — und was für ein trostloser, verwerflicher, unehrenhafter, korrupter, unpatriotischer, schändlicher, sodomitischer, Kinder verführender, verderbter, fischfressender, fauler, gefräßiger, trunksüchtiger Haufen seine Gegner indessen seien.
Der Kandidat versprach jedem alles, ganz gleich, wie unmöglich es scheinen mochte, diese Versprechungen wahrzumachen.
Andererseits gab es zahlreiche Gesetze zur Beschränkung der Kandidaten: Sie durften weder jenen unerläßlichen nomenclator anstellen noch Gladiatorenspiele veranstalten; lediglich engste Freunde und Verwandte durften bewirtet werden; Geschenke waren verboten — und selbstverständlich war es untersagt, Bestechungsgelder zu bezahlen. Einige Verbote (der nomenclator beispielsweise) wurden einfach ignoriert; auf Darbietungen wie die Gladiatorenspiele und Bankette verzichtete man nun, wobei das Geld, das man normalerweise für sie ausgegeben hätte, jetzt für Bestechungen verwendet wurde.
Das Interessante dabei war, daß ein Römer, ließ er sich einmal kaufen, dies für alle Zeiten tat. Es war eine gewisse Ehre damit verbunden, und ein Mann, von dem man wußte, daß er sein Bestechungsgeld zurückgewiesen hatte, wurde allgemein gemieden. Kaum jemand, der sozial niedriger stand als die Achtzehn, war unempfänglich für Bestechungen, denn diese garantierten eine ansehnliche Summe des dringend benötigten Bargelds. Nutznießer waren hauptsächlich Männer der ersten, seltener der zweiten Klasse. Die dritte, vierte oder fünfte Klasse waren das Bestechungsgeld nicht wert, da man sie selten dazu aufforderte, in den Zenturiatswahlen ihre Stimme abzugeben. Ein Mann, der aus jeder dieser Wahlen siegreich hervorzugehen pflegte, hatte es nicht nötig, die zweite Klasse zu bestechen, so wichtig waren die Zenturien den Wählern der ersten Klasse — sie waren gleichzeitig auch am wohlhabendsten, da die Zenturien nach Vermögensabstufungen ausgerichtet waren.
Tribuswahlen mit Hilfe von Bestechungen zu beeinflussen, war schon schwieriger, doch nicht unmöglich. Kein Kandidat für das Amt des Ädils oder Volkstribuns gab sich damit ab, die Bürger der vier großen Stadttribus zu bestechen; statt dessen richtete er sein Augenmerk auf die ländlichen Tribus, von denen sich nur wenige Mitglieder zur Wahlzeit in Rom aufhielten.
Wieviel der einzelne an Bestechungsgeldern offerierte, lag an ihm selbst. Denkbar waren ebenso tausend Sesterzen für jeden einzelnen einer Gruppe von zweitausend Wählern wie fünfzigtausend für jeden einzelnen von vierzig Wählern mit genügend Einfluß, die ihrerseits Scharen von weiteren Wählern manipulierten. Klienten waren eigentlich dazu verpflichtet, für ihre Schutzherren zu stimmen, doch auch hier erwies sich oft ein kleines Geldgeschenk als dienlich. Eine Summe von zwei Millionen Sesterzen war das Maximum dessen, was ein ausnehmend reicher Mann als Bestechungsgeld in Erwägung zog; manche Wahlen waren aber auch berüchtigt für ihre knauserigen Geldgeber und wurden von denjenigen, die Bestechungsgelder erwarteten, scharf kritisiert.
Die Gelder wurden in der Regel am Tag vor der Stimmabgabe ausbezahlt. Doch die meisten Kandidaten, die große Bestechungssummen aufgewendet hatten, sorgten dafür, daß ihre Wahlhelfer sich so nah wie möglich an den Wahlkörben aufhielten, um kontrollieren zu können, was der Wähler auf seine Wahltafel geschrieben hatte. Es bestand natürlich immer die Gefahr, die falsche Person zu bestechen. Cato zum Beispiel war bekannt dafür, zahlreiche Männer aufzutreiben, die bereit waren, Bestechungsgelder anzunehmen; anschließend benutzte er sie dann als Zeugen in einem Bestechungsprozeß. Das war nicht einmal unehrenhaft, da der Bestochene seine Stimme wie besprochen abgab. Machte er später bei der strafrechtlichen Untersuchung seine Aussage, brauchte er kein schlechtes Gewissen zu haben, war er doch schließlich zu genau dem Zweck angeworben worden, ehe er Geld annahm. Aus diesem Grund war es den meisten Männern, die man wegen Wahlbestechung strafrechtlich verfolgte, gelungen, gewählt zu werden: von Publius Sulla über Autronius bis zu Murena. Ungern vergeudete man die Gerichtszeiten für Versager.
Normalerweise gab es bis zu zehn Kandidaten für das Amt des Konsuls, im Durchschnitt aber sechs oder sieben, wovon mindestens die Hälfte aus den berühmten Familien stammte. Die Wähler hatten daher eine recht breite und facettenreiche Auswahl. Doch in dem Jahr, in welchem Caesar für das Amt des Konsuls kandidierte, waren Bibulus und die boni von Fortuna begünstigt. In den meisten Provinzen war die Amtszeit der Prätoren verlängert worden; sie hielten sich daher nicht in Rom auf, um für eine Wahl zu kandidieren, die so klar zugunsten eines Mannes verlaufen würde: Jeder politisch denkende Römer wußte, daß Caesar nicht verlieren konnte. Und diese Tatsache verringerte die Aussichten aller anderen Bewerber. Nur ein Mann außer Caesar konnte Konsul werden, und er würde den Platz des Zweiten Konsuls einnehmen. Caesar würde zweifelsohne mit Abstand die meisten Wahlstimmen erringen und daher Erster Konsul werden. Aus diesem Grunde entschieden sich viele Männer, die das Konsulamt anstrebten, gegen eine Kandidatur im selben Wahljahr wie Caesar. Jede Niederlage war schädlich.
Und so beschlossen die boni, alles auf einen Mann, nämlich Marcus Calpurnius Bibulus, zu setzen; sie versuchten, potentielle Kandidaten aus alten oder vornehmen Familien zu überreden, nicht gegen Bibulus zu kandidieren. Er mußte Zweiter Konsul werden! Als Zweiter Konsul würde er sich in einer Position befinden, in der er seinem Mitkonsul Caesar das Leben schwermachen konnte.
Schließlich blieben vier Kandidaten übrig, von denen nur zwei aus vornehmen Familien stammten — Caesar und Bibulus. Die beiden anderen waren neue Männer, und nur einer hatte eine Chance — Lucius Lucceius, ein bekannter Advokat und treuer Anhänger des Pompeius. Lucceius würde zweifellos bestechen, da er Pompeius’ Reichtum hinter sich und außerdem ein ansehnliches eigenes Vermögen hatte. Die Summe, die Lucceius als Bestechungsgeld zur Verfügung stand, gab ihm eine gewisse, wenn auch kleine Chance. Bibulus war ein Capurnius, er hatte die boni im Rücken und würde ebenfalls auf Bestechung setzen.
Caesar überschritt Roms Stadtgrenze bei Tagesanbruch. Mit Balbus als einzigem Begleiter ging er die Via Lata bis zum Hügel der Bankiers entlang und betrat die Stadt durch die porta Fontinalis; dann stieg er hinab zum Forum, das Lautumiae-Gefängnis zu seiner Rechten, die Basilica Porcia zur Linken. Er überraschte den kurulischen Wahlbeamten Metellus Celer dabei, wie er vor seiner Wahlkabine stand, völlig versunken in den Anblick eines Adlers, der auf dem Dach des Castor-Tempels thronte, und ohne jede Aufmerksamkeit für die aus der Richtung des Gefängnisses kommenden Passanten.
»Ein interessantes Omen«, sagte Caesar.
Celer schnappte nach Luft, erstickte fast daran, türmte all seine Papiere zu einem Stapel und sprang auf. »Du kommst zu spät, die Wahlkabine ist bereits geschlossen«, rief er.
»Komm schon, Celer, derart verfassungswidrig wagst du dich doch wohl nicht zu verhalten. Ich bin hier, um an den Nonen des Juni offiziell meine Kandidatur für das Amt des Konsuls zu erklären. Heute hast du geöffnet, das ist Senatsbeschluß. Und deshalb wirst du meine Kandidatur entgegennehmen. Ich sehe keinen Hinderungsgrund dafür.«
Mit einemmal hatte sich das untere Forum mit Menschen gefüllt; alle Klienten Caesars waren plötzlich da, darunter einer, der so prominent war, daß Celer es nicht wagte, seine Wahlkabine zu schließen. Marcus Crassus kam mit großen Schritten auf Caesar zu und stellte sich neben ihn.
»Gibt es Probleme, Caesar?« knurrte er.
»Nicht, daß ich wüßte, oder, Quintus Celer?«
»Du hast die Rechenschaftsberichte deiner Provinzen noch nicht vorgelegt.«
»Doch, Quintus Celer. Sie sind gestern morgen im Schatzamt eingetroffen, zusammen mit der Anweisung, sie schnellstmöglich prüfen zu lassen. Willst du mich zum Saturn-Tempel begleiten, um zu sehen, ob es Unstimmigkeiten gibt?«
»Ich nehme deine Kandidatur für das Amt des Konsuls an«, sagte Celer, lehnte sich vor und knurrte wütend: »Du Dummkopf! Du hast deinen Triumphzug aufgegeben, und wofür? Bibulus wird dafür sorgen, daß dir die Hände gebunden sind, das schwöre ich! Du hättest bis zum nächsten Jahr warten sollen.«
»Bis dahin gäbe es kein Rom mehr, würde man Bibulus frei schalten und walten lassen. Nein — würde man Bibulus nichts tun, dafür jedoch alles verbieten lassen. So stimmt es eher!«
»Er wird mit dir als Erstem Konsul nicht weniger verbieten.«
»Das soll er nur versuchen.«
Caesar wandte sich ab, legte seinen Arm um Crassus’ Schulter und schritt mit ihm in eine aufgewühlte Menschenmenge, die ebenso betrübt war über den Verlust von Caesars Triumphzug wie außer sich vor Freude über sein Erscheinen in der Stadt.
Für einen Augenblick beobachtete Celer diesen herzlichen Empfang, dann machte er eine schroffe Geste zu seinen Dienern hin. »Die Wahlkabine ist geschlossen«, sagte er und stand auf. »Liktoren, auf zum Haus von Marcus Calpurnius Bibulus — und beeilt euch ausnahmsweise einmal!«
Da es die Nonen waren und deshalb keine Senatssitzung stattfand, war Bibulus zu Hause, als Celer bei ihm eintraf.
»Rate, wer eben seine Kandidatur abgegeben hat?« sagte er zähneknirschend, als er Bibulus’ Arbeitszimmer betrat.
Das hagere, fahl wirkende Gesicht seines Gegenübers wurde noch bleicher. »Das ist doch nicht dein Ernst!«
»Es ist mein voller Ernst«, sagte Celer und ließ sich auf einen Stuhl fallen, wobei er Metellus Scipio mit einem unfreundlichen Blick bedachte. Was hatte dieser trübsinnige Kerl hier verloren?
»Caesar hat die Stadtgrenze überschritten und seine Amtsgewalt niedergelegt.«
»Aber er sollte doch triumphieren!«
»Ich habe ja vorausgesagt«, entgegnete Metellus Scipio, »daß er gewinnen würde. Und wißt ihr auch, warum er stets gewinnt? Weil er nicht ständig innehält, um Vor- und Nachteile abzuwägen. Er denkt anders als wir. Keiner von uns hätte seinen Triumph für das Amt des Konsuls aufgegeben, um das man sich schließlich jedes Jahr neu bewerben kann.«
»Der Mann ist doch verrückt«, kam es finster von Celer.
»Äußerst verrückt oder äußerst gescheit, da bin ich mir nicht sicher«, sagte Bibulus und klatschte in die Hände. Als der Diener erschien, gab er den Befehl: »Schicke nach Marcus Cato, Gaius Piso und Lucius Ahenobarbus.«
»Berufst du den Kriegsrat ein?« fragte Metellus Scipio und seufzte niedergeschlagen, als stehe schon die nächste verlorene Sache ins Haus.
»Ja, ja! Doch ich warne dich, Scipio. Kein Wort davon, daß Caesar stets gewinnt! Wir brauchen keinen Unheilspropheten in unserer Mitte; denn wenn es darum geht, Unheil vorauszusagen, dann überbietest du Kassandra noch.«
»Danke, Tiresias!« sagte Metellus Scipio hölzern. »Ich bin ja keine Frau!«
»Er war es schon, für eine Weile«, kicherte Celer. »Und blind war er auch! Hast du in letzter Zeit einmal kopulierende Schlangen beobachtet, Scipio?«
Als Caesar das Domus Publica betrat, war es schon Nachmittag. Man hatte ihn auf seinem Weg oft aufgehalten, denn die Menschen waren in Scharen zum Forum gekommen, um ihn zu sehen; zudem hatte er auf Balbus Rücksicht nehmen müssen, dem er gern ungeteilte Aufmerksamkeit schenken und den er jedem bekannten Mann, dem sie begegneten, vorstellen wollte.
Dann dauerte es eine Weile, bis Balbus gut in einer der Gästesuiten im oberen Stockwerk des Hauses untergebracht war, und noch ein wenig länger, bis Caesar seine Mutter, seine Tochter und die Vestalinnen begrüßt hatte. Endlich, kurz vor dem Abendessen, gelang es ihm, die Tür seines Arbeitszimmers vor der Welt zu verschließen und zu sich selbst zu kommen.
Der Triumphzug war schon Vergangenheit für ihn, darüber länger nachzudenken wäre Zeitverschwendung. Jetzt war es wichtiger, die nächsten Schritte zu bedenken, die eigenen, doch auch die der boni. Es war ihm nicht entgangen, daß Celer das Forum eilig verlassen hatte; das konnte nur bedeuten, daß die boni umgehend einen Kriegsrat einberufen hatten. Schade um Celer und Nepos, die einst seine treuen Verbündeten gewesen waren! Warum bekämpften sie ihn jetzt so erbittert? Pompeius war schließlich ihre erklärte Zielscheibe; auch gab es keinen Grund für eine Annahme, daß Caesar sich zu dessen Marionette machen lassen würde, wenn er erst Konsul wäre. Zugegeben, er hatte sich im Senat stets für Pompeius eingesetzt, doch waren sie weder vertraut miteinander noch blutsverwandt. Pompeius hatte Caesar während der Eroberung des Ostens keinen Legatenposten angeboten; es gab kein freundschaftliches Verhältnis zwischen ihnen beiden. Hatten sich die Metellus-Brüder etwa verpflichtet, als Preis für den Aufstieg in die höheren Schichten sämtliche Feinde der boni auch zu den ihren zu machen? Höchst unwahrscheinlich angesichts der Macht, die sie besaßen. Sie hatten es nicht nötig, die boni zu umwerben, eher müßten diese auf den Knien angekrochen kommen.
Als äußerst verwirrend empfand er Nepos’ unflätige Attacke im Senat; sie war ein Zeichen ungeheuren Grolls, einer ganz persönlichen Fehde. Doch was lag ihr zugrunde? Hatten sie ihn etwa schon gehaßt, als sie zwei Jahre zuvor so gut mit ihm zusammengearbeitet hatten? Ganz sicher nicht. Caesar war nicht Pompeius, der in ständiger Unsicherheit und Sorge lebte, ob er geschätzt oder verachtet wurde. Sein Menschenverstand sagte ihm, daß diese Fehde vor zwei Jahren noch nicht in der Welt gewesen war. Doch warum hatten es die Metellus-Brüder dann darauf angelegt, ihn zu vernichten? Warum? Mucia Tertia? Ja, bei den Göttern, das mußte es sein! Was mochte sie ihren Halbbrüdern nur erzählt haben, um ihre Lebensweise während Pompeius’ Abwesenheit zu rechtfertigen? Denn daß sie ihren edlen Körper einem Mann wie Titus Labienus hingegeben hatte, hätten die beiden einfluchreichsten Caecilii Metelli niemals gebilligt; doch hatten sie ihr nicht nur verziehen, sie hatten sie sogar gegen Pompeius verteidigt. Hatte sie etwa die Schuld auf Caesar abgewälzt, den sie schon kannte, als sie damals, vor sechsundzwanzig Jahren, den jungen Marius geheiratet hatte? Hatte sie ihnen erzählt, er, Caesar, sei in Wahrheit ihr Verführer gewesen? Irgendwo mußte das Gerücht doch seinen Ursprung haben. Gab es dafür eine bessere Quelle als Mucia Tertia? Nun gut, dann waren die Metellus-Brüder von jetzt an eben seine erbitterten Feinde. Bibulus, Cato, Gaius Piso, Ahenobarbus und eine ganze Reihe unbedeutenderer boni würden vor keiner Maßnahme — mit Ausnahme von Mord — zurückschrecken, um ihn zu Fall zu bringen. Blieb nur noch Cicero. Es gab so viele Männer auf der Welt, die sich um jede Entscheidung drückten, mal mit diesem Grüppchen liebäugelten, mal jenem schmeichelten und infolgedessen keine Verbündeten und kaum Freunde hatten. Zu diesen Männern gehörte Cicero. Wo Cicero augenblicklich stand, das ließ sich nur vermuten; wahrscheinlich wußte er es selbst nicht. Gerade noch verehrte er seinen Busenfreund Pompeius, kurz darauf war er schon wieder voll des Hasses gegen alles, was mit diesem zu tun hatte oder wofür er eintrat. Hatte da Caesar, der mit Crassus befreundet war, überhaupt eine Chance? Tja, Caesar, auf Cicero brauchst du deine Hoffnung nicht zu setzen...
Das Vernünftigste würde sein, ein politisches Bündnis mit Lucius Lucceius zu schließen. Caesar kannte ihn gut, da sie häufig im Gericht zusammengearbeitet hatten, wobei Caesar meist Vorsitzender Richter gewesen war. Ein brillanter Advokat, ein glänzender Redner und ein kluger Kopf, der ein höheres gesellschaftliches Ansehen für sich und seine Familie wohl verdient hatte. Lucceius und Pompeius konnten es sich leisten, Bestechungsgelder zu bezahlen, und würden es zweifellos auch tun. Doch ob sie Erfolg damit hätten? Je länger Caesar darüber nachdachte, desto mehr schwand seine Zuversicht. Wenn nur Pompeius im Senat und bei den Achtzehn Männer hinter sich hätte, die ihn unterstützten! Im Grunde erstaunlich, daß dem nicht so war, doch zurückzuführen auf Pompeius’ alte Verachtung gegenüber dem Gesetz und Roms ungeschriebener Verfassung. Er hatte den Senat gezwungen, ihn als Konsul kandidieren zu lassen, ohne je Senator gewesen zu sein. Das hatten sie ihm nie verziehen, keiner der Senatoren aus jenen Tagen, die erst ein Jahrzehnt zurücklagen. Die einzigen loyalen Anhänger, die Pompeius im Senat hatte, waren Landsleute aus Picenum wie Petreius, Afranius, Gabinius, Lollius, Labienus, Lucceius und Herennius, Männer, die keine bedeutende Rolle spielten. Kein Hinterbänkler — es sei denn einer aus Picenum — würde ihm seine Stimme geben. Mit Geld ließen sich zwar Stimmen kaufen, aber Pompeius und Lucceius würden an den Strategien der Verteilung von Bestechungsgeldern scheitern.
Die boni andererseits würden bestechen. O ja, ohne Frage. Und da Cato die Bestechung akzeptieren würde, gäbe es keine Chance, sie zu enthüllen, es sei denn, Caesar bediente sich der gleichen Techniken wie Cato. Das aber stand für ihn außer Frage, nicht so sehr aus Prinzip, als vielmehr aus Zeit- und Erfahrungsmangel. Für Cato war es ein gekonntes Spiel, betrieb er es doch schon seit Jahren. Wappne dich also, Caesar, denn du wirst Bibulus als Zweiten Konsul an deiner Seite haben, ob es dir paßt oder nicht...
Was würden sie ihm sonst noch anhaben können? Dem Konsul des kommenden Jahres nachträglich den Zugang zu den Provinzen verwehren. Gut möglich, daß ihnen das gelingen würde. Im Augenblick waren die beiden Teile Galliens konsularische Provinzen, was auf Unruhen zwischen den Allobrogern, den Haeduern und den Sequanern zurückzuführen war. Gewöhnlich wurden die gallischen Provinzen gemeinsam verwaltet, wobei das italische Gallien als Rekrutierungs- und Versorgungsbasis für das Gallien jenseits der Alpen diente. Den Konsuln des laufenden Jahres, Celer und Aframus, hatte man die beiden Gallien für das kommende Jahr übertragen; Celer sollte für die Kämpfe in Gallia Transalpina Verantwortung tragen, Afranius ihm in Gallia Cisalpina den Rücken stärken. Es würde ein leichtes sein, ihre Zeit um ein, zwei Jahre zu verlängern. Dafür gab es bereits Präzedenzfälle, da die meisten gegenwärtigen Provinzstatthalter ihr Amt schon zwei oder drei Jahre bekleideten.
Vorausgesetzt, die Allobroger hatten sich beruhigt — was allgemein als sicher galt—, so war der Zwist in Gallia Transalpina eher eine Fehde zwischen den verschiedenen Stämmen als ein Konflikt mit Rom. Vor mehr als einem Jahr hatten die Haeduer eine Beschwerde beim Senat darüber eingereicht, daß die Sequaner und Averner in haeduisches Gebiet eingefallen waren; doch der Senat hatte ihnen keine Beachtung geschenkt. Jetzt waren es die Sequaner, die sich beklagten. Sie hatten ein Bündnis mit den germanischen Sueben jenseits des Rhenus geschlossen und deren König Ariovistus ein Drittel ihres Landes überlassen. Doch leider hatte sich Ariovistus mit einem Drittel nicht zufriedengegeben, er wollte zwei Drittel. Dann begannen die Helvetier von den Alpen herabzusteigen, um nach einer neuen Bleibe im Rhodanustal Ausschau zu halten.
Aber all dies interessierte Caesar nur am Rande; er war froh, daß nicht er, sondern Celer für die Bereinigung der Schlachtfelder verantwortlich war, welche die gegeneinander kriegführenden gallischen Stämme häufig hinterließen.
Caesar wollte Afranius Provinz, das italische Gallien. Er kannte seinen Weg genau: Nach Noricum, Moesia, Dacia wrollte er gehen, in die Länder am Danubius bis hinunter ans Schwarze Meer. Seine eroberten Gebiete würden Italien — auf dem Landweg — mit den okkupierten Regionen von Pompeius in Asia und im Kaukasus verbinden, und die sagenhaften Reichtümer dieses gewaltigen Flusses würden Rom gehören. Wenn der alte König Mithridates geglaubt hatte, er könne seine Macht von Osten nach Westen ausdehnen, warum sollte sich Caesar nicht von Westen nach Osten vorarbeiten?
Die konsularischen Provinzen wurden kraft eines von Gaius Gracchus eingebrachten Gesetzes vom Senat zugeteilt; dieses Gesetz legte fest, daß über die Provinzen, die an die Konsuln des kommenden Jahres vergeben werden sollten, noch vor deren Wahl entschieden werden mußte. Auf diese Weise wußten die Kandidaten schon von vornherein, welche Provinzen sie übernehmen würden.
Caesar hielt das Gesetz für ausgezeichnet, da es verhinderte, daß jemand, der soeben Konsul geworden war, ein Komplott schmieden konnte, um sich die Provinz seiner Wahl zu sichern. Unter den gegenwärtigen Umständen war es das beste, sobald wie möglich in Erfahrung zu bringen, welche Provinz die seine werden würde. Und würden sich die Dinge nicht nach seinen Vorstellungen entwickeln — gewährte man den Konsuln des nächsten Jahres beispielsweise keine Provinzen —, dann gäbe ihm das Gesetz des Gaius Gracchus zumindest siebzehn Monate Zeit, um Taktiken zu entwickeln, nachzudenken und zu planen, wie er an die Provinz, die er für sich haben wollte, doch herankommen konnte. Er mußte das italische Gallien bekommen! Interessant, daß Afranius sich möglicherweise als größeres Hindernis erweisen würde als Metellus Celer. Ob Pompeius wohl bereit war, Afranius um seinen versprochenen Lohn zu bringen, damit er einem ihm gewogenen Ersten Konsul in Gestalt Caesars entgegenkommen konnte?
Während seiner Zeit als Statthalter in Hispania Ulterior hatte sich Caesars Denkweise ein wenig geändert. Die konkrete Regierungserfahrung hatte sich als ebenso vorteilhaft erwiesen wie die Chance, Roms Fängen eine Zeitlang zu entkommen. Aus der Distanz sah er manches, das vorher seiner Aufmerksamkeit entgangen war, in einem anderen Licht, und viele seiner Vorstellungen hatten sich gewandelt. Doch seine Ziele waren die gleichen geblieben: Er würde nicht nur Erster Mann in Rom sein, sondern der größte aller Ersten Männer, die Rom je gesehen hatte.
Er hatte mittlerweile jedoch klar erkannt, daß diese Ziele unmöglich auf dem herkömmlichen, einfachen Weg zu erreichen waren. Männern wie Scipio Africanus und Gaius Marius war es noch gelungen, den gigantischen Schritt vom Amt des Konsuls zum militärischen Oberbefehlshaber zu machen und auf diese Weise Titel, Macht und bleibenden Ruhm zu erlangen. Dann aber hatte Cato der Zensor Scipio Africanus das Kreuz gebrochen, nachdem Scipio unbestreitbar Erster Mann in Rom geworden war; und Marius hatte sich von seinem Schlaganfall nie mehr erholt.
Und doch hatte sich keiner von ihnen mit einer so organisierten und massiven Opposition wie den boni herumschlagen müssen. Die Präsenz der boni hatte die Situation radikal verändert.
Caesar sah ein, daß er sein Ziel nicht im Alleingang erreichen konnte, daß er Verbündete mit mehr Macht benötigte, als ihm die Männer seiner Faktion — Männer wie Balbus und Publius Vatinius (dessen Reichtum und Intelligenz ihn unersetzlich machten), der große Bankier Gaius Oppius, Lucius Piso, der ihn vor den Geldverleihern gerettet hatte, Aulus Gabinius und Gaius Octavius (der Ehemann seiner Nichte, ein sehr wohlhabender Mann, der zudem noch Prätor war) — bieten konnten.
Den Mann, den er jetzt brauchte, war Marcus Licinius Crassus. Wie erstaunlich, daß Fortuna ihm Crassus in die Arme gespielt hatte; die Steuerverträge setzten eine Entwicklung in Gang, die nicht vorhersehbar gewesen war. Wenn er als Erster Konsul eine Lösung für Crassus’ Angelegenheiten finden würde, so konnte er sich sämtlicher Beziehungen dieses Mannes für immer sicher sein.
Aber er brauchte auch Pompeius den Großen. Doch wie konnte Caesar ihn an sich binden, wenn das Land für Pompeius’ Veteranen erst einmal sichergestellt war und man seine Siedlungen im Osten genehmigt hatte? Pompeius war weder ein treuer Römer noch eine dankbare Natur. Doch irgendwie mußte er ihn an seiner Seite haben, ohne sich seiner Dominanz zu unterwerfen.
An diesem Punkt seiner Überlegungen drang Caesars Mutter in seine private Sphäre ein.
»Du kommst genau im richtigen Moment«, sagte er lächelnd und erhob sich, um ihr in den Stuhl zu helfen, eine Höflichkeit, die er ihr nur selten erwies. »Mater, ich weiß jetzt, wohin mein Weg mich führen wird.«
»Das überrascht mich nicht, Caesar. Zu den Sternen, versteht sich.«
»Zumindest bis ans andere Ende der Welt.«
Sie runzelte die Stirn. »Man hat dir wohl schon erzählt, was Metellus Nepos im Senat geäußert hat?«
»Ja, Marcus Crassus tat es. Er war fassungslos.«
»Nun, es mußte früher oder später wieder an die Oberfläche kommen. Wie wirst du damit umgehen?«
Jetzt war es Caesar, der die Stirn runzelte. »Ich bin mir noch nicht sicher. Obwohl ich äußerst froh darüber bin, daß ich nicht selbst dort war, um ihn anzuhören — womöglich hätte ich ihn umgebracht, was meiner Laufbahn ganz und gar nicht förderlich gewesen wäre. Soll ich ihm vielleicht Kußhände zuwerfen, um den Verdacht von mir auf ihn zu lenken? Crassus meint ja, er habe gewisse Neigungen.«
»Nein«, sagte sie bestimmt. »Das beste wäre es, ihn und die ganze Angelegenheit zu ignorieren. In deinem Kielwasser schwimmen mehr weibliche Leichen — bildhaft gesprochen —, als einst Adonis zu verzeichnen hatte. Du hattest weder eine heimliche Liebesgeschichte mit einem Mann, noch ist es deinen Feinden — trotz all ihrer Versuche — je gelungen, den Namen eines einzigen Mannes als Beweis anzuführen. Mehr als der arme alte König Nicomedes fällt ihnen doch nicht ein. Die Zeit wird Gras darüber wachsen lassen, Caesar. Ich weiß, daß du mit deiner Geduld langsam am Ende bist, doch ich bitte dich, zügle dich, wann immer dieses Thema zur Sprache kommt. Verschließe einfach deine Ohren.«
»Ja, du hast recht.« Er seufzte. »Wie pflegte Sulla doch zu sagen? Kein anderer Mann habe einen so steinigen Weg zum Amt des Konsuls, eine so harte Amtszeit gehabt wie er. Ich fürchte, ich werde ihn noch in den Schatten stellen.«
»Und das ist gut so. Sulla war allen anderen weit überlegen, und daran hat sich auch bis heute nichts geändert.«
»Pompeius würde es niemals ertragen, verhaßt zu sein wie Sulla; ich jedoch möchte, offen gesagt, lieber gehaßt werden als in Vergessenheit geraten. Man weiß nie, was die Zukunft bringen wird. Man kann nur auf das Schlimmste gefaßt sein.«
»Und handeln«, sagte Aurelia.
»Das sowieso. Ist das Essen schon bereitet? Ich bin immer noch dabei, mir die fehlende Energie zuzuführen, die ich beim Rudern verbraucht habe.«
»Eigentlich kam ich, um dir zu sagen, daß es fertig ist.« Sie stand auf. »Mir gefällt Balbus. Ein Aristokrat durch und durch, nicht wahr?«
»Er kann, genau wie ich, die Spur seiner Ahnen um tausend Jahre zurückverfolgen. Er ist Punier. Sein wirklicher Name ist erstaunlich — Kinahu Hadasht Byblos.«
»Drei Namen? Ja, dann ist er Aristokrat.«
Sie traten auf den Gang hinaus und gingen auf die Tür des Speisezimmers zu.
»Und zwischen den Vestalinnen gibt es keine Schwierigkeiten?« fragte er.
»Überhaupt keine.«
»Und meine kleine Amsel?«
»Wächst und gedeiht.«
In diesem Augenblick kam Julia auf sie zu, und Caesar hatte die Muße, sie eingehend zu betrachten. Wie erwachsen sie in seiner Abwesenheit geworden war! Und wie schön! Oder war dies nur das Urteil des voreingenommenen Vaters?
Nein, sicher nicht. Julia hatte Caesars Knochenbau geerbt, der wiederum dem seiner Mutter glich. Der transparente Schimmer ihrer Haut und das helle füllige Haar verliehen Julia eine erlesene Zerbrechlichkeit, die sich in ihren großen blauen, von zartvioletten Schatten umspielten Augen widerspiegelte. Hochgewachsen wie ein Mann von durchschnittlicher Größe, war ihre Figur vielleicht ein wenig zu schlank, waren ihre Brüste wohl zu klein für manchen männlichen Geschmack; aber ihr Vater nahm wahr, daß sie ihre eigenen, ganz besonderen Reize hatte und viele Männer entzücken würde. Ob ich sie wohl begehren würde, wenn ich nicht ihr Vater wäre? Ich weiß es nicht, doch ich bin sicher, daß ich sie lieben würde. Sie ist eine wirkliche Julierin, und sie wird ihre Männer glücklich machen.
»Du wirst siebzehn im Januar«, sagte er, nachdem er ihr und Aurelia gegenüber auf dem locus consularis Platz genommen hatte, auf den sich jetzt Balbus setzte.
»Wie geht es Brutus?«
Caesar bemerkte, daß ihr Gesicht sich nicht aufgehellt hatte, als er den Namen ihres Verlobten nannte, und sie antwortete gelassen: »Es geht ihm gut, tata.«
»Beginnt er denn, im Forum auf sich aufmerksam zu machen?«
»Eher in Verlagskreisen. Er bekommt Preise für seine Epitome.« Sie lächelte. »Im Grunde interessiert er sich mehr für das Geschäftsleben, deshalb ist es auch schade, daß er Senator werden wird.«
»Mit Marcus Crassus als Vorbild? Der Senat wird ihm keinerlei Beschränkungen auferlegen, wenn er schlau ist.«
»Er ist schlau.« Julia atmete tief durch. »Er würde sich im öffentlichen Leben wesentlich besser bewähren, wenn seine Mutter ihn in Ruhe ließe.«
Caesars Lächeln zeigte keine Spur von Ärger. »Da stimme ich dir aus ganzem Herzen zu, meine Tochter. Wie oft habe ich ihr schon gesagt, sie solle achtgeben, daß sie keinen Hasenfuß aus ihm macht. Aber Servilia läßt sich nicht dreinreden.«
Der Name erregte die Aufmerksamkeit Aurelias. »Ich wußte doch, daß ich dir noch etwas auszurichten hatte, Caesar: Sie wünscht, dich zu sehen.«
Doch zunächst einmal war es Brutus, den Caesar zu Gesicht bekam; er war gerade eingetroffen, um Julia zu besuchen, als die vier aus dem Speisezimmer traten.
Die Zeit hatte den armen Brutus nicht eben anziehender gemacht. So jämmerlich wie eh und je reichte er Caesar seine schlaffe Hand; dabei war er nicht in der Lage, Caesars Blick standzuhalten, eine Eigenschaft, die diesen immer schon irritiert hatte, weil er sie für den Ausdruck von Unsicherheit hielt. Brutus’ schlimme Akne schien sich noch verschlechtert zu haben, obwohl sie — immerhin war er dreiundzwanzig Jahre — allmählich hätte nachlassen sollen. Wären die ungepflegten, dunklen Stoppeln auf Wangen, Kinn und Kiefer nicht gewesen, so hätte er vielleicht weniger unordentlich gewirkt; kein Wunder, daß er lieber an seinem Schreibtisch vor sich hinkritzelte, als öffentliche Reden zu schwingen. Hätte er nicht all das Geld und einen untadeligen Familienstammbaum im Hintergrund, wer in aller Welt würde ihn ernst nehmen?
Er war jedoch ganz offensichtlich noch ebenso verliebt in Julia wie einst. Liebenswürdig, sanft, treu und zärtlich. Wenn seine Augen auf ihr ruhten, so leuchteten sie warm, und ihre Hand hielt er so behutsam, als könne sie zerbrechen. Caesar brauchte sich nicht darum zu sorgen, ob Julias Tugend Brutus’ Leidenschaftlichkeit standhalten würde! Denn Brutus würde warten, bis sie verheiratet wären. Caesar erkannte plötzlich, daß Brutus in der Tat bis dahin warten würde — daß er bislang noch keinerlei sexuelle Erfahrungen gesammelt hatte. So würde ihm die Heirat in mehr als einer Hinsicht wohltun, sein Hauptproblem und die charakterliche Bildung Inbegriffen. Armer Brutus. Das Schicksal hatte es nicht gut mit ihm gemeint, als es ihm Servilia, diese Hyäne, zur Mutter gab. Dieser Gedanke führte Caesar automatisch zu der Frage, wie seine Julia mit Servilia als Schwiegermutter auskommen würde. Sollte seine Tochter ein weiteres Opfer der Hyäne werden, das diese zu absolutem Gehorsam zwingen würde?